Protokoll der Sitzung vom 25.06.2014

Aus diesem Grund hat die Bundesrepublik zu Beginn des Konflikts über eine halbe Milliarde Euro zur Verfügung gestellt, um zu helfen. Anfang des Jahres wurden noch einmal weitere 80 Millionen € in Aussicht gestellt.

Wir sind damit gemeinsam mit den USA und Großbritannien Spitzenreiter bei den Geberländern. Ich glaube, die Zahlen belegen sehr eindeutig, dass Deutschland zu seinen humanitären Verpflichtungen steht.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Da Millionen Menschen auf der Flucht sind, ist aber auch klar, dass Deutschland und Europa nicht alleine in der Lage sind, alle Menschen aufzunehmen. Es ist aber auch selbstverständlich, dass das Bundesland Hessen einen eigenen Beitrag leistet. Deswegen haben wir ein eigenes Programm des Landes initiiert, um den Familiennachzug bei den syrischen Flüchtlingen zu verbessern und zu ermöglichen, sie nach Deutschland zu bringen. Wir haben dieses Programm sogar noch einmal bis zum 30. November 2014 verlängert.

Vor wenigen Tagen hat die Innenministerkonferenz stattgefunden. Auch im Namen der CDU begrüße ich ausdrücklich, was dort vereinbart wurde. Die Länder, die ein eigenes Aufnahmeprogramm haben – das gilt für Hessen –, werden zukünftig die Kosten der Krankenversicherung für alle syrischen Flüchtlinge übernehmen. Das bedeutet, dass der ursprünglich im Plenum gemeinsam gefasste Beschluss – ich glaube, das war im Dezember 2013 –, dass diese Regelung nur für 365 Personen gilt, damit obsolet ist. Das wird zukünftig für alle gelten. Das ist ein wichtiger humanitärer Beitrag.

(Beifall bei der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch der Bund kommt seiner Verpflichtung nach. Im Mai 2013 wurde ein erstes Programm des Bundes geschaffen, mit dem ermöglicht wurde, dass 5.000 Menschen aus Syrien nach Deutschland kommen konnten. Im Dezember 2013 gab es dann das zweite Programm des Bundes.

Das erste Programm ist nahezu ausgeschöpft. Bei dem zweiten Programm gibt es nach wie vor freie Kontingente. Trotzdem haben die Innenminister des Bundes und der Länder vereinbart, das bisher bestehende Kontingent von 10.000 Menschen noch einmal zu verdoppeln. So wird ermöglicht, dass insgesamt 20.000 Menschen nach Deutschland kommen können. Im Moment finden dazu gerade die Abstimmungen statt.

Insgesamt sind bis Mai 2014 rund 40.000 Syrer nach Deutschland gekommen. Davon sind 32.000 Asylbewerber. Auch diese Zahlen belegen, wie wichtig uns unsere Verantwortung ist.

Natürlich kommen die Flüchtlinge nicht nur aus Syrien. Wir haben in Hessen insgesamt im vergangenen Jahr 8.688 Asylanträge gezählt. Man kann davon ausgehen, dass wir in diesem Jahr mit weit mehr als 10.000 Asylanträgen zu rechnen haben.

Dabei lässt das Land die Kommunen nicht im Stich. Die Kreise und kreisfreien Städte erhalten für die Unterbringung der Asylsuchenden eine zuletzt im Dezember 2013 angepasste und dann auch regional gestaffelte Pauschale. Sie liegt zwischen 521 und 630 € im Monat. Das sind 20 % mehr als vor der Anpassung.

Ich möchte den Vergleich zu Rheinland-Pfalz ziehen. Dort wird ebenfalls eine Pauschale gezahlt. Übrigens wird das in 12 der 16 Länder so gehandhabt. Rheinland-Pfalz bezahlt 430 €.

Wenn man den Vergleich zu den anderen Bundesländern zieht, sieht man, dass wir uns im oberen Mittelfeld befinden. Richtig ist aber auch, dass der Hessische Rechnungshof in einem Prüfungsbericht auf eine regionale und funktionale Spreizung bei einzelnen Kostenarten hingewiesen hat. Das haben wir während der letzten Sitzung des Haushaltsausschusses vernehmen können.

Auch dieses Thema haben wir im Blick. Bereits im Dezember 2013 wurde unter Leitung des Sozialministers eine Asylkonferenz einberufen. Infolgedessen wurde eine Arbeitsgruppe Asyl eingerichtet, der die Kommunalen Spitzenverbände und die betroffenen Ressorts angehören. Das heißt, wir sind im Dialog und nehmen dieses Thema sehr ernst. Ich merke aber auch an, dass wir das Thema Asylbewerberleistungsgesetz, das auf Bundesebene geregelt wird, im Gesamtkomplex nicht außer Acht lassen dürfen.

Das finde ich ganz wesentlich: Auf dem Hessentag fand die Kommunalkonferenz statt, bei der natürlich der gesamte Themenkomplex Gegenstand der Gespräche war. Hier wurde vereinbart, dass man für das Jahr 2015 eine Regelung finden möchte.

Kollegin Wallmann, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme zum Schluss.

Noch zwei Fakten: Das Land Hessen investiert sehr viel Geld. Im Nachtragshaushalt 2014 haben wir noch einmal 60 Millionen € eingestellt; insgesamt stehen im Jahr 2014 knapp 140 Millionen € zur Verfügung. Die Zunahme der Asylbewerberzahlen stellt uns – alle Ebenen: Bund, Länder, Kommunen – vor große Herausforderungen. Diesen Weg wollen wir gemeinsam mit den Kommunen gehen, und das werden wir auch tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. – Das Wort hat Kollegin Cárdenas, DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Erstaunt mussten wir beobachten, wie Innenminister Beuth sich gegen eine Aufstockung des Kontingents für die Aufnahme syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge von 10.000 auf 20.000 Personen wehrte. Das ist eine Größenordnung, die weit hinter den mehr als 76.000 Anträgen für Angehörige von in Deutschland lebenden Syrern zurückbleibt. Innenminister Beuth lenkte erst dann ein, als klar war, dass der Bund für die Kosten aufkommt.

Wenn Innenminister Beuth fordert, dass zunächst die bestehenden Programme ausgeschöpft werden müssen, dann verschweigt er listig, dass diese Kontingente deswegen nicht ausgeschöpft werden können, weil Anträge nur schleppend bearbeitet werden und weil die für das hessische Kontingent aufgestellten Hürden, insbesondere im Hinblick auf die finanzielle Leistungsfähigkeit in Deutschland lebender Angehöriger, derart hoch angesetzt sind, dass sie komplett an den Realitäten vorbeigehen.

Hessen will Solidarität zum Nulltarif. Hessens Hilfsangebot richtet sich nur an die Wohlhabenden unter den Flüchtlingen. Wer Schutz vor dem Bürgerkrieg in Syrien sucht, muss einen in Deutschland lebenden Verwandten vorweisen können, der bereit ist, für sämtliche Kosten mit Ausnahme der Krankheitskosten aufzukommen.

Wenn Innenminister Beuth ernsthaft daran interessiert ist, dass dieses Aufnahmeprogramm ausgeschöpft wird, dann möge er doch bitte ein realistisches Angebot an Schutzsuchende unterbreiten. Wer nämlich so tut, als würde er helfen wollen, seine Hilfe aber an nicht erfüllbare Voraussetzungen knüpft, handelt unmoralisch.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer aber das Aufnahmekontingent – das nicht ausgeschöpft worden ist, weil es nicht ausgeschöpft werden kann – als Argumentationshilfe nimmt, um weitere Hilfen zu verweigern, der handelt zynisch.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Markenzeichen schwarz-grüner Flüchtlingspolitik, das kristallisiert sich immer mehr heraus, ist eine Politik der Ignoranz und Härte, die einhergeht mit einer wohlwollenden Rhetorik, die besonders gerne Schlagwörter wie „Menschenrechte“ und „gelebte Humanität“ einstreut.

(Horst Klee (CDU): Ei, ei, ei!)

Herr Irmer, die Realität jedoch spricht eine andere Sprache: Hessen hat in der vergangenen Woche drei Asylbewerber aus Eritrea mit einem eigens zu diesem Zweck gecharterten Flugzeug nach Italien zurückgeschoben.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): So ist es!)

Diese Landesregierung, die finanziell überforderten Kommunen die für eine menschenwürdige Aufnahme von Geflüchteten erforderlichen Mittel verweigert, die wegschaut, wenn Geflüchtete mitten in Hessen in rostenden Stahlcontainern untergebracht werden, scheut keinen noch so großen organisatorischen und finanziellen Aufwand,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Allerdings!)

um drei Asylbewerber von Frankfurt nach Italien abzuschieben.

(Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU))

Daher fragen wir die Landesregierung: Ist das die „gelebte Humanität“, die angeblich im Mittelpunkt hessischer Asylund Flüchtlingspolitik steht?

Wir fragen die Landesregierung weiter: Was ist mit den Menschenrechten, die angeblich auch im Mittelpunkt hessischer Asyl- und Flüchtlingspolitik stehen – wenn die Landesregierung sich noch nicht einmal an die Mindeststandards der europäischen Rückführungsrichtlinie hält und entgegen kaum missverständlicher Bestimmungen dieser Richtlinie Abschiebungshäftlinge im Gefängnis unterbringt?

Wie ist es insgesamt um das Rechtsverständnis dieser Landesregierung bestellt, wenn reihenweise Gerichte – vom Landgericht Kassel bis hin zum Bundesgerichtshof – die Landesregierung darauf hinweisen, dass es rechtswidrig ist, Flüchtlinge wie Straftäter zu behandeln und sie ins Gefängnis zu stecken? Obwohl die Landesregierung von diesen Gerichtsentscheidungen weiß und weiß, dass sogar die Generalanwaltschaft am europäischen Gerichtshof von der Rechtswidrigkeit der hessischen Praxis ausgeht, tut sie trotzdem so, als ginge sie das alles nichts an.

Wir schließen uns der Forderung der Diakonie Hessen und von Pro Asyl an. Die hessische Praxis, Abschiebungshäftlinge im Gefängnis unterzubringen, muss aufhören. Wir fordern die Landesregierung auf, unverzüglich die Freilassung der Betroffenen aus der Justizvollzugsanstalt Preungesheim zu veranlassen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. – Als Nächster spricht Kollege Rock, FDP.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die SPD hat hier eine Aktuelle Stunde zur Situation der Flüchtlinge auf die Tagesordnung gesetzt. Ich halte das für notwendig und für richtig.

Wenn man sich ansieht, was aktuell passiert, wenn man die Fernsehbilder aus dem Irak sieht und hört, dass dort schon wieder 1 Million Menschen – zumeist Christen, die vor religiöser Verfolgung Angst haben – auf der Flucht sind, ein neuer Krisenherd, der sich an eine sehr lange Kette weite

rer Krisenherde anschließt, dann kann man fast verzweifeln. Man kann an der Not und dem Leid der Menschen auf der Welt verzweifeln.

Bleiben wir konkret bei Syrien und versuchen wir, uns die Zahlen vor Augen zu führen: Wir haben in Hessen gut 6 Millionen Bürger. In Syrien sind 6 bis 7 Millionen Menschen auf der Flucht, in Syrien selbst; 2,7 Millionen Syrer sind außerhalb ihres Landes auf der Flucht, in Flüchtlingsunterkünften in den Nachbarländern untergebracht. Von diesen 2,7 Millionen Menschen sind 1 Millionen Kinder.

Das sind Zahlen, die einen erschrecken lassen. Aber diese Zahlen sagen noch nichts über das persönliche Leid der einzelnen Menschen.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man sich das vor Augen führt und dann liest, dass die gesamte Europäische Union, ausgenommen Deutschland und Schweden, 3.900 Sonderplätze für Flüchtlinge aus Syrien zur Verfügung stellt, dass Länder wie Großbritannien und Frankreich 500 Plätze für Flüchtlinge zur Verfügung stellen, dann ist man ein Stück weit beschämt.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann bewertet man natürlich die 20.000 Plätze, die Deutschland zur Verfügung stellt, in dem Kontext der EU anders und muss natürlich klar sagen: Deutschland ist in der EU vorbildhaft – bei weitem aber noch nicht dort, wo wir alle aus dem Bauch heraus und von Herzen sein sollten und müssten.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))