Wir probieren jetzt aus, ob es möglich ist, im betrieblichen Ablauf Veränderungen einzuführen, die einerseits die Menschen entlasten und andererseits die rechtlichen Rahmenbedingungen wahren und den Betrieb nicht einschränken. Genau das trifft für siebenstündige Lärmpausen zu, die über das Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr hinausgehen würden, wenn man wechselnde Bahnennutzungen arrangiert, durch die die einen von 22 bis 5 Uhr und die anderen von 23 bis 6 Uhr entlastet würden. Was spricht eigentlich dagegen?
Das ist keine Erweiterung des Nachtflugverbots, also kein Betriebsstopp in den genannten Zeiten. Wir versuchen vielmehr, den gegenwärtigen Betrieb anders zu verteilen, zu bündeln. Und: Ja, rechnerisch bleibt der Lärm gleich. Das ist so. Aber wenn ich unter der Einflugschneise wohne, ist es ein Wert an sich, dass die Möglichkeit besteht, die Zeit relativer Ruhe über die sechs Stunden Nachtflugverbot hinaus auszuweiten. Natürlich ist es so, dass ein Flugzeug, das zwischen 22 und 23 Uhr nicht auf der Nordwestbahn landet, entweder auf der Centerbahn oder der Südbahn landen muss. Rechnerisch bedeutet das natürlich, dass der Lärm dort zunimmt.
Aber der Wert einer solchen Lärmpause ist, dass ich in einer Stunde, in der ich sowieso keine Ruhe habe, fünf oder zehn Flüge mehr über dem Kopf habe. Im Gegenzug für die zehn Flüge bekomme ich aber in der anderen Stunde Ruhe. Dieser Wert lässt sich rechnerisch nicht abbilden. Aber es ist ein Wert, und die Menschen verstehen das auch.
Mir ist völlig klar, dass es unterschiedliche Positionen gibt und dass jeder darauf schaut: Was bedeutet das morgens? Was bedeutet das für meine Region? Was bedeutet das für meine Stadt? Aber ich bitte – bei aller Unterschiedlichkeit unserer Rollen – darum, keine falschen Behauptungen aufzustellen. Wenn beispielsweise der SPD-Fraktionsvorsitzende in Frankfurt oder die Linksfraktion in ihrem Antrag behauptet, auf der Nordwestbahn würden dafür morgens mehr Flugzeuge landen, dann stimmt das einfach nicht. Ich finde, so viel Beschäftigung mit der Sache kann man an dem Punkt erwarten.
Wenn im SPD-Antrag steht, keines der Modelle würde bei einer steigenden Zahl von Flugbewegungen funktionieren, dann stimmt das einfach nicht. Wir haben vielmehr vor allem bei Westbetrieb ein Problem. Das liegt daran, dass dieser Flughafen so gebaut ist, wie er gebaut ist: dass die Parallelbahnen so nahe beieinanderliegen, dass die Startbahn West quer dazu liegt und dass die Nordwestbahn nicht für alle Flugzeugtypen nutzbar ist.
Jetzt will ich aber auch sagen – liebe Kollegen von der CDU, Achtung, da dürfen Sie jetzt nicht klatschen –: Ich habe das Ding so nicht gebaut.
Aber ich weiß, dass beispielsweise die SPD alle Ausbauschritte in den letzten 40 Jahren unterstützt hat.
Insofern finde ich es geradezu absurd, wenn sich ausgerechnet die SPD oder der Kollege Rock, die immer für den Flughafenausbau waren, jetzt über die Folgen des Flughafenausbaus beschweren und mich dafür verantwortlich machen.
(Marius Weiß (SPD): Das macht doch kein Mensch! – Zurufe der Abg. Michael Boddenberg (CDU) und Hermann Schaus (DIE LINKE))
Wir wollen, dass die Lärmpausen ein Erfolg werden. Wir wollen damit erreichen, dass die Menschen im Umfeld des Flughafens über das sechsstündige Nachtflugverbot hinaus eine Stunde mehr Ruhe haben, also sieben Stunden Lärmpause. Natürlich führen Lärmpausen nicht dazu, dass weniger Flugzeuge landen. Wir bündeln die Verkehre auf den jeweils genutzten Bahnen. Der Effekt wäre allerdings eine spürbare Verbesserung: dass nämlich die Menschen in den Einflugschneisen die Chance haben, eine Stunde länger gar keine Flugzeuge direkt über dem Kopf zu haben.
Herr Weiß, Sie stellen sich hierhin und sagen: „Was habt ihr da im Ministerium eigentlich gemacht? Das hat doch alles die DFS gemacht.“ – Denken Sie, die machen das von selbst und stoßen Jubelschreie aus, weil sie jetzt in den Nachtrandstunden schwierigere Modelle fliegen müssen als bisher? Herr Weiß, glauben Sie das wirklich? Glauben Sie, dass die Lufthansa begeistert ist? Glauben Sie, dass die Fraport AG sagt: „Hurra, wir setzen uns jetzt hin und überlegen, wie wir den Betrieb in den Nachtrandstunden verändern können“, und dabei Jubelschreie ausstößt? Wir haben mit den drei Genannten gut zusammengearbeitet. Wir haben am Ende fünf Modelle vorgelegt. Aber: Glauben Sie bloß nicht, dass das einfach gewesen wäre. Glauben Sie nicht, dass es da nicht auch einmal gerumpelt hätte. Aber diese drei haben sich am Ende im Interesse der Sache dazu bereit erklärt, daran mitzuwirken.
Übrigens hat sich jeder in der Region, der sich schon länger mit der Sache beschäftigt, bereit erklärt, daran mitzuwirken.
Ich bin sehr dankbar, dass die Fluglärmkommission zwar skeptisch ist, aber ausdrücklich erklärt hat, dass sie jetzt die Chance nutzen will, diese Lärmpausenmodelle zu prüfen, daran mitzuarbeiten und vielleicht auch eigene Vorschläge zu entwickeln, ich bin dankbar, dass das Forum
Flughafen und Region erklärt hat: „Ja, wir sehen es als Chance, dass wir da weitermachen können, weil wir im Interesse der Menschen vielleicht etwas erreichen können“, und ich bin dankbar, dass sogar die Initiative Zukunft Rhein-Main, die dem ganzen Flughafenausbau sehr kritisch gegenübersteht, gesagt hat: Ja, wir finden es positiv, dass das Ministerium jetzt an die Erarbeitung von Modellen geht, wie man einen aktiven Lärmschutz betreiben kann. – Ich finde, es würde auch Ihnen gut anstehen, so konstruktiv mitzuarbeiten und keinen Klamauk zu machen.
Ich will an dem Punkt sagen: Wenn ich jetzt gemeinsam mit DFS, Fraport und Lufthansa mit fünf Modellen in die Fluglärmkommission und in das Forum Flughafen und Region gehe, hat das etwas damit zu tun, dass ich vorher versprochen habe, dass es keine einsamen Entscheidungen der Landesregierung geben wird, sondern dass wir einen Dialog mit der Region und mit den Betroffenen führen wollen und dass wir den Sachverstand, den es dort gibt, in unsere Debatten einbeziehen wollen.
Liebe Kollegen von der SPD, ich finde, wenn Sie jetzt ausgerechnet das kritisieren, ist das, ehrlich gesagt, wirklich – na ja. Wenn man fragt, was die SPD eigentlich will, kommt nie etwas. Dann kommt immer nur als Antwort, dass Sie einen Dialog mit der Region wollen. Jetzt mache ich das, und Sie kritisieren es. Sie müssen sich einmal entscheiden, was Sie eigentlich wollen.
Sie haben in Ihrem Antrag geschrieben, ich würde die Verantwortung auf die Region abschieben. Stellen Sie sich vor, ich hätte nur ein Modell vorgelegt und gesagt, das ist es jetzt. Herr Weiß, dann hätten Sie einen entsprechenden Antrag gestellt und gesagt: Das ist eine unglaubliche Arroganz; er möchte der Region etwas überstülpen. – Dazu sage ich: Dann bin ich lieber im Dialog mit der Region, den Sie fordern. Ich führe ihn.
Deswegen sage ich: Ich bin ausdrücklich bereit, eine sachliche Debatte zu führen. Jeder, der einen besseren Vorschlag hat, soll ihn einbringen. Auch ich will Ihnen einmal ein Zitat vorlesen:
Deshalb müssen … weitere Entlastungsmöglichkeiten … sowie eine konzentrierte Nutzung des Bahnsystems (Lärmpausen) konsequent genutzt werden.
Ich habe, nachdem ich diese Modelle am vorletzten Freitag vorgestellt hatte, sehr interessante Reaktionen bekommen. Es gab Reaktionen, die waren wie die Redebeiträge von Herrn Rock, Herrn Weiß und Frau Wissler. Es gab aber auch viele, die gesagt haben – teilweise haben sie mich auf der Straße angesprochen –: Wir sind dankbar dafür, dass
sich jetzt jemand auf den steinigen Weg begibt, nicht nur theoretisch zu fordern, sondern auch praktisch umzusetzen. – Den Leuten ist klar, dass wir – Stichwort: Zielkonflikt – einen steinigen Weg vor uns haben. Den Leuten ist klar, dass es da sehr unterschiedliche Interessen gibt. Den Leuten ist klar, dass das technisch kompliziert ist. Das ist den Leuten sehr viel klarer, als Sie manchmal denken.
Ich glaube aber – das zeigen jedenfalls die Reaktionen der Leute, die zu mir kommen –, dass es auch viele gibt, die sagen: Wir setzen darauf, dass es jetzt eine Landesregierung gibt, die versucht, genau diese beiden Punkte miteinander zu vereinbaren und am Ende praktische Lösungen hinzubekommen – keine ewigen Debatten –, um die Wettbewerbsfähigkeit einerseits und die Entlastung der Menschen andererseits zu gewährleisten. Ich jedenfalls bin von den Reaktionen auf diese Modelle eher positiv überrascht worden. Aber vielleicht liegt das auch daran, dass ich mit ziemlich vielen Menschen kommuniziere.
Ja, wir streben an, das im Sommerflugplan 2015 – das wäre das letzte Märzwochenende – in den Probebetrieb zu nehmen. In den Probebetrieb wollen wir es deshalb nehmen, weil es diffizil ist. Ich setze darauf, dass man im Probebetrieb lernt und schaut, welche Veränderungsmöglichkeiten man hat und welche Abläufe man vielleicht verbessern kann, damit die Lärmpausen am Ende immer verlässlicher eingehalten werden können. Das wollen wir.
Ich will das auch im Dialog mit der Region hinbekommen. Aber ich will ausdrücklich sagen, das ist nicht das Ende der Geschichte. Wir haben in unserem Koalitionsvertrag auch Lärmobergrenzen vereinbart. Auch das wird noch einmal viel Arbeit geben. Wir haben ausdrücklich gesagt, dass Maßnahmen des aktiven Schallschutzes Priorität haben. Das heißt, wir werden über weitere Lärmreduzierungen reden. Wir werden über andere Anflugverfahren reden. Wir werden über die – bei uns intern „Boddenberg-Generatoren“ genannten – Veränderungen bei der A-320-Familie reden. Wir wollen, dass die Fluggesellschaften sie jetzt endlich umsetzen und nachrüsten: mit wenig Aufwand relativ viel erreichen.
Aber es gibt andere Punkte, bei denen viel Aufwand erforderlich sein wird. Wir werden über Start- und Landeentgelte reden, über eine noch stärkere Lärmabhängigkeit und darüber, wie wir Flottenmodernisierungen hinbekommen. Wir werden über andere Flugverfahren reden. Wir werden in dieser Legislaturperiode über sehr vieles reden; denn mir ist es ernst mit diesem Thema, und ich weiß, dass die Menschen an diesem Punkt etwas von der Hessischen Landesregierung erwarten, und mir ist auch völlig klar, dass wir hier etwas erreichen müssen, damit wir mehr Frieden zwischen dem Flughafen und der Region bekommen. Ich glaube, wenn man das erfolgreich macht, werden die Menschen es am Ende auch honorieren.
Es ist ein schwieriger und anstrengender Weg. Sie haben es da einfacher; das ist so. Aber ob Sie am Ende mehr erreichen würden, ist noch die Frage. Insofern sage ich: Ich glaube, dieser schwierige und anstrengende Weg ist am Ende der einzige, der wirklich etwas verändert. Wir wollen diesen Weg gehen. – Oder, um es mit Max Weber zu sagen: Es ist einfach Verantwortungsethik. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Es gibt eine zweite Runde. Der Opposition wachsen noch einmal zwei Minuten Redezeit zu; das bedeutet sieben Minuten Redezeit. Bei den Regierungsfraktionen sind es jeweils fünf Minuten.
Als erster Redner hat sich Herr Kollege Rentsch von der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Al-Wazir, ich glaube, dass Sie recht haben, wenn Sie sagen, dass man bei der Debatte sehr genau darauf achten muss, dass die Region, die von der Politik insgesamt bei dem Thema viel erwartet, in ihren Erwartungen nicht enttäuscht wird. Ich glaube, darin besteht zwischen uns Einigkeit.
Ich glaube auch, Sie haben dazu beigetragen – wir haben eine Reihe von Veranstaltungen gemeinsam machen dürfen –, dass die Erwartungshaltung in der Region sehr hoch war. Sie wurde gerade von der Partei der GRÜNEN geschürt. Das passiert, wenn eine grüne Partei in eine Regierung eintritt – mit welchem Koalitionspartner auch immer.
Vieles von dem, was zurzeit in der Region an Enttäuschungen vorhanden ist, ist aus meiner Sicht nachvollziehbar; denn Sie haben eine sehr hohe Latte gelegt, als Sie noch auf dem Platz gesessen haben, auf dem heute der Kollege Wagner sitzt, und uns für die Maßnahmen kritisiert haben, die wir gemeinsam mit den Kollegen von der Union durchgeführt haben, die Sie jetzt aber an vielen Stellen fortsetzen, weil Sie sehen, dass dies eben der rechtliche Rahmen ist.
Daraus kann man zwei Schlussfolgerungen ziehen: Entweder Sie haben sich damals nicht richtig darüber informiert, was möglich ist, und haben dann zu viel versprochen, oder Sie haben sich informiert und zu viel versprochen, obwohl Sie wussten, dass Sie es am Schluss nicht halten können. Herr Staatsminister, Sie müssen sich schon die Frage gefallen lassen, warum Sie hier so viel versprochen haben, aber zum Schluss so wenig dabei herauskommt. Diese Frage ist berechtigt.
Was das betrifft, worüber hier diskutiert wird: Kollege Boddenberg, ich kann viel von dem aufnehmen, was Sie gesagt haben. „Dedicated Runway Operations System“ ist für die heute anwesenden Bürger sicherlich ein Fremdwort, das nicht zum üblichen Sprachgebrauch gehört. Hier wurde jedoch eine Ausdehnung dessen versucht, was Sie als Lärmpause bezeichnen, was aber im Wording teilweise als siebenstündiges Nachtflugverbot verkauft worden ist. Ich glaube, das können wir gemeinsam feststellen.