Protokoll der Sitzung vom 17.07.2014

Ich frage mich ganz ehrlich, in welchem Licht und mit welchem Bild Sie unser Land zeichnen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das haben die GRÜNEN im Bundestag auch so gesehen!)

Ich frage mich auch, in welchem Land Sie leben. Sie leben ganz offensichtlich in einem anderen Land als ich.

(Beifall bei der CDU – Demonstrativer Beifall des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Wissen Sie, was ich erst recht nicht verstehe? Es ist bekannt, dass Sie grundsätzlich dafür sind, dass jeder, unabhängig davon, ob ein Asylgrund vorliegt oder nicht, in Deutschland bleiben soll. Ich frage mich, wenn Deutschland doch offensichtlich keinen richtigen Rechtsstaat hat und das Asylgrundrecht weiter aushöhlt, warum Sie dafür plädieren. Das widerspricht sich doch, und das wissen Sie ganz genau.

Es ist im Übrigen so, dass wir aufs Schärfste verurteilen, wie Sie die Bundesrepublik Deutschland hier darstellen. Sie haben hier fern jeglicher Realitäten gesprochen.

Eine letzte Anmerkung. Ich weiß nicht, ob ich es tragisch oder komisch finden soll, dass ausgerechnet Sie hier vom Rechtsstaat sprechen, aber okay.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte jetzt zu den Fakten und der Wirklichkeit kommen. Wir erleben in den letzten Jahren einen erheblichen Anstieg der Asylbewerberzahlen. In den letzten fünf Jahren hat sich die Zahl von 28.000

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Dafür gibt es vielleicht einen Grund!)

auf 127.000 nahezu verfünffacht. In diesem Jahr könnten es bis zu 200.000 werden; denn bereits aktuell sind die Zahlen schon wieder um 60 % höher als im Vorjahr.

Innerhalb der Europäischen Union – Frau Cárdenas, Sie unterhalten sich gerade anderweitig; so wichtig scheint Ihnen das Thema nicht zu sein – nehmen wir weit mehr Flüchtlinge auf als alle anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. So viel zum Thema Verantwortung. Ich glaube, wir beweisen damit, dass Deutschland nicht nur grundsätzlich Verantwortung übernimmt, sondern dass wir auch mehr Verantwortung als unsere Partner übernehmen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Wir führen auch mehr Kriege!)

Es kommen Menschen aus Ländern zu uns, aus denen wir fast täglich von Krieg hören. Dazu zählen natürlich Serbien, der Irak und Afghanistan. Aber zu den zehn Hauptherkunftsstaaten zählen eben auch die drei Länder Bosnien, Mazedonien und Serbien. Ein Viertel aller Asylsuchenden – ich habe vorhin die gesamte Zahl 127.000 genannt –, 32.000, kam 2013 daher und hat einen entsprechenden Antrag gestellt. Im ersten Quartal 2014 sind es bereits 13.000 Asylanträge aus diesen drei Ländern. Das ist ein Anstieg um 230 % im Vergleich zum Vorjahr.

Wenn man sich dann noch anschaut, dass vor fünf Jahren in einem einzigen Jahr nur 1.000 Anträge gestellt worden sind, zeigt da die Dimension dieser Zahl. Im Übrigen ist es so, dass die Zahl aller Anträge, die gestellt werden, zu 60 % in Deutschland gestellt werden – ein Land, das Sie offenbar ganz furchtbar finden.

Dieser extreme Anstieg hat vor allem mit der Aufhebung der Visumpflicht zu tun. Zu dieser Vereinfachung wäre es nicht gekommen, wenn die Länder nicht bestimmte Kriterien erfüllen würden, die sich sowohl im Bericht der EU als auch im EU-Fortschrittsbericht bestätigen.

Gerade jüngst – Ende Juni 2014 – hat eine Befragung des BAMF stattgefunden. Die Asylsuchenden haben Folgendes angegeben. 49 % der Antragsteller gaben als Gründe, warum sie hierher kommen, Folgendes an: Wir wollen eine bessere Arbeitsstätte oder überhaupt Arbeit haben, wir wollen eine bessere Gesundheitspflege haben, und wir wollen eine bessere Schulbildung.

Gegen diese drei Gründe ist überhaupt nichts einzuwenden. Es ist nur die Frage, ob sie asylrelevant sind. Das sind sie generell nicht, und man kann davon ausgehen, dass die Antragsteller sehr genau wissen, dass sie keinen Anspruch auf Asyl haben. Die Zahlen sprechen dann auch eine deutliche Sprache. Die Anerkennungsquote liegt nämlich bei 0 %. Als Flüchtling anerkannt oder in den subsidiären Genuss kommen 0,2 % der serbischen, 0,3 % der mazedonischen und 0,5 % der bosnischen Antragsteller. Um das in Gesamtzahlen zu nennen: Von Januar bis November 2013 waren das ganze 82 Fälle von insgesamt 12.070.

Einem einzigen Punkt kann ich in Ihrer Rede zustimmen, weil er als Fakt richtig ist: Die meisten Antragsteller sind Roma. Dass auch in den drei Ländern für diesen Bereich noch viel getan werden muss, steht außer Frage. Es ist nun einmal so, das ist in einem Rechtsstaat auch anzuerkennen, dass die Gerichte zumindest die soziale Lage der Roma nicht als asylerheblich einstufen. Und Defizite im wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Bereich allein reichen nicht aus, und natürlich auch nicht die Tatsache, dass man einer Minderheit angehört.

Ich möchte ein paar wenige Sätze zu den drei Ländern im Einzelnen sagen. Im Januar haben die vor einem Jahr beschlossenen Beitrittsverhandlungen Serbiens mit der EU begonnen. Das ist natürlich nur möglich, wenn in diesem Land keine Verfolgung stattfindet und ein Maß an Rechtsstaatlichkeit existiert. Das hat zur Folge, dass die Frage der Integration von Minderheiten regelmäßig thematisiert wird.

Serbien hat übrigens – das finde ich nicht ganz unwesentlich – von selbst um die Aufnahme in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten gebeten. Die serbische Verfassung enthält ausführliche Regelungen zum Minderheitenschutz, internationale Standards werden erfüllt. Seit 2009 gilt ein allgemeines Antidiskriminierungsgesetz. Man kann hier feststellen, Sie haben es genannt – Frau Cárdenas ist wieder nicht interessiert, das ist interessant –, schon jetzt ist es so, dass man sich mit verschiedenen Programmen darum bemüht, die Lage der Roma in den Ländern zu verbessern, die im Übrigen auch von der EU massiv finanziell unterstützt werden.

Auch Mazedonien ist seit 2005 Beitrittskandidat der EU. Es gibt sogar einen eigenen Minister, der die Interessen der Roma in der mazedonischen Regierung vertritt. Es ist so, dass man sich der schwierigen Lage der Roma bewusst ist. Aus diesem Grund wird insbesondere im Bereich der Schulbildung sehr viel getan. Es gibt Fortschritte. Auch das belegt der EU-Fortschrittsbericht sehr eindrücklich.

Bosnien-Herzegowina ist ebenfalls potenzieller Beitrittskandidat der EU. Alle UN-Konventionen und internationalen Verträge, die Menschenrechtsfragen betreffen, sind in

zwischen ratifiziert. Auch hier gibt es seit 2003 ein Minderheitenschutzgesetz. Es existiert ein Antidiskriminierungsgesetz. Es ist so, dass die Europäische Menschenrechtskonvention längst ratifiziert ist und im Übrigen auch Vorrang vor allen anderen Gesetzen hat. Auf dem Gebiet des Wohnungsbaus und der Beschäftigtenlage wird viel getan. Man bemüht sich auch hier eindrücklich um Verbesserungen.

Ich stelle fest, dass alle drei Länder sichere Herkunftsstaaten sind. So werden sie auch von Frankreich und Großbritannien, von Belgien und Luxemburg, von Österreich und der Schweiz eingestuft. Wir müssen am Schluss auch ein Interesse an einer gemeinsamen europäischen Asylpolitik haben.

Wenn die drei Balkanländer auch in Deutschland als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden, dann können die erwiesenermaßen aussichtslosen Anträge – ich habe vorhin die Anerkennungsquote genannt – sehr viel schneller bearbeitet werden und natürlich die freiwerdenden Kapazitäten den wirklich Schutzbedürftigen zugutekommen.

(Beifall bei der CDU)

Es bedeutet nicht – das ist ganz entscheidend –, dass einzelne Anträge pauschal geprüft und abgelehnt werden. Jeder einzelne Antrag wird genauestens angeschaut, und es besteht weiterhin auch Zugang zum Asylverfahren.

Es ist jedem Antragsteller völlig frei und unbenommen, eine abweichende Lage im persönlichen Schicksal darzustellen. Wenn ein Asylgrund vorliegt, wird man demjenigen auch Schutz gewähren; das ist doch selbstverständlich.

Eines ist auch noch wichtig zu wissen. Die Einstufung als sicherer Drittstaat muss regelmäßig überprüft werden. Das bedeutet, wenn es zu einer entsprechenden Veränderung kommt – das würde im Lagebericht dokumentiert –, kann man auf eine Verschlechterung schnell mit einer Aussetzung der Einstufung reagieren.

Abschließend kann ich nur sagen, gerade angesichts der sich auf hohem Niveau bewegenden Flüchtlingszahlen müssen wir uns auf die wirklich Schutzbedürftigen konzentrieren, und das auch – das sage ich deutlich –, um die sehr hohe Aufnahmebereitschaft in unserer Bevölkerung, die außer Frage steht, nicht zu gefährden. Ich möchte mit einem Zitat unseres Bundespräsidenten vom 30. Juni 2014 anlässlich des Berliner Symposiums zum Flüchtlingsschutz schließen:

Zu einer effektiveren Flüchtlingspolitik gehört aber auch, dass wir diejenigen auf humane Weise zurückweisen, die nach den gültigen Kriterien keine Fluchtgründe haben, die zur Aufnahme, jedenfalls bei uns in der Bundesrepublik, berechtigen würden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wallmann. – Als nächster Redner spricht Herr Kollege Greilich von der Fraktion der FDP. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen als FDP nicht an, wenn diese Bundesregierung einmal zur Abwechslung etwas Richtiges macht, das auch einzuräumen und entsprechend zu unterstützen. Ich will diese Scheindebatte, die die linke Partei losgetreten hat, deswegen einmal ein bisschen zurückführen auf die Grundlagen, um die es eigentlich geht.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Michael, das war doch schon netter, als ihr das überhaupt als Regierungsmehrheit erwarten könnt.

Ich muss mich ein bisschen auf das besinnen, was die Grundlage ist. Das Recht auf Asyl ist grundgesetzlich in Art. 16a garantiert. Das ist gut so, und daran will auch niemand rütteln, weder in Hessen, noch im Bund. Weil hier oft Missverständnisse bestehen oder von Interessierten Fehlinformationen ganz bewusst gefördert werden, ist es notwendig, das noch einmal zu definieren.

Nach Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz genießen nur politisch Verfolgte Asylrecht. Das Bundesverfassungsgericht hat sehr klar definiert, was politische Verfolgung bedeutet. Politische Verfolgung im Sinne von Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz liegt hiernach vor, wenn dem Einzelnen durch den Staat oder durch Maßnahmen Dritter, die dem Staat zuzurechnen sind, in Anknüpfung an seine Religion, politische Überzeugung oder an andere „für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen“ zugefügt werden, die „nach ihrer Intensität und Schwere“ die Menschenwürde verletzen, ihn „aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen“ und „in eine ausweglose Lage“ bringen.

Entschuldigen Sie bitte, dass ich hier diese juristische Definition zitiere. Aber manchmal muss man sich schon klarmachen, worüber man eigentlich redet, bevor man wohlfeile Parolen von sich gibt.

Art. 16a Abs. 3 Grundgesetz regelt das Thema der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten, die heute Gegenstand der Debatte sind. Auch hier empfiehlt es sich, den Wortlaut genau zu lesen. Er lautet:

Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen aufgrund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet.

Es heißt dann weiter:

Es wird vermutet, dass ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, dass er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

Ich habe es für unerlässlich gehalten, diese allgemeinen rechtlichen Grundlagen vorab zu skizzieren. Denn ich will das einmal sauber definieren und subsumieren.

Erstens. Das Asylrecht genießen nur politisch Verfolgte. Menschen, die durch den Staat in ihrer Existenz und ihrer Menschenwürde bedroht werden, sollen in Deutschland Zuflucht suchen können. Das Asylrecht ist und war nie für Menschen gedacht, die den wirtschaftlichen Missständen

in ihrem Heimatland entgehen wollen. Es ist auch nicht da, um soziale Konflikte zu lösen.

In allen drei Ländern, die jetzt als sichere Herkunftsstaaten zur Debatte stehen, halten wir die Einschätzung der Bundesregierung, dass es keine systematische und politische Verfolgung staatlicherseits gibt, für wohl begründet. Das lässt sich sehr genau durch Zahlen belegen.

Bereits seit dem Jahr 2000 haben alle Staaten des westlichen Balkans den Status eines potenziellen Beitrittskandidaten. Serbien ist mittlerweile offiziell Beitrittskandidat der Europäischen Union. Am 21. Januar 2014 haben die Beitrittsverhandlungen mit dem Westbalkanstaat begonnen.

Mazedonien erhielt vom Europäischen Rat bereits im Dezember 2005 den Status eines Beitrittskandidaten. Mit Bosnien-Herzegowina bestehen weitgehende Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen, auch wenn hier noch – das will ich durchaus betonen – großer Nachholbedarf insbesondere hinsichtlich der Frage der politischen Teilhabe der Minderheiten besteht.