Wieder einmal zeigt sich: Der sogenannte „Verfassungsschutz“ hat keine Sicherheitslücke im Kampf gegen rechts. Er ist eine Sicherheitslücke. Das hat der NSU doch gezeigt.
Mittlerweile wissen wir, dass es im direkten Umfeld des NSU über 40 V-Männer der Verfassungsschutzbehörden gegeben hat. Über das V-Mann-System ist viel Geld in die rechte Szene geflossen. Der Staat muss doch endlich aufhören, Neonazis dafür zu bezahlen, dass sie Neonazis sind. Aber statt Konsequenzen zu ziehen, bekommt auch das hessische Landesamt mehr Mittel und mehr Befugnisse. Die Zusammenarbeit mit kriminellen V-Leuten wurde legalisiert, und das Landesamt für Verfassungsschutz darf jetzt auch 14-Jährige überwachen; vielleicht kann man dazu V-Kinder anwerben.
Im Gegensatz zu Skinheads unterscheiden sich Neonazis vornehmlich dadurch, dass ihr Handeln durch den Willen zu politischer Aktivität geprägt wird. … Gewalt gilt nicht als adäquates Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele.
Meine Damen und Herren, spätestens seit 1933 ist allgemein bekannt, dass der Nazi nicht zur Gewalt neigt. Nachzulesen ist dieser Unsinn im Verfassungsschutzbericht von 2005. CDU und GRÜNE haben ihn übrigens unkommentiert in ihren Abschlussbericht zum NSU-Untersuchungsausschuss übernommen. Eine Behörde, die nicht willens oder in der Lage ist, Rechtsterror zu erkennen, die Berichte dazu für 120 Jahre zur Geheimsache erklärt, ist nicht nur überflüssig, sondern gefährlich. Jede lokale Antifa-Gruppe hat mehr zur Aufklärung über rechte Strukturen in diesem Land beigetragen als diese Behörden mit ihren Tausenden Mitarbeitern.
Offensichtlich sehen es auch die Bundes-GRÜNEN so. Die Vorsitzenden haben jetzt auch die Auflösung des Bundesamts für Verfassungsschutz gefordert. Als Antwort auf die Gefahr von rechts sind breite gesellschaftliche Mobilisierungen nötig. Unsere Solidarität haben all die Menschen,
die aufstehen gegen Rassismus, gegen Antisemitismus, gegen Menschenfeindlichkeit – ob die Zehntausenden in Chemnitz oder an vielen anderen Orten. Das muss die Antwort sein im Kampf gegen rechts. Diesen rechten Gruppen darf man keinen Millimeter nachgeben.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Niemand hält eine schützende Hand über die AfD, über Neonazis, Linksextremisten oder Islamisten.
Niemand, der nur ansatzweise die aktuellen Herausforderungen kennt, käme auf die Idee, den Verfassungsschutz aufzulösen.
Ganz im Gegenteil, dies wäre grob fahrlässig. Damit wäre die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger auf das Höchste gefährdet.
Wer das ernsthaft fordert, wie die Kollegin Wissler das wieder getan hat, hat entweder keine Ahnung oder ist bereit, Verfassungsfeinden ein leichtes Spiel zu machen.
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir in Zeiten zunehmender Bedrohung leben: Bedrohungen durch Extremisten und Terroristen von rechts, von links und aus dem islamistischen Bereich. 4.170 Islamisten, davon 1.650 Salafisten, 1.465 Rechtsextremisten und 2.570 Linksextremisten haben sich im Jahr 2017 in Hessen aufgehalten. Das muss uns doch mit Sorge erfüllen.
Neben diesen Phänomenbereichen und den bekannten Verhaltensmustern dieser Extremisten und Chaoten sind wir immer wieder zunächst neuen, unbekannten Gruppierungen und Angriffen ausgesetzt, mit denen sich unsere Sicherheitsbehörden beschäftigen müssen. Ich nenne stellvertretend die Identitäre Bewegung, die sich betont jung gibt, aber klar völkisch aufgestellt ist und fremdenfeindliche Ziele verfolgt. Ich nenne Pegida, über die am Dienstag schon ausführlich gesprochen wurde, und die Reichsbürger, die seit 2017 Beobachtungsobjekt sind und denen wir in Hessen die Waffen entziehen wollen. Ich nenne auch das Bauen von Biowaffen mit Castorbohnen.
Meine Damen und Herren, Extremisten wollen Staat und Gesellschaft schaden, sie wollen verletzen und töten. Andere wollen unseren Rechtsstaat untergraben, fordern seine Abschaffung und sägen bereits an den Grundfesten, diskriminieren Minderheiten, verhöhnen die Pressefreiheit, verunglimpfen staatliche Einrichtungen. Da kann die Antwort
der Demokraten und der Demokratie nicht in der Abschaffung von Teilen unserer Sicherheitsorgane sein. Im Gegenteil, wir brauchen eine starke, gut ausgestattete Sicherheitsarchitektur.
In einem wehrhaften Staat braucht es Polizei, Staatsschutz, Verfassungsschutz – alles natürlich unter rechtsstaatlicher Kontrolle. Und nach rechtsstaatlichen Regeln ist zu handeln, deswegen kann ein Innenminister auch nicht nach politischem Gutdünken den Verfassungsschutz anweisen, diese oder jene Gruppierung zu beobachten. Deshalb werden und wurden Polizei und Verfassungsschutz von uns gestärkt, personell, materiell und auch rechtlich. Diese politische Schwerpunktsetzung, diese Strategie und die daraus abgeleiteten Maßnahmen haben gewirkt, und sie wirken.
Im Bereich des Islamismus nenne ich stellvertretend das Vereinsverbot für salafistische Missionierungsnetzwerke, beispielsweise „Die wahre Religion“ alias „Lies!“-Stiftung. Hessen hatte einen maßgeblichen Anteil an dem erfolgreichen Verbot. Ich nenne das Vereinsverbot einer radikalisierenden Moschee in Kassel durch das Innenministerium. Ich nenne die Verhinderung von Anschlägen, beispielsweise im Februar dieses Jahres, als es gelang, einen mutmaßlichen IS-Anhänger in Eschwege festzunehmen. Es war auch ein Erfolg, dass diese Szene stagniert: Sowohl das Personenpotenzial als auch die dschihadistisch motivierten Ausreisen in Richtung Syrien stagnieren seit Anfang 2016.
Im Bereich des Rechtsextremismus gab es 2018 auf hessische Initiative hin das bundesweite Verbot der Osmanen Germania. Im Bereich des Linksextremismus gab es das Verbot der Internetseite „linksunten.indymedia“.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das BKA hat 2016 eine Liste mit elf vereitelten Anschlägen veröffentlicht, sicherlich auch aufgrund nachrichtendienstlicher Erkenntnisse. Sie von den LINKEN wollen uns blind machen.
(Janine Wissler (DIE LINKE): Wenn das Ihre Kritik ist! – Hermann Schaus (DIE LINKE): Um zu sehen, und nicht, um wegzusehen!)
Nein, ohne die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes ist eine wirksame Bekämpfung der Feinde unserer Verfassung und damit die Verteidigung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht möglich.
Sie, die LINKEN, versuchen Misstrauen zu säen, wo der Staat seine Bürgerinnen und Bürger schützt. Das spielt nur einer einzigen Partei in die Karten.
Wir werden weiterhin fest an der Seite unserer Sicherheitsbehörden stehen und unsere Verfassung und unsere Sicherheitsbehörden verteidigen, auch vor Ihnen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie Kollege Wagner in der vorherigen Debatte möchte auch ich jetzt ein bisschen Nachdenklichkeit anmahnen. In Chemnitz gab es natürlich Trauer und Empörung von Menschen, weil dort ein Mensch zu Tode gekommen ist. Natürlich gab es das. Es gab aber in Chemnitz auch, das muss man sehr deutlich sagen, den Aufmarsch von alten und neuen Nazis, von Rechtsextremisten, von Rassisten, von Ausländerfeinden, von Antisemiten, von Identitären, die dort aufmarschiert sind.
Da wurden Menschen beschimpft, da wurden Menschen angegriffen. Egal, wie man das jetzt nennt, da wurden Menschen gehetzt, da wurden Menschen gejagt, da wurde der Hitlergruß gezeigt, eindeutig und mehrfach. Da wurden rechte Sprüche skandiert. Die Bundeskanzlerin hat das öffentlich „Hetzjagd“ genannt. Was macht der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz? Was erklärt er gegenüber der „Bild“-Zeitung?
Die Skepsis gegenüber den Medienberichten zu rechtsextremistischen Hetzjagden in Chemnitz werden von mir geteilt. Es liegen dem Verfassungsschutz keine belastbaren Informationen darüber vor, dass solche Hetzjagden stattgefunden haben.
Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe kein Verständnis dafür, dass sich der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz schützend vor Verfassungsfeinde stellt. Dafür habe ich kein Verständnis.
Die Behauptung, dass das gezeigte Video, auf dem Menschen gejagt werden, nicht authentisch sei, kam übrigens von einem AfD-Sprecher. Es wurde über den Nachrichtensender RT verbreitet. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz stellt sich hin und stützt diese Bewertung, ohne einen einzigen Beleg für seine Behauptung vorzulegen.