Protokoll der Sitzung vom 24.09.2014

Der erste Punkt betraf etwas anderes. Während der Rede des Kollegen Schmitt kamen just in dem Moment, als es um die Kosten für die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen ging, Zwischenrufe, die aus meiner Sicht sehr polemisch waren. Es kann nicht sein, dass bei dieser wichtigen humanitären Aufgabe – es gibt eine Reihe von anderen –, wo die Kommunen sich wirklich bemühen, die Flüchtlinge nach allen Regeln der Kunst menschenwürdig unterzubringen, Polemik hineingestreut wird.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Da wir weniger die Polemik und mehr die Daten und Fakten schätzen, möchte ich Ihnen einige Beispielzahlen aus meiner Heimatkommune Kassel vortragen, speziell zu dem Thema, damit Sie endgültig verstehen, wo da der Hase langläuft und das Feuer im Busch ist.

Ich nenne zwei Zahlen. Für das Jahr 2012 hatte die Stadt Kassel ungedeckte städtische Aufwendungen im Bereich der Flüchtlingsunterbringung von über 700.000 €. Fast exakt den gleichen Betrag gab es 2013. Für 2014 ist es noch nicht beziffert. Es wird zweifellos höher sein. Das heißt, wir sind hier schon im hochstelligen Millionenbereich. Ein

Knackpunkt ist dabei, dass bisher die Krankenhilfekosten offensichtlich nicht so erstattet werden, wie es sein müsste.

Ein weiterer Punkt sind die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. Hierzu möchte ich Ihnen vortragen: Die Fallzahlen haben sich von 4 auf 53 erhöht. Das bedeutet im Klartext, Hilfen zur Erziehung fielen 2013 in Höhe von 1,3 Millionen € nur im Bereich Kassel an. Die aktuelle Hochrechnung für 2014 sind 2,3 Millionen €.

Nun werden die zwar vom überörtlichen Träger und damit auch vom Land erstattet, aber sie werden nicht sofort erstattet, sondern mit erheblichem Zeitverzug. Das heißt, neben dem realen Defizit kommt auch noch zeitversetzt sozusagen eine Vorauszahlung dazu. Meine Damen und Herren, das wollen Sie an der Stelle alles nicht wissen.

Was da an Defizit zusammenkommt, das ist in vielen Kommunen ganz einfach der Grund, dass man öffentliche Einrichtungen wie Schwimmbäder, Bibliotheken oder sonstige Dinge schließen muss. Das kann doch kein Zustand sein, und da können Sie nicht davon reden, wie gut es den Kommunen geht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich sehe gerade die Kollegen Hofmeyer und Gremmels aus dem Landkreis Kassel. Sie können heute in der „HNA“ die aktuelle Berichterstattung zum gleichen Thema nachlesen. Der Landrat und die Erste Kreisbeigeordnete sagen völlig zu Recht, dass die Finanzausstattung in diesem Bereich nach wie vor katastrophal ist. Jetzt wird die Pauschale um 15 % erhöht. Das bedeutet im Klartext, dass es 599,12 € ab dem 01.01.2015 geben wird. Real hat der Landkreis – das trifft für viele andere Kommunen auch zu – 750 € ausgerechnet.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Das ist der Landesdurchschnitt. Dann setzen Sie bitte Ihre Beamten dran und lassen sie ausrechnen, was das schon in der Vergangenheit für ein Defizit gebracht hat und wie es sich jetzt zusätzlich aufhäuft.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Es gibt noch andere Themen, die ich Ihnen vortragen könnte, z. B. die Nachmittagsbetreuung an den Grundschulen. Sie haben jetzt ein Pilotprojekt in sechs Kommunen in Hessen aufgelegt, unter anderem auch in meiner Heimatstadt Kassel. Ich persönlich finde das gut. Wir begrüßen das durchaus. Das hat aber einen Haken: Bei Ihnen hört die Nachmittagsbetreuung um 14:30 Uhr auf, und das ist das Problem. Ab dann müssen die Kommunen nämlich die Kosten selbst tragen.

(Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört!)

Wenn Sie das Ganze als einen wichtigen Baustein moderner Bildungspolitik begreifen wollen – wir als Sozialdemokraten begreifen das so –, dann müssen Sie sich daran erinnern, dass das eine Landesaufgabe ist. Deswegen müssen Sie für die Kosten an der Stelle einstehen und dürfen keine neuen Defizite produzieren.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ein letzter Punkt, weil hier dauernd gesagt worden ist, wie gut es den Kommunen geht. Es wird auch ins Feld geführt, dass die hessischen Kommunen die höchsten Ausgaben haben. Dabei haben Sie eines vollkommen unterschlagen: Die hessischen Kommunen haben auch den höchsten Kom

munalisierungsgrad. Das heißt, in Hessen kriegen die Kommunen die meisten Aufgaben ohne adäquaten Finanzausgleich aufs Auge gedrückt.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Das alles sollten Sie bei der weiteren Debatte berücksichtigen. – Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Kollege Decker. – Das Wort hat Herr Abg. Mathias Wagner, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin in der Debatte schon freundschaftlich angesprochen worden. Deshalb wollte ich mich mit einigen Ausführungen zu Wort melden. Ich glaube, in der Debatte über die Finanzbeziehungen zwischen dem Land und den Kommunen helfen gegenseitige Schuldzuweisungen niemandem etwas. Weder hilft es, zu sagen, die Kommunen müssten sich nur richtig anstrengen, dann würde alles gut; noch hilft es, in irgendeiner Weise zu sagen, das Land müsse nur mehr Geld geben, dann seien alle kommunalen Probleme gelöst.

(Norbert Schmitt (SPD): Nicht alle!)

So eine Rhetorik, so eine Auffassung macht sich vielleicht gut in mancher Landtagsrede. Sie löst aber kein einziges Problem der hessischen Kommunen.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, wie ist die Wirklichkeit von Land und Kommunen? Schauen wir uns die Finanzsituation von Land und Kommunen an. Im Jahr 2013 – Herr Kollege Schmitt von der SPD hat es richtig angesprochen – haben die Kommunen, Kernhaushalte und ausgelagerte Bereiche zusammengenommen, 1,1 Milliarden € neue Schulden aufnehmen müssen. Das Land Hessen hat im Jahr 2013 1 Milliarde € neue Schulden aufnehmen müssen. Land und Kommunen sitzen also, was die Finanzsituation und die Größe der finanzpolitischen Herausforderungen angeht, im selben Boot und nicht in getrennten Booten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Beide, Kommunen und Land, haben hohe Defizite, und beide stehen in der Verantwortung, diese Defizite auszugleichen. Beiden würde es sehr guttun, wenn wir in Berlin keine Regierung hätten, die eine Keine-SteuererhöhungsDoktrin hat; denn dann wäre die Einnahmesituation von allen staatlichen Ebenen sehr viel besser. Das sage ich sowohl an die Kollegen der CDU als auch an die Kollegen der SPD.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- ruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wenn die Situation so ist, dass beide Schulden haben, dann kommen wir zu der Aussage, die ich bei der Veranstaltung im Werra-Meißner-Kreis gemacht habe. Wenn das Land über keine Überschüsse verfügt, sondern jedes Jahr 1 Mil

liarde € neue Schulden macht, dann funktioniert die leichte Lösung, nach dem Motto: „Gebt uns etwas von euren Überschüssen“, nicht. Das Land hat keine Überschüsse, das Land hat Schulden, Herr Kollege Schmitt.

Wenn man zu dem Ergebnis kommt und wenn die Berechnungen auf der Grundlage des Urteils des Staatsgerichtshofs zu dem Ergebnis kommen, dass die Kommunen mehr Geld vom Land bekommen müssen, dann hat das, Herr Kollege Schmitt, eine Konsequenz, über die man sich klar werden muss und die man thematisieren muss: Wo soll das Land das Geld hernehmen? – Überschüsse hat das Land nicht. Das Land hat Schulden.

Die schwarz-grüne Landesregierung hat gesagt: Wir machen einen Sparkurs, wie wir von diesen 1 Milliarde € Schulden herunterkommen. – Die SPD in diesem Haus hat jede dieser Sparmaßnahmen abgelehnt

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

und sagt gleichzeitig: Wir haben mehr Geld, das wir den Kommunen zur Verfügung stellen können. – Meine Damen und Herren, meine einzige Bitte in dieser Debatte ist, gerade weil uns die Kommunen am Herzen liegen, redlich zu sein,

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

dass Sie dann sagen, wo Sie anders und wo noch mehr als die schwarz-grüne Regierung sparen wollen, um den Kommunen zusätzliches Geld zur Verfügung zu stellen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das sage ich Ihnen!)

Meine Damen und Herren von der Opposition, diese Frage können wir Ihnen nicht ersparen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Alle Sparvorschläge abzulehnen und gleichzeitig zu sagen: „Wir haben noch mehr Geld“, das ist absolut unredlich. Deshalb bleibe ich bei meinem Punkt: Den hessischen Kommunen helfen keine Sprüche, sondern nur sauber gerechnete Zahlen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Genau das stimmt! Fangen Sie an damit!)

Und da sind wir bei Finanzminister Schäfer in guten Händen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Kollege Wagner. – Das Wort hat der Abg. Rock, FDP-Fraktion, Seligenstadt.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Wagner, der Finanzminister hat mich schon ein bisschen provoziert, noch einmal vorzugehen. Aber ich dachte: Na gut, ob das was bringt?

(Günter Schork (CDU): Das bringt nichts!)

Herr Wagner, aber Sie haben sich jetzt in der Sichtweise auf das, was Herr Hahn hier versucht hat vorzutragen, hierhin gestellt und gesagt: Das Land und die Kommunen sind sozusagen auf einer Augenhöhe, alle haben ihre finanzielle Verantwortung, und darum muss man gemeinsam aus der Krise kommen, und wir alle müssen doch zusehen, dass überall in Deutschland Steuern erhöht werden, damit der Staat genug Geld hat; und wir sind die Sparkommissare in diesem Land.

Wir sind einmal auf die Haushaltsdebatte gespannt. Wir sind einmal auf die Strukturdebatten in Ihren Häusern gespannt. Ich kann im Umweltministerium und im Wirtschaftsministerium noch keine Sparansätze erkennen. In Ihren Koalitionsvertrag ist das eine oder andere eingefügt worden. Andererseits steht eine Vielzahl von Ausgaben dagegen, ob man die so machen will oder nicht. Sich hierhin zu stellen und zu behaupten, die GRÜNEN seien die neuen Sparkommissare in Hessen, und mit dem Finger auf andere zu deuten, ist eine der mutigsten Aussagen in Plenum, die ich seit Langem gehört habe.