Protokoll der Sitzung vom 17.07.2014

Ja, was denn nun, meine Damen und Herren? Hat Frau Wanka etwas Unzutreffendes mitgeteilt – dann würde es mich interessieren, ob es diese Vereinbarung nicht gab –, oder betreiben Sie Wortbruch, indem Sie diese Gelder komplett in den Hochschulbereich schieben und den Schulen nichts zur Verfügung stellen?

(Beifall bei der FDP)

Hier hätten die schwarz-grüne Regierung und auch der neue Hochschulminister dafür sorgen können, dass man nicht um den Preis der Hochschulen wortbrüchig wird. Lieber Boris, ich weiß ja, dass man sich als Minister für seine Schäfchen einsetzen muss, aber doch nicht um den Preis des Wortbruchs gegenüber dem Rest der Bevölkerung. Meine Damen und Herren, hier hätten Sie beweisen können, wie wichtig die Bereitstellung eines qualitativ hochwertigen Bildungsangebots für Sie ist.

(Beifall bei der FDP)

Ich bin sehr gespannt; denn bis heute hat die Landesregierung noch nicht gesagt, wie es mit der flächendeckenden Betreuung an fünf Tagen in der Woche nach 14:30 Uhr funktionieren soll. Für uns ist die spannende Frage: Wird die Landesregierung auch dann die Ressourcen für flächendeckende Betreuung bis 14:30 Uhr zur Verfügung stellen, wenn die Kommunen die notwendigen Ressourcen für eine Betreuung im Anschluss daran nicht zur Verfügung stellen können? Das ist eine spannende Frage. Wir haben das Gefühl, dass Sie auch in diesem Bereich dazu neigen, Lasten auf die Kommunen abzuwälzen, wie wir es schon an anderer Stelle festgestellt haben. Wenn Sie das versuchen, werden Sie scheitern, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ein letzter Satz: Mit Ihrer Entscheidung zur Verwendung der BAföG-Mittel haben Sie den notwendigen Entschei

dungen für Kinder und Eltern die rote Karte gezeigt – dafür bekommen Sie sicher keinen vierten Stern auf Ihr Trikot.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Wagner, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als Regierungsfraktion von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kann man sich bei solchen Aktuellen Stunden der Oppositionsfraktionen nur verneigen und tiefen Dank dafür aussprechen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Die Kolleginnen und Kollegen der LINKEN sprechen ein gesellschaftlich großes Problem an, ein großes Bedürfnis der Eltern, Bildungs- und Betreuungsangebote in der Grundschule zu haben. Die Kolleginnen und Kollegen der LINKEN bieten uns als Regierungsfraktionen die Möglichkeit, zu sagen, dass wir auch eine Lösung für dieses Problem haben. Das ist der Unterschied zwischen Regierung und der Opposition vonseiten der LINKEN.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Auf die Lösung warten wir noch immer!)

Das von Ihnen angesprochene Problem ist, völlig richtig, dass viele Eltern nicht verstehen können, dass mit Beginn der Grundschulzeit das mühsam gefundene Betreuungsarrangement in vielen Fällen zusammenbricht.

Viele Eltern wünschen sich, dass sie auch im Grundschulbereich Angebote für ihre Kinder haben, dass wir mehr Zeit zur Förderung an der Grundschule haben und dass wir längere Betreuungszeiten für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben.

Problem beschrieben – Problem erkannt; denn im VierSterne-Koalitionsvertrag von Schwarz-Grün steht die größte Ausweitung des Ganztagsschulprogramms, die es je in Hessen gegeben hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Dann mal los!)

Wir wollen in den nächsten fünf Jahren dieses Angebot für Eltern schaffen. Wir wollen einen Pakt für den Nachmittag. Wir wollen eine Bildungs- und Betreuungsgarantie, mit der sich alle Eltern darauf verlassen können, dass ihre Kinder von 7:30 bis 17 Uhr ein hochwertiges Bildungsund Betreuungsangebot in der Grundschule finden.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Wenn die Eltern das bezahlen!)

Frau Kollegin Wissler, Sie hätten erwähnen können, dass es nicht nur Probleme gibt, sondern dass es auch einen Lösungsvorschlag gibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Ich bin auf den Pakt für den Nachmittag eingegangen!)

Wie wollen wir das erreichen? Wir wollen das in einem Ansatz erreichen, der das Engagement, das es in den Kommunen schon gibt – viele Initiativen, Betreuungsangebote, das Engagement der Kommunen –, erstmalig zusammenführt, und zwar mit einem klaren Bekenntnis des Landes zum Ausbau der Ganztagsschulen im Grundschulbereich.

(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Das klare Angebot dieser Koalition, dieser Regierung ist: Wir wollen in den nächsten fünf Jahren alle Grundschulen, die das wollen, über 1.000 in unserem Land, ins Ganztagsschulprogramm des Landes aufnehmen, um unseren Beitrag für ein verlässliches Bildungs- und Betreuungsangebot zu leisten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Einen solchen Ausbau hat es noch nie gegeben. Wir sagen auch, wir wollen auf vorhandenen Angeboten aufsetzen. Wir wollen nicht eine Struktur vorgeben. Wir wollen schon gar nicht funktionierende Strukturen kaputt machen, sondern wir wollen es gemeinsam mit den Kommunen schaffen, den Zeitraum von 7:30 bis 17 Uhr abzudecken.

Jetzt kann man die Debatten von gestern führen und die Debatten, die dazu geführt haben, dass in dem für Eltern so wichtigen Bereich bislang nichts passiert ist. Man kann das Schwarzer-Peter-Spiel fortsetzen, dass die Kommunen mit einigem Recht sagen: Solange sich das Land beim Ganztagsangebot nicht engagiert, kümmern wir uns auch nicht verstärkt um die Betreuung. – Umgekehrt kann das Land sagen: Die Betreuung nach der Grundschule ist bislang Aufgabe der Kommunen. Warum sollen wir uns da engagieren?

Das Spiel wurde über Jahre gespielt. Das bringt Eltern überhaupt nichts, sondern wir müssen Kommunen, Schulträger und Land im Interesse der Eltern zusammenbringen, damit sie ein Angebot aus einem Guss von 7:30 bis 17 Uhr bekommen. Genau das wollen wir machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Jetzt frage ich die Kolleginnen und Kollegen der Opposition: Was ist daran eigentlich falsch? Was haben Sie daran auszusetzen? Wir machen den größten Ausbau des Ganztagsschulprogramms, den es in diesem Land je gegeben hat. Wir setzen auf vorhandenen Strukturen auf, die es in den Kommunen gibt. Wir machen mit den Kommunen gemeinsam ein pädagogisches Angebot aus einem Guss, sodass am Ende eine Zeit von 7:30 bis 17 Uhr steht.

Das ist das, was Eltern wollen. Was Eltern nicht wollen, das sind akademische Scheindebatten über Organisationsfragen und Sonstiges. Vielmehr wollen sie von uns als öffentlicher Hand, dass Kommunen, Schulträger und Land in dieser Frage endlich zusammenarbeiten, um etwas zu erreichen, und nicht akademische Scheindebatten führen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Danke. – Das Wort hat Kollege Merz, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vorab würde mich interessieren, warum hier dauernd von vier Sternen die Rede ist. Haben die gestern alle so viel Cognac getrunken? Aber das nur zwischendurch.

(Holger Bellino (CDU), zur SPD gewandt: Das waren doch Ihre Beiträge in der Aktuellen Stunde!)

Ich bin nach der Rede des Kollegen Wagner nicht schlauer als vorher und auch nicht nach der Rede der Kollegin Müller-Klepper. Frau Müller-Klepper, Sie haben gesagt, wir sollten nicht immer alles rechnen. – Das tut hier auch niemand. Aber ich sage Ihnen: Schönreden macht es auch nicht wirklich besser.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweiter Punkt. Sie haben sich hierhin gestellt und von einem vorbildlichen Betreuungsangebot gesprochen, obwohl Ihnen gerade die Bertelsmann Stiftung ins Stammbuch geschrieben hat, wie „vorbildlich“ es ist, nämlich genau nicht, sondern dass wir z. B. bei der Frage einer wesentlichen Angebotssäule, der vollständig ausgebauten gebundenen Ganztagsschule, mit weitem Abstand das Schlusslicht in der gesamten Bundesrepublik sind. Das ist der Stand der Dinge an dem Punkt.

Dann haben Sie zu Recht darauf hingewiesen, dass wir einen Rechtsanspruch bei Ü 3 haben. Das hat Frau Kollegin Wissler nicht ganz richtig dargestellt. Was sie zu erwähnen vergessen hat, ist, dass der Ganztagsteil dieses Ü-3-Angebots leider vielerorts zu wünschen übrig lässt. Aber das ist genau der Punkt, wo der dringende Bedarf an Schülerbetreuungsangeboten entsteht. Er entsteht genau da, wo vielerorts die Ü-3-Betreuung, die klassische Kitabetreuung, aufhört.

Im Moment ist es in der Tat so – darauf hat beispielsweise der Kollege Bocklet letztes Jahr mit bewundernswerter Hartnäckigkeit immer wieder hingewiesen –, dass aufgrund von zwei Entwicklungen der klassische Hortbereich als ein qualifiziertes, pädagogisch einheitlich strukturiertes, von pädagogischen Fachkräften durchgängig getragenes, auf einer klaren rechtlichen und fachlichen Grundlage ruhendes, jahrzehntelang bewährtes Betreuungsangebot in die Klemme gerät. Denn auf der einen Seite – bei anhaltender Unterfinanzierung der Kommunen und anhaltender Unterfinanzierung der gesamten frühkindlichen Bildung – müssen die Träger und die Kommunen an dieser Stelle abbauen oder sehen sich gezwungen, abzubauen, weil sie sonst die Kosten für den U-3-Ausbau und die Kosten für den Ausbau der Ganztagsangebote U 3 und Ü 3 nicht stemmen können. Das ist die eine Entwicklung. Das bringt den Hortbereich in die Bredouille.

Das Zweite ist, dass wir mit dem Kinderförderungsgesetz die Landesförderung an der Stelle praktisch zum Erliegen bringen, sodass wir diese Entwicklung noch verschärfen. Wir werden erleben, Sie werden es erleben, dass der gesamte klassische Hortbereich in seinem Kern existenziell bedroht ist, ohne dass auch nur in groben Umrissen klar wäre – Herr Kollege Wagner, das ist nach Ihrer Rede auch nicht klarer geworden; denn Sie haben nicht gesagt, was Sie machen, sondern haben nur große Sprüche geklopft –,

was mit diesem Pakt für den Nachmittag als Betreuungsangebot gemeint ist.

(Beifall bei der SPD)

Die Landesregierung wird nicht müde, zu betonen, dass es sich hier um eine freiwillige Leistung der Kommunen handelt. Ich halte das für falsch. Ich glaube, dass im SGB VIII in § 24 Abs. 4 etwas anderes steht. Da steht eine Verpflichtung: ein bedarfsdeckendes Angebot auch für Kinder im Schulalter in Einrichtungen vorzuhalten. Von daher kann an dieser Stelle nicht von freiwilligen Leistungen gesprochen werden. Sie tun es trotzdem.

Wie wollen Sie auf dieser Geschäftsgrundlage – wenn Kommunen das an anderer Stelle erwirtschaften müssen, weil sie bei den freiwilligen Leistungen durch die Haushaltsaufsicht noch mehr kujoniert werden als jetzt schon – erwarten, dass sie sich über das bestehende Maß hinaus engagieren?

Zweite Frage. Wie werden Sie das Verhältnis zwischen Land, Schulträger und den kreisangehörigen Städten und Gemeinden regeln, die bisher im Bereich der kommunalen Bildungsverantwortung engagiert sind?

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen den Pakt nur mit den Schulträgern abschließen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Falsch!)

Ich bin gespannt, was daraus wird.

Die dritte und ganz wesentliche Frage hat Herr Greilich auch schon angesprochen: Wie wird aus den Bestandteilen bis 14:30 Uhr und nach 14:30 Uhr ein einheitlich strukturiertes pädagogisches Angebot?