Protokoll der Sitzung vom 15.07.2014

Das gesellschaftliche Klima hierzu hat sich vor dem Hintergrund der vielen negativen Erfahrungen mit Privatisierungen zwischenzeitlich erheblich gewandelt.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Aber nur bei Ihnen!)

Diejenigen, die hinschauen, diejenigen, die den Experten vertrauen, und auch die kommunale Familie – das wissen Sie selbst – fordern weit mehr als das, was Sie in diesem Gesetzentwurf tatsächlich zu geben bereit sind.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Etliche Bundesländer wie Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen haben dies schon länger erkannt und eine weite Öffnung für die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen in ihren Gesetzen längst vorgenommen. Nur Schwarz-Grün in Hessen hält, gemeinsam mit der FDP, weiter krampfhaft an der Gängelung der Kommunen fest.

Die bei CDU, GRÜNEN und FDP vorhandene Angst, Kommunen würden sich reihenweise in wirtschaftliche Abenteuer stürzen und dann vielleicht sogar – in Anführungszeichen – Waschanlagen oder Nagelstudios betreiben, ist gänzlich unbegründet.

Eine wirtschaftliche Betätigung der Kommunen ist mit der gesetzlichen Begrenzung auf den öffentlichen Zweck, die Angemessenheit der Leistungsfähigkeit der Gemeinde und den voraussichtlichen Bedarf bereits stark genug eingegrenzt. Diese Regelungen reichen völlig aus, um die wirtschaftliche Betätigung auf den gesamten Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge auszuweiten, so wie wir es in unserem Änderungsantrag auch gefordert haben. Diesen Antrag haben Sie aber leider abgelehnt.

Darüber hinaus fordern wir neben der generellen Abschaffung der Subsidiaritätsklausel auch, eine Rekommunalisierungsklausel in das Gesetz aufzunehmen. So wollen wir erreichen, dass die Kommunen prüfen, welche ihrer in den letzten Jahrzehnten privatisierten Aufgaben sie wieder zurückholen können.

Meine Damen und Herren, wir haben das Vertrauen in die hessischen Kommunen, dass sie in der Lage sind, verantwortungsvolle kommunale Wirtschaftspolitik zu betreiben und ihren Einwohnern umfassende Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung zu stellen.

Ihr zaghafter Schritt, eine Öffnung nur bei der Energieund Breitbandversorgung vorzunehmen, reicht uns deshalb bei Weitem nicht aus. Also, trauen Sie sich etwas: Streichen Sie die Subsidiaritätsklausel, und geben Sie dadurch den Kommunen endlich wieder ihre Handlungsmöglichkeiten zurück.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat Frau Kollegin Faeser für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde den Umgang mit dem Thema, das zurzeit für die Kommunen eines der wichtigsten darstellt, weil es dabei auch um ihre Finanzausstattung geht, schon erstaunlich. Zunächst müssen wir zu Beginn dieses Plenums darüber diskutieren, dass Sie die Redezeit reduziert haben. Jetzt redet der Minister frühzeitig und sehr kurz, damit auf jeden Fall die Fraktionen keine zusätzlichen fünf Minuten Redezeit erhalten. Das finde ich schon einen ziemlich schofeligen Umgang mit dem Thema,

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Florian Rentsch (FDP))

weil es hier um ein sehr wichtiges Thema für dieses Haus geht. Ich meine, dass es eine so umfangreiche Anhörung

im Ausschuss schon wert ist, diese Gesetzesänderung ordentlich mit zehn Minuten Redezeit zu beraten.

Wir reden nicht zum ersten Mal über dieses Thema. Ich rufe in Erinnerung, dass Sie damals mit CDU/FDP-Mehrheit erst dafür gesorgt haben, dass der Grundsatz, dass sich Kommunen nicht mehr so wirtschaftlich betätigen dürfen, wie sie es gerne möchten, hier abgeschafft wurde, indem Sie die Subsidiarität – privat vor Staat – eingeführt haben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich will nur daran erinnern – jetzt wird aus unterschiedlichen Gründen geklatscht –, weil das etwas ist, was wir heute ein Stück weit in Teilbereichen wieder zurückführen werden, was wir als ersten Schritt in die richtige Richtung deuten – mehr aber auch nicht.

Meine Damen und Herren, ich habe es Ihnen gesagt: Wir haben hier in letzter Zeit häufig über die Ausstattung der Kommunen gesprochen. Ich glaube, wir konnten hier zumindest feststellen, dass wir einheitlich der Auffassung sind, dass es den Kommunen finanziell schlecht geht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Dann muss es auch darauf Antworten geben, wie sie sich selbst da herausbringen können. Ich will eines der Beispiele aus der Anhörung nennen. Herr Engelhardt, Geschäftsführender Direktor des Hessischen Landkreistags und – ich sage das bewusst – nicht Mitglied unserer Partei, hat einführend etwas gesagt, was ich eindrücklich fand. Er hat am Beispiel der Stadt Wiesbaden aufgeführt, was wir Bürgerinnen und Bürger so alles in Anspruch nehmen: Wir gehen gerne ins Schwimmbad, wir genießen die Kultureinrichtungen, und wir nutzen tagtäglich die Infrastruktureinrichtungen wie z. B. den Busverkehr.

Aber wie wird dies in einer Großstadt finanziert? Hauptsächlich wird es gerade in den größeren Städten in privatwirtschaftlicher Organisation geführt, und hinzu kommt, dass all diese Einrichtungen auch davon profitieren, dass Kommunen in anderen Bereichen wirtschaftlich tätig sind und davon Gewinne haben, die wiederum hineingesteckt werden, um es für die Bürgerinnen und Bürger preiswerter zu machen.

Meine Damen und Herren, das ist ein wichtiger Schritt für die Kommunen, sich finanziell etwas freizustrampeln. Diesen Weg machen Sie heute mit Ihrem Gesetzentwurf nicht frei.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Dr. Walter Arnold (CDU): Den Wettbewerb wollen wir nicht!)

Herr Dr. Arnold, wir haben hier schon vor ein paar Jahren Zwiegespräche am Beispiel dieser wirtschaftlichen Betätigung geführt. Ich erinnere daran, dass Sie, Herr Dr. Arnold, sehr viel Wert darauf gelegt haben, dass die Stadtwerke in Fulda einen Schein des damaligen Innenministers dafür erhalten haben, dass sie sich weiterhin so betätigen können, wie sie es vorher gemacht haben. Denn die Änderung der HGO, die Sie damals mit CDU und FDP veranlasst haben, hat dazu geführt, dass es zukünftig nicht mehr gegangen wäre. Deswegen finde ich, Sie sind der Richtige, der bei dieser Frage hereinruft und das thematisiert.

(Beifall bei der SPD – Dr. Walter Arnold (CDU): Na, na, na! Das stimmt so nicht!)

Ich will es Ihnen noch einmal sagen, Herr Dr. Arnold. Wir haben das Vertrauen in die kommunale Ebene, dass sie in

nerhalb der kommunalen Selbstverwaltung selbst entscheiden kann, wo sie tätig ist und wo nicht. Deshalb reichen uns Ihre Änderungen heute nicht aus. Ich habe gesagt, es ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber nicht ausreichend, weil auch wir das Subsidiaritätsprinzip wieder abschaffen wollen.

Denn eines geht nicht. Ein kleiner Teil der Anzuhörenden, die von der Privatwirtschaft, hat in der Anhörung sehr eindringlich gesagt: Da und da lohnt es sich nicht, tätig zu sein; da kann es, bitte schön, ruhig der Staat machen. Da, wo es sich lohnt und Gewinne zu erwirtschaften sind, da möchten wir es, bitte schön, selbst machen.

Ich möchte das am Beispiel des Landkreises Odenwald deutlich machen. Der Landkreis Odenwald hat jahrelang nach einem Investor gesucht, der ihm hilft, die Breitbandversorgung auf die Füße zu stellen. Dann musste er es letztlich im Wesentlichen selbst machen, weil das für die Privatwirtschaft nicht lukrativ genug war. Das sind doch die Infrastrukturmaßnahmen, deren Rahmenbedingungen Sie heute ein Stück weit ändern, Frau Lannert, was dazu führt, dass es die Probleme gibt.

Ich will es noch einmal sagen: Wir trauen es den Kommunen zu, dass sie selbst entscheiden können, wo es für eine Kommune tunlich ist und wo nicht. Dafür reicht unseres Erachtens eine gesetzliche Regelung – dort, wo es einem öffentlichen Zweck dient und die Leistungsfähigkeit der Kommunen gegeben ist – vollständig aus, dass es im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung selbst erledigt werden kann.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Herr Innenminister, ich finde es erstaunlich, wenn Sie hier sagen, dass die Anhörung sehr unterschiedlich und sehr ausgeglichen war. Ich glaube nicht, dass sie ausgeglichen war. Ich erwarte auch von einem Innenminister, dass er als Kommunalminister auftritt und insbesondere das, was die Kommunalen Spitzenverbände in der Anhörung vorgetragen haben, hier wiedergibt.

Zum Schluss möchte ich noch einmal daran erinnern, dass Herr Engelhardt vom Landkreistag sich sehr eindringlich dafür ausgesprochen hat, ebenso wie alle anderen Kommunalen Spitzenverbände, dass der Änderungsantrag der SPD zu bevorzugen ist. Alle wollen, dass wir zu der alten Regelung zurückkommen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, deshalb werbe ich zum Schluss noch einmal dafür, dass unser Änderungsantrag hier die Zustimmung bekommt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort hat Herr Kollege Hahn für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zum Thema Stil und Verfahrensweise haben schon einige meiner Vorredner, auch Frau Faeser eben, einiges gesagt. Ich kann mich nur an wenige Beispiele in meinem etwas längeren Aufenthalt in diesem Hause erinnern, dass der zuständige Fachminister sich in einer zweiten Lesung als Ers

ter meldet. Ich kann mich eigentlich gar nicht daran erinnern, aber ich will nicht ausschließen, dass es schon einmal passiert ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie groß ist die Not? Entweder, liebe Kollegen von der Union, wollen Sie das Thema nicht diskutiert haben – das werden Sie aber nicht verhindern –, oder aber Ihnen geht das Sommerfest vor dem Thema HGO. Nur eines von beiden kann zutreffen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Ansonsten kann man nicht zweimal die Möglichkeiten des Parlaments einschränken, einmal bei der Redezeit und zum Zweiten bei der Aktion, dass der Minister sich als Erster meldet. Ich möchte aber, damit keine Legendenbildung entsteht – –

(Holger Bellino (CDU): Zum Thema! Die halbe Redezeit ist schon vorbei!)

Lieber parlamentarischer Geschäftsführer der CDU, wie groß muss die Not sein, dass Sie solch unsinnige Zwischenrufe machen? Anscheinend geht es doch eher um das Sommerfest als um die HGO.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Einfach einmal entspannt sein, Kollege Bellino, und merken: Die Taktik der Verhandlung für den heutigen Abend war nicht korrekt. Da hat sich anscheinend der parlamentarische Geschäftsführer der CDU ein bisschen zu sehr herausgehängt.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Begründet worden ist es vorhin vom Wirtschaftsminister, also dem Minister, der für Wirtschaft zuständig ist, dass die HGO-Änderung auch etwas damit zu tun hat, dass die Akzeptanz dadurch erhöht wird. Er bezog sich auf den Energiegipfel.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Energiegipfel unter der Leitung von Volker Bouffier kam zu einem anderen Ergebnis. Ich will es hier einfach noch einmal festhalten. Es war in der Arbeitsgruppe IV, die ich gemeinsam mit dem Kollegen Dr. Dieter zu verantworten hatte, nicht das Ergebnis, dass es die Akzeptanz erhöht, wenn die Kommunen sich daran beteiligen.