Protokoll der Sitzung vom 23.08.2018

len. Herr Minister, wenn wir über die realen Staubelastungen in diesem Land diskutieren, kann es nicht sein, dass Sie das mit einem „Wir tun so viel wie noch nie auf diesen Straßen“ wegwischen, mit einem „Wir bauen so viel, und deswegen gibt es Stau“. Ihre eigenen Zahlen, die wir im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr diskutieren, sagen, dass unter 20 % der Stauzeiten in Hessen auf Baustellen beruhen. Die anderen 80 % haben also mit Baustellen nichts zu tun. Herr Minister, hören Sie doch auf, es so darzustellen, dass dies die Hauptmotivation und das Problem in Hessen sei.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wir haben über viele Baustellen zu reden, im wahrsten Sinne des Wortes: bei der Infrastrukturpolitik, bei der Frage, wie man diese im Interesse der Menschen verbessern kann. Vor zwei Wochen machen Sie dann eine Jubel-PM, wir hätten etwas weniger Stauzeiten als vor einem Jahr. Ansonsten aber gilt: Meine Damen und Herren in Hessen, gewöhnen Sie sich daran, der Stau gehört zu Hessen. – Wie ambitionslos muss man sein, Herr Minister, wenn dies die Bilanz Ihrer fünf Jahre Amtszeit in Hessen ist?

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, deswegen: Liebe Landesregierung, wenn man so ambitionslos an das Thema herangeht, wenn man sich wirklich nicht den Herausforderungen des Landes draußen stellt, sondern sich die Welt schönredet und sagt: „Das ist alles nicht so schlimm, wir sind ja eifrig dabei“,

(Manfred Pentz (CDU): Sie reden die Welt ja schlecht!)

dann gehen Sie einmal hinaus ins Land und sprechen mit den Menschen. Die werden Ihnen sagen, dass 19 Jahre CDU-geführte Landesregierung diese Probleme erst geschaffen haben. Sie haben auch keine Antworten, wie Sie das in den nächsten Jahren wegbekommen.

(Beifall bei der SPD und der FDP – Lachen bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Eckert. – Keine Wortmeldung mehr. Damit ist die Aktuelle Stunde, Tagesordnungspunkt 67, behandelt.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, beruhigen Sie sich wieder, machen Sie ein paar Übungen.

Eingegangen und verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP betreffend Nutzung von Flächen für Wohnungsbau mit städtebaulichem Konzept ermöglichen – Kommunen beim Wohnungsbau unterstützen, Drucks. 19/6703. – Die Dringlichkeit wird bejaht. Das wird Punkt 79 der Tagesordnung. Diesen könnten wir ebenfalls nach dem jetzt aufzurufenden Tagesordnungspunkt 68, der Aktuellen Stunde, ohne Aussprache abstimmen. – Das ist hier Konsens.

(Günter Rudolph (SPD): Wir haben auch einen Antrag dazu!)

Das wissen wir ja. Dieser hier war neu, der SPD-Antrag ist schon aufgerufen worden.

(Günter Rudolph (SPD): Ich wollte das nur sicherstellen! – Zurufe)

Vielen Dank für den freundschaftlichen Hinweis.

Mit dem Tagesordnungspunkt 68 werden – ich sage es noch einmal für das Protokoll – Punkt 78, der Dringliche Antrag der SPD, und Punkt 79, der Dringliche Antrag der FDP, was wir jetzt behandelt haben, aufgerufen. Sind wir uns einig? – Gut, vielen Dank.

Das Wort hat der Vorsitzende der SPD, Thorsten SchäferGümbel. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst: Das war natürlich nur Ausdruck besonderer Fürsorge für Sie, und nicht anders gemeint.

Das weiß ich mit meinem hohen Alter zu würdigen.

(Heiterkeit des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Das würde ich mich nie trauen, Herr Präsident.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es gibt Geschichten, die man sich eigentlich nicht ausdenken kann, aber manchmal passieren sie wirklich. Da rufen am vergangenen Sonntag 14 Ortsverbände der Christlich Demokratischen Union in Hessen zu einer Demonstration gegen bezahlbares Wohnen in Frankfurt auf. So etwas hat Hessen schon lange nicht mehr gesehen.

(Beifall bei der SPD – Günter Rudolph (SPD): Hört, hört!)

Der Ministerpräsident schweigt dazu. Kurz davor erklären die sechs männlichen Landtagskandidaten der Union in Frankfurt – die Kollegin Judith Pauly-Bender, wenn sie noch hier gewesen wäre, hätte von einem Männerfleischskandal innerhalb der Frankfurter Union gesprochen –

(Heiterkeit bei der SPD)

ebenfalls, dass man keinen neuen Stadtteil will, weil bezahlbares Wohnen nicht die Priorität der Union in Hessen ist. Ich nenne das Wirklichkeitsverweigerung in einem Maße,

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

das schädlich ist gegenüber den Menschen, die nach bezahlbarem Wohnraum suchen.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP)

Herr Banzer, symbolträchtiger hätten Sie sich den Zielort nicht aussuchen können: ein Labyrinth. – So kommt uns die Wohnungspolitik der Hessischen Landesregierung schon länger vor. Aber dass ausgerechnet Sie sich an die Spitze dieser Bewegung stellen und jetzt Position gegen den Bau von zusätzlichen bezahlbaren Wohnungen in Hessen beziehen, das finde ich einen Treppenwitz. Ich will wiederholen, was ich gestern gesagt habe: Es ist nicht hinnehmbar, dass die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die Sie nach Frankfurt/Rhein-Main schicken, die für die Si

cherheit der Menschen in der Region sorgen, sich keine Wohnungen mehr im Großraum leisten können. Deswegen muss gebaut werden.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP)

Herr Banzer, Herr Boddenberg, es ist klar, dass es dabei auf der einen Seite um Verdichtung im Bestand und auf der anderen Seite um Ausweisung gehen muss.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Denn bei einer Nettozuwanderung im Großraum Frankfurt/ Rhein-Main von 160.000 Neubürgern in den nächsten zwölf Jahren wird es nicht ohne Ausweisung und Nachverdichtung gehen. Herr Boddenberg, dazu haben Sie sich sogar in Ihrem Koalitionsvertrag in Frankfurt mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Sozialdemokratie verpflichtet.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU) – Glockenzeichen des Präsidenten)

Dafür sind andere Bereiche in Frankfurt ausgefallen. Dass Sie jetzt acht Wochen vor der Landtagswahl aus offensichtlich populistischen Gründen demonstrieren, weil es Ihnen darum geht, dass aus Ihrer Sicht derzeit das Gemeinwohl am Gartenzaun von Herrn Banzer und anderen CDUBesserverdienern endet, das ist nicht akzeptabel. Deswegen haben wir diese Aktuelle Stunde beantragt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Klaus Peter Möller (CDU))

Herr Möller, kommen Sie nach vorne. Ich lade Sie herzlich ein, zu debattieren. – Sie können hier nicht permanent erklären, dass Sie sich für Wohnen einsetzen. Aber dann, wenn es konkret wird, verziehen Sie sich, ziehen Sie sich aus Ihrer Verantwortung zurück in Bezug auf den Frankfurter Koalitionsvertrag, in dem genau die Entwicklung solcher Flächen vorgesehen ist, wo es jetzt darum geht, die Voruntersuchungen, ob das überhaupt geht, auf den Weg zu bringen.

In dieser Situation stellt sich die hessische Union hin und erklärt: Wir wollen das alles nicht. – Damit betreiben Sie Fundamentalopposition gegen bezahlbaren Wohnraum, und ich sage Ihnen: Wir werden in den nächsten Wochen laut und deutlich zum Ausdruck bringen, dass das nicht akzeptabel ist.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Michael Bod- denberg (CDU))

Ich bleibe dabei: Was Sie hier betreiben, ist Wirklichkeitsverweigerung. Es hat Ihnen auch eine Vielzahl von Verbänden in den letzten Tagen zum Ausdruck gebracht, dass nicht akzeptabel ist, was Sie hier für ein Spiel treiben, dass es nicht akzeptabel ist, dass Sie sich Ihre eigene saturierte Situation gegen die Interessen derjenigen sichern wollen, die bezahlbaren Wohnraum suchen.

Ich bin gespannt, wo das enden wird. Ich hätte erwartet, dass der Ministerpräsident dazu etwas sagt. Aber genau dann, wenn es darum geht, an solchen Stellen Position zu beziehen, passiert gar nichts mehr. Herr Banzer, ich bin gespannt, wo das enden wird. Ich habe eine Vermutung. Die GRÜNEN werben mit ihrem Hashtag „#grünwirkt“. Dass Sie jetzt das Demonstrationsrecht gegen bezahlbaren Wohnraum entdeckt haben, ist ein interessanter Hinweis. Ich warte auf den Tag, der wahrscheinlich in den nächsten 60 Tagen noch kommen wird, an dem Sie eine Sitzblockade in der Frischluftschneise nach Frankfurt organisieren,

damit die Frankfurter unter Druck gesetzt werden, sodass das nicht kommt.

Ich sage Ihnen, für diesen Weg gibt es nur eine einzige mögliche Richtungsentscheidung: Kehren Sie um, und beenden Sie Ihre Blockade gegen bezahlbares Wohnen in Hessen.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD – Beifall bei der LINKEN und des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Vielen Dank, Kollege Schäfer-Gümbel. – Meine Damen und Herren, ich habe keine weiteren Wortmeldungen, zum Ersten, zum Zweiten. – Kollege Caspar, es langt gerade noch.

Irgendwann schließe ich es einmal – ich will es nur ankündigen –, wenn keine Wortmeldung da ist. Das betrifft alle Fraktionen. Jeder schaut und wartet auf den anderen. Nach meiner Sicht ist es dann das Beste, wir schließen,

(Günter Rudolph (SPD): Jawohl!)

wenn keine Wortmeldung mehr da ist. Wir machen es dann irgendwann. Ich will es jetzt einfach einmal sagen; nicht, dass sich dann einer beschwert. – Der Kollege Caspar hat das Wort.