Protokoll der Sitzung vom 17.07.2014

Die dritte und ganz wesentliche Frage hat Herr Greilich auch schon angesprochen: Wie wird aus den Bestandteilen bis 14:30 Uhr und nach 14:30 Uhr ein einheitlich strukturiertes pädagogisches Angebot?

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Wer wird dafür die Verantwortung tragen? Wer wird dafür rechtlich und fachlich, mit Rechtsaufsicht und Fachaufsicht, verantwortlich sein? Diese Frage ist nicht unbeachtlich, wie Sie gerade tun wollen, Herr Kollege Wagner. Denn hinter dieser Frage steht, ob es sich hier um eine einheitliche einrichtungsähnliche Veranstaltung handelt. Wenn diese Frage mit Ja beantwortet ist, dann fällt das unter die Betriebserlaubnisnotwendigkeit des Kinder- und Jugendhilferechts, und das hat Konsequenzen für die fachlichen Standards, sowohl was die Gruppengröße als auch was die Zahl der Fachkräfte und vieles andere mehr angeht, die an dieses Angebot zu knüpfen sind.

Alle diese Fragen sind gestellt. Wir haben einen Berichtsantrag gestellt, der ist in der letzten Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses behandelt worden. Da sind von 13 Fragen 9 nicht beantwortet worden. Man konnte oder wollte nicht.

Kollege Merz, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme sofort zum Ende. – Wir haben jetzt einen anderen gestellt, mit lauter Fragen, die nicht nur wir uns stellen, sondern die in der Betreuungslandschaft und der kommunalen Landschaft auch gestellt werden.

(Manfred Pentz (CDU): Fragen über Fragen!)

Ich bin einmal gespannt, ob Sie bis dahin mehr Antworten haben. Aber ich bin skeptisch.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Danke schön. – Als Nächster hat Staatsminister Lorz das Wort.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die SPD fragt nach Ihren Antworten!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sind uns in diesem Hause, glaube ich, wirklich alle darüber einig, dass unsere Kinder bestmöglich gefördert und gefordert werden sollen, und natürlich auch darüber, dass es gilt, für eine noch bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf Sorge zu tragen. Genau deswegen, so steht es in unserem – wie heißt es so schön – Vier-Sterne-Koalitionsvertrag, haben wir eine Bildungs- und Betreuungsgarantie für alle Grundschülerinnen und Grundschüler aufgenommen.

(Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken übernimmt den Vorsitz.)

Ich habe es schon im letzten Plenum an die Adresse der SPD-Fraktion gesagt, ich sage es auch gerne zu Ihnen, Frau Wissler: Es ist einfach schön, festzustellen, dass Sie unser Koalitionsvertrag so inspiriert, dass Sie sogar die Themen Ihrer Aktuellen Stunden nur aus ihm beziehen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): Wir sind kreativer als die Regierungsfraktionen!)

Ich weiß nicht, ob das ein Ausweis für Kreativität ist, einfach nur den Vertrag der Regierungsfraktionen durchzugehen und dann zu versuchen, in Abarbeitung der Punkte irgendwie zeitlich in die Vorhand zu kommen. Aber das können wir vielleicht an einer anderen Stelle ausdiskutieren.

Auf jeden Fall – ich muss noch zwei, drei Sätze dazu sagen – ist in der Vergangenheit tatsächlich schon viel in diese Richtung geschehen. Fangen wir ruhig mit den Horten an, weil Ihr Antrag davon seinen Ausgang genommen hat. Wir haben fast 700 Kinderhorte und altersübergreifende Kitaeinrichtungen mit Hortgruppen in Hessen. Wir haben auch 5,8 Millionen € Landesförderung für diese Hortgruppen. Die Schwerpunktpauschale, von der Herr Dr. Bartelt vorhin gesprochen hat, ist da noch gar nicht eingerechnet.

Dann kommt unser Ganztagsschulprogramm. Man muss auch einmal darauf hinweisen, dass das in den letzten Jahren erheblich ausgebaut worden ist. Es kommen im Schuljahr 2014/15 noch einmal 115 Stellen dazu, von denen ein nicht unbeträchtlicher Teil in die Grundschulen fließt. Wir haben von den über 1.000 öffentlichen Grundschulen jetzt 453 im Ganztagsprogramm. Das sind 513 Stellen, dazu noch einmal 6,4 Millionen € pauschale Zuwendung an die Schulträger für Betreuungsangebote. Meine Damen und Herren, man kann dazu ja nicht sagen, dass in der Vergangenheit nichts geschehen sei.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der LINKEN)

Und trotzdem – das gestehen wir, glaube ich, alle zu – ist das noch nicht das, was den Bedarf deckt. Genau deswegen haben wir uns im Koalitionsvertrag, Herr Wagner hat es mit wunderbaren Worten beschrieben, noch einmal diesen ganz großen Wurf, diesen größten bisher da gewesenen Ausbau von Ganztagsschulangeboten mit dem Pakt für den Nachmittag, vorgenommen.

Hessens Grundschulkinder sollen innerhalb der nächsten fünf Jahre freiwillig diese Angebote wahrnehmen können. Das ist ein wesentlicher Punkt, weil Sie in den Statistiken gern immer die gebundenen, verpflichtenden oder zwangsweisen Ganztagsschulen benutzen. Ich will durchaus an dieser Stelle hinterlegen, dass das nicht unser Programm ist. Ich habe nichts gegen verpflichtende Ganztagsschulen. Dort, wo der Bedarf und der Wunsch bestehen, sollen sie eingerichtet werden. Aber damit als flächendeckendes Modell den Eltern die Wahlfreiheit zu nehmen und alle zu zwingen, ihre Kinder den ganzen Tag in die Schule zu schicken, das ist nicht unser Programm,

(Beifall bei der CDU – Nancy Faeser (SPD): Was ist denn das für eine Wahlfreiheit?)

sondern was wir erreichen wollen, ist eine Verzahnung, ein Aufbau auf den bestehenden Angeboten und die Zusammenführung aller zu einem sinnvollen ganztägigen Angebot aus einem Guss. Meine Damen und Herren, „it takes a village to raise a child“ – ich weiß, dieser Satz ist abgegriffen.

(Gerhard Merz (SPD): Stimmt!)

Aber er hat von seinem Wahrheitsgehalt trotzdem nichts verloren. Wenn unsere Kinder eine gute Grundlage für ihren Bildungsweg haben sollen, dann müssen alle an Erziehung und Bildung Beteiligten, d. h. Eltern, Kommunen und natürlich das Land mit seinen Schulen, gemeinsam dafür sorgen, dass die Kinder entsprechend gefördert werden.

Das geschieht heute schon an sehr vielen Stellen. Aber es ist an vielen Stellen noch nicht miteinander verzahnt. Genau das wollen wir erreichen. Deswegen sprechen wir auch von einem Pakt für den Nachmittag. Herr Abg. Merz, Sie können sich das nur in einer irgendwie von oben verordneten Einrichtung mit Aufsichtsstrukturen und entsprechender Verwaltung und alles einheitlich vorgeschrieben vorstellen.

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Wir können uns vorstellen, dass wir das durch Vereinbarungen aller Beteiligten regeln, die bereits jetzt in diesem Fall engagiert sind. Dazu führen wir im Moment die Gespräche.

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Ich darf Ihnen auch verraten: Wir bekommen eine sehr gute Resonanz auf diese Gespräche. – Wir haben mit den Kommunalen Spitzenverbänden begonnen. Wir haben erste Schulträger für das Schuljahr 2015/16 zur Beteiligung eingeladen. Und darauf haben wir eine sehr gute Resonanz erhalten.

Warten Sie einfach die nächsten Wochen und Monate ab. Dann werden Sie sehen, wie sich das konkretisiert. Ab dem Schuljahr 2016/17 werden wir flächendeckend unterwegs sein, damit wir am Ende dieser Legislaturperiode so, wie versprochen, bei der Bildungs- und Betreuungsgarantie für alle unsere Grundschülerinnen und Grundschüler angekommen sein werden.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren von der Opposition, deswegen muss ich die Frage stellen: Was wollen Sie eigentlich? – Alles, was Sie fordern, ist doch längst auf gutem Weg. Alles, was Ihnen einfällt, ist: Machen Sie es noch schneller, machen Sie es zwangsweise. – Bei „zwangsweise“ haben wir eine prinzipielle Meinungsverschiedenheit. Das sei hier gern hinterlegt.

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Und was die Zeit anbetrifft, will ich darauf aufmerksam machen: Wir wollen unsere Kinder nicht nur verwahren, sondern wir wollen eine qualitätsvolle Bildungs- und Betreuungsgarantie. Das müssen Schulen aber auch entwickeln. Und dafür brauchen Schulen Zeit, dafür brauchen unsere Partner Zeit. Wir werden uns die notwendige Zeit nehmen. Aber Sie werden den ersten großen Schritt zum nächsten Schuljahr 2015/16 bereits erleben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Minister. – Mir liegen zu diesem Tagesordnungspunkt keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist auch diese Aktuelle Stunde abgehalten.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 51:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend Gefahren durch radikalen Islamismus begegnen – gemeinsames gesellschaftliches Signal setzen – Drucks. 19/634 –

zusammen mit Tagesordnungspunkt 82 auf:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Religionsfreiheit und Rechtsstaat gegen Fundamentalisten verteidigen – Salafismus in Hessen bekämpfen – weltoffene Gesellschaft schützen, Sicherheit und Demokratie bewahren – Drucks. 19/696 –

Vereinbarte Redezeit sind zehn Minuten. Als Erster hat sich Herr Greilich von der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Anlass für diesen Setzpunkt ist die Tatsache der erheblichen Zunahme der Aktivitäten von radikalislamistischen Salafisten in Hessen, ganz besonders im Rhein-Main-Gebiet. Nicht nur die altbekannten Missionierungsversuche, die „Lies“-Kampagne auf der Frankfurter Einkaufsstraße Zeil, sondern neuerdings Übergriffe in Frankfurter Jugendhäusern, die wiederholten Auftritte und Kundgebungen von Pierre Vogel in Offenbach, die direkte Werbung für die Terrororganisation ISIS und den Heiligen Krieg bei öffentlichen Auftritten und Treffen mit T-Shirts, mit entsprechenden Tattoos, die offen gezeigt werden, müssen uns alarmieren.

Salafisten treten offen für die Einführung der Scharia und die Errichtung eines Gottesstaates ein. Meine Damen und Herren, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen,

beides wäre gleichbedeutend mit der Abschaffung unseres demokratischen Rechtsstaats.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Deshalb braucht diese verfassungsfeindliche Agitation klare Signale des Rechtsstaates und der gesamten Bürgergesellschaft. Deswegen haben wir das auf die Tagesordnung gesetzt. Die aktuelle Entwicklung bestätigt, wie notwendig das ist. Wir haben eben schon über die Demonstrationen am Samstag des vergangenen Wochenendes in Frankfurt gesprochen. Die ist ein weiteres Alarmzeichen. Das unterstreicht, wie richtig es ist, dass wir diesen Tagesordnungspunkt aufgerufen haben und eine Anhörung zu dem gesamten Komplex beantragen.

Auf dieser Demonstration waren auch Salafisten zu sehen, die unter Fahnen der islamistischen Hamas demonstriert haben, und zwar – das ist besonders besorgniserregend, Florian Rentsch hat das vorhin schon erwähnt – im Schulterschluss mit anderen Extremisten, mit linken und rechten Extremisten, mit der Organisation Die Linke.SDS, mit Kadern der Neonazis, den Nationalen Sozialisten RheinMain.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was sich hier zusammenbraut, braucht unsere absolut ungeteilte Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Diese immer stärker werdende Salafistenbewegung bedroht nicht weniger als den Kern unserer toleranten freiheitlich-demokratischen Gesellschaft. Ich will daran erinnern, dass bereits 320 vorwiegend junge Menschen aus Deutschland im sogenannten Heiligen Krieg sind, vor allem nach Syrien teilweise direkt von den Schulhöfen im Rhein-Main-Gebiet ausgereist sind. Allein aus Frankfurt ist bekannt, dass seit Dezember 2013 mindestens vier junge Menschen in diesem Heiligen Krieg – wie das schon fast blasphemisch genannt wird – gestorben sind.