Protokoll der Sitzung vom 15.07.2014

(Beifall des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Herr Minister, an vielen Stellen wollen Sie das Richtige. Leider aber sind Sie an vielen Punkten vage und ein bisschen unverbindlich geblieben. Das ist freilich kein Wunder, wenn man mit einer Partei regiert, die jahrelang die Energiewende blockiert hat und auch heute noch an vielen Orten von „Windkraftmonstern“, einer „Verspargelung der Landschaft“ und Sonstigem spricht.

Ich habe gelesen, dass Sie noch im Jahr 2012 gesagt haben: „Bouffier vermittelt immer mehr den Eindruck, dass er die Energiewende und ihren Erfolg gar nicht will.“ Das sagte Tarek Al-Wazir im November 2012.

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist ein Ding!)

Heute haben Sie den Ministerpräsidenten für seinen Einsatz für die Energiewende gelobt. Ich sage: Ich teile eher die Einschätzung des Oppositions-Tarek-Al-Wazir als die des Regierungs-Tarek-Al-Wazir.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Stephan Grü- ger (SPD))

Trotzdem wünsche ich mir, dass Sie sich mit dem durchsetzen können, was Sie heute teilweise an guten Vorschlägen hier vorgetragen haben. Anderes hat mir gefehlt. Ihre Vorgängerinnen haben viele bunte Hochglanzbroschüren drucken lassen und oft zu Showveranstaltungen eingeladen. Es wäre schön, wenn sich das ändern würde. Wir sagen Ihnen zu, wir werden jeden Schritt auf dem Weg zu einer sozialen und demokratischen Energiewende unterstützen. Wir hoffen, dass Sie Ihren heutigen Ankündigungen Taten folgen lassen, und wünschen Ihnen dabei alles Gute.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Wissler. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Rock das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Vielleicht geht es nicht jedem so, aber für mich persönlich war dies ein sehr harter Nachmittag. Was ich hier alles über die Energiewende hören musste, was hier teilweise erzählt wurde –

(Lachen des Abg. Peter Stephan (CDU))

da wird die Redezeit von 30 Minuten jetzt kaum reichen, das alles wieder zurechtzurücken, was hier alles an komischen Dingen erzählt worden ist.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Ich möchte einmal mit dem Minister anfangen. Herr AlWazir, Sie heißen „Minister“, vielleicht sind Sie Minister – auf jeden Fall sind Sie kein Wirtschaftsminister. Das haben Sie heute hier belegt.

(Beifall bei der FDP)

Das ist nachvollziehbar, und das belege ich Ihnen auch gleich: Wenn ein Wirtschaftsminister hier 34 oder 35 Minuten lang über die Energiewende spricht und kein einziges Wort für mittelständische und Industriebetriebe in Hessen übrig hat, dann ist er nicht Wirtschaftsminister dieses Landes. Er ist sonst wo, aber nicht in dem Amt Minister, dessen Titel er trägt.

(Beifall bei der FDP)

Ich will es Ihnen auch begründen. Herr Al-Wazir, ich weiß nicht, ob Sie zuhören.

(Minister Tarek Al-Wazir: Ich höre zu!)

Wer Zeit hat, nach Rheinland-Pfalz zu fahren, zehn Windräder einzuweihen, dort zu feiern und Häppchen zu essen,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das liegt der FDP völlig fern!)

der hat keine Zeit, sich um die mittelständische Industrie in unserem Land zu kümmern.

Ich habe hier eine Pressemitteilung des Unternehmens Duktus vom 08.07.2014, in der öffentlich dargestellt wird: Das Unternehmen hat 300 Mitarbeiter, die haben Familien, die haben Erwartungen, die haben Hoffnungen und Ängste. Das sind hessische Mitarbeiter. Herr Al-Wazir, Sie bekommen einen Brief von der Geschäftsleitung und vom Betriebsrat – das will ich Ihnen nicht vorenthalten, und deshalb sage ich auch, Sie sind nicht Wirtschaftsminister für Hessen; Sie sind vielleicht in Rheinland-Pfalz unterwegs, aber nicht in dem Land, für das Sie gewählt worden sind –: Jeder Arbeitsplatz in diesem Unternehmen ist dadurch, dass sie nicht mehr in die Schutzregel fallen und dass Sie sich nicht darum gekümmert haben, mit 5.000 € belastet. Ihre beliebte Fotovoltaik bekommt Hunderte, Tausende oder Zehntausende Euro Subventionen pro Arbeitsplatz. Wenn es hier um 5.000 € geht, die vielleicht einen Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz kosten, interessiert Sie das nicht einmal.

(Beifall bei der FDP)

Warum sage ich, das interessiert Sie nicht? – Ihnen ist mitgeteilt worden, dass sie jetzt 15 Cent pro Kilowattstunde bezahlen müssen. Früher mussten sie 9 Cent bezahlen. Dann sagt natürlich Frau Wissler oder irgendeiner hier aus dem Rund: Das ist eine ungerechte Subvention des deutschen Mittelstandes oder der deutschen Industrie. – Was müssen denn die Konkurrenten im Nachbarland für Strom bezahlen? 5 Cent die Kilowattstunde muss ein Industriebetrieb in Frankreich bezahlen. Wo sind denn die großen Vorteile der Energiewende für die Industrie in Hessen und in Deutschland? Die gibt es nicht, sondern sie leiden darunter. Sie können in gewissem Maß noch im Wettbewerb stehen. Aber wenn sie aus der Privilegierung herausfallen, werden Arbeitsplätze in Hessen vernichtet. Das interessiert Sie offenbar überhaupt nicht.

(Beifall bei der FDP)

Warum sage ich, das interessiert Sie nicht? – Sie haben einen Brief von dem Unternehmen bekommen, und Sie wurden in das Unternehmen eingeladen. Sie haben noch nicht einmal die Zeit gehabt, diesem Unternehmen zu antworten. Aber Sie waren in Rheinland-Pfalz bei der Einweihung von zehn Windrädern, haben wir gehört. Das ist aus meiner Sicht der völlig falsche Schwerpunkt eines hessischen Wirtschaftsministers.

(Beifall bei der FDP)

Ich kann nur sagen: Nehmen Sie dieses Amt ernst, füllen Sie es aus, und beschäftigen Sie sich mit den Dingen, für die Sie gewählt wurden und für die Sie in dieser Regierung zuständig sind.

Ich will aber einmal auf die anderen Bestandteile Ihrer Regierungserklärung eingehen. Bei allen Vorrednern war immer das große Thema Klimaschutz und Klimawandel. Ich habe eigentlich gedacht, dass wir das hier so oft diskutiert haben, dass Sie nicht immer wieder diese Falschbehauptungen aufstellen und darstellen wollen, dass die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Die gibt es nicht!)

das EEG und die Klimaschutzpolitik, die Sie hier vertreten, irgendeine Tonne CO2 in Europa einsparen. Das ist falsch. Das ist eine komplette Irreführung der Menschen, die Ihnen zuhören. Das wissen Sie, und trotzdem wiederholen Sie es an dieser Stelle immer wieder.

Ich kann Ihnen nur sagen, hören Sie doch bitte auf damit. Sie wissen, es gibt eine Obergrenze an CO2-Ausstoß in Europa. Diese Obergrenze ist festgelegt. Wenn wir mit 23 Milliarden € Subventionen in die Fotovoltaik und die Windenergie versuchen, weniger CO2 auszustoßen, dürfte Polen oder ein anderes Land mehr ausstoßen. Von daher: Kehren Sie zurück zum Zertifikatehandel, hören Sie auf mit dem EEG, und stimmen Sie uns zu, dass dem EEG ein Moratorium folgen muss, damit hier nicht weiter falsch subventioniert wird.

(Beifall bei der FDP)

Ich könnte vielleicht nachvollziehen, dass Sie sagen: Na ja, das ist ein Oppositionspolitiker; ich muss mich nicht darum kümmern, was der hier erzählt, und ich muss auch nicht in die Unterlagen sehen und mich informieren. – Aber Sie könnten doch wenigstens zur Kenntnis nehmen, und darum würde ich Sie wirklich bitten, dass die Menschen, auf die Sie sich gern beziehen – das IPCC, das Konzil derer, die diejenigen heiligsprechen, die für den Klimaschutz sind –, Ihnen mittlerweile mitteilen, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz keine positiven Auswirkungen auf den Klimaschutz in Deutschland hat. Das können Sie in den Berichten und in den Medien nachlesen, das können Sie doch nicht einfach ignorieren. Nehmen Sie doch einmal diese Hinweise wahr. Es ist nicht die FDP, die das sagt, sondern es sind die Leute, von denen Sie immer behaupten, dass sie genau wüssten, wovon sie reden.

Auch die Fachkreise und Fachleute, die die Bundesregierung mit dem Evaluieren der Energiewende beauftragt hat, sagen klipp und klar, das EEG hat keinerlei Wirkung auf den Klimaschutz. Nichts bringt es, gar nichts – außer dass Sie eine Menge Geld ausgeben und dass Sie womöglich, wenn man die hessischen Pläne verfolgt, einen relativ großen Eingriff in Natur und Landschaft vornehmen und

die Menschen belasten wollen, ohne 1 t CO2 zusätzlich einzusparen. Das muss man sich doch einmal klarmachen. Wenn Sie mir nicht glauben, dann lesen Sie es nach. Dann informieren Sie sich doch bitte, und hören Sie endlich auf, diese Dinge hier falsch zu erklären.

Herr Al-Wazir, Sie haben in Ihrer Rede gesagt, Probleme sind dazu da, dass man sie löst. Das ist schön. Aber ich haben nicht den Eindruck, dass Sie überhaupt in der Lage sind, die Probleme zu erkennen; denn auf die sind Sie gar nicht eingegangen.

(Beifall bei der FDP)

Die erste Voraussetzung, um ein Problem lösen zu können, ist, dass man es erkennt. Das ist bei Ihnen leider nicht feststellbar.

Wenn Sie mir immer noch nicht glauben, dann machen Sie die Tür auf, schalten Sie den Computer ein, schauen Sie ins Fernsehen, versuchen Sie, nur die an der Oberfläche erkennbare Information wahrzunehmen:

Wir in Deutschland wollen Vorreiter für die Energiewende sein. Wir wollen andere Länder überzeugen, dass sie es so machen sollen wie wir. Was sind denn die Fakten? – Der CO2-Ausstoß in Deutschland steigt. Er steigt und steigt und steigt. Wir haben in Deutschland noch nie so viel CO2 ausgestoßen wie jetzt, und wir geben noch nie so viel für regenerative Energie aus wie jetzt. Kann das denn in irgendeiner Weise stimmen? Ich weiß nicht, in welcher Welt Sie leben. Die Braunkohlekraftwerke laufen ununterbrochen. Sie wissen doch ganz genau, dass die fluktuierenden Energien aus Fotovoltaik und Windkraft keinen substanziellen Ersatz für die Grundlastkraftwerke im konventionellen Bereich dauerhaft darstellen können. Bestreiten Sie es nicht, das wissen Sie.

Herr Al-Wazir, darum ist schon der Vergleich, den Sie anstellen, nicht richtig. Sie vergleichen die Strommenge, die die erneuerbaren Energien vielleicht einmal in gewisser Weise gebracht haben, weil ein bisschen Wind und Sonne war, mit der grundlastfähigen konventionellen Energie. Das ist systemisch völlig falsch, solange wir keine ausreichenden Speichermedien haben, die diese regenerative Energie ausreichend speichern können und in dem Fall, dass wir sie benötigen, auch wieder abgeben können. Sie können doch nicht ernsthaft behaupten, dass es die gäbe, dass die in absehbarer Zeit in irgendeiner Weise darzustellen seien. Die gibt es nicht, und das müssten Sie wissen.

Was bedeutet das? – Sie haben es in einem Nebensatz einmal erwähnt. Das bedeutet, dass die konventionellen Kraftwerke dauerhaft für die Grundlastsicherung in Deutschland zur Verfügung stehen müssen. Das heißt, das haben Sie auch gesagt, dass wir erst einmal den regenerativen Strom subventionieren werden, der keine Tonne CO2 einspart. Künftig werden wir, damit die Grundlast gesichert ist, auch die konventionellen Kraftwerke subventionieren. Da kann man nur sagen, langsam sind wir in Schilda angekommen: Wir haben jetzt die regenerativen Energien so subventioniert, dass sich die konventionellen Energien nicht mehr rentieren; und jetzt müssen wir die konventionellen Energien so subventionieren, dass sie sich wieder rentieren.

Dann sagen Sie natürlich, es muss einen Vorrang für regenerative Energie geben. Das heißt, Sie werden die konventionellen Kraftwerke demnächst dafür subventionieren, dass sie keinen Strom erzeugen, sondern dass sie Strom erzeugen könnten. Dafür werden die demnächst 4 oder

6 Milliarden € im Jahr bekommen. Dann stellen Sie sich hierhin und sagen: „Ich bin gegen die vier großen Stromkonzerne, und ich werde dafür sorgen …“ – Nein, Sie geben eine Einnahmegarantie für diese Stromkonzerne.

(Beifall bei der FDP)

Dann ist die einzige Frage, die sich noch stellt: Wie viel Kohle wollen Sie bei den Konzernen kaufen, oder wie viel Gas wollen Sie kaufen? Wenn Sie sagen, Sie wollen alles mit Gas machen, dann wird es doppelt so teuer. Dann werden Sie nicht 3, 4, 5 oder 6 Milliarden €, sondern 8, 9, 10 oder 12 Milliarden € zusätzlich zu den 23 Milliarden € jedes Jahr bezahlen müssen. Das ist doch ein Irrsinn. Sie müssen doch einfach akzeptieren, dass das in keiner Weise eine zukunftsgewandte Politik ist. Das kostet nur Geld.

(Beifall bei der FDP)

Da bin ich noch nicht einmal bei den Netzen angekommen: der Netzausbau, den wir brauchen, um die Energie zu befördern, die an der falschen Stelle zur falschen Zeit erzeugt wird und die wir dann wahrscheinlich in die Schweiz, nach Österreich oder nach Holland oder sonst wohin transferieren können, weil wir sie hier gar nicht verwenden können.

Damit diese Energie transportiert werden kann, brauchen wir einen Ausbau der Stromnetze, der womöglich 10 Milliarden € kostet: 10 Milliarden € für Stromleitungen, die wir bauen müssen, um zu bestimmten Zeitpunkten Energie durch Deutschland zu leiten, obwohl sie am Ende der Leitung möglicherweise gar nicht verwendet werden kann. Ich kann nur sagen: Diese unorganisierte Strategie zur Umsetzung der Energiewende wird niemand auf der Welt übernehmen. Niemand wird auch nur annähernd auf die Idee kommen, das zu kopieren. Das wird eine deutsche Einzeltat sein. Da werden wir Deutsche ausgelacht, aber nicht kopiert werden. Das werden Sie mit dieser Politik erreichen.