Protokoll der Sitzung vom 15.07.2014

Meine Damen und Herren, Frau Dr. Neuschäfer stellt eine Zusatzfrage.

Frau Ministerin, es wurde ein neuer Wegeplan erarbeitet. Können Sie sagen, wann die Genehmigung des Ministeriums vorliegen wird?

Frau Staatsministerin Hinz.

Das weiß ich jetzt aus dem Kopf heraus nicht. Ich kann das Ihnen aber schriftlich nachreichen.

Vielen Dank. – Damit schließe ich für heute die Fragestunde.

(Die Fragen 100, 101 und die Antworten der Lan- desregierung sind als Anlage 1 beigefügt. Die Fra- gen 96 bis 99 sollen auf Wunsch der Fragestellerin und der Fragesteller in der nächsten Fragestunde be- antwortet werden.)

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 2:

Regierungserklärung des Hessischen Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung betreffend „Neue Energie für Hessen – für das Klima, für die Wirtschaft, für uns alle“

Die vereinbarte Redezeit beträgt 30 Minuten. Das Wort zur Regierungserklärung erteile ich Herrn Staatsminister AlWazir. Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung nimmt mit neuer Energie eine große Aufgabe in Angriff: die Gestaltung der Energiewende in Hessen.

Die Energiewende ist keine Zukunftsmusik. Sie findet statt, und zwar nicht erst seit dem Jahr 2011 und den tragischen Ereignissen in Fukushima. Im ersten Halbjahr dieses Jahres haben die erneuerbaren Energien deutschlandweit erstmals die Braunkohle als wichtigsten Energieträger abgelöst. 31 % der Stromerzeugung stammte aus erneuerbaren Energien.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Konventionelle klimaschädliche Kraftwerke verlieren zunehmend an Bedeutung. Insbesondere Windkraft- und Fotovoltaikanlagen sind in Deutschland zu einer der tragenden Säulen der Energieversorgung geworden. Das zeigt: Die Energiewende findet statt. Die spannende Frage für uns in Hessen ist: Schaffen wir es hier, uns an die Spitze

der technologischen Entwicklung zu setzen? Können wir durch kluge Konzepte und entschlossenes Handeln die Energiewende mitgestalten und am Ende auch von ihr profitieren? – Meine Antwort auf die Fragen ist klar: Wir können, und wir wollen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mein Ziel ist es, die Energiewende hier in Hessen entschlossen voranzutreiben. Mein Ziel ist es, innovative Unternehmen, die sich um Fragen der Energieeffizienz, der Ressourceneinsparungen, um intelligente Vernetzung kümmern, hier in Hessen anzusiedeln und auch einen möglichst großen Anteil der Wertschöpfung an all diesen Entwicklungen hier in Hessen zu halten.

Manchmal gerät wie bei der aktuellen Debatte um die Änderungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz in Vergessenheit, warum die Energiewende notwendig ist. Seit dem Jahr 1990 hat sich aufgrund des CO2-Ausstoßes die globale Durchschnittstemperatur um ungefähr 0,3 Grad erhöht. Das klingt wenig, ist aber sehr viel. Die dramatischen Auswirkungen der Klimaerwärmung sehen wir als überschwemmte Städte und zerstörte Häuser regelmäßig in den Nachrichten.

Mit der Bevölkerung der Erde wächst nach wie vor auch der Energieverbrauch. Die Nachfrage steigt. Seit 1990 hat sich der Erdölpreis vervierfacht. Unser gegenwärtiger Umgang mit Energie schadet nicht nur massiv der Umwelt. Es ist beinahe trivial, aber man muss erneut darauf hinweisen: Kohle, Erdöl, Erdgas und übrigens auch Uran sind endlich, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist es völlig klar, dass dies dazu führen wird, dass die Energiepreise durch die Decke gehen, wenn die Menschheit nicht entschieden gegensteuert. Natürlich müssen wir darauf achten, dass die Energiewende ebenfalls nicht zu teuer wird. Aber gelingt sie uns nicht, dann werden vor allem Menschen mit kleinen Einkommen ihre Strom- und Gasrechnung schon bald nicht mehr bezahlen können.

Die Energiewende ist insofern nicht nur aus umweltpolitischen Gründen notwendig. Ich bin davon überzeugt, sie ist auch ein Projekt der Gerechtigkeit, weil mittelfristig nur durch Energieeinsparung, durch Energieeffizienz und die erneuerbaren Energien, also die Energiewende, Energie überhaupt bezahlbar bleibt.

(Beifall bei der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mehr noch: Wenn wir uns anschauen, wo die größten Vorkommen fossiler Energieträger lagern, wird schnell klar: Es sind vor allem politisch instabile Gegenden, von denen wir abhängig sind. Die EU importiert zwei Drittel ihres Erdgases und knapp 90 % des Rohöls. Es ist also auch ein Aspekt der Versorgungssicherheit, sich mit der Energiewende von instabilen Regionen der Welt unabhängiger zu machen.

Auch diese Zahl ist interessant: Wir geben inzwischen jährlich 83 Milliarden € für Erdöl- und Erdgasimporte nach Deutschland aus. Das ist die mögliche volkswirtschaftliche Rendite der Energiewende. Wenn wir diese Chance nutzen wollen, dann müssen wir jetzt die Weichen stellen – für

das Klima, für die Wirtschaft, für uns und für unsere Kinder und Enkel.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Seit Fukushima und den Bildern, die uns die Risiken und Nebenwirkungen der Atomkraft erneut so unmittelbar vor Augen geführt haben, hat sich der Wandel in der deutschen Energiepolitik deutlich beschleunigt. Dies hat auch dazu geführt, dass im April 2011 auf Einladung des Ministerpräsidenten Abgeordnete aller im Landtag vertretenen Fraktionen zum Hessischen Energiegipfel zusammengefunden haben.

Ich will ausdrücklich sagen: Gemeinsames Ziel damals war es, die Weichen für eine sichere, umweltschonende, bezahlbare und gesellschaftlich akzeptierte Energieversorgung für alle hessischen Einwohner und Unternehmen zu stellen. Dieser fraktionsübergreifende Beschluss aus dem Jahr 2011 ist zugleich vereinbarte Grundlage der Energiepolitik auch dieser Landesregierung. Wir erinnern uns noch an den Energiegipfel, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zusätzlich hat sich die neue Landesregierung auch Zwischenziele gesetzt. Wir wollen den Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch in Hessen bis zum Ende der Legislaturperiode gegenüber heute auf 25 % verdoppeln. Im Jahr 2050 soll Hessens Energieversorgung nicht nur im Bereich der Stromversorgung, sondern auch bei der Wärmeerzeugung vollständig auf erneuerbaren Energien basieren.

Ich mache mir da keine Illusionen: Das wird kein einfacher Weg. Aktuell stehen wir bei der Nutzung erneuerbarer Energien noch auf Platz 11 der 16 Bundesländer. Wir haben in Hessen Nachholbedarf. Wir sind nicht da, wo wir sein könnten. Umso wichtiger ist es jetzt, sich mit voller Kraft dafür einzusetzen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich bewegen wir uns da nicht im luftleeren Raum. Es hängt auch entscheidend von bundespolitischen Rahmenbedingungen ab, was uns da gelingt oder nicht gelingt. Die Bundesregierung hat eine Reform des EEG auf den Weg gebracht, die im Ergebnis die Energiewende an etlichen Punkten eher behindert als befördert. Aber um eines ganz klar zu sagen: Es war richtig und wichtig, die Förderbedingungen zu verändern. Das EEG in seiner alten Form war wirkungsvoll, um neue Technologien auf den Markt zu bringen. Das Ergebnis – das sollten wir nicht vergessen – war ein enormer technischer Fortschritt. Eine Fotovoltaikanlage von heute ist mit einer von vor 15 Jahren nicht mehr ansatzweise vergleichbar. Der Wirkungsgrad der Module hat sich verbessert. Die Preise sind radikal gefallen. 1 kWh Solarstrom im Jahr 2000 hat ungefähr 70 Cent gekostet. Inzwischen sind wir bei durchschnittlich 10 Eurocent. Natürlich muss Politik darauf reagieren und die Förderbedingungen anpassen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber von der jetzigen Regelung gehen z. B. keine Impulse zur CO2-Einsparung aus. Klimaschädliche und ineffiziente

Braun- und Steinkohlekraftwerke profitieren weiterhin davon, dass viel zu viele CO2-Zertifikate auf dem Markt sind. Die klimaschonenden, hoch effizienten Gaskraftwerke könnten bei Bedarf flexibel eingesetzt werden, aber sie sind auf dem gegenwärtigen Markt kaum rentabel.

Deswegen werden wir weiter auch auf Bundesebene über die Frage diskutieren, was wir in der Zukunft brauchen. Sie kennen die Idee eines Kapazitätsmarktes, der in der Lage ist, bereitgestellte, aber nicht abgerufene Strommengen zu vergüten, damit die modernen Gaskraftwerke rentabel werden. Allerdings – das ist sehr wichtig – darf es dabei keine Mitnahmeeffekte geben. Es darf kein neuer großer Subventionstatbestand entstehen. Wir sind gespannt, was die Bundesregierung hier in den nächsten Jahren vorlegen wird.

Die gute Nachricht beim novellierten EEG ist: Durch den Einsatz der Länder ist es gelungen, zumindest die gröbsten Fehler aus dem ursprünglichen Gesetzentwurf zu entfernen. An dieser Stelle möchte ich eines ganz klar sagen: Es war nicht zuletzt der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, der bei den Berliner Verhandlungen für Verbesserungen im Sinne hessischer Interessen gekämpft hat.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der SPD)

Liebe Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, ich weiß schon, dass es euch wehtut, wenn Schwarz-Grün, gegen euren Parteivorsitzenden, dafür kämpft, dass wir in Hessen weiterhin die Energiewende betreiben können; aber ich weiß, wer in Berlin dafür hilfreich und wer dafür weniger hilfreich war.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei war manchmal nicht ganz in Einklang zu bringen, was hier dazu gesagt und was dort dafür getan wurde.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das kennen wir ja! – Zuruf des Abg. Marius Weiß (SPD))

Die schlechte Nachricht ist: Ungeachtet der Erfolge, die wir beispielsweise bei der Vergütung für die mittelstarken Windstandorte, die für Hessen besonders wichtig sind, erreicht haben, könnte das neue EEG dazu führen, dass der Ausbau der Fotovoltaik weiter einbricht. Auch aus diesem Grund werden wir uns beim Ausbau der Erneuerbaren hier in Hessen vor allem auf die Windkraft konzentrieren müssen.

(René Rock (FDP): Noch mehr Windräder!)

Wenn wir in Hessen die Verdoppelung der Stromerzeugung durch Erneuerbare erreichen wollen, muss die bestehende Windkraftleistung in den kommenden fünf Jahren nahezu verdreifacht werden. Die uns vorliegenden Genehmigungszahlen zeigen, dass dieser Windkraftzubau erreichbar ist: Derzeit sind knapp 500 neue Anlagen mit insgesamt rund 1.280 MW Leistung genehmigt oder im Genehmigungsverfahren. Wenn eine große Anzahl diese Anlagen in den kommenden drei bis vier Jahren gebaut wird, dann haben wir eine echte Chance, unsere Ziele zu erreichen.

Wir sind gerade dabei, den weiteren Ausbau geordnet, transparent und offen zu gestalten. Sie wissen: Derzeit werden Flächen zur Erzeugung erneuerbarer Energien ausgewiesen.

Wir haben uns auf dem Energiegipfel auf der Grundlage einer Potenzialabschätzung darauf verständigt, Areale in einer Größenordnung von 2 % der Landesfläche für Windkraftanlagen zur Verfügung zu stellen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass 98 % der Landesfläche frei von Anlagen bleiben würden, wenn wir dieses 2-%-Ziel erreichen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Ausweisung folgt klaren und einheitlichen Kriterien, die im Landesentwicklungsplan festgelegt sind. Auf dieser Grundlage werden die regionalen Raumordnungspläne gerade fortgeschrieben.

In den Regierungspräsidien und im Regionalverband Frankfurt Rhein-Main werden auch die Einwendungen zügig, aber sorgfältig bearbeitet. – An dieser Stelle darf ich mich auch einmal bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung bedanken. Die haben momentan wirklich viel Arbeit auf dem Schreibtisch.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)