Protokoll der Sitzung vom 25.06.2014

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Herr Irmer, ein bisschen Kontrast muss sein.

(Michael Boddenberg (CDU): „Ein bisschen“ ist leicht untertrieben!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wofür die CDU bei der FDP mehrere Jahre brauchte, dafür reichen ihr bei den GRÜNEN nur wenige Monate. Sie führen Ihren Koalitionspartner vorzüglich vor. In der Drucks. 19/375 vom 7. Mai, darüber reden wir heute, heißt es:

Der Landtag begrüßt den Kommunalen Schutzschirm als geeignete Maßnahme zur Unterstützung von Kommunen mit hohen Kreditverbindlichkeiten. Mit rund 2,8 Milliarden € an Entschuldungshilfen und 400 Millionen € an Zinsdiensthilfen bekennt sich das Land klar zu seiner Verantwortung für die hessischen Städte, Gemeinden und Landkreise.

Vor fast genau zwei Jahren schrieben die GRÜNEN in ihrem Antrag Drucks. 18/5637 Folgendes:

Der Landtag stellt fest, dass der Kommunale Schutzschirm die chronische Unterfinanzierung der Kommunen nicht beseitigen kann.

(Demonstrativer Beifall bei der SPD)

Die intensive Anhörung im Haushaltsausschuss hat vielmehr eindrucksvoll bestätigt, dass die großen strukturellen Mängel der derzeitigen Finanzierung von Kreisen, Städten und Gemeinden nur durch grundlegende Reformen wirksam zu beheben sind.

Daran hat sich bis heute nichts geändert – noch nicht einmal die Anträge der Regierung –, lediglich der kleine Koalitionspartner der CDU ist ein anderer geworden.

Noch deutlicher waren die GRÜNEN mit der Kritik am Schutzschirm im Januar 2012; da hieß es in ihrem Antrag Drucks. 18/5230:

Der Landtag kritisiert, dass die Landesregierung den Kommunen im Kommunalen Finanzausgleich jährlich weit über 340 Millionen € entzogen hat, während sie für den Schutzschirm mit einem Gesamtvolumen von rund 3 Milliarden € bei einer Laufzeit von 30 Jahren lediglich 100 Millionen € pro Jahr aufwendet.

Was die GRÜNEN vor der Wahl kritisierten, begrüßen sie heute. Dabei hat sich für die Kommunen faktisch nichts geändert. Weiter gilt, dass von dem 1,1 Milliarden € großen Finanzierungsdefizit der hessischen Kommunen den weitaus größten Teil nicht die Kommunen selbst zu verantworten haben, sondern eine Landesregierung, die ihren Haushalt unter dem Druck der Schuldenbremse auf Kosten der Städte, Gemeinden und Landkreise sanieren will.

Nehmen Sie allein die 390 Millionen €, um die das Land den Kommunalen Finanzausgleich gekürzt hat, die 120 Millionen €, die für die Flüchtlingsunterbringung in den Kommunen fehlen, und die zusätzlichen Kosten für den Betrieb der U-3-Betreuung von 300 Millionen €. Insgesamt fehlen fast 800 Millionen € allein wegen dieser Maßnahmen bei den Kommunen, und weil das Land nicht bereit ist, diese Landesaufgaben, die wesentlich von den Kommunen bezahlt werden, auskömmlich zu finanzieren. Daran ändert dann auch das sogenannte Schutzschirmprogramm überhaupt nichts.

Oder, wie es die Kollegin Enslin am 10. Mai 2012 hier im Plenum für die GRÜNEN erklärte:

Der Entschuldungsfonds wird an der chronischen Unterfinanzierung der Kommunen nichts Wesentliches ändern.

(Demonstrativer Beifall bei der LINKEN)

Hier muss das Land endlich seiner Verantwortung nachkommen, im Rahmen seiner Möglichkeiten für alle Kommunen eine auskömmliche Finanzausstattung sicherzustellen.

Recht hat sie. Aber all das gilt jetzt nichts mehr, wo die GRÜNEN die gleiche Politik fortsetzen dürfen, die zuvor Schwarz-Gelb hier zu verantworten hatte. Ganz schnell haben die GRÜNEN vergessen, was sie noch vor der Wahl versprochen hatten. Es ist keine Rede mehr davon, dass den Kommunen eine ordentliche Finanzausstattung zusteht. Heute erklären grüne Politiker den Vertretern der Kommunalen Spitzenverbände auch schon einmal etwas grobschlächtig, dass die Kommunen selbst dafür verantwortlich sind, wenn sie keine ausreichenden Einnahmen haben.

Den schwarz-gelben Grottenkick auf dem Feld der Kommunalfinanzen setzt Schwarz-Grün in dieser Saison fort. Der Abstiegskampf für die Kommunen geht also weiter. Man kann nur hoffen, dass das Spiel nicht wieder durch die Schiedsrichter beim Staatsgerichtshof entschieden werden muss, damit die Finanzausstattung der Kommunen nachhaltig verbessert wird, sondern dass sich die Landesregierung endlich auf die Kommunen zubewegt und die Verfassung einhält.

Denn im Moment erleben wir, dass die Schuldenbremse des Landes auf Kosten der Kommunen erreicht werden soll. Die Kommunen haben bereits in den letzten 20 Jahren ihre Investitionsquote halbiert – einfach, weil ihnen angesichts des Drucks, den die Landesregierung auf ihre Parteifreunde ausübt, nichts anderes übrig bleibt. Unter der Maßgabe, dass die Landesregierung den nachfolgenden Generationen weniger Schulden hinterlassen will, wird jetzt schon in den Kommunen dafür gesorgt, dass wir den nachfolgenden Generationen auch keine vernünftige Infrastruktur mehr hinterlassen können; ganz zu schweigen von dem Rosenmontagserlass des hessischen Innenministers, der gleich zu Beginn seiner Amtszeit deutlich gemacht hat, dass von dieser Landesregierung nichts Gutes für die Kommunen zu erwarten ist.

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Nicht nur für die Kommunen!)

Statt sich zu der Verantwortung für die Kommunen gemäß Art. 137 der Hessischen Verfassung zu bekennen, den wir nunmehr zweimal in der Verfassung stehen haben, macht der Innenminister deutlich, dass sich die Selbstverwaltung in vielen Kommunen darauf beschränken muss, zu entscheiden, in welcher Reihenfolge Einrichtungen geschlossen und Gebühren erhöht werden. Wir sind daher gespannt, wie die Beratungen der Landesregierung mit den Kommunen über einen neuen Finanzausgleich aussehen werden; denn der sogenannte Schutzschirm hat sich als genau der löchrige Knirps erwiesen, den man befürchten musste.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der SPD)

Ja, das war ein Zitat von Norbert Schmitt.

Um noch einmal die Kollegin Enslin zu zitieren:

Machen Sie endlich Ihre Hausaufgaben. Den Kommunen läuft die Zeit davon.

Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, an Sie zum Schluss nur der Hinweis in Form eines Zitats von Erich Kästner:

Was auch immer geschieht: Nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken!

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. – Als Nächste hat Frau Kollegin Alex von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Noch unter dem Eindruck der gestrigen Regierungserklärung diskutieren wir heute deren Eindampfung in einen Antrag der Regierungskoalition. Diese Reduktion ist im Ergebnis leider nicht klarer, nicht konkreter, geschweige denn befriedigender als das Ausgangsprodukt.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Das Wort der Stunde ist Paradigmenwechsel; der Herr Minister hat es gestern ein paar Mal verwendet, es kommt auch in diesem Antrag vor. Paradigmenwechsel ist in diesem Fall ein Euphemismus für: „Ihr Kommunen habt in Saus und Braus gelebt, den lieben Gott einen guten Mann sein lassen, und jetzt müsst ihr endlich mal sparen!“ – Das aber ist kein vertrauensvoller Umgang auf Augenhöhe zwischen dem Land Hessen und den hessischen Kommunen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Manch einer oder eine, der oder die hier im Saal sitzt und kommunal verwurzelt ist, muss sich doch die Augen gerieben – Herr Hahn hat es in seiner gestrigen Stellungnahme deutlich gemacht – und auch heute Morgen bei der Vorstellung dieses Antrags zumindest innerlich gefragt haben: Was hat denn dieser Antrag, was hat diese Position mit der kommunalpolitischen Realität bei mir vor Ort zu tun?

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich möchte zu dem vorliegenden Antrag drei Bemerkungen machen.

Erstens. Sie loben: Es wurde heute Morgen gelobt, Sie loben überhaupt sehr viel.

(Zuruf von der CDU: Mit gutem Grund!)

Sie loben unter anderem die hohe Akzeptanz: Immerhin 100 von 106 Kommunen hätten freiwillig gesagt, sie gingen unter den Rettungsschirm und würden beim Entschuldungsfonds mitmachen. – Wie hat es denn ausgesehen? Diese 106 identifizierten Kommunen bekamen ganz klar gesagt: Wenn ihr nicht unter den Schutzschirm geht, hetzen wir euch die Kommunalaufsicht auf den Hals und be

handeln euch wie eine Schutzschirmkommune, nur ohne das Geld.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei Abge- ordneten der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Wenn Kommunen dann so ehrlich waren, zu sagen, sie hätten alles durchsucht und überall nach Lösungsmöglichkeiten geschaut, dennoch liege noch immer eine Finanzierungslücke vor, dann wurde gesagt – das Ganze sollte schließlich ein Erfolg werden –: Das macht überhaupt nichts, es gibt ja das tolle Instrument des Platzhalters. Schreibt doch „Grundsteuer B 1.100 Punkte“ rein, es muss ja so schlimm nicht kommen, vielleicht geschieht ein Wunder,

(Heiterkeit bei der SPD)

dann habt ihr euren Konsolidierungspfad erzielt.

(Günter Schork (CDU): Diesen Vertrag würde ich gern mal sehen!)

Ich war bei Gesprächen dabei.

Zweite Bemerkung. Sie loben die Konsolidierungsergebnisse. Sie sagen, wie viele Kommunen es doch schon geschafft hätten. – Richtig, es haben Kommunen geschafft. Nur, zu welchem Preis? In Ihrer Lesart haben die Kommunen Luxus abgebaut. Aber in der Realität geht es doch darum, dass wichtige Dinge abgebaut werden. Straßen werden nicht mehr repariert, soziale Infrastruktur wird abgebaut, Parkanlagen verfallen, auf Spielplätzen werden Geräte abgebaut, Kindergartengebühren und die Grundsteuer werden erhöht, Vereine haben keine Sportplätze und Versammlungsräume mehr. All dies passiert, und damit haben Sie eine hohe Hypothek auf die Zukunft aufgenommen;

(Beifall bei der SPD und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE) – Manfred Pentz (CDU): Das ist schon starker Tobak! – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Mannomann!)