Protokoll der Sitzung vom 12.09.2018

Dagegen ist unsere Möglichkeit der Wahlfreiheit die bessere Alternative. Denn bei der Umstellung zu wiederkehrenden Straßenausbaubeiträgen können sie eine großzügige Verschonungsregel von bis zu 25 Jahren einführen. Beitragszahler aus der Vergangenheit können hier ihre gezahlten Beiträge verrechnen. Sie werden von der jährlichen Zahlung bei wiederkehrenden Straßenausbaubeiträgen einfach verschont.

(Zurufe von der SPD – Glockenzeichen des Präsi- denten)

25 Jahre lang müssen diejenigen, die gezahlt haben, nicht zahlen. Das ist keine perfekte Lösung, aber immer noch besser als „Pech gehabt“.

Meine Damen und Herren, weil wir eine bessere Lösung beschlossen haben, wollen wir Ihren Gesetzentwurf ohne eine weitere Ausschussberatung bereits in erster Lesung ablehnen. Das ist gemäß § 14 Abs. 1 unserer Geschäftsord

nung ein ausdrücklich zugelassenes Vorgehen im Parlamentsbetrieb, das ich hiermit beantrage.

CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP haben eine gute und tragfähige Lösung für Grundstücksbesitzer und Kommunen gefunden, die ich wie folgt zusammenfassen darf.

(Zurufe von der SPD – Gegenruf des Abg. Holger Bellino (CDU): Komiker aus der letzten Reihe! – Glockenzeichen des Präsidenten)

Wir haben Vertrauen in die Entscheidungsfreiheit der Kommunen. Wir stärken die kommunale Selbstverwaltung. Vor Ort muss eine tragfähige Form der Finanzierung des gemeindeeigenen Straßennetzes gefunden werden. Wir sind uns sicher, dass die Kommunen das auch leisten können; denn wir haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass wir nicht nur durch die Reform des Kommunalen Finanzausgleichs die Kommunen derart stärken, dass sie das auch aus eigener Kraft leisten können. Wir haben ein bundesweit einmaliges Entschuldungsprogramm, nämlich die Hessenkasse, mit über 5 Milliarden € aufgelegt. Wir haben Investitionshilfen gewährt. Der Kommunale Finanzausgleich ist im kommenden Jahr mit über 5 Milliarden € so hoch wie nie zuvor. Die Kommunen können selbst entscheiden, was sie mit dem Geld machen. Sie können auch die Beiträge abschaffen und somit die Bürgerinnen und Bürger entlasten. Wir brauchen Ihr Gesetz nicht. Wir haben schon längst ein besseres beschlossen. – Besten Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Vielen Dank, Kollege Bauer. – Das Wort hat der Abg. Hermann Schaus, Fraktion DIE LINKE.

(Zurufe – Manfred Pentz (CDU): Das ist ja wie im Zirkus!)

Einen Moment, Kollege Schaus. – Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, sich wieder etwas zu beruhigen. Es ist jetzt nach 12 Uhr, da kann man wieder etwas ruhiger werden. Kollege Schaus hat das Wort.

(Zurufe)

Seid ihr fertig? – Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ärger ist groß, wenn die Eigentümerinnen und Eigentümer, die an grundsanierten Ortsstraßen ein Grundstück besitzen, von der Stadt- oder Gemeindeverwaltung eine hohe Zahlungsaufforderung erhalten. Je nach Nutzung der Straße können Kommunen derzeit bis zu 75 % der gesamten Straßenausbaukosten auf die Anlieger umlegen.

Die Entscheidung, wie eine Anliegerstraße grundsaniert wird, trifft die Kommune oft ohne vorherige Beteiligung der Anlieger. Die Kostenberechnungen sind für die Betroffenen oft unverständlich, insbesondere dann, wenn zusätzlich auch noch das Kanalnetz oder Versorgungsleitungen mit erneuert werden.

Da sind dann vielfach Summen zwischen 10.000 € und 120.000 € fällig. Das ist Geld, das die meisten gar nicht haben. So müssen sie dafür zusätzliche Kredite aufnehmen, die aber – Kollege Rudolph hat darauf hingewiesen – älteren Menschen gar nicht mehr gewährt werden.

In der Plenarwoche im Mai wurde hier der Gesetzentwurf von CDU, GRÜNEN und FDP zur Änderung der Regelung zur Erhebung der Straßenbeiträge beschlossen. Im Juni lehnte die gleiche Landtagsmehrheit unseren alternativen Gesetzentwurf zur kompletten Abschaffung der ungerechten Straßenbeiträge in dritter Lesung ab.

Wir sind der Meinung, dass der beschlossene Gesetzentwurf weder für die hessischen Kommunen noch gar für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger eine gute Lösung ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Die von Ihnen beschlossene Änderung, aus der bisherigen Sollvorschrift eine Kannvorschrift zu machen, nutzt lediglich den Kommunen, die bislang keine Straßenbeiträge erhoben haben und diese auch nicht erheben müssen, um einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können.

Schlimmer noch: Dank unserer sogenannten Hessenkasse sollen die Kommunen auch noch Geld für schlechte Zeiten ansparen. Das bedeutet, selbst dann, wenn eine Kommune derzeit schwarze Zahlen schreibt, wird sie kaum davon absehen können, auf diese Einnahmequelle zu verzichten, damit sie mehr Geld sparen kann, um in schlechten Zeiten etwas zu haben.

Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist in vielfacher Hinsicht ungerecht. Zunächst einmal zahlen alle Anlieger beim erstmaligen Bau der Straße Erschließungsbeiträge. Zudem müssen Anwohner von Kreis-, Landes- oder Bundesstraßen gar keine Beiträge zahlen. In vielen Städten wie beispielsweise in Frankfurt, Wiesbaden oder Eschborn werden keine Beiträge erhoben. Pech also, wer ausgerechnet an einer Ortsstraße sein Haus hat. Der Protest in Hessen gegen diese ungerechten Straßenausbaubeiträge wird immer stärker. In mehr als 50 Städten und Gemeinden haben sich mittlerweile Bürgerinitiativen gebildet, die vor Ort aktiv sind und bei zahlreichen Aktionen die generelle Abschaffung zu Recht fordern, und das ist gut so, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit viel Engagement und noch mehr Kreativität wird hessenweit landauf, landab gegen die ungerechte Strabs mobil gemacht. Ich freue mich sehr, dass Vertreter dieser Bürgerinitiativen heute Gäste auf der Zuschauertribüne sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie vertreten die Interessen der Betroffenen und sollten auch entsprechendes Gehör finden.

Aufgrund des intensiven Drucks aus der Bevölkerung haben im Mai 2018 CDU, GRÜNE und FDP im Landtag ihre kleine Gesetzesnovelle vorgenommen, die aber für die Betroffenen kaum eine Verbesserung ihrer Situation mit sich bringt. Sie haben damit auf Beruhigung bei den Betroffenen gehofft. Das ist aber zu Recht gründlich schiefgegangen.

(Zuruf von der SPD: Stimmt!)

Herr Hahn,

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Hier!)

das ist eben nicht so. Ihre These stimmt nicht, dass sich die Situation beruhigt hat. Vielmehr verschärft sich die Situation immer mehr, und die Diskussion wird in die Kommunen getragen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir hatten Ihnen hingegen einen alternativen Gesetzentwurf vorgelegt, der die vollständige Abschaffung der Straßenbeiträge vorsieht. Am Vorbild Berlin, Hamburg und Bayern sollte sich auch Hessen ein Beispiel nehmen. Zwischenzeitlich wird auch in Thüringen und in Brandenburg über die Abschaffung der Strabs beraten.

Die bisherigen Einnahmen der Kommunen aus Straßenausbaubeiträgen beliefen sich in den vergangenen Jahren auf jährlich 36 Millionen € bis 39 Millionen €. Es wäre also für das Land völlig unproblematisch, den Kommunen im Rahmen eines Sonderfonds zweckgebunden die Einnahmeausfälle aus den Straßenausbaubeiträgen jährlich zu erstatten. Das wäre selbst nach Ihrer Rechtsauffassung verfassungskonform, Herr Hahn, wenn ich das richtig sehe.

Die im Mai beschlossene Regelung zu einmaligen finanziellen Anreizen, die Städte und Gemeinden dazu bewegen, nun wiederkehrende Straßenbeiträge zu erheben, ist gescheitert und wird zu Recht nicht von den Betroffenen und den Kommunen akzeptiert. Auch wenn Sie immer wieder das Gegenteil behaupten, Herr Bauer: Das findet nicht statt. In den Kommunen findet momentan nur eine Abschaffung zulasten der Kommunen statt. Danach aber sollen alle Eigentümer in einer Gemeinde oder in einem Stadtteil, auch wenn sie nicht an den sanierten Straßen wohnen, zahlen. Das sind dann zwar kleinere Beiträge. Aber werden die Straßen in dem Gebiet Jahr für Jahr grundsaniert, dann werden jedes Mal Kosten auf alle umgelegt. Dies kann zu einem zusätzlichen Dauerbeitrag von mehreren Hundert Euro pro Jahr und Grundstück führen, und das lehnen wir als LINKE eindeutig ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Die SPD hat heute erneut einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Straßenbeiträge vorgelegt. Wir begrüßen es, dass die SPD nun auch klar gegen die ungerechte Beitragserhebung Stellung bezieht. Dies hat etwas gedauert, wenn ich das sagen darf, und war bei der Anhörung zu den Gesetzentwürfen am 12. April nicht ganz so klar. Wir unterstützen den SPD-Gesetzentwurf, auch wenn wir mit dem Finanzierungsvorschlag nicht ganz konform gehen. Denn anders als die SPD denken wir, dass es ausreichend wäre, die Mittel ausschließlich den ärmeren Kommunen zur Verfügung zu stellen, denen also, die derzeit Straßenbeitragssatzungen erlassen haben. Städte wie z. B. Eschborn, Frankfurt oder auch Wiesbaden,

(Alexander Bauer (CDU): Frankfurt ist eine arme Kommune?)

die nie Straßenbeiträge erhoben haben, brauchen unserer Ansicht nach solche Mittel nicht. Es wäre einfacher gewesen, unseren Gesetzentwurf, der bei vielen Kommunen und bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern auf Zustimmung gestoßen ist, im Mai anzunehmen und an dieser Stelle dem Beispiel von Bayern zu folgen.

Ich komme zum Schluss. Der vorliegende Gesetzentwurf der SPD wird wohl nicht mehr bis zum Ende der Legislaturperiode abschließend beraten werden können. Wie dem auch sei – wir bleiben weiter dran. DIE LINKE wird sich auch im neuen Landtag für die komplette Abschaffung der

ungerechten Straßenbeiträge und für die Finanzierung dieser Beiträge durch das Land einsetzen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Kollege Schaus. – Das Wort hat Frau Abg. Goldbach, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn es der SPD ernst gewesen wäre mit einer richtigen Befassung des Landtags mit dem Thema Straßenbeiträge, dann hätte sie ihren Gesetzentwurf nicht im September eingebracht.

(Zurufe von der SPD: Frechheit! – Weitere lebhafte Zurufe von der SPD)

Dies ist, wie wir wissen, die letzte Plenarsitzung vor der Landtagswahl.

(Norbert Schmitt (SPD): Das gibts doch gar nicht! – Weitere Zurufe von der SPD – Glockenzeichen des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, es gibt alles. Deshalb bitte ich jetzt um Aufmerksamkeit. Frau Kollegin Goldbach hat das Wort. – Bitte.

Ich habe die erneute Einbringung des Gesetzentwurfs erwartet, aber schon im August. Dann hätten wir Zeit gehabt, ihn im Ausschuss zu diskutieren, wir hätten vielleicht sogar noch eine Anhörung diskutieren können.

(Anhaltende Zurufe von der SPD – Glockenzeichen des Präsidenten)