Protokoll der Sitzung vom 15.07.2014

Damit diese Energie transportiert werden kann, brauchen wir einen Ausbau der Stromnetze, der womöglich 10 Milliarden € kostet: 10 Milliarden € für Stromleitungen, die wir bauen müssen, um zu bestimmten Zeitpunkten Energie durch Deutschland zu leiten, obwohl sie am Ende der Leitung möglicherweise gar nicht verwendet werden kann. Ich kann nur sagen: Diese unorganisierte Strategie zur Umsetzung der Energiewende wird niemand auf der Welt übernehmen. Niemand wird auch nur annähernd auf die Idee kommen, das zu kopieren. Das wird eine deutsche Einzeltat sein. Da werden wir Deutsche ausgelacht, aber nicht kopiert werden. Das werden Sie mit dieser Politik erreichen.

(Beifall bei der FDP)

Die Netze werden vielleicht 10 Milliarden €, die redundanten Systeme in den Großkraftwerken zwischen 4 und 12 Milliarden € kosten. Es kommt darauf an, wie Sie das organisieren, was Sie den Konzernen an Vergütungen zugestehen. Bei den Speichern – das ist das Teuerste, von dem wir wissen – wissen wir noch gar nicht, wie wir sie in ausreichendem Maße erzeugen sollen, dass sie wirtschaftlich und industriell verwertbar sind. Da sind wir noch am Überlegen.

Von daher kann ich nur davor warnen, sich weiterhin ideologisch zu verrennen. Wir müssen einmal versuchen, einen Halt zu machen, zu bremsen, uns ein Stück weit zurückzunehmen und die sinnlose Verschwendung von Geld zu stoppen, die momentan stattfindet. An dieser Stelle kann ich Ihnen wirklich nur sagen: Halten Sie ein, treten Sie zurück, überlegen Sie, was Sie tatsächlich wollen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wer soll zurücktreten?)

Das habe ich nicht auf den Minister gemünzt. Ziehen Sie es in Betracht? – Sie sollten sich auf jeden Fall einmal überlegen, was Sie erreichen wollen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sie sollten sich überlegen, was Sie sagen wollen!)

Das Einzige, was ich bis jetzt feststellen kann, ist, dass die Energiewende so, wie Sie sie strukturieren und vorbereiten, nicht funktionieren wird. Da fragt man sich: Was treibt

die Leute an, die durch die Republik laufen und uns den ganzen Tag im Fernsehen und bei Veranstaltungen erklären, die Energiewende werde uns glücklich machen, das müsse genau so weitergehen, eigentlich müsste man noch viel höhere Fördertatbestände im EEG haben, man müsste noch viel intensiver hineingehen?

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Die Energiewende macht uns glücklich!)

Es geht einfach darum: Da werden jedes Jahr 23 Milliarden € verteilt – umverteilt von den Leuten, die den Strompreis bezahlen müssen, zu denen, die in die Energiewende investiert haben, die in dem Bereich Anlagen betreiben. Wenn man die Argumente verfolgt, dann sieht man: Es geht ums Geld. Das ist die große Antriebsfeder. Das ist nicht schlimm, aber wenn es um mein Geld geht, dann möchte man wenigstens eine adäquate Leistung dafür bekommen. Aber die bekommt man nicht.

(Beifall bei der FDP)

Herr Al-Wazir, bei der Energiewende reden Sie von Gerechtigkeit, und dann sagen Sie folgenden Satz – ich habe eigentlich gedacht, Frau Wissler greift ihn auf, aber jetzt muss ich ihn aufgreifen –: Strom und Gas sind bald nicht mehr zu bezahlen. – Ich weiß nicht, ob Sie die Zahlen nicht kennen oder ob Sie sich damit vielleicht nicht beschäftigen. Wir haben doch heute schon die Situation, dass die Energiekosten enorm hoch sind, dass der Strompreis enorm hoch ist. Das Statistische Bundesamt hat festgestellt: 6,4 Millionen Haushalte leben infolge der hohen Energiekosten in Energiearmut. Im Jahr 2011 wurde 600.000 Haushalten der Strom komplett gesperrt, man hat sie vom Stromnetz abgeklemmt, weil sie ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen konnten. Sie sagen: Die Energiewende muss in Zukunft bezahlbar bleiben. – Ich sage: Die Energiewende muss überhaupt erst einmal bezahlbar werden, weil sie schon heute die Bürger über alle Maßen belastet.

(Beifall bei der FDP)

Ich kann mir schon vorstellen, dass es Menschen gibt, für die solche Aussagen, die Sie hier treffen, nur noch zynisch klingen. Mit diesen Aussagen haben Sie sich eben selbst entlarvt. Dem kann man eigentlich gar nichts mehr hinzufügen.

So viel zur Energiewende im Allgemeinen. Man könnte sich noch stundenlang über all das auslassen, was Sie hier gesagt haben und was ich keineswegs teile.

Ich will jetzt zu dem Bereich kommen, zu dem zu reden Sie uns eigentlich versprochen hatten, nämlich zur Energiewende in Hessen, was Sie da alles so tun und wie die umgesetzt werden soll. Bevor Sie zu Hessen gekommen sind, haben Sie uns zunächst in einem allgemeinen Teil wirklich alle Ladenhüter der Energiewendepropaganda aufgezählt, die man schon seit Jahren nicht mehr hören kann. Die haben Sie wieder rauf und runter dekliniert, als sei in den letzten drei oder vier Jahren überhaupt nichts passiert. Sie haben z. B. wieder von der Waschmaschine und dem Trockner geredet, die ferngesteuert und nur angeschaltet werden, wenn der Wind weht. Wir haben hierzu Pilotprojekte in Darmstadt, wo alle sagen: Da kommt überhaupt keine Strommenge zusammen; wenn das ein Stahlwerk wäre, dann könnte man da etwas steuern, aber nicht bei einem Wäschetrockner. – Dass Sie das hier wieder erzählt haben, ist nur noch zum Kopfschütteln.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der CDU)

Oder: das Thema Effizienz. Sie wissen doch ganz genau, was passiert, wenn jemand einen alten Kühlschrank hat und sagt, er kauft sich einen neuen, er kauft sich jetzt einen A+++-Kühlschrank, super energieeffizient. Studien belegen: Der neue Kühlschrank kommt in die Küche, und der alte Kühlschrank kommt in die Garage, in den Keller oder ins Fraktionszimmer. Der wird doch nicht abgeschaltet, der läuft doch weiter.

(Heiterkeit – Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD: Aha!)

Herr Al-Wazir, ich habe gedacht, bei Ihnen ins Fraktionszimmer. Sie haben doch davon gesprochen. Ich glaube, da haben wir Sie ertappt.

Das war aber noch nicht genug. Es kam die Mär vom Elektroauto, das mittags in der Garage steht und das Stromnetz stabilisiert. Ich weiß nicht, wie oft das hoch und runter dekliniert worden ist, wie oft wir über die Potenziale gesprochen haben. Wo sind die Millionen Elektroautos, die den Strom speichern sollen? – Wenn ich dann losfahren will, entlädt mein Nachbar gerade mein Auto, und ich stehe vor der Garage und sage: „Heute ist mir danach, mit dem Fahrrad nach Wiesbaden zu fahren.“ – Welch einen Kram Sie hier vortragen, das hält man manchmal nicht mehr aus, das kann man nicht mehr nachvollziehen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Al-Wazir, es ist einfach nur noch dreist, wenn Sie sich hierhin stellen und sagen, Sie wollen Steuererleichterungen bei Wohnraumsanierungen. Sie von den GRÜNEN haben das mit Ihrer rot-grünen Mehrheit die ganze Zeit massiv verhindert. Sie haben verhindert, verhindert und verhindert. Jetzt stellen Sie sich hierhin und sagen solche Sätze. Dazu kann man nur sagen: Sie sind sich mittlerweile für nichts mehr zu schade.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben tatsächlich gesagt, Sie hätten eine Uni besucht und erkannt, Forschung sei ganz wichtig für die Energiewende. Auch dazu kann ich nur sagen: Wir geben 23 Milliarden € für die EEG-Förderung und 200 Millionen € für die Forschung aus. Vielleicht sollten Sie einmal über die Schwerpunktsetzungen in Ihrer Politik nachdenken, bevor Sie weiterhin solche Aussagen treffen.

(Beifall bei der FDP)

Jetzt habe ich leider schon zwei Drittel meiner Redezeit verbrauchen müssen, um nur ein bisschen auf das einzugehen, was Sie hier an falschen Aussagen getroffen haben.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Glück habe ich noch zwölf Minuten für Hessen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das muss man nicht ausnutzen! Denken Sie an die Kollegen! – Zurufe von der SPD – Janine Wissler (DIE LINKE): Die CDU will doch nur zu ihrem Sommerfest!)

Mir geht es nicht um das Sommerfest, sondern mir geht es um die Energiewende, um ein wichtiges Thema, das Sie als Regierung hier gesetzt haben. Herr Irmer, wenn Sie keine Lust auf das Thema haben, kann ich Ihnen nicht helfen.

(Beifall bei der FDP)

Auch der Redner Ihrer Fraktion hat hier so lange geredet, wie er wollte. Das schließt an die Debatte an, die wir heute Mittag im Plenum geführt haben. Das ist aber Ihr Selbstverständnis, nicht meines.

(Beifall bei der FDP)

Ich komme jetzt zu Hessen. Sie von den GRÜNEN haben hier große Reden für die Energiewende gehalten. Deshalb dachte ich: Wenn der Al-Wazir jetzt als Minister daherkommt, dann stellt er sich hierhin und brennt ein Feuerwerk an Maßnahmen ab. Ich hatte schon Befürchtungen, was da alles auf uns zukommt. Wie sieht der Masterplan des Superministers Al-Wazir aus? Wo ist die Energiewende, die er aus dem Boden stampft? – Das Einzige, was Sie beim Thema Energiewende hier wirklich substanziell angesprochen haben, waren Windräder. Das war Ihr einziges Thema bei der Energiewende in Hessen: Windräder, Windräder, Windräder – Windräder, es können nicht genug sein. Ist Ihnen das nicht zu wenig? Ist das nicht zu billig für Sie? Ist das nicht etwas, was Sie an dieser Stelle einmal überdenken sollten?

Ich frage mich auch: Ich weiß nicht, ob Sie zu Frau Lindscheid, der Darmstädter Regierungspräsidentin, Kontakt haben. Es gibt mehr als 30.000 Einwendungen gegen den Regionalplan Südhessen. Wir haben das hier schon einmal besprochen.

(Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

Wie können Sie denn sagen, die Bevölkerung empfinde bei dem Ausbau der Windkraftanlagen ein Unbehagen? Bei 30.000 Einwendungen allein in Südhessen sprechen Sie von einem „Unbehagen“. Ich weiß nicht, wo Ihr Fingerspitzengefühl geblieben ist.

(Beifall bei der FDP)

Wir sind das von Ihrer Kollegin Dorn schon gewohnt. Die hat der „FAZ“ ein Interview gegeben und diese Schlagzeile produziert: Der Wald braucht die Windkraft. – Sie bewegen sich jetzt als Minister auf genau derselben Linie: Der Wald braucht die Windkraft.

Ich erinnere mich noch an meine Zeit als Mitglied der Regionalversammlung. Da waren alle der Meinung – vor allem die GRÜNEN, Herr Kaufmann –: Nein, im sensiblen Wald gibt es keine Windkraftanlagen. Die kommen nur in die Nutzwälder. Nur in den Wäldern, die intensiv genutzt werden, kann man Windräder errichten. – Wir waren in Südhessen einmal bei 3,5 %. Wir sind bei 0,2 % herausgekommen – oder bei 0,02 %; ich weiß es nicht. Jedenfalls ist das, was die Vorrangflächen betrifft, eine absurd niedrige Zahl. Genau darauf arbeiten Sie mit Ihrer Art der Heiligsprechung der Windkraft wieder hin, und das kann ich nicht nachvollziehen.

(Beifall bei der FDP)

Mir tut auch ein bisschen weh, welche Vergleiche Sie in Ihrer Rede angestellt haben. Der EZB-Turm ist 185 m hoch. Darauf kommt noch ein kleines Antennchen; dann haben Sie die Höhe eines Windrads. Das ist der hohe Turm, nicht der niedrige. Der hohe Turm ist 185 m hoch, ungefähr so hoch wie der Kühlturm von Staudinger. Ein Windrad ist 200 m hoch. Daher sollten Sie einmal überlegen, welche Vergleiche Sie hier ziehen. Dabei reden wir nicht von einem Turm, sondern wir reden von 3.000 bis 4.000 solcher Türme in ganz Hessen.

In den nächsten drei Jahren wollen Sie in Hessen 500 Windräder aufstellen lassen. Das ist es, was Sie wollen: Sie wollen nicht, wie in Frankfurt, einen Turm aufstellen lassen, sondern Sie wollen in den hessischen Wäldern 500 Industrieanlagen errichten lassen. Das ist Ihr Ziel.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Timon Grem- mels (SPD))

Die Zahl von 500 Windrädern kam nur zustande, weil die einbezogen wurden, die schon genehmigt sind oder sich in der Genehmigung befinden. Wenn es 600, 700 oder 800 werden, ist Ihnen das gerade recht. Es können doch nicht genug sein. Das ist Ihre Einstellung, und genau das haben Sie hier vorgetragen. Ich glaube, das ist etwas, mit dem Sie viel Vertrauen vor Ort zerstören. Sie kennen nämlich nur ein Ziel: Ausbau um jeden Preis. Das ist falsch.

Dann komme ich zu dem Thema, das Sie angesprochen haben – da habe ich wirklich gedacht, jetzt bin ich aber erschrocken –: zu der Lenkungsgruppe im Wirtschaftsministerium. Sie haben gesagt, Sie seien eigentlich eher Naturirgendwie-Minister, während die Umweltministerin eigentlich Energieministerin ist. Sie müssten sich einmal einig werden, wer in Ihrem Kabinett wofür zuständig ist. Ich stelle fest, für Wirtschaft ist anscheinend keiner zuständig.

(Beifall bei der FDP)

Aber bei den Themen, die Sie hier benennen und die Sie, glaube ich, ziemlich durcheinandergeworfen haben, kommen Sie jetzt zusammen. Die Lenkungsgruppe, die Sie ins Leben rufen, dient nicht dazu, in irgendeiner Form sicherzustellen, dass die Qualität bei der Errichtung der Windkraftanlagen berücksichtigt wird und dass die Belange des Naturschutzes und des Denkmalschutzes ordentlich abgewogen werden. Das wird von Ihnen nur als Lenkungsgruppe definiert, damit man die Windkraftanlagen vor Ort bedingungslos durchsetzen kann. Das ist das Ziel dieser Lenkungsgruppe. Sie haben das heute Nachmittag ganz deutlich gesagt.

(Beifall bei der FDP)