Der Ministerpräsident und auch andere haben sehr viel davon gesprochen, dass Menschen unsicher sind und Sorgen und Ängste haben. Das gilt nicht speziell für Hessen, sondern das gilt für unser Land, und das gilt für viele westliche Demokratien.
Diese Sorgen speisen sich in unserem Land sicherlich auch aus dem, was in Europa passiert. Ich erinnere an den letzten Sonntag, aber auch an Ereignisse und Wahlergebnisse der letzten Jahre in europäischen Mitgliedstaaten. Wir stehen vor gewaltigen Umbrüchen der Europäischen Union – Stichwort: Brexit –, aber auch aus meiner Sicht zu Teilen nicht akzeptablem Verhalten von osteuropäischen Staaten, was die politische Führung anbelangt, den Umgang mit Rechtsstaatlichkeit, mit Pressefreiheit und anderem.
Menschen schauen Fernsehen und sehen, was auf dieser Welt passiert. Sie beobachten Herrn Trump, der aus meiner Sicht neben allem anderen, was man sonst kritisieren kann, das wesentliche fatale Signal sendet, dass Politik die Justiz verächtlich macht und nicht mehr ernst nimmt. Das halte ich für das größte Problem dieses amerikanischen Präsidenten.
Aber die Menschen schauen in diesen Tagen auch nach Idlib und sind wie ich erschüttert von dem, was sich dort abzeichnet. Wir laufen gerade auf eine neue menschliche Katastrophe zu.
Was mich und uns umtreiben sollte, ist die Tatsache, dass wir, die freien Gesellschaften, noch immer nicht die Antwort auf Despoten haben. Da rede ich nicht nur von Herrn Assad, sondern da rede ich auch von demjenigen, der ihm zur Seite steht, nämlich Herrn Präsidenten Putin.
Es ist heute über die AfD gesprochen worden. Ja, ich finde, man kann das auch so sehen – und das tue ich –, dass die AfD ein willfähriger Helfer Putins ist. Wenn Herr Gauland erklärt, dass die Krim nicht mehr zur Ukraine, sondern zur Russischen Föderation gehört und das auch so bleiben wird, dann ist ein völkerrechtswidriger Überfall jedenfalls offensichtlich für die Spitze der AfD legitimiert. Wer so Politik macht und solche Signale sendet, der ermuntert natürlich solche Diktatoren und Despoten dazu, einfach weiterzumachen.
Wir reden natürlich über die hessische Landtagswahl. Aber wir reden heute, wie ich finde, zu Recht auch über das Klima und den Hintergrund, vor dem diese Landtagswahl stattfindet. Wir reden über Dinge, die in diesen Tagen viele
Menschen beunruhigen und sorgen. Deswegen glaube ich, dass es umso wichtiger ist, dass wir auch in Hessen dem Rechnung tragen und unsere Hausaufgaben machen.
Wenn der Ministerpräsident nicht 20 Minuten, sondern zwei Stunden geredet hätte, um all Ihre Fragen zu beantworten,
hätte dieser Ministerpräsident sicherlich auch darüber geredet, dass beispielsweise die digitale Entwicklung in diesem Land – Herr Kollege Rock hat es, so glaube ich, zumindest angedeutet – nicht nur eine Frage von Infrastruktur ist. Diese Landesregierung setzt einen, so finde ich, wesentlichen Punkt, indem sie sagt: Wir brauchen einen digitalen Ethikrat, also Menschen unterschiedlicher Betroffenheiten aus der Wissenschaft, aber auch aus unterschiedlichen sozialen Milieus, von Arbeitgeberseite und von Arbeitnehmerseite, die darüber reden, wie wir eigentlich diese digitale Welt gestalten und strukturieren.
Da hinein spielt das Thema künstliche Intelligenz. Google hat Algorithmen entwickelt, die dazu führen, dass vollautomatisiert Algorithmen andere Algorithmen verbessern und optimieren. Das ist das etwas abstrakte Beispiel. Aber der Mensch, der in der Logistikabteilung eines großen hessischen Unternehmens arbeitet und liest, dass er den Gabelstapler, den er heute noch fährt, möglicherweise demnächst nicht mehr fährt, weil das ein algorithmengesteuerter Rechner macht, macht sich Sorgen. Und der Lkw-Fahrer empfindet das Gleiche.
All diese Themen führen dazu, dass sich Menschen Sorgen machen. Deswegen finde ich, bei aller Kritik, die man selbstverständlich üben kann, dass unsere Infrastruktur – das sage ich noch einmal: nicht die hessische, sondern insgesamt die nationale; Sie haben ja freundlicherweise darauf hingewiesen, dass wir da im Vergleich in Deutschland nicht schlecht dastehen – so ist, dass all das dazu führt, dass Menschen zu Recht fragen, wo es denn hingehen soll.
Wir haben uns in dieser Legislaturperiode viel vorgenommen – neben dem, dass wir dieses wirtschaftsstarke Land weiterentwickeln wollen, vom Flughafen bis zu den Themen Verkehr, Mobilität und vielem anderen. Wir werden in dieser Woche noch Gelegenheit haben, über das eine oder andere zu reden – übrigens auch über die Fragen, die teilweise nur angedeutet wurden, beispielsweise die von Herrn Rock thematisierte Zuwanderung von Fachkräften, Fragen der Asylpolitik und das Thema sichere Herkunftsstaaten. All das werden wir in dieser Woche zum Thema haben. Wir werden auch über das Thema Diesel sprechen; die GRÜNEN haben das zu ihrem Setzpunkt gemacht. Das finde ich in Ordnung. Am ersten Tag der Plenarsitzungswoche hier den Vorwurf zu erheben, wir hätten zu all diesen Themen nichts zu sagen, ist absurd.
Die Hessische Landesregierung, die CDU-Fraktion und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben sich in dieser Legislaturperiode auch und gerade um diejenigen gekümmert, die nicht ganz so gute Voraussetzungen und Chancen haben. Das können Sie in der Schulpolitik sehen. Ich bleibe dabei: Für mich ist einer der schönsten Erfolge der hessischen Schulpolitik, dass wir bei der Zahl der Menschen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, in Deutschland ganz vorne liegen – im positiven Sinne. Das ist eines der schönsten Ergebnisse unserer Bildungspolitik.
Ich will ein weiteres tolles Ergebnis unserer Bildungspolitik nennen. Das Thema „Deutsch auf Schulhöfen“ ist bereits thematisiert worden. Glauben Sie im Ernst, dass es für mich persönlich wichtig ist, dass auf Schulhöfen Deutsch gesprochen wird? Nicht deshalb, weil ich es gerne so hätte, sondern weil es klug ist, bitten wir die Schulgemeinschaften, darüber nachzudenken – da das Beherrschen der Sprache nun einmal der zentrale Zugang zu allem in unserer Gesellschaft ist –, ob auf dem Schulhof nicht eher Deutsch gesprochen werden sollte, um die Sprachkenntnisse zu verbessern.
Wir hatten eine große Debatte in diesem Land, als der damalige Ministerpräsident und wir vor zehn oder zwölf Jahren gesagt haben: Wer in die Schule gehen will, wer eingeschult werden will, der muss ein bestimmtes Kompetenzlevel hinsichtlich der deutschen Sprache mitbringen, sonst hat er keine Chance. – Was sind wir damals dafür beschimpft worden. Diese Politik hat aber dazu geführt, dass der Prozentsatz der Migrantenkinder an den Kindern, die die 1. Klasse wiederholen mussten, innerhalb von rund zehn Jahren von 45 % auf heute 18 % gesunken ist. Das zeigt doch, dass all das, was wir in WIR-Programmen und in InteA-Klassen machen, zentrale Baustellen sind.
Wenn Sie jetzt fragen, was wir in der nächsten Legislaturperiode vorhaben, dann antworte ich: Wir müssen und werden noch besser werden, damit noch mehr junge Menschen, aber auch Menschen unterschiedlicher Generationen, die in diesem Land arbeiten wollen, die nicht aus Spaß an der Freude, sondern aus bitterer Not zu uns gekommen sind und längere Zeit hierbleiben werden, einen Arbeitsplatz finden. Frau Wissler ist gerade nicht an ihrem Platz; ich gebe zu, ihre Vorwürfe regen mich manchmal auf. Kann man sich nicht einfach einmal darüber freuen, dass von den 45.000 Menschen, die zu uns gekommen sind, die in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen, inzwischen 15.000 einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz haben? Kann man sich darüber nicht freuen, ohne gleich wieder mit dem Thema prekäre Beschäftigungsverhältnisse daherzukommen?
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Manfred Pentz (CDU): Immer nur meckern und maulen!)
Es treibt die Menschen in unserem Land um, dass aus Gründen politischer Opportunität Stimmungen erzeugt werden, dass jeder noch so gute und wichtige Erfolg am Ende klein- und schlechtgeredet wird. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich das an der Stelle laut und deutlich sage.
Herr Kollege Schäfer-Gümbel, ich lasse jetzt vieles von dem weg, was Sie gesagt haben. Wir werden in dieser Woche noch Gelegenheit haben, über das zu reden, was wir mit unserem Sozialbudget von 100 Millionen € verändert haben. Wir haben 2005 – damals waren die GRÜNEN nicht mit in der Regierung, wir hatten die absolute Mehrheit – die Frage der Generationengerechtigkeit beantwortet. Sie können unsere Antwort für falsch halten, aber ich meine, dass man die Sorgen, die die Menschen haben, gerade junge Menschen, was eigentlich passiert, wenn man weiterhin, wie in den letzten 30 Jahren, 500 Millionen €, 800 Millionen € oder 1 Milliarde € neue Schulden macht, ernst nehmen muss. Da wahrscheinlich gleich das Argument kommt – Sie haben sich ja zu Wort gemeldet –, dass die CDU mehr Schulden gemacht habe als die SPD: Dafür haben wir siebenmal mehr Geld als Sie in den Länderfi
nanzausgleich gezahlt. Wir hätten Schulden in Höhe von 20 Milliarden € abbauen können, wenn das nicht gewesen wäre.
All das sei Ihnen geschenkt. Lassen Sie uns weiterhin darüber streiten, was wir uns leisten können, was wir uns leisten müssen, um gerade schwächere Menschen zu unterstützen und zu fördern – ohne dabei aus dem Auge zu verlieren, dass die Generationengerechtigkeit eine zentrale Frage und kein Selbstzweck ist. Wir haben die Schuldenbremse nicht aus Daffke in die Hessische Verfassung und in das Grundgesetz aufgenommen, auch nicht deshalb, weil wir Menschen ärgern wollen, sondern deshalb, weil es wichtig ist, dass die Menschen wissen, dass sie auch in Zukunft darauf vertrauen können, dass der Staat, die öffentliche Hand, handlungsfähig ist.
Ich will ein Letztes sagen. Wir haben noch ein paar Tage in dieser Legislaturperiode, und es finden auch noch nach dem 28. Oktober Termine statt. Insofern ist das heute keine Schlussrede eines Fraktionsvorsitzenden, und es wird Freude machen, in dieser Woche auch noch über andere Themen zu diskutieren. Aber da wir in der Generaldebatte sind, möchte ich trotzdem Folgendes sagen. Die beiden Regierungsparteien, die CDU und die GRÜNEN, haben in dieser Legislaturperiode zusammengearbeitet und haben gezeigt, dass manches Scharmützel, mancher Grabenkrieg und manche ideologische Auseinandersetzung aus der Vergangenheit zur Seite geschoben werden können – nicht unter Aufgabe der grundsätzlichen eigenen Position, aber in einer Zusammenarbeit unter Vertragspartnern auf Augenhöhe –, um das Wesentliche zu erreichen, nämlich eine Politik in diesem Lande zu machen, bei der die Menschen erkennen, dass wir handlungsfähig und in der Lage sind, dieses Land nach vorne zu bringen.
Herr Warnecke, danke für Ihre Zwischenrufe aus der letzten Reihe. Sie können meine Ausführungen gern mit humoristischen Einlagen kommentieren; das ist ja ein Teil Ihres Charakters, den ich ansonsten ganz okay finde. – Ich finde aber schon, es ist ein Wert an sich, dass das gelungen ist und dass wir am Ende dieser Legislaturperiode sagen können, dass das Land Hessen in Summe gut dasteht, ohne dass wir jemals behaupten würden, dass alles schon erledigt sei,
ohne dass wir behaupten würden, dass es in Hessen keine Menschen gäbe, die es schwer haben. Um diese Menschen müssen wir uns weiterhin besonders kümmern. Wir haben noch Langzeitarbeitslose in diesem Land, und es treibt mich um, zu hören, wenn Frau Wissler hier von jungen Menschen spricht, die keine Perspektive haben oder die in prekären Beschäftigungsverhältnissen, in befristeten Arbeitsverhältnissen stecken. Ich gehöre einer Partei an, die immer gesagt hat, dass die Flexibilität des Arbeitsmarktes in gewissem Umfang notwendig ist. Wir werden weiterhin schauen, ob diese Flexibilität von der Wirtschaft so genutzt wird, dass sie dem Ziel dient. Das ist doch ein Streit, den wir weiterhin gerne führen können.
Aber lassen Sie am Ende dieser Legislaturperiode den Satz stehen: Der Ministerpräsident hat recht, noch nie hatten in diesem Land gerade junge Menschen so viele Perspektiven.
Jeder findet einen Ausbildungsplatz. Jeder findet einen Platz, sein Studium zu absolvieren, wenngleich vielleicht nicht dort, wo er will. Wir können den jungen Menschen von heute aber sagen: Wir sind dabei, die Sünden der Vergangenheit aufzuarbeiten, z. B. den Haushalt zu konsolidieren. Wir schöpfen Kraft, dass auch die uns Nachfolgenden noch gestalten können. Die jungen Menschen haben Zugang zu Bildung. Wir haben Sackgassen und Stoppschilder abgebaut. Ich verweise auf das Beispiel, dass heute auch in der beruflichen Bildung Abschlüsse erreicht werden können, die zu einem Studium berechtigen. Das machen einige, und das ist auch gut und wichtig so.
Ich mache einen großen Strich darunter: Ich bin sehr zufrieden mit dem Zustand dieses Landes, und ich bin gemeinsam mit meinen Parteifreunden und dem Ministerpräsidenten der Meinung, dass wir diese Zufriedenheit heute feststellen können. Gleichzeitig müssen wir aber auch Kraft, Mut und Kreativität haben und in Programmen niederlegen, um zu zeigen, dass wir mit diesem Land noch ganz viel vorhaben. Es gibt viel zu tun in diesem Land, und wir bewerben uns darum, dass wir Hessen auch in den nächsten fünf Jahren maßgeblich mitgestalten können.
Ich danke Ihnen herzlich fürs Zuhören. Weil ich gerade dabei bin: an der Stelle auch einmal einen herzlichen Dank für die in aller Regel faire Auseinandersetzung hier im Hause. In diese Aussage beziehe ich eigentlich alle Oppositionsfraktionen mit ein.
Bei der Gelegenheit auch einen herzlichen Dank an unseren Koalitionspartner. Wir haben noch ein bisschen zu tun; denn die Legislaturperiode endet erst am 18. Januar 2019. Bis dahin wollen wir fleißig arbeiten und in dieser Woche noch trefflich streiten. Ich danke Ihnen fürs Zuhören und wünsche Ihnen einen schönen Abend.
Danke, Herr Boddenberg. Ich habe die Danksagung jetzt nicht unterbrochen. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Schäfer-Gümbel, Vorsitzender der SPD-Fraktion, gemeldet.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Lieber Michael Boddenberg, ich habe mir abgewöhnt, mich über euch zu ärgern. Dennoch will ich gern zu zwei Punkten etwas sagen.
Erstens. Ja, wir haben über die Frage dieser Demonstration geredet. Und ja, ich bin nicht restlos von der Klugheit die
ser Demonstration überzeugt gewesen. Deswegen habe ich dort auch eine andere Rede gehalten, als viele erwartet hatten. Genauso wenig war ich allerdings, nachdem ich die Regierungserklärung vom heutigen Tag gelesen habe, von der Klugheit dieser Regierungserklärung, auch und gerade im Umgang mit den Rechtspopulisten, überzeugt. Das war der Gegenstand meiner Ausführungen.
Zweitens. Bei der Frage der „Operation düstere Zukunft“ ist mein Problem nicht gewesen, über Generationengerechtigkeit zu reden, sondern, dass manche Vorgänge innerhalb dieser „Operation düstere Zukunft“ für mich weder politisch noch anders nachvollziehbar waren, beispielsweise wenn man auf der einen Seite Mittel für die Migrationsberatung und die Frauenhäuser streicht, aber gleichzeitig mit einer windigen Konstruktion versucht, für die Geweihsammlung im Schloss Erbach im Odenwald Mittel zur Verfügung zu stellen. Das ist zumindest ein Problem gewesen.
Damit komme ich zur letzten Bemerkung. Wir haben hier in der Tat über die Frage Blockupy geredet. Ich habe nach meiner Rede zum Thema Blockupy viele Rückmeldungen aus Ihrer Fraktion bekommen, und ich habe auch Rückmeldungen von der LINKEN bekommen, die deutlich anders waren.
Haltungsfragen dürfen niemals taktisch sein. Das ist mein Problem mit Ihrer Bemerkung zum Thema „Feine Sahne Fischfilet“. Das ist die Band, um die es geht. Ich sage das deswegen so klar, weil am 13. August 2016 die Generalsekretärin der Bundes-CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer,
auf dem „Rocco del Schlacko“-Konzert war, auf dem „Feine Sahne Fischfilet“ ausführlich gespielt hat, und danach auf Twitter geschrieben hat: „einfach nur wow!“