Protokoll der Sitzung vom 13.09.2018

Die Behauptung, dass das gezeigte Video, auf dem Menschen gejagt werden, nicht authentisch sei, kam übrigens von einem AfD-Sprecher. Es wurde über den Nachrichtensender RT verbreitet. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz stellt sich hin und stützt diese Bewertung, ohne einen einzigen Beleg für seine Behauptung vorzulegen.

(Zuruf der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Die AfD erklärt, dass es sehr schön sei, was der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz erklärt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, das ist ein Desaster für einen Präsidenten einer Behörde, die die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland schützen soll. Das ist ein Desaster.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Zeiten wie diesen geht es darum, dass wir uns schützend vor unsere Verfassung

stellen. Es geht darum, diese Verfassung gegen diejenigen zu verteidigen, die die Grundwerte, die Freiheit, die offene Gesellschaft angreifen. Wir müssen uns vor die Verfassung stellen.

Das Ganze gipfelt jetzt darin, dass der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz die Medien kritisiert. Auch damit stellt er sich auf die Seite derer, die über Fake News reden, die über Staatsmedien reden, die über Lügenpresse reden.

(Zuruf der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Maaßen sollte sich aber auf die Seite derjenigen stellen, die sich für Meinungs- und Pressefreiheit in unserem Land einsetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Er sollte auf der Seite derjenigen stehen, die die Presseund Meinungsfreiheit schützen. Stattdessen verstärkt er den Sound der AfD, die genau diese freie Berichterstattung und genau diese freie Presse angreift. Das ist unwürdig für den Präsidenten eines Bundesamts.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie des Abg. Corrado Di Benedetto (SPD))

Das gilt gerade in Zeiten, in denen es darum geht, staatliche Institutionen zu stärken und verloren gegangenes Vertrauen auch in den Verfassungsschutz wieder herzustellen und den Rechtsstaat gegen solche Behauptungen zu verteidigen.

Natürlich darf ein Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz Zweifel haben. Natürlich kann er auch auf andere Erkenntnisse hinweisen. Natürlich kann er auch warnen. Das ist überhaupt kein Thema. Aber dafür gibt es klare Dienstwege, dafür gibt es das Kanzleramt, dafür gibt es das Innenministerium, dafür gibt es das Parlament, dafür gibt es das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages – dafür, solche Dinge gegenüber der Öffentlichkeit zu erklären, ist aber nicht die „Bild“-Zeitung da. Das muss ein Präsident eines Bundesamts wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Der normale Weg ist nicht ein Weg über die „Bild“-Zeitung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie des Abg. Corrado Di Benedetto (SPD))

Eine Frage hat Maaßen bis heute noch immer nicht beantwortet, und das ist das eigentlich Schlimme daran. Auf welchen Fakten beruhen eigentlich seine Behauptungen? Auf welchen Fakten, auf welchen Erkenntnissen? Es geht darum, dass Ämter, auch das Bundesamt für Verfassungsschutz, Fakten und Erkenntnisse vorweisen. Auf welchen Erkenntnissen beruhen seine Aussagen in der „Bild“-Zeitung? Dazu gibt es von Herrn Maaßen keinerlei Erklärungen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lieber Kollege Frömmrich, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Er hat den Institutionen unseres Staates, den Sicherheitsbehörden, dem Vertrauen der Menschen in diese Sicherheitsbehörden einen wirklichen Bärendienst erwiesen. Er sollte wissen, was zu tun ist, um weiteren Schaden von diesen Institutionen abzuwenden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Vielen Dank, Kollege Frömmrich. – Das Wort hat der Abg. Günter Rudolph, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Hans-Georg Maaßen ist seit dem 1. August 2012 Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz. Nach der Entdeckung der NSU-Morde war er auch eingesetzt worden, so damals die Begründung, zur Aufklärung dieser Morde und Verhinderung der Wiederholung solcher Terroranschläge. Nur, um das einmal in das Geschichtsbewusstsein zurückzurücken.

Herr Bellino, das Bundesamt für Verfassungsschutz ist keine Behörde, die einfach frei agieren kann, wie sie will, sondern sie hat nach Maßgabe der politischen Richtlinienkompetenz zu agieren, und sie ist eine weisungsgebundene Behörde, die nicht gerade machen kann, was ihr in den Kram passt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Holger Bel- lino (CDU): Habe ich doch gesagt! Hören Sie doch einmal zu!)

Was in den letzten Tagen um diesen Präsidenten passiert ist, ist von den Kolleginnen und Kollegen dargestellt worden. Er gibt en passant in der „Bild“-Zeitung – einem anerkannten Organ für seriöse und ausführliche Berichterstattung –

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

ein Interview, in dem er die Authentizität des Videos über Vorfälle in Chemnitz, wo es eine Hetzjagd auf Ausländer oder ausländlich aussehende Mitbürger gegeben hat, in Abrede stellt. Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang, in dem er die gesamte Politik desavouiert, den Innenminister, die Bundeskanzlerin. Die einzige Konsequenz, die eigentlich naheliegend gewesen wäre, wäre die Entlassung von Herrn Maaßen durch den Bundesinnenminister. Das wäre die einzig logische Konsequenz gewesen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Wenige Tage vorher hat die Bundeskanzlerin klar von einer Hetzjagd gesprochen. Dieser Sachverhalt ist nachweisbar. Jetzt kann man über die Motivlage streiten – dafür gibt es aber keine nachvollziehbare Erklärung. Deswegen ist das, was Herr Maaßen gemacht hat, unverantwortlich. Die Glaubwürdigkeit des Verfassungsschutzes wird dadurch nachhaltig infrage gestellt. Dieser Diskussion muss man sich auch stellen.

Gerade nach den Terrorakten des NSU in den letzten Jahren, nach dem Mordanschlag in Berlin auf dem Breit

scheidplatz verbreitet er krude Verschwörungstheorien um die Ausschreitungen in Chemnitz. Das kommt doch der AfD zupass. Das ist doch genau die Argumentation der AfD, die wir kennen: Lügenpresse, Fake News – das ist doch genau der Standard der AfD. Und der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz gibt dem Nahrung. Das ist unverantwortlich, ein ungeheuerlicher Vorgang. Deshalb sind Konsequenzen erforderlich.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Dieser Herr hat natürlich Vertrauen verspielt. Aber die Bundeskanzlerin ist nicht in der Lage – weder ist sie willens, noch hat sie die Kraft –, eigentlich den Innenminister zu entlassen. Das wird spätestens, da bin ich ziemlich sicher, nach dem 14. Oktober passieren. Dann ist Herr Seehofer kein Bundesinnenminister mehr, das wird die eigene Partei, die CSU, erledigen. Da bin ich sehr sicher, dass das am Wahlabend passieren wird.

(Beifall bei der SPD – Holger Bellino (CDU): Damit haben Sie ja Erfahrung!)

Damit wird Herr Maaßen in den Ruhestand versetzt, und das ist gut so.

Was ist eigentlich die politische Konsequenz aus den Vorgängen, unabhängig davon, ob ein Herr Maaßen noch Präsident ist, zu dem viele kein Vertrauen mehr haben? Das wurde gestern im Deutschen Bundestag thematisiert: Die FDP, die LINKEN, die GRÜNEN und die SPD haben gesagt, sie hätten zu dem Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz kein Vertrauen. Im Gegensatz zur LINKEN fordern wir nicht die Abschaffung des Verfassungsschutzes, aber wir müssen darüber reden, welche Konsequenzen ein solches Verhalten hat und welche Schlussfolgerungen wir daraus ziehen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Herr Frömmrich hat – sicherlich, weil er nicht mehr die Zeit hatte – vergessen, zu erwähnen,

(Heiterkeit des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LIN- KE))

dass die GRÜNEN in Berlin gefordert haben, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz aufzulösen und durch eine neue Inlandsaufklärung zu ersetzen sei.

(Stephan Grüger (SPD): Hört, hört!)

Zum einen soll ein Institut zum Schutz der Verfassung gegründet werden. Zum anderen soll ein Amt zur Gefahrenerkennung und Spionageabwehr als verkleinerter Inlandsnachrichtendienst eingesetzt werden. Ich will das nur sagen. Das hätte man der Redlichkeit halber auch sagen müssen, dass wir Diskussionsbedarf darüber sehen. Was sagen Sie denn in Hessen dazu, wo Sie die Regierung bilden?

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dann will ich zum Innenminister überleiten. Der Verfassungsschutz des Landes Niedersachsen und der Stadt Bremen beobachtet die Jugendorganisation der AfD. In Thüringen wird die AfD beobachtet. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, was macht eigentlich der hessische Innenminister zu diesem Thema, Beobachtung der AfD und entsprechenden Auswüchsen? Dazu hätten wir gerne hier

und heute eine Stellungnahme; denn Wegtauchen geht nicht.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Dass politische Parteien und Gruppierungen bis vor einigen Jahren auch in Hessen beobachtet wurden, das bestätigen die Kolleginnen und Kollegen der LINKEN.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Allerdings!)

Deswegen: Wenn ein Verfassungsschutz wirksam unsere Demokratie schützen soll, dann muss er von einem Präsidenten geführt werden, der dies eindeutig repräsentiert. Das aber ist bei Herrn Maaßen nicht der Fall. Klar ist ebenfalls, dass Hessen, wie andere Bundesländer auch, sich klar positionieren muss, wie es mit der AfD umgeht. Wird die Jugendorganisation, wird der Kreisverband Hochtaunus nach seinen unsäglichen Äußerungen hinsichtlich der Presseorgane von Ihnen ins Visier genommen, oder schweigen Sie dazu? Auch dazu erwarten wir heute eine Antwort. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Vielen Dank, Herr Kollege Rudolph. – Das Wort hat der Abg. Wolfgang Greilich, FDP-Fraktion.