Protokoll der Sitzung vom 12.09.2018

Jetzt komme ich noch einmal zu dem, was immer wieder im Raum steht. Die Vertreter von CDU und GRÜNEN sagen immer wieder: Was wollt ihr Sozialdemokraten eigentlich? Es werden doch alle Anträge auf Ganztag genehmigt. – Das hat etwas damit zu tun, dass den Schulträgern vom Land ein Ressourcenkontingent zur Verfügung gestellt wird, im Rahmen dessen sie Anträge stellen können. Auf die Kleine Anfrage, Drucks. 19/3007, hat der Kultusminister höchstpersönlich geantwortet:

Der jeweilige Schulträger kennt die vom Land Hessen pro Schuljahr zur Verfügung gestellten Ganztagsressourcen und bündelt bzw. priorisiert dementsprechend die ihm vorliegenden Anträge der

Schulen in seinem Antrag an die Landesregierung. Da die Schulträger im Hinblick auf die Weiterleitung von durch sie als nicht prioritär befundenen Ganztagsanträgen eine unterschiedliche Praxis pflegen, lässt sich von Landesseite aus nicht ermitteln, wie hoch die Anzahl der an einer Ganztagsentwicklung interessierten Schulen tatsächlich ist.

Der Kultusminister weiß also gar nicht, wie hoch der Bedarf ist,

(Günter Rudolph (SPD): Der weiß auch sonst nichts!)

aber er weiß, dass er gedeckt ist. Das passt nicht zusammen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb muss das Ressourcenkontingent erhöht werden. Wir müssen uns auch einmal fragen, warum nicht alle Schulen, die einen Riesenbedarf haben, einen Antrag auf Ganztag stellen. Das hat auch ganz viel mit der baulichen Situation zu tun. Vielen Schulen fehlt es an Mensen, an Lehrkräftearbeitsplätzen, an Sozialräumen usw. Das hat etwas damit zu tun, dass die Schulträger in den vergangenen Jahren kaputtgespart wurden und gar nicht die Möglichkeit haben, ihre Schulen zu modernisieren und auf die Höhe der Zeit zu bringen.

(Beifall bei der SPD)

Auf unsere Anfrage: „Wie ist denn der Investitionsbedarf, wie sieht die bauliche Struktur der Schulen aus?“, antwortet der Kultusminister, das wolle er gar nicht wissen, denn er wolle nicht in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen, und verschließt die Augen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Günter Ru- dolph (SPD): Minister Ahnungslos!)

Meine Damen und Herren, auch wir wollen nicht in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen. Aber wenn wir einen Anspruch haben, unsere Schulen weiterzuentwickeln, müssen wir doch auch die Schulträger unterstützen, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen.

Kollege Degen, kommen Sie bitte zum Schluss.

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Wir müssen die Bedingungen auch für den Ganztag verbessern – das hat auch etwas mit Leitungszeit zu tun –, und wir müssen unsere Schulen endlich modernisieren: inhaltlich, in der Verwaltung, baulich, aber auch von solchen Unterstützungsstrukturen her.

Meine Damen und Herren, moderne Schulen sind Ganztagsschulen, sie sind die Zukunft, und wir wollen diese Zukunft jetzt machen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Kollegin Faulhaber, Fraktion DIE LINKE.

(Die Rednerin fährt das Rednerpult herunter.)

Ich wusste gar nicht, dass er auch so groß ist.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst einmal sind die Forderungen der SPD sehr richtig. Aus vielen Gründen wäre ein Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbeschulung überfällig, und zwar nicht allein für die Ganztagsbetreuung, also für die Planungssicherheit berufstätiger Eltern, wie das jetzt auch vorgetragen ist, sondern weil eine Ganztagsschule in der Lage ist, Bildungshindernisse abzubauen. Es geht in dieser Frage nämlich auch um Bildungsgerechtigkeit.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Christoph Degen (SPD))

Seit Jahren kritisieren wir, dass sich beim Ausbau echter Ganztagsschulen in Hessen so gut wie nichts tut. Wir haben leider auch wenig Hoffnung, dass es nach dem 28. Oktober besser wird, solange eine schwarz-grüne oder vielleicht schwarz-grün-gelbe Koalition regieren wird.

(Armin Schwarz (CDU): Sie hofieren schon die FDP hier!)

Meine Damen und Herren, der Frust über einen Minister, der nach dem Motto „nichts sehen, nichts hören, nichts wissen“ vorgeht, ist in der letzten Zeit drastisch gestiegen; denn es passiert nichts. Das gilt nicht nur, was den Ganztag angeht. Aber gerade für den Ganztag gilt: Die Mogelpackung „Pakt für den Nachmittag“ ist und bleibt lediglich ein Betreuungsprogramm. Hinter den pädagogischen und erzieherischen Möglichkeiten echter Ganztagsschulen bleibt diese Sparausführung um Lichtjahre zurück.

(Beifall bei der LINKEN)

Erziehungswissenschaftliche Erkenntnisse werden überhaupt nicht beachtet. Wie so oft, wurde ein Paket geschnürt. Das hat ein schönes Etikett und eine schöne Verpackung. Aber damit wird nur der sehr dürftige Inhalt zugedeckt; da ist nämlich wenig drin. Herr Degen hat auch schon darauf hingewiesen: Durch die Hintertür wurde mit dem Pakt sogar wieder Schulgeld eingeführt, und das ist völlig unakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Christoph Degen (SPD))

Von alldem abgesehen, ist das auch kein Erfolgsmodell, wie Sie das hier immer darstellen wollen, manchmal sogar euphorisch bejubeln. Der heiß geliebte Pakt wird immer als Leuchtturm der hessischen Bildungspolitik dargestellt. Aber wenn man sich einmal die Bilanz anschaut, fällt auf, dass das Loben gar nicht viel gebracht hat. Nur rund 20 % aller hessischen Grundschulen nehmen an diesem Pakt teil – und größtenteils mit den gleichen Kooperationspartnern, mit denen sie vorher schon gearbeitet hatten, jetzt nur unter neuem Namen. Noch nicht einmal 2 % der Grundschulen in Hessen sind echte Ganztagsschulen. Wie gesagt, rund 20 % sind Paktschulen, auch keine echten Ganztagsschulen.

Nach fünfjähriger schwarz-grüner Bildungspolitik ist das ein mageres Ergebnis. Das wird vor allem vom hessischen Kultusminister und von Herrn Schwarz in Dauerschleife als überragender Erfolg verkauft. Wenn das der Erfolg ist, dann herzlichen Glückwunsch.

(Beifall bei der LINKEN – Minister Prof. Dr. R. Alexander Lorz: Danke!)

Meine Damen und Herren, sieht man sich an, was sonst bildungspolitisch in Hessen Sache ist, könnte der Pakt tatsächlich das Beste und das Erfolgreichste sein, was umgesetzt worden ist: bei 2 % Ganztagsgrundschulen und 20 % Paktbeteiligung. Das muss man sich vorstellen. Denn entgegen Ihrer rosaroten Sicht sieht es in der Realität gar nicht so rosa aus. Es gibt einstürzende und schimmelnde Schulgebäude, neuerdings sogar mit Kakerlakenbefall, Lehrermangel in einem Ausmaß, den selbst die beste Verschleierungstaktik nicht mehr verbergen kann, Überlastungsanzeigen und Brandbriefe von Hunderten Lehrerinnen und Lehrern, übrigens alle unbeantwortet.

(Zurufe des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Reden Sie nicht dazwischen.

Kollegin Faulhaber, ich darf dazwischenreden. Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, mache ich nicht. – Ein Schülerticket, das für schreiende Ungerechtigkeit sorgt, ein Boom an Privatschulen in den Ballungsgebieten, da die staatlichen Schulen sowohl personell als auch räumlich völlig unzureichend ausgestattet und die Kollegien überfordert sind; und der Unterrichtsausfall ist Alltag an hessischen Schulen. Das wurde hier schon öfter diskutiert.

Meine Damen und Herren, ich verstehe gut, dass Sie sich jetzt vor der Wahl Hoffnung machen, dass Sie für die 2 % Ganztagsgrundschulen und die 20 % Paktbeteiligung nicht nur von sich selbst gelobt werden wollen. Aber Ihre Hoffnung können wir leider nicht erfüllen, Herr Lorz und Herr Schwarz.

(Beifall bei der LINKEN)

Das sind nämlich nicht nur kleine Unterlassungen, die seit Jahren in der hessischen Bildungspolitik stattfinden. Echte Ganztagsschulen wurden von Ihnen aus ideologischen Gründen eher ignoriert, und stattdessen hätten Sie lieber eine Elitebildung nach vorne getrieben. Es ist nur die Nachfrage auch aus Ihrer Klientel nach Ganztagsschulen, und zwar genau wegen der Betreuungssicherheit und der Berufstätigkeit, die überhaupt etwas bewegt hat. Doch Ihr Sparpaket wird dem Thema Ganztag überhaupt nicht gerecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei sind Ganztagsschulen nicht nur ein hübsches Hirngespinst der Opposition. Es gibt tatsächlich sehr viele Gründe für die Ganztagsschulen, pädagogische und soziale. Auch in Hessen ist der Zusammenhang zwischen sozialem und finanziellem Status der Herkunftsfamilie und dem späteren Bildungsweg stark ausgeprägt. Kinder aus benachteiligten Familien, aus armen Familien oder aus Familien, die vor Krieg und Zerstörung geflohen sind, haben keineswegs die gleichen Chancen, weder was ihre Bildungsbiografie insgesamt betrifft, noch im Hinblick auf

solche Sachen wie: Sie können kein Instrument spielen, weil sich ihre Eltern weder ein Klavier noch eine Gitarre leisten können. Sie besuchen keine Museen, sie sind nicht im Sportverein aktiv, weil das alles Geld kostet.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Meine Damen und Herren, wenn man Schulen als Ort des Lebens betrachtet – und das tun wir –, dann dürfen diese gesellschaftlichen Verwerfungen überhaupt nicht ausgeklammert werden. Dann ist es eine Kernaufgabe der Bildungspolitik, sich dem zu stellen und diese Ungleichheit so weit wie möglich abzumildern.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist erziehungswissenschaftlich schon weitgehend diskutiert: Das klappt am besten mit Ganztagsschulen, noch besser mit integrierten und ganztägig arbeitenden Gesamtschulen. Am allerbesten würde es mit einer Gesamtschule klappen, die gebunden oder teilgebunden ganztägig arbeitet, und zwar von der 1. bis zur 10. Klasse.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir unterstützen diesen Antrag der SPD, und wir möchten betonen, dass ein Landesinvestitionsprogramm nicht nur für den Ganztag notwendig ist. Unserer Meinung nach braucht es in den nächsten Jahren eine deutliche Investitionsoffensive für die Bildung in Hessen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Wagner, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Der Redner fährt das Rednerpult hoch. – Christoph Degen (SPD): Kann man das mit der Reihenfolge nicht besser absprechen?)