Diese immer stärker werdende Salafistenbewegung bedroht nicht weniger als den Kern unserer toleranten freiheitlich-demokratischen Gesellschaft. Ich will daran erinnern, dass bereits 320 vorwiegend junge Menschen aus Deutschland im sogenannten Heiligen Krieg sind, vor allem nach Syrien teilweise direkt von den Schulhöfen im Rhein-Main-Gebiet ausgereist sind. Allein aus Frankfurt ist bekannt, dass seit Dezember 2013 mindestens vier junge Menschen in diesem Heiligen Krieg – wie das schon fast blasphemisch genannt wird – gestorben sind.
Das ist schlimm genug. Für uns kommt aber noch Schlimmeres dazu. Die Rückkehrer, die wir mittlerweile in Hessen haben, sind militärisch gut ausgebildet. Sie sind kampferprobt. Was noch viel schlimmer ist: Sie sind zu terroristischen Straftaten in Deutschland bereit.
Auch deshalb ist es unerlässlich, dass der Hessische Landtag den Dialog mit den Sicherheitsbehörden, mit den Schulen, mit den Vereinen, mit den Trägern der Einrichtungen für Jugendliche und mit Experten aller Art aufnimmt. Wir müssen die Möglichkeiten erörtern, wie den Radikalisierungstendenzen junger Menschen noch frühzeitiger begegnet werden kann. Das betrifft das Stichwort Prävention. Dazu haben wir von der Koalition in der Vergangenheit schon einiges gehört.
Wir dürfen aber vor allem eines nicht vergessen. Das will ich hier in aller Deutlichkeit sagen. Wir müssen auch Antworten auf die Frage geben, was zu tun ist, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Die Ereignisse zeigen – als erstes Beispiel erwähne ich die Demonstration in Frankfurt –, dass wir durchaus noch Bedarf haben, unsere Sicherheitskräfte ordentlich dafür zu sensibilisieren, dass das passiert.
Das liegt etwas zurück. Als Beispiel möchte ich die Vorkommnisse im Frankfurter Jugendhaus nennen. Ich will
das vorsichtig ausdrücken. Da hat es etwas lange gedauert, bis der Rechtsstaat gezeigt hat, dass er so etwas nicht hinnimmt.
Anscheinend kann die Justizministerin zurzeit nicht anwesend sein. – In diesem Zusammenhang drängen sich immer wieder neue Fragen hinsichtlich des Aspektes auf, wie die Landesregierung mit solchen Situationen umgeht. Ich denke daran, dass wir vor mehr als vier Wochen, am 16. Juni 2014, wenn ich es recht im Kopf habe, um 15:22 Uhr oder 15:52 Uhr, unsere Strafanzeige der Staatsanwaltschaft wegen des Vorfalls in Frankfurt übermittelt haben.
Sie hat noch drei Wochen später erklärt, sie läge dort nicht vor. Anscheinend hat man sie inzwischen gefunden. Ich frage mich da schon, wie man da zwischenzeitlich mit einem solchen Tatbestand umgegangen ist. Auch das werden wir zu klären haben.
Auch bisher, also in der Vergangenheit, war die Politik nicht untätig. Bereits in der letzten Legislaturperiode wurde die entsprechende Präventionsarbeit auf den Weg gebracht. Das nunmehr angekündigte Präventionsnetzwerk ist ein weiterer sinnvoller und notwendiger Schritt, der aber unserer Ansicht nach noch lange nicht ausreicht. Es fehlt ein ganzheitliches Konzept. Um dessen Erarbeitung zu beschleunigen, wollen wir als ersten wichtigen Schritt die Anhörung im Hessischen Landtag.
Ich will das noch einmal verdeutlichen. Wir haben in den letzten Wochen auf unsere Aktivitäten sehr viele Rückmeldungen bekommen, die die Dringlichkeit unterstreichen. Ich will nur ein Beispiel nennen, das uns ganz konkret geschildert wurde. Wenn es heute geschieht, dass ein aufmerksamer Lehrer oder Schulleiter etwas bemerkt, oder er sogar von besorgten Eltern darauf angesprochen wird, dass ein junger Mensch in die islamistische radikale Szene abzugleiten droht, dann weiß er nicht, was zu tun ist und wohin er sich wenden kann. Das alles fehlt heute. Wir haben entsprechende Angebote. Aber sie sind nicht bekannt. Daran müssen wir noch arbeiten.
Das ist nur ein Beispiel von vielen. Es gibt andere. Da geht es um drohende Ausreisen, Zwangsverheiratungen und, und, und. Es fehlt an konkreten und bekannten Ansprechstellen für die Bürger unseres Landes.
Die Gründe für die Anziehungskraft der Salafisten sind mannigfaltig. Ihr Erfolg ist weitestgehend unabhängig von sozialer oder ethnischer Herkunft, familiärer Zuwanderungsgeschichte und Bildung. Das wird unter anderem dadurch unterstrichen, dass wir feststellen können, dass eine große Zahl Konvertiten in exponierten Positionen in dem hierarchischen Gefüge der Salafisten zu finden ist.
Wir wollen, dass in der Anhörung die Gründe erörtert werden, warum junge Menschen in die Arme solcher religiösen Führer gelangen und wie die Gesellschaft den jungen Menschen mehr Stärke und Halt verschaffen kann, damit sie in schwierigen Phasen ihrer Persönlichkeitsentwicklung nicht auf vermeintlich einfache Antworten hereinfallen.
Dabei ist es für uns besonders wichtig, etwas hervorzuheben. Das wollen wir auch im Rahmen der Anhörung sehr deutlich machen. Ich bin dafür dankbar, dass das in dem jetzt vorgelegten Dringlichen Entschließungsantrag der Koalition so deutlich formuliert ist. Es geht um eine wirklich kleine Gruppe radikaler Islamisten, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, weil diese Gruppe hochgefährlich ist.
Das ist die wichtige Botschaft, die wir heute hier verkünden müssen: Die weit überwiegende Mehrheit der etwa 4 Millionen Muslime in Deutschland ist sehr gut integriert und steht fest auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
(Beifall des Abg. Florian Rentsch (FDP) sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Gerade deshalb dürfen wir es nicht erlauben, dass eine radikale Minderheit das Bild der Muslime in Deutschland negativ beeinflusst. Sie missbrauchen den Glauben für politische Ziele. Sie befördern Islamphobie bis hinein in die Reihen unseres Parlamentes. Aus diesem Grund möchten wir muslimische Glaubensgemeinschaften aktiv einbeziehen und herzlich zum Dialog einladen.
Ich sage sehr deutlich, dass wir uns freuen, dass die Mitglieder der anderen Fraktionen im Hessischen Landtag unsere Initiative aufgeschlossen aufgenommen haben. Wir freuen uns auf die gemeinsam getragene Anhörung in der zweiten Hälfte dieses Jahres. Die Äußerungen der Landesregierung in der Vergangenheit und auch Äußerungen aus der Koalition geben uns Anlass zu der Hoffnung, dass alle politischen Akteure fähig sind, gegen die Feinde der Demokratie zusammenzustehen und klare Signale zu senden.
Wir werden gemeinsam die Anhörung hier beschließen. So ist es angekündigt. Darüber freue ich mich. Das wird der erste Schritt sein, um die Landesregierung bei der Bewältigung der Probleme auf den richtigen Weg zu schicken. Das haben wir beantragt. Deswegen herzlichen Dank für die zu erwartende Zustimmung.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Anhörung im Hessischen Landtag durchzuführen, um damit neue Informationen zu einem wichtigen Sachverhalt für die eigene Arbeit zu erhalten, ist immer richtig. Es ist nicht ausgeschlossen, das auch Abgeordnete dazulernen. Ein Dialog mit Verbänden und Sachverständigen kann zudem über das Parlament hinaus in der Gesellschaft Entfaltung erzeugen.
Die salafistische Bewegung ist etwas, über das wir gemeinsam nachdenken müssen. Denn auch die Politik steht genauso vor den Fragen und Herausforderungen, wie es viele Verbände, Vereine, Schulen und die Medien tun.
Deshalb werden wir heute dem von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Dringlichen Entschließungsantrag zustimmen. Denn er ist im Gegensatz zu dem Gesamtpamphlet der FDP-Fraktion wesentlich differenzierter, obwohl da lediglich im letzten Satz etwas von der geplanten Anhörung im Landtag steht.
Was passiert da in der salafistischen Szene und warum? Wieso hat diese fundamentalreligiöse Strömung in Deutschland Zulauf? Sie hat es auch von in Deutschland Geborenen, die konvertieren oder sogar in den Krieg ziehen. Wie geht man damit um?
Heizt sich die Stimmung zwischen radikalen Islambefürwortern und Islamhassern unweigerlich auf, oder kann man Brücken bauen und Verständnis entwickeln? Wenn dies der Fall ist, wer kann diese Brücken bauen und wie?
Für die Mitglieder der LINKEN sind diese Fragen elementar. Teilweise liegen die Antworten nahe. Teilweise sind auch wir ratlos. Auf jeden Fall gibt es offenbar keine schnellen und schon gar keine einfachen Antworten.
Ich erwarte eine Konkretisierung der Fragestellung und eine intensive Vorbereitung der Anhörung durch den Sozialund Integrationspolitischen Ausschuss. Eine Federführung des Innenausschusses, wie von der FDP-Faktion gefordert, lehnen wir entschieden ab.
Das käme der Wiedereinführung einer Rohrstockpädagogik gleich und wäre eine Ohnmachtserklärung gegenüber den aktuellen Entwicklungen.
Trotz drei Seiten Antragstextes erklärt die FDP-Fraktion den Zusammenhang zwischen Krieg und Radikalisierung nicht. Warum tut sie es eigentlich nicht? Das ist für mich ein zusätzliches Problem mit dem Antrag der FDP-Fraktion und der dahinterstehenden Politik der FDP.
Es hat keinen Sinn, auf drei Seiten die Antworten schon vorzugeben und zentrale Fragen auszuklammern. Das hat keinen Sinn – es sei denn, man will nur über die eigene Haltung reden. Denn sich Fragen zu stellen hat doch nur dann Sinn, wenn man ohne Vorurteile und ohne Vorverurteilung an eine Anhörung herangeht.
Genau das ist aber bei dem vorliegenden Antrag der FDP wie auch bei all ihren parteipolitischen Inszenierungen in den letzten Wochen unübersehbar der Fall. Es macht mir Sorge, dass die Hessen-FDP sich in ihrem Überlebenskampf weit rechts von der CDU positioniert.
Vor einem Jahr hätte ich gesagt, das geht gar nicht. Aber die FDP-Konkurrenz zur rechtspopulistischen AfD und eine schwarz-grüne Regierung machen das nun offenbar nötig. Nur deshalb heizt die FDP das Thema Salafismus seit Wochen parteipolitisch an. Ein paar Beispiele aus dem FDP-Antrag – Herr Greilich hat das schon hervorgehoben –:
einer Bedrohung des Rechtsstaates, der Durchsetzung der Scharia und der Einrichtung eines Gottesstaates in Deutschland. Um Himmels willen, wo sind wir denn gelandet? – Die Salafisten seien im Rhein-Main-Gebiet ständig präsent, grundsätzlich gewaltbereit und in enger Verbindung zur radikalislamischen Terrororganisation ISIS.
Besser kann man die Propagandamaschine der Salafisten nicht bedienen, Herr Greilich, als mit solchen plumpen Behauptungen.
Man muss die Salafisten nicht mögen. Man kann ihre religiöse Haltung bizarr finden. Man muss sich ganz gewiss mit deren politischen Zielen und deren militanten Vertretern sehr ernsthaft und entschieden auseinandersetzen. Aber man muss doch als verantwortlicher Politiker auch die Moschee im Dorf lassen, Herr Greilich.