Protokoll der Sitzung vom 23.08.2018

(Zurufe der Abg. Hermann Schaus und Janine Wiss- ler (DIE LINKE))

Es gab und gibt keinen „tiefen Staat“. Die Verschwörungstheorien konnten widerlegt werden. Es wurde in alle Richtungen ergebnisoffen ermittelt.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wirklich in alle Richtungen?)

Landesweit gab es keine vergleichbar intensiven Ermittlungen. Das LfV oder Temme war nicht an der Tat beteiligt. Dennoch – das sage ich auch – konnten wichtige Optimierungsansätze gefunden und realisiert werden. Ich hatte bereits darauf hingewiesen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir, dass ich mich abschließend noch bedanken möchte. Mein Dank gilt dem Ausschussvorsitzenden Herrn Hartmut Honka und dem Berichterstatter Jürgen Frömmrich, dem Ausschussbüro mit Frau Mengel und den Herren Dr. Schalk, Savvidis, Richter, Holstein und Stötzel. Mein Dank geht an die Landtagsverwaltung, stellvertretend an Frau Schnier, aber auch an alle Protokollanten und an das Personal, das für die Technik und die Sicherheit gesorgt hat, an die Vertreter der Landesregierung im Untersuchungsausschuss, an die Journalisten, Bürger und Initiativen, die den Ausschuss begleitet haben. Danke an die Polizei, und hier insbesondere an Herrn Wetzel, der die Familie Yozgat weiterhin sehr fürsorglich betreut. Danke an meine Fraktionskollegen, die die Fraktion im Ausschuss begleiteten, und die Fraktionsmitarbeiter Rebeca Kleinschmidt und Florian Schönwetter.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ganz besonders danke ich aber auch den 19 Frauen und Männern der Taskforce im Landesamt für Verfassungsschutz, die über Monate von morgens bis abends, in der Spitze im Schichtbetrieb, Millionen von Blatt Papier gelesen, gesichtet und zur Übersendung an den Untersuchungsausschuss zusammengestellt haben;

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

und das, obwohl deren Arbeit regelmäßig durch den Vorwurf der verzögerten Aktenübersendung seitens der Opposition diskreditiert wurde. Das war nicht in Ordnung.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Ich komme zum Ende, Herr Präsident. – Aufgabe der Politik und unser Anspruch ist es, Taten, wie sie der NSU begangen hat, zu verhindern und die Arbeit der Sicherheitsbehörden kontinuierlich zu verbessern. Dazu werden wir die Arbeit der Sicherheitsbehörden durch entsprechende Rahmenbedingungen auch in Zukunft bestmöglich unterstützen. – Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Es liegen mir zwei Wortmeldungen für Kurzinterventionen vor. Zunächst bitte Frau Kollegin Faeser.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wissen Sie, Herr Bellino, manchmal lohnt es sich, Dinge aufzunehmen. Sie haben hier so schön gesagt, wir hätten die Ausschussarbeit verzögert. Ich möchte doch einmal daran erinnern, was Sie im Dezember 2014 alles gemacht haben. Sie haben damals in dem einführenden Bereich „Rechtsextremismus und Arbeitsweisen der Behörden“, als es nur um die Einführung ging, eben einmal locker 24 Zeugen in einem Beweisantrag gefordert. Offensichtlich war es Ihr Ziel, den Ausschuss möglichst lang hinauszuzögern, damit man am Ende der Legislaturperiode nicht mehr weiterkommt. Auf unsere zähen Verhandlungen mit Ihnen hin haben Sie das hinterher alles zurückgezogen. Sie haben einen Beweisantrag gestellt, um Herrn Edathy vorzuladen. Das war 2014. Ich erinnere einmal daran, in welchem Lichte Herr Edathy da schon zu sehen war – und Sie haben beantragt, ihn vor dem Ausschuss zu hören.

Sie haben dafür gesorgt, dass wir monatelang keine Geheimschutzregeln bekommen haben. Sie waren es, der den gemeinsamen Antrag – den ersten Beweisantrag – nicht zugelassen hat, den wir dann gemeinsam mit der FDP und der Linkspartei gestellt haben. Sie waren es, der verzögert hat, dass wir Akten bekommen haben. Es hieß, die NSUUnterlagen, die wir hinterher öffentlich im Ausschuss behandelt haben, könne man den Abgeordneten nicht geben, weil sie auf CD seien und weil es für digitale Medien keine Vorschriften im Ausschuss gebe. – Herr Bellino, wir haben in den ersten Jahren um jedes Blatt Papier in diesem Ausschuss kämpfen müssen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das ist eine wahnsinnige Frechheit. Das ist eine derartige Behinderung der Aufklärungsarbeit, wie ich sie historisch noch nie in diesem Hause erlebt habe. Sich dann hierhin zu stellen und uns vorzuwerfen, wir hätten verzögert, ist das Allerletzte, was ich hier so nicht stehen lassen kann.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Die Zeit ist um, Frau Kollegin.

Herr Vorsitzender, wenn ich darf, will ich nur zum Schluss noch einmal zitieren, was Herr Bellino am 10. Juli letzten Jahres in der „Frankfurter Neue Presse“ gesagt hat. Ich darf den Fragesteller zitieren, der gesagt hat: Der Verfassungsschutz war 2006, im Jahr des Kasseler NSU-Mordes, gut aufgestellt, und er ist es heute umso mehr. – Herr Bellino hat daraufhin gesagt: So ist es, es gab keine Versäumnisse, Verfehlungen oder Skandale, weil unsere Sicherheitsarchitektur funktioniert hat. – Das hörte sich zum Glück heute etwas anders an. Aber was will man erwarten, wenn jemand öffentlich im letzten Jahr so etwas geäußert hat?

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Die zweite Kurzintervention kommt von Herrn Kollegen Rudolph. Bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bellino versucht darzulegen, der damalige Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission, also ich, hätte irgendetwas nicht aufgegriffen und hätte das akzeptiert, was das Ministerium mitteilt. – Das ist glatt falsch. Es gibt ein Schreiben der damaligen Staatssekretärin vom 17.10.2006 an mich als den Vorsitzenden. Sie schreibt: Im Hinblick auf die Erörterungen in den beiden letzten Sitzungen der Parlamentarischen Kontrollkommission Verfassungsschutz unterrichte ich die Kommission darüber, dass Herr Minister Bouffier der Staatsanwaltschaft Kassel nach Abwägung aller Umstände die erbetene Aussagegenehmigung für geheime Mitarbeiter des LfV nicht erteilt hat. Die Gründe hierfür können in der nächsten Sitzung der Kommission erläutert werden.

Das war jetzt kein Angebot von Dialog und Erörterungsverfahren, sondern das war eine ganz plumpe Mitteilung: Ich habe das entschieden, und ich kann gegebenenfalls in der nächsten Sitzung, die erst im Dezember 2006 war, das erläutern. – Sie erwecken den Eindruck, hier wäre irgendetwas akzeptiert worden.

Die Mitglieder der Kontrollkommission waren durchaus honorige Personen – ich erinnere mich zumindest an Herrn Hahn und Herrn Al-Wazir. Ich weiß, dass Herr Hahn die Sitzung beantragt hat auf den Bericht der „Bild“-Zeitung hin. Ich weiß nicht, wer von der CDU dabei war. Ich glaube, vielleicht war es Herr Wintermeyer oder Frau Kollegin Zeimetz-Lorz. Das spielt aber auch keine Rolle.

Wir waren überhaupt nicht eingebunden. Es gab eine Sitzung Anfang Mai 2006. Ich will das als der damalige Vorsitzende noch einmal deutlich machen. Wir wussten ja monatelang gar nicht, um was es ging, um welche Zusammenhänge es ging, dass es hier um eine Mordserie ging, die bundesweit war, und dass die Tatwaffe schon mehrfach benutzt worden war. Das war eine Woche nach dem Mord in Kassel klar. Da hätten die Alarmglocken schrillen müssen.

Was wäre denn passiert, wenn man die Kontrollkommission informiert hätte? – Ein ungeheuerlicher Vorgang, ein Mitarbeiter steht im Verdacht, er wird suspendiert – da wäre gar nichts passiert. Hier wurde über mehrere Monate vertuscht. Parlamentarier könnten ja nachfragen – das war

die Antwort des damaligen Innenministers. Das war falsch. Da es keine Aufzeichnungen über die Sitzungen gibt, weil wir ja nichts mitschreiben können, können Sie auch nicht belegen, dass wir irgendwo nachfragen konnten. Wir hatten keine Informationen. Sie haben bewusst über mehrere Monate das Parlament nicht informiert. Dieser Vorwurf bleibt. Das ist auch heute noch ein Skandal.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort hat Herr Abg. Bellino zur Beantwortung der Interventionen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich dachte eigentlich, im ersten Drittel meiner Rede dargelegt zu haben, wie intensiv wir die Arbeit des Untersuchungsausschusses unterstützt haben. Es war für uns eine Selbstverständlichkeit, dies zu tun.

(Nancy Faeser (SPD): Ja, ist klar! – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Selbstverständlich war das so. – Es bringt jetzt nichts, wenn wir uns das noch minutenlang um die Ohren hauen. Aber reflektieren Sie doch einmal, was auch die Landesbehörden aus anderen Bundesländern, auch SPD-geführten, Ihnen ins Stammbuch geschrieben haben, als es um diesen Einsetzungsbeschluss ging.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Durch uns wurde er handelbar. Hätten wir das nicht gemacht und wären wir bei dem geblieben, was vorgelegt wurde, wären wir heute noch nicht fertig.

Jetzt kommen Sie zum Zweiten her und sagen, wir hätten so viele Zeugen benannt. – Ja, wollten Sie aufklären, oder wollten Sie nicht aufklären? Natürlich haben wir Zeugen benannt. Wir sind unsere Grobstruktur durchgegangen und haben dann überlegt, welche Zeugen wir für welche Tatbestände brauchen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Linksextremismusforscher!)

Frau Wissler, Sie waren doch nicht dabei.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Natürlich war ich dabei!)

Wir haben dann aber, als wir gesehen haben, dass wir die Zeugen nicht mehr brauchen, sie zurückgezogen. Wir haben das gemacht, was jeder vernünftige Mensch macht, wenn er ein Konstrukt durchdringen will. Zunächst muss man überlegen: Wen müssen wir hören, und wen müssen wir befragen, damit wir die Erkenntnisse bekommen?

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja! Der Linksextremismusforscher war toll!)

Wenn man aber erkennt, dass die Erkenntnisse für den einzelnen Tatbestand schon reichen, dann kann man auch entsprechende Zeugenbenennungen wieder zurückziehen. Das haben wir getan. Hätten wir es umgekehrt gemacht, nämlich ein paar zu nennen und dann festzustellen, dass uns welche fehlen, dann hätte es doch länger gedauert. Dann hätte das doch eine Verzögerung des Verfahrens bedeutet,

weil man die Zeugen ja nicht von heute auf morgen einladen kann.

Eines noch, weil immer wieder gesagt wird, da wurde blockiert: Diese Landesregierung, die Polizei, der Verfassungsschutz haben nicht blockiert. 19 Menschen im Landesamt für Verfassungsschutz waren über Jahre tätig,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Die haben Akten geschwärzt!)

um zu überlegen: Wie bekommen wir die Akten aus den anderen Bundesländern? Was müssen wir schwärzen, weil das deren Recht ist, dass es geschwärzt wird? Wo sind Personendaten betroffen?

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das waren doch die eigenen Akten! Es waren doch hessische Akten, die geschwärzt wurden!)

Das wurde dort gemacht. Das wurde alles in akribischer Form getan, und es war eine Ermittlungsarbeit, die in den Ämtern, aber auch in den Ministerien geleistet wurde.

Wir wissen doch, wie viele Tonnen von Papier zusammengetragen und gesichtet werden mussten. Sie wären doch die Ersten gewesen, die dann, wenn eine Vollständigkeitserklärung erteilt worden wäre und danach noch Akten aufgetaucht wären,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Es sind doch Akten aufgetaucht!)

gesagt hätten: Da wurde jetzt aber etwas vertuscht. – Deshalb war es doch richtig, dass man gerade bei diesem sensiblen Thema mit großer Akribie und Sorgfalt gearbeitet hat. Das war der Fall.

(Beifall bei der CDU)