Protokoll der Sitzung vom 04.02.2014

In der Presse war zu lesen, dass Sie Sorge haben, Sie sollten nur zum Abnicken dabei sein, und in diesem Zusammenhang haben Sie auf den Energiegipfel Bezug genommen.

Ich muss Ihnen sagen: Ich habe das nicht verstanden. Wir haben doch dort auf Augenhöhe – alle Beteiligten – wichtige Ziele zusammen vereinbart, die noch heute Grundlage unserer gemeinsamen Politik sind. CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP haben das gemeinsam unterschrieben. Deshalb finde ich, dass gerade dieser Energiegipfel ein gutes Beispiel dafür war, wie man auch jenseits der Parteilinien zu guten Ergebnissen kommt. Ich möchte an Sie appellieren, noch einmal zu prüfen und sich nicht von vornherein diesem Gipfel und dieser Gemeinsamkeit zu verweigern.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Landesregierung will in der Schulpolitik Bewährtes erhalten, Neues auf den Weg bringen und Notwendiges ver

lässlich absichern. Dazu zählt in erster Linie eine ausreichende Ausstattung unserer Schulen mit Mitteln, die Vielfalt und Qualität ermöglichen. Deshalb – ich habe bereits darauf hingewiesen – werden wir den Rückgang der Schülerzahlen nicht dazu nutzen, Stellen abzubauen, sondern um Qualität und Angebote an den Schulen zu verbessern.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Entscheidung ermöglicht es uns, unter anderem Folgendes in Angriff zu nehmen und umzusetzen:

die Stärkung der Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9, insbesondere auch die Möglichkeit, die jetzigen 5. und 6. Klassen dabei einzubeziehen. Die gesetzgeberischen und die administrativen Arbeiten sind bereits angelaufen, und wir werden sicherstellen, dass diese Regelung bereits für das neue Schuljahr umgesetzt werden kann.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Außerdem planen wir den schrittweisen Ausbau von Ganztagsangeboten mit Schwerpunkt auf den Grundschulen. Auf freiwilliger Basis – das ist uns wichtig – können alle Grundschulen in das Ganztagsschulprogramm des Landes aufgenommen werden. Damit garantieren wir den Schulen, die dies möchten, eine Betreuung von 7:30 Uhr bis 14:30 Uhr. Das ist der Beitrag des Landes zu dem „Pakt für den Nachmittag“.

Mit den Kommunen streben wir eine Vereinbarung an, durch die die Betreuung der Kinder für die Zeit bis 17 Uhr ausgeweitet werden soll. Unser Ziel ist es, im Zusammenwirken von Land, Kommunen, Eltern und bestehenden Initiativen eine bedarfsgerechte Bildungs- und Betreuungsgarantie für alle Grundschulkinder zu erreichen.

Weiter beabsichtigen wir die Verdopplung der Zahl der Lehrerstellen oder der Zahl der Sozialpädagogen nach dem sogenannten Sozialindex, damit sich die Schulen dem besonderen Förderbedarf von Kindern und Jugendlichen noch besser widmen können. Andere beklagen die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft. Mit dieser Entscheidung handeln wir. Wir beklagen uns nicht nur, wir handeln.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber hinaus wollen wir den gemeinsamen Schulbesuch von Kindern mit und ohne Beeinträchtigungen oder Behinderungen in den kommenden fünf Jahren – insbesondere in den Grundschulen – so ausweiten, dass möglichst kein individueller Elternwunsch abgelehnt werden muss. Umgekehrt wollen wir aber auch den Besuch von Förderschulen gewährleisten; denn das Wohl des einzelnen Kindes und der Elternwille sind auch hier die maßgebliche Richtschnur für unser Handeln.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Rahmen eines Modellversuchs lassen wir den integrierten Gesamtschulen die Wahl, ohne Aufteilung in Kurse zu unterrichten. Diese neue Möglichkeit des längeren gemeinsamen Lernens werden wir wissenschaftlich begleiten und evaluieren.

Meine Damen und Herren, in der Schule gilt der einfache Satz, der schon immer galt: Auf den Lehrer – Pardon, auf

die Lehrerin und den Lehrer – kommt es an. Das Aus- und Weiterbildungskonzept für Lehrerinnen und Lehrer werden wir noch mehr am konkreten Schulalltag ausrichten. Wir werden das verpflichtende Praxissemester optimieren und fördern Eignungstests auf freiwilliger Basis. So können Studierende prüfen, ob sie die erforderlichen Voraussetzungen für den Lehrerberuf mitbringen. Aus meiner Sicht ist das eine relativ unkomplizierte, aber sinnvolle Maßnahme für das Lebensglück sowohl der zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer als auch der Schülerinnen und Schüler. Ich möchte dazu aufrufen, dass wir das so schnell wie möglich umsetzen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Koalitionspartner haben sich darauf verständigt, dass das in der vergangenen Wahlperiode eingerichtete Landesschulamt wieder aufgelöst wird.

(Beifall des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Kollege Wagner klatscht.

(Allgemeine Heiterkeit – Zuruf von der SPD: Nur einer!)

Wir haben uns entschieden, Folgendes zu machen. Wir werden die Schulaufsichtsämter wieder unmittelbar dem Ministerium unterstellen und gleichzeitig – das war schon immer ein Ziel – unnötige Doppelstrukturen abschaffen und das ursprüngliche Reformziel einer kosteneffizienteren Schulaufsichtsverwaltung verwirklichen.

Wir setzen auf eine Schule, die Leistungsbereitschaft und unterschiedliche Begabungen fördert und zugleich passgenaue Angebote für schwächere Schülerinnen und Schüler macht. Deswegen bleibt die Förderung der Internatsschule Hansenberg genauso erhalten wie die SchuB-Klassen, die Osterferiencamps für versetzungsgefährdete Schülerinnen und Schüler oder spezielle Angebote für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir von Schulbildung sprechen, meinen wir aber nicht nur die allgemeinbildenden Schulen, sondern auch die berufliche Bildung. Das Erfolgsmodell der dualen Ausbildung wird deshalb von uns auch zukünftig größtmögliche Unterstützung erfahren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Ergebnis: Unsere Politik will den Schulfrieden. Wir wollen die individuellen Begabungen der Kinder in den Mittelpunkt rücken und die Bildungsangebote danach ausrichten. Wir wollen nicht staatlicherseits etwas vorgeben, um anschließend festzustellen, dass es nicht erfolgreich war, sondern wir wollen die Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt stellen, die Wahlfreiheit ermöglichen und so gemeinsam erfolgreich sein. Das ist unsere Devise. Wir freuen uns auf die gemeinsame Arbeit. Meine Damen und Herren, ich lade Sie alle ein, dort mitzumachen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die neue Landesregierung wird in der Familienpolitik neben dem Nutzen der bewährten Instrumente vor allem dort neue Akzente setzen, wo die Bedürfnisse der ganz Kleinen

dies verlangen und wo wir Eltern unterstützen können. Wir wollen ein familienfreundliches Land, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und einen konsequenten Kinderschutz. Wir werden eine Kommission „Hessen hat Familiensinn“ unter breiter zivilgesellschaftlicher Beteiligung einberufen.

(Michael Siebel (SPD): Schon die zweite Kommission!)

Es geht uns um neue Möglichkeiten, um mehr Familienfreundlichkeit im gelebten Alltag und um praktische Beispiele. Lassen Sie uns diese Kommission mit Herz – „mit Herz“ sage ich bewusst, wenn es um Kinder geht – und Verstand umsetzen.

Wir wollen uns um den Kinderschutz kümmern, und zwar konsequent. Mit dem Bundeskinderschutzgesetz, das jetzt seit zwei Jahren in Kraft ist und öffentlich bisher viel zu wenig gewürdigt wurde, sind die Voraussetzungen für umfassende Verbesserungen im Kinderschutz in Deutschland geschaffen worden. Gerade für junge Familien sind mit dem dort vereinbarten Einsatz von Familienhebammen und dem Aufbau von Netzwerken „Frühe Hilfen“ wichtige Hilfsangebote während der ersten Lebensjahre der Kinder vereinbart sowie Hilfsangebote für die Eltern, deren Lebensalltag sich grundlegend verändert hat. Das ist praktischer Kinderschutz, und den wollen wir nachhaltig unterstützen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir alle sind uns darin einig, dass das viele Facetten hat. Kinderschutz muss mit an vorderster Stelle auch heißen, dass wir uns mit aller Kraft gegen eines der abscheulichsten Verbrechen, nämlich sexuelle Gewalt gegen Kinder, einsetzen. Auch das ist uns wichtig.

(Allgemeiner Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Ausbau der Kinderbetreuung hat durch eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen deutschlandweit in nur wenigen Jahren bemerkenswerte Fortschritte gemacht. In Hessen haben wir die vom Bund vorgegebene Betreuungsquote – Sie werden sich erinnern, dass man einmal errechnet hatte, 35 % seien ausreichend – schon im Mai des vergangenen Jahres erreicht. Wir sind mittlerweile bei einer Quote von 39 % und liegen damit auf Platz 2 im Vergleich der Flächenländer der alten Bundesrepublik.

(Holger Bellino (CDU): Hört, hört!)

Das ist ein tolles Ergebnis. Herzlichen Dank an all diejenigen, die da mitgemacht haben.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen und werden alles unternehmen, um die noch bestehenden Lücken in einzelnen Städten und Gemeinden zu schließen und damit den Bedarf der Eltern zu decken. Mit dieser deutlich verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf leisten wir wie beim Abbau des Fachkräftemangels auch einen wichtigen Beitrag zur Förderung beruflicher Chancen gerade von Frauen.

Seit Jahresbeginn ist das in diesem Haus sehr kontrovers diskutierte Kinderförderungsgesetz in Kraft. CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben entschieden, dass dieses Gesetz in Kraft bleibt und weiter verbessert wird. Wir verfolgen den Umsetzungsprozess sehr genau. Wir werden Mitte des Jahres einen runden Tisch „Kinderbetreuung“ einberufen

(Zurufe von der SPD: Ah! – Weitere Zurufe von der SPD)

dazu komme ich gleich – und dann gemeinsam mit den Verbänden und Trägern eine erste Bewertung der Wirkung des Gesetzes durchführen und über die weitere Entwicklung der Kinderbetreuung beraten.

Etwas, was wir bereits die ganze Zeit angekündigt haben, werden wir auf jeden Fall machen – das ist eine grundlegende Ergänzung –: Sobald sich die Kommunalen Spitzenverbände und die Liga der freien Wohlfahrtsverbände auf die Fortführung ihrer Rahmenvereinbarung „Integrationsplatz“ verständigt haben – denn das ist ihre Aufgabe –, wird das Land die Pauschalen im Kinderförderungsgesetz für die Inklusion von Kindern mit Behinderungen in den Kindertagesstätten deutlich erhöhen. Dazu sind wir fest entschlossen. Das ist kein geringer Betrag. Wir sprechen vielmehr von 10 Millionen € pro Jahr, die wir zur Verbesserung zusätzlich zur Verfügung stellen wollen. Das ist ein deutlicher Beleg dafür, dass wir es mit der Kinderförderung ernst meinen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unsere familienpolitische Agenda baut auf umfangreichen Arbeiten auf: ein Konzept zur Gewinnung von Erzieherinnen und Erziehern, ein bedarfsgerechter Ausbau der Tagespflege, die nachhaltige Sicherung des Bildungs- und Erziehungsplans für Kinder von null bis zehn Jahren. Dies sind nur einige Eckpfeiler unserer weiteren Vorhaben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Vielfalt leben – das gilt auch für die verschiedenen Regionen Hessens, die unser Land so liebenswert und abwechslungsreich machen. Gerade weil der viel zitierte demografische Wandel ganz unterschiedliche Herausforderungen mit sich bringt, brauchen wir differenzierte Lösungen. Ich habe zu Beginn meiner Ausführungen gesagt, dass wir Vielfalt anstreben, aber keine Einheitslösungen. Es gibt kaum einen Bereich, in dem man nachhaltiger zeigen kann, dass Einheitslösungen im Ergebnis die schlechtere Wahl sind. Deshalb setzen wir uns auch hier für Wahlfreiheit ein.

Trotz des demografischen Wandels sollen die Menschen nämlich selbst entscheiden können, ob sie auf dem Land oder in der Stadt leben wollen. Wer den demografischen Wandel an einem Wiesbadener Schreibtisch in den Griff bekommen will – am besten ist das Ganze noch mit ein paar Förderprogrammen gespickt –, wird immer scheitern. Einheitslösungen helfen hier überhaupt nicht. Der demografische Wandel ist im Grunde genommen ein Wandel in Hunderten von Dörfern, Städten und Gemeinden. Er vollzieht sich vor Ort, und er durchzieht alle Lebensbereiche.

Hier passende Antworten zu geben ist eine Daueraufgabe. Auch hier gibt es niemanden, der die Erkenntnisse für sich gepachtet hat. Auch hier müssen wir offen sein und die Zukunft möglichst gemeinsam gestalten.