Protokoll der Sitzung vom 04.02.2014

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion der CDU hat der Fraktionsvorsitzende, Herr Boddenberg, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Einen schönen guten Abend und zunächst einmal ein herzliches Dankeschön an Herrn Kollegen Rentsch, dass er so pfleglich mit unserer abendlichen Zeit umgegangen ist. Ich glaube nicht nur, dass wir, die Regierungskoalition, gleich mit der Arbeit beginnen wollen, sondern auch, dass wir heute Abend eine ganze Reihe von Veranstaltungen haben, wo es unhöflich wäre, wenn wir so viel zu spät kämen, wie Sie, Herr Klee, es heute Morgen befürchtet haben.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wer ist schuld? Der Ministerpräsident!)

Da ich gerade beim Dank bin, will ich ausdrücklich zunächst einmal dem Ministerpräsidenten danken.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Für die Zeitverzögerung?)

Denn ich weiß, dass es eine sehr arbeitsintensive Aufgabe ist, eine Regierungserklärung zu schreiben und darüber

nachzudenken: Wie schaffe ich den Spagat, einerseits alles und jedes zu berücksichtigen, ohne Gefahr zu laufen, dass die Opposition mir am Ende vorhält, dass ich einen wesentlichen Punkt vergessen habe, andererseits einigermaßen die Redezeit einzuhalten,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Soll das jetzt ein Witz sein? Das war die Verdoppelung der Redezeit!)

aber vor allem in einer relativ kompakten Form das Koalitionswerk und unsere Arbeitsaufträge für die nächsten fünf Jahre darzulegen? Ich finde nicht nur, dass das glänzend gelungen ist, sondern dass wir heute alle gelernt haben, dass ganz viel Arbeit vor uns liegt. Ich danke allen Kollegen des Hessischen Landtags, die dem Ministerpräsidenten und der neuen Landesregierung herzlich Glück gewünscht haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will dennoch heute nicht vergessen, lieber Kollege Rentsch und liebe Kollegin und Kollegen von der FDP – ich finde, auch das gehört zu Beginn einer neuen Legislaturperiode dazu –: Der Satz war völlig richtig, lieber Florian Rentsch, dass das Land gut und geordnet übergeben worden ist in diese neue Legislaturperiode, und daran hat die FDP gemeinsam mit der Union viel Anteil. Daran haben auch Oppositionsfraktionen Anteil durch den Streit, den es auch in der letzten Legislaturperiode gegeben hat. Ich will ausdrücklich sagen: Das ist eine Zusammenarbeit, die nicht nur erfolgreich war, sondern auch sehr verlässlich, sehr vertrauensvoll und insofern vielleicht doch nicht immer so selbstverständlich, wie das beim Blick auf andere Landesparlamente – ich rede nicht von Hessen – da und dort festzustellen ist. Es ist also keine Selbstverständlichkeit, sondern nach wie vor etwas, wofür wir uns herzlich bedanken wollen: für diese fünf Jahre der gemeinsamen Arbeit für Hessen.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es ist angesprochen worden, allen voran von Herrn Schäfer-Gümbel, dass wir über die Sondierungsgespräche und später die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und GRÜNEN möglicherweise eines gelernt haben: dass das eine oder andere Klischee – vielleicht sagt man sogar besser: Vorurteil – zumindest mit Fragezeichen versehen werden muss. Ich höre aus den Sondierungsgesprächen zwischen der CDU und der SPD, bei denen ich noch nicht zugegen war, dass es dort eine sehr ordentliche, eine sehr faire, vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre gegeben hat und auch den beiderseitigen Respekt bis hin zu der offenen Absicht, eine Partnerschaft zu versuchen. Dass es jetzt nicht so gekommen ist, müssen wir nicht alle rückwirkend zu bewältigen versuchen. Dazu haben Sie heute Ihren Beitrag geleistet. Andere werden es sicherlich noch in den nächsten Monaten tun.

Ich will sagen, an Herrn Schäfer-Gümbel und die Sozialdemokraten gerichtet: auch dafür ein herzliches Dankeschön. Ich gehe davon aus, und ich finde, das zeigt auch die heutige Debatte, dass wir alle gelernt haben, dass der Umgang miteinander zwar hart in der Sache, aber fair im Miteinander und in Partnerschaft sein kann, auch zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen. Ich fand das heute einen gelungen Auftritt, ausdrücklich auch an Ihre Adresse gerichtet.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der SPD)

Dann wollen wir auch nicht vergessen, dass wir in einem demokratischen Wettstreit stehen. Ich gebe zu, es wird allen so gehen: Wir haben zunächst einmal unsere Arbeitsprogramme zu bewältigen. Dazu gibt es dann einen Fahrplan für die nächsten fünf Jahre aufseiten der Regierung und der Regierungskoalition, aber sicherlich auch Vorschläge und Vorstellungen innerhalb der Oppositionsfraktionen, wie sie sich die nächsten fünf Jahre vorstellen.

Bei mir entwickelt sich da so langsam eine Vorstellung, aber ich will ausdrücklich sagen: Wie das in vier oder fünf Jahren aussieht, dazu fehlt mir noch ein wenig die Fantasie. Das sage ich deswegen, weil heute zwar an einigen Stellen durchaus parteiübergreifend von Konsens und gemeinsamen Zielen geredet worden ist, aber wir am Ende nicht vergessen dürfen, dass irgendwann wieder ein Wahltag ins Haus steht, nicht nur zwischendrin eine wichtige Europawahl und eine Kommunalwahl, sondern – nach der Wahl ist vor der Wahl, das ist ein geflügeltes Wort, das uns allen manchmal leicht von den Lippen geht – in viereinhalb oder fünf Jahren wieder ein Wahlkampf und Wahltag. Warum sage ich das?

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das frage ich mich auch!)

Ich sage es deswegen, weil eines bei allem partnerschaftlichen Miteinander auch aufseiten der Opposition nicht passieren darf: dass die Menschen vor einer Wahl in diesem Land auf die Idee kommen, dass eigentlich egal ist, wer regiert. – Ich glaube, alle miteinander haben sich heute vorgenommen, dass wir sehr wohl aufzeigen werden, dass es nicht egal ist, wer regiert. Die Alternativen müssen deutlich werden. Das ist etwas, worüber wir uns nicht unterhalten und streiten müssen. Im Gegenteil, das vereint uns alle. Das ist auch notwendig. In einer Demokratie braucht es die berühmten Parteiprofile und die Alternativangebote, damit Menschen überhaupt einen Grund haben, zur Wahl zu gehen.

Liebe Frau Wissler, dass Sie jetzt fröhlich lächelnd herschauen, könnte ich so interpretieren, dass bei Ihnen die Alternativen wirklich auf der Hand liegen. Da machen Sie es dem Wähler nicht allzu schwer.

(Beifall bei der CDU – Hermann Schaus (DIE LIN- KE): Bei uns ist es wenigstens klar! Das ist schon richtig!)

Das wiederum bedeutet aber, wenn man allen Debattenbeiträgen heute folgt, dass wir eine gewaltige Herausforderung vor uns haben. Ich habe es in einigen Interviews immer wieder gesagt und es für mich jedenfalls – ich glaube, das werden viele hier im Haus so sehen – auf den Punkt gebracht: Diese Welt ist in den letzten 20 Jahren anders geworden. Das gilt für die Sicherheitspolitik auf dem internationalen Parkett. Seit 1989 sind die Schablonen da nicht mehr so ganz stimmig. Aber das gilt auch für vieles, was wir in den letzten Jahren erlebt haben.

Um es auf den Punkt zu bringen: Es gibt kaum noch Lösungen, die schwarz oder weiß bedeuten, sondern es gibt ganz häufig Lösungen, die Kompromisse bedeuten. Es hat wohl auch in den seltensten Fällen einer nur recht und der andere nur unrecht. Auch das will ich begründen, und es ist notwendig, heute zu sagen: Das heißt auf der anderen Seite, dass wir eine große Herausforderung haben, das bei teil

weise sehr komplexen Sachverhalten den Menschen in diesem Land zu vermitteln.

Wenn man in den Statistiken der Medienforscher sieht, dass ungefähr jeder Fünfte eine Tageszeitung liest, das Internet als Medium rasant zunimmt, aber eben auch für eher kurze, knappe Überschriften, Botschaften und Informationen zuständig ist und selten bis zu gar nicht Menschen bereit sind, sich längerfristig mit schwierigen Sachverhalten auseinanderzusetzen, dann ist das wirklich eine große Herausforderung.

Dafür kann man viele Beispiele aus der Vergangenheit anführen. Ich nehme zwei heraus, wenn ich darf. Ja, wir haben über viele Jahre – das ist jetzt kein nur landespolitisches Thema – über den Finanzmarkt, über die Eurokrise und das Gebaren der Finanzdienstleistungsunternehmen gesprochen. Gerade die Landesregierung, aber auch wir als Landespolitiker haben notwendigerweise ein sehr waches Auge auf die Entwicklung dieser Branche, auch auf den einen oder anderen Exzess in dieser Branche, sicherlich auch darauf, dass dort 80.000 Menschen in Frankfurt und in der Region arbeiten.

Deshalb sage ich: Ja, uns eint sicherlich die Vorstellung, dass wir diese Exzesse beseitigen müssen. Übrigens ist da auf Bundesebene viel mehr passiert, als man landauf, landab so meint, mit über 60 gesetzlichen Regelungen, die Missstände, die es früher gegeben hat, dort verhindern. Aber dort ist nach wie vor einiges zu tun.

Ich finde, was sich niemand von uns erlauben sollte, ist, eine ganze Branche und 80.000 Menschen in Frankfurt, in Hessen, und 450.000 Menschen in Deutschland nach dem Motto in eine Ecke zu rücken: Wenn man da draufhaut, ist es einigermaßen populär, und es gibt Zustimmung eines breiten Publikums. – Das halte ich für falsch. Wir sollten uns nicht nur an diesem Beispiel, sondern an vielen Beispielen vor Augen führen, dass das so ist.

Ich will Sie nicht überstrapazieren. Aber ich will zwei, drei Politikfelder, die heute angesprochen worden sind, in dem Zusammenhang nennen. Warum ist es bei der Energiewende – heute ist zu Recht gesagt worden, das ist eines der herausragendsten, vielleicht eines der größten wirtschaftspolitischen Umbauprojekte, die es jemals auf diesem Globus gegeben hat – denn falsch, dass man nach dem Motto verfährt: „Nicht der Schnellste, sondern der Vernünftigste sollte am Ende gewinnen“?

(Ministerpräsident Volker Bouffier: So ist das!)

Da bin ich sehr schnell bei dem, was heute hier an verschiedenen Stellen angesprochen worden ist. Ich sage ausdrücklich: Aus meiner Sicht gibt es dort auch keinen Streit, weil das Ziel, bis 2050 dahin zu kommen, dass wir nahezu 100 % regenerative Energien in diesem Land haben, weitgehend Konsens ist – jedenfalls kenne ich hier beim Blick ins Plenum keine anderslautenden Stimmungen und Meinungen.

Herrn Al-Wazir habe ich einmal in einer Wahlkampfveranstaltung gesagt: Eines dürfen wir nicht vergessen, nämlich wo eigentlich dieses Ziel herkommt. Salopp gesagt und bildlich gesprochen, haben wir uns einmal vorgenommen, wir sollten und wollen weiterhin die Eisbären retten, nicht nur, weil das sehr sympathische und anschauliche Mitgeschöpfe sind,

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

sondern weil wir wissen – lieber Herr Kaufmann –, dass sie sehr symbolhaft für diese Klimakatastrophe stehen, von der viele behaupten, dass sie eintreten wird und kann, wenn wir uns nicht dramatisch verändern, und manche sagen, das sei alles Käse, und man könne belegen, dass das so nicht kommt. Dazu sage ich nur: Mir ist es lieber, wir sind dort vorsichtig, als dass wir denen glauben, die meinen, dass man das wissenschaftlich und statistisch wegmauscheln kann. Wir haben dort eine gewaltige Aufgabe.

Aber zurück zu den Eisbären. Ja, wir haben uns vorgenommen, dieses Zwei-Grad-Ziel einigermaßen zu erreichen, am besten sogar zu unterschreiten, und nicht nur den Eisbären im Blick zu haben, sondern diesen Globus und diese Welt. Spätestens seit den Katastrophenfolgen des Tsunamis, der um die zehn Jahre her ist, wissen wir, wovon wir dabei reden.

Wenn man dieses Ziel nach vorne stellt und wir uns darin alle einig sind, dann kann man aus meiner Sicht nicht auf die Idee kommen, dass 6 Millionen Hessen oder 80 Millionen Deutsche allein dieses Problem beseitigen können.

Kolleginnen und Kollegen aller derjenigen Fraktionen, die sich hinter diesem Ziel versammeln, wenn wir wirklich etwas erreichen wollen, ist es deswegen notwendig, dass wir auch andere, also Menschen, Regierungen und Volkswirtschaften außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, davon überzeugen, dass das klug ist. Das schafft man am besten, indem man den Chinesen, den Brasilianern, den Nordamerikanern, den Indern und anderen sehr wachstumsstarken Volkswirtschaften eines jedenfalls erklärt, nämlich nicht nur, wie die technische Seite geht, sondern auch, wie es geht, ohne dass man ihre Volkswirtschaft zugrunde richtet.

Ich formuliere das etwas überspitzt, soll heißen: Ich glaube, wir haben eine Chance, hier ein Zukunftsmodell nicht nur für unsere Volkswirtschaft, für unsere Energieversorgung, sondern weit darüber hinaus zu schaffen. Ich finde, da macht es Sinn, dass man noch einmal klug darüber nachdenkt, wie man es hinkriegt, dass die Ökologie funktioniert, dass die Technologie funktioniert, dass aber auch die wirtschaftliche Seite funktioniert. Ich finde, wir haben allen Grund, noch ein wenig zu streiten. Das sollten wir gern hier gemeinsam tun.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich will auf zwei, drei Punkte eingehen, die in dem Zusammenhang auch angesprochen worden sind. Lieber Kollege Rentsch – er ist jetzt gerade nicht im Saal, aber vielleicht hört er draußen zu – –

(Jürgen Lenders (FDP): Bestimmt!)

Ja. – Wir haben uns in diesem Koalitionsvertrag auch mit der Frage befasst, wie es mit der Akzeptanz solcher Projekte ist. Um es konkret zu sagen: Ja, wir – Walter Arnold und andere – haben gemeinsam mit den GRÜNEN in der Koalition darüber gesprochen, wie wir die Akzeptanz erhöht bekommen. Wir müssen das heute nicht mehr wiederholen. Sie können das gern weiter tun, Frau Wissler. Ich habe sehr wohl auch hier am Pult vor einigen Jahren zu den Windkraftmonstern Stellung genommen. Ich bleibe bis heute dabei, dass ich mich dafür nicht schämen muss, sondern wir allesamt wissen, dass in Wahlkämpfen häufig zugespitzt wird,

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Gegenruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

weil, wenn Sie das nicht tun, halt keiner zuhört. Man kann jetzt im Nachhinein sagen, es war erfolgreich, es ging vielleicht eine Nummer kleiner. Das ist alles richtig und unbestritten. Aber es bleibt beim Kern dieser Aussage, dass wir es einigermaßen raumverträglich und so hinbekommen wollen, dass es eine breite Akzeptanz gibt.

Zu dieser Akzeptanz gehört unter anderem die Änderung des § 121 HGO. Die machen wir doch nicht einfach einmal so, nur weil grüne Politiker in diesen Koalitionsverhandlungen glaubten, sie müssten einmal alte Baustellen wiederbeleben und mit uns über die Frage „privat oder Staat“ reden. Nein, die machen wir dort aus einem ganz bestimmten Grund.

Ich glaube nämlich, es ist das gute Recht der Bürgerinnen und Bürger vor Ort, wenigstens das Gefühl zu haben, sie sehen nicht nur das Windrad und tragen zur Verhinderung der Klimakatastrophe bei, sondern sie haben auch eine Chance, davon – zumindest über ihre Gemeinde – zu profitieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN – Janine Wissler (DIE LINKE): Sehr richtig!)

Darüber muss man nicht streiten. Darüber kann man streiten, wenn man die eine Seite sieht, nämlich eher die nach dem alten Motto „immer privat statt Staat“. In den letzten Jahren habe ich zugegebenermaßen dort auch einiges dazugelernt.

Weil wir gerade dabei sind: Herr Kollege Rentsch hat die Breitbandversorgung angesprochen. Dass die Ziele im Koalitionsvertrag weniger ambitioniert seien, als wir sie früher vorgetragen haben, kann ich nicht erkennen – im Gegenteil. Nur eines geht auch dort nicht. Auch dort habe ich zugegebenermaßen ein wenig in den letzten 10, 15 Jahren dazugelernt.

Ich komme aus dem Mittelstand, aus der Wirtschaft, übrigens aus dem Handwerk, das hier dauernd wiederholt als Kronzeuge aufgerufen wird. Die Handwerker waren sehr einverstanden mit dem, was wir zu dieser Frage im Koalitionsvertrag aufgeschrieben haben. Nehmen wir noch einmal die Breitbandversorgung. Dort kann es nicht sein, dass sich Private am Ende einige wenige Kommunen aus einem gesamten Kreis herauspicken und sagen: Den Rest macht die öffentliche Hand. – Das kann so nicht funktionieren.