Protokoll der Sitzung vom 04.02.2014

(Günter Rudolph (SPD): Ein guter Oberbürgermeister!)

Meine Damen und Herren, wer hätte das vor 20 Jahren für möglich gehalten? Auch wenn es eine neue Landesregierung gibt, muss es möglich sein, an der Stelle zu sagen: Diese Entwicklung ist ein nachhaltiger Beleg für die erfolgreiche Arbeit der Vorgängerregierung.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Der Beifall der nordhessischen Oppositionskollegen ist noch ausbaufähig.

(Heiterkeit bei der CDU – Günter Rudolph (SPD): Bei Ihrem neuen Partner aber auch! – Heiterkeit bei der SPD und der LINKEN)

Nicht nur Nordhessen beweist: Politik ist immer dann erfolgreich, wenn sie auf die Bedürfnisse der Menschen eingeht. Das gilt auch und besonders für die mobile Zukunft. Als Land in der Mitte Europas ist Hessen auf den Erhalt seiner starken Infrastruktur angewiesen.

Allerdings ist nicht ein „Immer mehr“ das Gebot der Stunde, sondern ein „Immer besser“. Immer besser – das gilt beispielsweise für die Versorgung mit schnellem Internet, auf dem Land genauso wie in der Stadt. Es wird eine der wichtigen Aufgaben der neuen Landesregierung sein, die Versorgung mit leistungsstarken Breitbandzugängen flächendeckend zu gewährleisten. Zur Beschleunigung werden wir unter anderem die Hessische Gemeindeordnung ändern. Mein Respekt, meine Anerkennung gilt dem ersten Kreis in Deutschland, der dies bereits flächendeckend geschafft hat: Es ist ein hessischer Kreis, nämlich der Odenwaldkreis.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Immer besser müssen bestehende Verkehrskonzepte intelligent genutzt werden. Darum werden wir in dieser Legislaturperiode das Projekt „Mobiles Hessen 2020“ starten, um das, was in Sachen Zukunftsmobilität in einzelnen Regionen schon sehr erfolgreich erprobt wurde, auf das ganze Land zu übertragen: Carsharing, E-Mobilität, digitale Angebote und moderne Verkehrstelematik. Diese wenigen Stichworte mögen an der Stelle genügen.

Immer besser wollen wir auch beim Schienenverkehr und im öffentlichen Nahverkehr werden. Dazu gehört, dass wir uns beim Bund weiterhin z. B. für den Bau der Nordmainischen S-Bahn oder den Aus- und Neubau der Bahnstrecke Frankfurt – Fulda stark machen. Heute ist in einer großen Zeitung, die sich mit diesen Themen beschäftigt, zu lesen,

dass das in der Regel Vorhaben seien, bei denen diejenigen, die heute daran arbeiten, nicht damit rechneten, dass das Ganze vor ihrer Verrentung fertig gebaut sei. Das mag sein, aber das ist kein Grund dafür, nicht zügig zu beginnen.

Das Land Hessen wird seine Aufgaben sehr zügig fortführen. Aber auch der Bund muss hier seinen Verpflichtungen nachkommen. Hessen ist ein Land in der Mitte Europas, ein Land in der Mitte Deutschlands, ein zentraler Verkehrsknotenpunkt. Bei allem Verständnis für die anderen, die ebenfalls Ansprüche erheben, sind wir nachhaltig davon überzeugt, dass ein massives Eintreten für Verbesserungen – nicht nur im Bahnverkehr, sondern im Verkehr insgesamt – keine besondere Behandlung Hessens ist, sondern im Ergebnis allen dient – nach dem alten Spruch: An Hessen führt kein Weg vorbei. – Deshalb werden wir beim Bund weiterhin auf eine bessere Förderung drängen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört auch eine weitere Modernisierung der Bahnhöfe.

Eine weitere wichtige Botschaft: Die Mittel für den öffentlichen Personennahverkehr und den kommunalen Straßenbau wollen wir gleichgewichtig aufteilen. Das ist eine feste Zusage an den ÖPNV, der uns besonders am Herzen liegt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

„Immer besser statt immer mehr“, das gilt auch für den Straßenbau. Wir werden auch in Zukunft wichtige Verkehrsadern vervollständigen und Straßen bauen – insbesondere dort, wo Schadstoffe oder Lärm die Menschen belasten. Deshalb werden wir den Bau der A 44 und der A 49 vollenden, wenn rechtskräftige Planfeststellungsbescheide vorliegen und der Bund die notwendigen Mittel bereitstellt. Die Knappheit der staatlichen Mittel, der Zustand vieler unserer Straßen und das mittlerweile hervorragend ausgebaute Straßennetz erfordern aber auch das klare Signal, dem sich diese Koalition verpflichtet fühlt: Erhalt geht vor Neubau.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir Neues dort bauen, wo es notwendig ist, das, was vorhanden ist, gut erhalten und beides in ein vernünftiges Maß zueinander bringen, dann bin ich sicher, dass wir trotz mancherlei Interessenkonflikte, die es auch vor Ort gelegentlich gibt, kluge Entscheidungen treffen werden.

Immer besser werden muss schließlich der Schutz der Anwohnerinnen und Anwohner vor Schadstoffbelastungen, Straßen- und Schienenlärm. Darum liegt ein besonderes Augenmerk auf der Entlastung der Situation im Mittelrheintal, wo viele von Bahnlärm betroffen sind. Außerdem hat auch der Schutz der Anwohnerinnen und Anwohner am Frankfurter Flughafen vor Fluglärm weiterhin höchste Priorität.

(Lachen des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Damit sind wir bei einem ganz entscheidenden Punkt der Zusammenarbeit der beiden neuen Koalitionspartner, nämlich bei unseren Planungen für den Frankfurter Flughafen. Die Einigung hierzu gehörte wohl zu den schwierigsten Herausforderungen in unseren Verhandlungen, weil die

Positionen in der Vergangenheit bekanntlich weit auseinanderlagen.

Wir haben einen Kompromiss gefunden. Die Koalition bekennt sich zu diesem Flughafen und zu seiner Bedeutung, die weit über das Rhein-Main-Gebiet und Hessen hinausgeht. Deshalb sind wir uns auch darin einig, dass der Flughafen eine Zukunftsperspektive haben muss, auch wenn die Positionen zur Frage des Ausbaus durchaus unterschiedlich waren und zum Teil noch sind. Zugleich eint uns aber die gemeinsame Erkenntnis, dass die ökonomische Bedeutung nicht alleiniger Maßstab für die Zukunftsentwicklung sein kann. Sowohl die überregionale Bedeutung des Flughafens mit seinen rund 80.000 Arbeitsplätzen wie auch die Lärmschutzinteressen der Menschen rund um den Airport sind uns wichtig. Beides leitet uns bei unserer Flughafenpolitik.

Auf der Basis des Planfeststellungsbeschlusses vom Dezember 2007 und seiner weitestgehenden Bestätigung durch das Bundesverwaltungsgericht ist es unser vorrangiges Ziel, dass wir die mit dem Betrieb des Flughafens einhergehenden Belastungen für die Menschen und die Umwelt in höchstmöglichem Maß wirksam verringern. Deshalb haben wir uns im Koalitionsvertrag auf ein umfangreiches Maßnahmenpaket verständigt, das die Balance zwischen den Interessen der Anwohnerinnen und Anwohner und der Zukunftsentwicklung des Frankfurter Flughafens wahrt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu zählen unter anderem die weitere Umsetzung der Maßnahmen aus der „Allianz für mehr Lärmschutz“ und die Kommunikation mit allen beteiligten Akteuren, eine Ausweitung der Nachtruhe in den Nachtrandstunden mit dem Ziel, regelmäßig zu Lärmpausen von sieben Stunden in der Nacht zu kommen, die Einführung einer Lärmobergrenze entsprechend der Empfehlung der Mediation, eine stärkere und frühere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger bei der Planung von Flugrouten, ein Lastenausgleich für besonders vom Fluglärm betroffene Kommunen, eine Bedarfsprüfung des Vorhabens für den Bau eines dritten Terminals auf dem Gelände des Frankfurter Flughafens, die Fortsetzung des „Forums Flughafen und Region“ als Stätte des direkten Dialogs und als Ideengeber sowie eine Stärkung und Neuausrichtung der Gemeinnützigen Umwelthaus GmbH.

Meine Damen und Herren, wir wissen, die erfolgreiche Umsetzung dieser Maßnahmen kann nur gemeinsam mit allen Akteuren gelingen. Ich nenne hier insbesondere die Fraport, die Flugsicherung, die zuständigen Bundesbehörden, die Luftverkehrsunternehmen, die Kommunen, aber auch die Anwohnerinnen und Anwohner. Die allermeisten von ihnen arbeiten seit Jahren im „Forum Flughafen und Region“ engagiert und konstruktiv zusammen. Deshalb ist es folgerichtig, dass die neue Landesregierung dieses in der Sache erfolgreiche und für den Interessenausgleich so wichtige Gremium auch in Zukunft sehr unterstützen wird.

Meine Damen und Herren, manchem mag es nicht schnell genug gehen. Mancher wird das Ganze für nicht ausreichend halten. Das, was wir vereinbart haben, wird aber am Ende zwei Ergebnisse hervorbringen: Dieser Flughafen bleibt auch zukünftig das wirtschaftliche Herzstück unseres Landes, das mit die wichtigsten Arbeitsplätze in ganz

Europa bietet; gleichzeitig wird es leiser werden. Daran werden wir uns messen lassen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein Blick nach Norden: Der Neubau des Flughafens Kassel-Calden war eine bewusste Zukunftsentscheidung für den Wirtschaftsstandort Nordhessen. Die Mehrheit in Nordhessen – nicht nur die Vertreter verschiedener politischer Couleur, sondern auch die Wirtschaft, die Kommunen und die Kammern – wollte diesen Flughafen.

Ich sage aber genauso deutlich: Niemand wollte und niemand will einen dauerhaften Defizitbetrieb. Da dies so ist, haben wir im Koalitionsvertrag Entscheidungen getroffen, die die bislang unbefriedigende Entwicklung zum Positiven verändern sollen. Wir werden diese Entscheidungen im Dialog mit der Wirtschaft und den Kommunen umsetzen. Dieser Kompromiss ist chancenreich. Er ist ambitioniert – er ist aber auch ehrlich und fair.

Wer Chancen geben will, der muss auch die Freiheit dazu einräumen. Freiheit bedeutet, eine Wahl zu haben. Der Staat soll den Menschen nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben, wie sie glücklich werden, wo und wie sie wohnen, in welchem Umfang sie ihre Kinder betreuen – oder gar, welche Schulformen ihre Kinder besuchen sollen.

(Günter Rudolph (SPD): Was sie essen, auch nicht!)

Die neue Landesregierung will den Menschen Chancen eröffnen und die Wahl lassen. Herr Kollege Rudolph, Wahlfreiheit und Vielfalt sind die Richtschnur in allen unseren Politikbereichen. Deshalb wollen wir für eine Politik des Ermöglichens und nicht für eine Politik des Vorschreibens stehen. Dies steht für uns fest.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Demonstrativer Beifall bei der SPD)

Das gilt für die persönliche Lebensgestaltung ebenso wie für die Schul- und Bildungspolitik, die Politik für Kinder und Familien oder die Gestaltung des demografischen Wandels – um eine der großen Herausforderungen hinzuzufügen.

Deshalb lehnen wir Einheitslösungen und staatliche Bevormundung ab. Wir wenden uns auch gegen jede Form von Diskriminierung. Dies betrifft viele Bereiche unseres Lebens – angefangen von der sexuellen Orientierung bis hin zu unterschiedlichen Kulturen. Das vermeintliche Anderssein, das oft zu Ausgrenzungen führt, wollen wir verstärkt unter dem Aspekt der Vielfalt in unserer Gesellschaft sehen. Wir werben für Akzeptanz. Deshalb treten wir der „Koalition gegen Diskriminierung“ bei und werden einen „Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt“ erarbeiten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration wird deshalb auch eine Antidiskriminierungsstelle eingerichtet.

Viele Menschen, die auch die Freiheit einfordern, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, stehen oftmals noch vor großen Barrieren. Ich denke in diesem Zusammenhang an Menschen mit Behinderungen, deren Recht auf Teilhabe in allen Lebensbereichen uns Auftrag sein muss. Wir haben die feste Absicht, in den nächsten fünf Jahren einen großen Schritt hin zu einer inklusiven Gesellschaft zu machen.

Menschen mit Behinderungen erwarten keine Privilegien. Sie erwarten nicht mehr, als so normal wie irgend möglich am Leben teilnehmen zu können.

Dies umzusetzen bedarf intensiver und kluger Maßnahmen: Maßnahmen, die gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen wirklich geholfen wird und dass andererseits nicht Erwartungen geweckt werden, die – wenn überhaupt – nur langfristig erfüllbar sind.

Den Menschen die Wahl lassen – dieser Anspruch gilt für uns in besonderer Weise in Bezug auf die Bildung von Kindern und jungen Menschen. Die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Begabung verlangt auch vielfältige Bildungsangebote: von der Grundschule bis zu der beruflichen Bildung. Diese Vielfalt haben wir in Hessen. Wir wollen sie auch erhalten und die jahrzehntelangen Schulkämpfe ad acta legen.

Wir wollen den Schulfrieden, d. h. eine langfristige, verlässliche Grundlage für die Arbeit unserer Schulen. Dies können wir nur erreichen, wenn wir alle an Schule Beteiligten einbinden und gemeinsam verabreden, wie wir die Zukunft des Schullebens gestalten wollen. Da dies so ist, werden wir zeitnah zu einem Bildungsgipfel einladen. Wir wollen uns mit allen an Schule Beteiligten und den Fraktionen des Landtags beraten, um mit ihnen eine Vereinbarung über die Schulentwicklung in Hessen in den kommenden zehn Jahren zu erreichen. Der von uns gewollte Schulfrieden sichert die Wahlfreiheit und wird Planungssicherheit für alle Beteiligten bringen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mir ist es ein persönliches Anliegen, dass neben den Kommunen, den freien Trägern und Verbänden auch die Damen und Herren der Opposition engagiert mitarbeiten. Manche Äußerung dazu aus jüngster Zeit sollte uns nicht davon abhalten, es wenigstens zu versuchen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, aus meiner Sicht erschwert es unnötig den Weg, den allseits angestrebten Schulfrieden zu erreichen, wenn eine Fraktion von vornherein sagt: Da machen wir nicht mit.

(Manfred Pentz (CDU): Ja! – Günter Rudolph (SPD): Aber alles, was in der Zeitung steht, stimmt!)

In der Presse war zu lesen, dass Sie Sorge haben, Sie sollten nur zum Abnicken dabei sein, und in diesem Zusammenhang haben Sie auf den Energiegipfel Bezug genommen.