Sie sagen, es gab Ungerechtigkeiten, weil insbesondere im ländlichen Raum kleinere Gruppen besser gefördert wurden, als es in anderen Regionen der Fall war. Diese Ungerechtigkeiten gab und gibt es, aber wir haben doch auch den Anspruch, gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen. Wir haben jetzt die Situation, dass Eltern eine Petition eingereicht haben, um eine Kita auf dem Land zu retten, die sehr klein ist. Wir haben die Situation, dass es auf dem Land schwieriger ist, Kita-Gruppen voll zu bekommen, weil dort weniger junge Familien und weniger Kinder leben. Wollen wir diesen Prozess noch verstärken, oder wollen wir dem entgegenwirken, indem wir sicherstellen, dass es dort eine Kinderbetreuung gibt, dass es dort Gruppen gibt, die die gleiche Förderung bekommen? Dann gilt das eben nicht nur für Kitas mit einer Gruppe, sondern auch einmal für eine Kita mit zwei Gruppen. Wenn wir das sicherstellen wollen, dann kommt es eben zu einer in gewisser Hinsicht ungleichen Förderung.
Hat das in den letzten Jahren zu Protest geführt? Haben die Bürgermeister der großen Städte gesagt, sie können mit dieser Ungerechtigkeit nicht mehr leben? Hat irgendjemand dagegen geklagt? Nein, genau das ist nicht der Fall. Darüber hat sich niemand aufgeregt. Sie haben künstlich ein Problem benannt, das es gar nicht gab, um eine Lösung zu schaffen, die keiner gebraucht hätte. Jetzt sitzen alle mit dem Dilemma da, versuchen klarzukommen, wissen nicht, wie sie es machen sollen, wollen das Angebot des Landes aber auch nicht, zögern die Entscheidung hinaus. Wir sehen das an dem geringen Prozentsatz der teilnehmenden Einrichtungen: 15%.
Sie loben sich dafür, dass die Beteiligten noch mit Ihnen reden. Ich möchte nicht so sehr auf den runden Tisch eingehen, weil wir den morgen nochmals als Thema aufrufen. Sich aber dafür zu loben, dass Menschen miteinander reden, ist wirklich sehr, sehr flach. Wenn diese Landesregierung schon dafür dankbar ist, dass die Menschen in diesem Land noch mit ihr reden, dann kann ich nur sagen: arme Regierung.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Merz, die SPD hat wieder einmal das KiföG auf die Tagesordnung gesetzt. Wir werden die Argumente wieder austauschen, wie wir das schon so oft gemacht haben.
Das Einzige, was sich an dieser Stelle, was die Standpunkte betrifft, seit Beginn der Legislaturperiode verändert hat, ist, dass Herr Bocklet mittlerweile das Lager gewechselt hat.
Anstatt hier flammende Reden darüber zu halten, warum das KiföG nicht das angemessene Gesetz ist, steht er jetzt hier und verteidigt es, wenngleich er 2013, noch vor der Wahl, gesagt hat: Dieses Gesetz wird den Wahltag so nicht überstehen; wenn wir regieren, wird es entsprechend verändert. – Davon haben wir noch nichts gesehen.
Eines ist zumindest klar: Die Grundstruktur des KiföG wird erhalten, das ist auch gut so. Ich will Ihnen auch sagen, warum das gut ist.
Herr Merz, es gibt einen grundsätzlichen Unterschied in der Sichtweise auf dieses Gesetz und darauf, was dieses Gesetz bewirkt. Auf die Finanzierungsfragen gehe ich auch noch ein; ich will aber zuerst etwas zur Grundstruktur sagen. Die Grundstruktur ist so, dass wir in dem Bereich eine kindbezogene Förderung machen, wie sie in Hessen im U-3-Bereich schon gängig ist und wie sie auch in der schwarz-grün regierten Stadt Frankfurt durchgeführt wird. Man hat sich in der gesamten Sozialpolitik einfach angewöhnt – das ist mittlerweile gängige Politik –, die gesamte Förderung aus der Sicht der Betroffenen zu sehen. Die Betroffenen sind die Kinder.
In jedem anderen Sozialbereich, der reformiert wird, ist es auch so, dass man eine kindbezogene Förderung macht. Es wird nicht mehr aus der Sicht der Einrichtung gedacht, es wird nicht mehr aus der Sicht des Trägers gedacht, sondern in der Sozialpolitik und der Bildungspolitik wird in hoffentlich allen Fällen, die auf uns zukommen, aus der Sicht der Betroffenen – hier der Kinder – gedacht. Das ist gut so, das bewirkt das Kinderförderungsgesetz, darum ist es modern, und deshalb ist es genau der richtige Weg.
Warum ist es wichtig, dass wir aus der Sicht des Kindes und der Familie denken? Weil es bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zurzeit so ist – es wird leider auch noch einige Zeit so bleiben –, dass die Familie ihr Leben an die Öffnungszeiten einer Kita anpassen muss und dass die Angebote bestimmen, welche Möglichkeiten die Eltern und Familien haben, ihr Leben zu organisieren, einer Berufstätigkeit nachzugehen und das gesamte Familienleben zu strukturieren.
Was kann man als Gesetzgeber daran ändern? Man kann versuchen, das zu ändern, indem man sagt, es gibt die Möglichkeit der Eltern, auf das Angebot Einfluss zu nehmen. Wie macht man das? Indem man dafür sorgt, dass der Träger nur dann Geld bekommt, wenn er tatsächlich Kinder betreut, wenn er ein Angebot macht, das für die Kinder und ihre Eltern attraktiv ist, sodass die Kinder in die Einrichtung gegeben werden.
Natürlich ist uns klar, dass das, wenn es zu wenige Einrichtungen und zu wenige Plätze gibt, noch nicht ausreichend Wirkung entfalten kann. Aber es gibt bereits Bereiche, in denen genau das eintritt. In den Krippen haben wir diese Entwicklung natürlich noch nicht, aber in den Kindergärten haben wir sie schon.
Wir wissen, dass Träger überlegen müssen: Wie bin ich attraktiv, wie kann ich mein Angebot nach den Elternwünschen und nach den Bedürfnissen der Kinder ausrichten? Es ist der Grundtenor dieses Gesetzes, von der Überlegung: „Was ist gut für die Einrichtung?“, zu der Überlegung zu wechseln: „Was ist gut für die Familie und die Kinder?“ Genau das dokumentieren wir durch Qualitätspauschalen. Diese orientieren sich natürlich an den Bedürfnislagen der Kinder – nicht an den Bedürfnislagen der Einrichtungen. Auch an dieser Stelle ist das ein modernes Gesetz.
Ich glaube auch, dass Herr Minister Grüttner, der in der Stadt Offenbach einmal Sozialdezernent war, ganz genau darauf geschaut hat – das haben auch die Koalitionsfraktionen gemacht –, was im Ballungsraum eine große Herausforderung für die Einrichtungen ist. Das ist die Integration.
Darum ist hier ein ganz großer Schwerpunkt gesetzt worden, und darum haben wir das am runden Tisch angesprochen und sind an der Frage interessiert, wie sich das verändert, nicht nur quantitativ. Auch qualitativ ist die Frage: Wie gehe ich mit dem Thema Integration von Migranten in den Einrichtungen um? Wenn ich mir die Asyldebatte anschaue, wünsche ich mir, dass hier ein noch größerer Schwerpunkt gesetzt wird.
Uns allen ist aber klar: Die Ressourcen sind begrenzt. Man muss versuchen, aus diesen Ressourcen das Beste herauszuholen. Das ist, glaube ich, immer ein Stück weit ein Spagat zwischen der Steuerung und der Bürokratie. Wir haben uns für Pauschalen entschieden. Es gibt mit Sicherheit immer an der einen oder anderen Stelle Dinge, auf die man noch einmal genau schauen muss.
Ich glaube aber, dass wir das Geld nicht in die Bürokratie und die Steuerung geben sollten, sondern dass wir – das wird im zweiten Teil dieses Gesetzes aufgegriffen – ein Stück weit auf die Agierenden vor Ort vertrauen müssen. Es geht nicht, dass wir uns in Wiesbaden hinstellen und sagen, wir wissen alles besser. Im Großen und Ganzen gehen die Problemlagen der Einrichtungen zwar schon in die gleiche Richtung. Jede einzelne Einrichtung hat aber ihre eigenen Problemlagen, und jede Einrichtung muss ihre eigenen individuellen Lösungen suchen. Dafür muss man ihnen die Freiheit geben. Auch das tut dieses Gesetz, indem Pauschalen zur Verfügung gestellt werden, durch die man versuchen kann, sich den Problemlagen kreativ zu stellen.
Es hat mir ganz besonders gefallen, dass wir bei den Qualitätspauschalen die Möglichkeit und das Geld hatten, die
Förderung des Bildungs- und Erziehungsplans festzuschreiben. Auch da sind wir durch das Gesetz einen Schritt weitergekommen. Es ist uns allen klar – das gilt jetzt für die neue Mehrheit genauso, wie es für die alte galt –: Die Arbeit im Bereich Kinderbetreuung und frühkindliche Bildung ist nie abgeschlossen. Der Bereich ist immer in Bewegung, er muss in Bewegung sein. Es geht immer darum, die Qualität weiter zu verbessern.
Da spielt aus meiner Sicht aber ein weiteres Thema eine Rolle, das auch am runden Tisch besprochen worden ist: die Elternrechte und die Elternbeteiligung. Die spielen auch eine wichtige Rolle. Warum spielen sie eine wichtige Rolle? Weil wir natürlich wissen, dass die beste Qualitätssicherung die Meinung der Eltern vor Ort ist. Durch die Zusammenarbeit der Eltern mit den Einrichtungen – nicht in der Behinderung durch die Eltern – können aus unserer Sicht noch Verbesserungen erfolgen.
Aber – da wird uns die Evaluierung hoffentlich noch Gewissheit bringen – vielleicht überfordern wir die Eltern mit der Beteiligung. Es interessiert mich sehr, ob wir tatsächlich erleben werden, dass die Eltern diese Rechte wahrnehmen und dass eine befruchtende Situation der Zusammenarbeit zwischen den Eltern und den Einrichtungen entsteht. Sollte das nicht der Fall sein, muss man überlegen, wie man das weiter fördern kann. Ich glaube daher, dass wir ganz wichtige Punkte in diesem Gesetz verankert haben.
Auch wenn ich es schon oft gemacht habe, möchte ich jetzt noch einmal auf die Finanzen eingehen. Herr Merz, wir alle wissen, wir haben im Rahmen dieses Gesetzes eine Konnexitätsvereinbarung abgeschlossen.
Da schreiben uns die Kommunalen Spitzenverbände hinein, dass durch dieses Gesetz mit 133 Millionen € Qualitätsverbesserungen erzeugt werden – auf die Straße gebracht werden, in die Einrichtungen gebracht werden –, sodass Kinder in ganz Hessen davon profitieren. Das sind 133 Millionen € für mehr Qualität, die das Land bezahlt. Da können Sie herumdiskutieren, da können Sie sagen: Sie müssen das machen. – Nein, wir hätten es nicht machen müssen.
Es war vielmehr eine bewusste politische Entscheidung. Wir hätten sagen können, die Qualität ist Aufgabe der Einrichtungen vor Ort. Wir hätten sagen können: Wir stellen das in die Beliebigkeit, wir machen daraus keine Verbindlichkeit im Gesetz, wir regen das nur an. – Aber das Urteil hat ergeben, wir müssen es bezahlen, und da haben wir dann gesagt, wir bezahlen es. Die Qualität in den Einrichtungen ist uns nämlich so wichtig, dass wir dafür sogar in schwierigen Zeiten 133 Millionen € in die Hand nehmen. Ich glaube, das ist nichts, was man kritisieren kann.
Wenn ich mir, was die Kindergärten angeht, die Diskussion darüber anhöre, was alles von diesem Gesetz abhängt, frage ich mich manchmal, ob man wirklich weiß, worüber man diskutiert. Wir wissen – das ist zu bedauern, aber es ist Fakt –, die Landesförderung im Kindergartenbereich ist keine existenzielle Frage für eine Einrichtung. Es sind 8 % der allgemeinen Kosten dieser Einrichtungen – 8 %, vielleicht auch einmal 9 % –, die durch das Land gefördert werden. Das ist der Anteil an den Gesamtkosten dieser
Einrichtungen. Wenn Abweichungen von vielleicht 10 % dazukommen, kann das doch am Ende nicht die Existenz einer Einrichtung tangieren.
Es ist so, dass wir rund ein Drittel der Krippen über dieses Gesetz finanzieren. Aber bei den Kindergärten können wir doch nur das, was vor Ort passiert, stimulieren und anregen. Wir sind mit diesem Gesetz auch nicht diejenigen, die vor Ort, sozusagen existenziell, die Verantwortung tragen. Wir tragen 8 bis 10 % der Finanzierung. Das kann man kritisieren. Ich würde mir wünschen, wir hätten mehr Geld, und man könnte mehr machen. Daran hängt aber nicht die Frage, ob eine Einrichtung geschlossen wird.
Ganz besonders bei den kleinen Einrichtungen haben wir von vornherein gesagt: Dafür gibt es eine spezielle Pauschale. – Dann kann man hier noch einmal sehen, ob das richtig ist. Ich glaube, wenn die Evaluation ergeben sollte, dass da 500 € mehr entscheidend sind, ist das der Punkt, an dem wir nachdenken müssen.
Ich hoffe, dass der runde Tisch im September wirklich stattfindet und dass wir dann auch Erkenntnisse haben werden.
Im nächsten Jahr, das ist klar. Es muss sich nämlich erst einmal eine ausreichende Zahl von Einrichtungen beim KiföG beteiligen.
Von daher glaube ich auch, dass wir uns mit dem Kinderförderungsgesetz ein modernes, zukunftsgewandtes Gesetz gegeben haben.
Liebe GRÜNE, liebe CDU, ich sage Ihnen hier aber auch klar: Wir wissen, ein großes Problem beim KiföG ist der zusätzliche Betreuungswert: diese 50 Stunden. Wir haben damals gesagt, es ist eine kleine Gruppe von Kindern davon betroffen. Man braucht das nicht extra zu finanzieren. Ich glaube, wenn man sich einen Ruck gibt und am Ende der Evaluierung feststellt: „Wir machen das; für den Betreuungswert hinterlegen wir noch einmal Geld“, ist das Gesetz endgültig rund.
Wir kennen diese Schwäche. Diese Schwäche könnte man noch ausbügeln. Das kostet Geld. Es wäre aber gut angelegtes Geld. Ich würde mir wünschen, dass an der Stelle noch einmal Bewegung hineinkommt. Ansonsten bin ich sehr froh, dass wir ein gutes Gesetz haben und auf einem guten Weg sind. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle kennen das „Planspiel Landtag“: wenn junge Menschen in den Landtag eingeladen werden und anhand von vorgegebenen Themen versuchen, Parlamentarismus nachzustellen, zu erlernen und sich auch dafür zu interessieren. Wer das einmal mitgemacht hat, wird auch festgestellt haben, dass es dort gewisse Themen und Diskussionen gibt. Wenn demnächst einmal das „Planspiel Landtag“
stattfinden und das Thema sein sollte: „Wie verreitet sich eine Fraktion, wie geht einer Fraktion ein Thema verloren, wie schmilzt es ihr sozusagen unter der Hand weg wie Butter in der Sonne?“, werden das Kinderförderungsgesetz und die Haltung der SPD sicherlich als Beispiel dafür herangezogen werden.