Protokoll der Sitzung vom 16.10.2014

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie den Betroffenen endlich Gerechtigkeit widerfahren, und, meine sehr verehrten Kollegen von der CDU, zeigen Sie endlich Größe. Eigentlich muss man sagen: Zeigen Sie endlich eine Selbstverständlichkeit, und gestehen Sie schlimme Fehler dieses Verfahrens ein. Es ist an der Zeit.

(Beifall bei der SPD)

Der Ministerpräsident und Herr Finanzminister Dr. Schäfer sind auch gefordert. Bei ihnen liegt seit knapp vier Jahren ein Brief, der bis zum heutigen Tage unbeantwortet ist.

(Günter Rudolph (SPD): Die haben viel zu tun!)

Nach diesen schlimmen Vorgängen, nach dem, was den Betroffenen angetan wurde, ist es an der Zeit, dass sowohl der Ministerpräsident als auch der Finanzminister endlich

persönlich auf die Betroffenen zugehen. Das kann man nach den Verfahren erwarten.

(Beifall bei der SPD)

Zwei Untersuchungsausschüsse haben sich mit dem Thema beschäftigt. In den Untersuchungsausschussverfahren ist den Betroffenen nochmals viel Leid zugefügt worden. Ich nenne nur die Äußerung des heutigen Innenministers – damals Generalsekretär der CDU –, der noch von „querulatorischen Menschen“ gesprochen hatte, obwohl damals schon klar war, dass die Gutachten falsch sind. Das war ja die Anspielung darauf: Die Leute sind verrückt. – Ihnen wurde in den Untersuchungsausschüssen zusätzlich Leid angetan. Deswegen ist es wirklich an der Zeit, dass sich auch der Landtag entschuldigt, meine Damen und Herren.

Kollege Norbert Schmitt, Sie müssen zum Schluss kommen.

Vor der Abstimmung möchte ich noch einmal zitieren, was die GRÜNEN im Abschlussbericht erklärt haben; denn das, was Sie hier ohne Bedauern, ohne Entschuldigung vorgelegt haben, ist ein Ausweichen, das völlig unakzeptabel ist. Dort heißt es:

Insgesamt stellt der Mehrheitsbericht einen dreisten Versuch dar, in einer Art Gegenangriff die versetzten und rechtswidrig psychiatrisierten Steuerfahnder zu den Schuldigen zu erklären und ihnen auf diese Weise zusätzlichen Schaden zuzufügen.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren, ich finde, mit solch einem Antrag, wie ihn die GRÜNEN hier vorgelegt haben, können Sie sich nicht aus der Affäre ziehen. Deswegen beantragen wir eine namentliche Abstimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Kollege Schmitt. Sie haben zum Antrag der SPD eine namentliche Abstimmung beantragt,

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

aber nicht zu dem Antrag der CDU?

(Günter Rudolph (SPD): Nein!)

Nur zu dem Antrag der SPD?

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Staatsminister Schäfer.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die parlamentarische Beschäftigung mit diesem Punkt am heutigen Tage hat ja eine Vorgeschichte. Es gab im Haushaltausschuss eine Berichtsbitte der Fraktion DIE LINKE, die aktuelle Situation nach den erstinstanzlichen Entscheidungen des Landgerichts in Frankfurt zu erörtern. Ich habe

dann angeboten, da der Haushaltsausschuss zwar auch nicht öffentlich tagt, aber die Zahl der dort regelmäßig teilnehmenden Menschen mit Fragen des Personalgeheimnisses nur schwer in Einklang zu bringen ist, die Obleute in einem vertraulichen Gespräch über den Stand der Reaktivierungsbemühungen betreffend die vier ehemaligen Bediensteten der hessischen Finanzverwaltung zu informieren.

Dieser Termin war für jetzt am Rande des Plenums verabredet, sodass ich schon etwas überrascht war, bereits am Montag den Antrag auf Abhaltung einer Aktuellen Stunde zu sehen, bevor Sie überhaupt die genauen Hintergründe kannten, Herr Kollege Schmitt. Das bewerte ich jetzt nicht. Ich überlasse es dem Haus, die Motive zu bewerten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Manfred Pentz (CDU): Das ist wieder typisch!)

Lassen Sie mich zur Sache vortragen: Die vier Betroffenen sind in den Jahren zwischen 2006 und 2009 wegen Dienstunfähigkeit nach längerer Krankheit in den Ruhestand versetzt worden. Ausschlaggebendes Moment war eine externe Begutachtung durch den bereits mehrfach zitierten, nicht der Verwaltung angehörigen, sondern vom Versorgungsamt beauftragten externen Gutachter.

Unmittelbar nachdem sich aufgrund einer berufsrechtlichen Gerichtsentscheidung des Jahres 2009 Zweifel an der Richtigkeit der Gutachten ergeben haben, hat die hessische Finanzverwaltung im Dezember 2009 – ich wiederhole: Dezember 2009 – den Betroffenen erstmalig angeboten, wieder in die Verwaltung zurückzukehren. Dieses Angebot aus der damaligen Zeit ist bis heute nicht beantwortet worden.

(Holger Bellino (CDU): Das ist interessant!)

Daraufhin haben wir, nachdem sich die weiteren Diskussionen hinzogen, Anfang des Jahres 2013 ein zweites Angebot an die Beteiligten gerichtet, mit uns in Gespräche einzutreten, um in die Landesverwaltung zurückzukehren. Das Angebot, die Gespräche zu führen, haben alle vier angenommen, und wir haben unter Einschaltung eines Mediators – eines sehr erfahrenen Personalverantwortlichen vergangener Jahre in der Landesverwaltung, aber außerhalb der Finanzverwaltung – vertrauliche Gespräche mit den Beteiligten aufgenommen.

Ich kann Ihnen hier in großer Runde öffentlich so viel sagen: Wir sind zuversichtlich, zu einem für alle Beteiligten befriedigenden Reaktivierungsergebnis zu kommen, das dann auch die geeignete Form von Rehabilitation, nämlich eine Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit in der Landesverwaltung, ermöglichen würde.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das sind wir den Betroffenen schuldig. Denn natürlich bedauern wir es – das habe ich bereits mehrfach an den unterschiedlichsten Stellen gesagt –, wenn aufgrund einer erkennbar falschen Entscheidung eine darauf fußende Verwaltungsentscheidung im Namen des Landes Hessen erfolgt. Das ist ein bedauerlicher Fehler, der in der Verwaltung passiert ist, dem wir im Rahmen unserer Fürsorgepflicht durch geeignete Maßnahmen zu begegnen haben. Wir versuchen alles, einen Weg zu finden, den Beteiligten eine Rückkehr in die Verwaltung zu ermöglichen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Parallel dazu haben die vier Betroffenen zivilrechtliche Verfahren gegen den Gutachter angestrengt, die nunmehr alle in erster Instanz entschieden sind. Eine Klage wurde vollumfänglich abgewiesen, einer Klage wurde zu ungefähr zwei Dritteln und zwei weiteren Klagen zu ungefähr drei Fünfteln stattgegeben. Leider – das zeigt die Reaktion aller an dem Prozess beteiligten Parteien – tritt mit der Gerichtsentscheidung noch nicht die erhoffte befriedende Wirkung ein. Sowohl der beklagte Gutachter als auch die klagenden ehemaligen Mitarbeiter der Finanzverwaltung haben – soweit ich das gelesen habe – Rechtsmittel eingelegt.

Ich hoffe, dass es uns gelingt, die Reaktivierung, die Fortsetzung der Berufstätigkeit der Beteiligten in der Landesverwaltung zwischenzeitlich erfolgreich umzusetzen, und dass die Fortsetzung des Rechtsstreits mit dem Gutachter die Reaktivierungsbemühungen nicht beeinträchtigt. Das haben wir aber nicht vollständig in der Hand, weil es auch ein Stück weit eine Entscheidung der Betroffenen ist, an dem Punkt zu warten, ob es zu einer Gesamtlösung mit Schadenersatz gegen den Gutachter und zu einer Reaktivierung beim Land kommt oder nicht.

Ich bin jedenfalls gewillt, in hoher Sensibilität weiter mit den Betroffenen sprechen zu lassen. Am Ende bin ich auch bereit, mit den Beteiligten persönlich zu sprechen, wenn das die Bedingung dafür ist, dass sie einen erfolgreichen Weg in der Landesverwaltung weitergehen können. Das ist doch selbstverständlich. Das gebietet die Fürsorgepflicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage aber auch: Die Fürsorgepflicht eines Ministers, eines Dienstvorgesetzten endet nicht bei den Betroffenen, sondern sie erstreckt sich auch auf die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der hessischen Finanzverwaltung, die im Zuge der Diskussion zum Teil unhaltbaren Verdächtigungen ausgesetzt worden sind,

(Manfred Pentz (CDU): Ganz genau!)

sie hätten die Beteiligten vorsätzlich wegen ihrer beruflichen Tätigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Auf die erstreckt sich meine Fürsorgepflicht in gleicher Weise, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb hoffe ich, dass es gelingt, die Diskussion vielleicht weniger öffentlich, sondern weiter vertraulich mit den Betroffenen zu führen. Ich glaube, das ist am ehesten im Interesse der Beteiligten. Dann erhöhen sich nämlich die Chancen, in einer auch für sie persönlich angemessenen Weise einen Weg zurück in die Berufstätigkeit im Dienste des Landes Hessen zu finden. Es wäre in unser aller Sinne. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Dr. Schäfer. – Das Wort hat der Abg. Jörg-Uwe Hahn, FDP-Fraktion.

(Günter Rudolph (SPD): Aber den Fehler hat die Verwaltung gemacht, nicht die politische Führung! – Gegenrufe von der CDU)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Gerade nach dem Redebeitrag von Dr. Thomas Schäfer empfehlen die FDP und ich, dass wir dieses Thema mit Ruhe und Gelassenheit, aber natürlich auch mit ein bisschen Emotion bearbeiten. Das Wichtige aber sind die Ruhe und die Gelassenheit. Herr Kollege Schmitt, nach Ablauf der letzten Woche habe ich nicht den Eindruck, dass die Sozialdemokratie in Hessen in diesem Verfahren die notwendige Ruhe und Gelassenheit zeigt – darauf hat auch Dr. Thomas Schäfer hingewiesen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Sie möchten skandalisieren. Ich weiß, Skandalisieren macht in der Opposition Spaß. Beim Skandalisieren muss man jedoch immer aufpassen, wen man dabei trifft. Ja, wir unter uns in der Politikergruppe nehmen wenig Rücksicht aufeinander. Ob etwas gut oder nicht gut ist, dazu habe ich eine abgeschlossene Meinung; die ist jedoch jetzt nicht das Thema. Herr Kollege Schmitt, wenn wir beim Skandalisieren Personen, Menschen, Persönlichkeiten mit hineinziehen, dann sollten wir es jedenfalls lassen. Meine Damen und Herren, das ist meine Botschaft.

(Beifall bei der FDP und der CDU sowie bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich kenne diesen Fall nun auch seit 13 Jahren, in den verschiedenen Funktionen, die ich in den letzten 13 Jahren in diesem Haus und in der Hessischen Landesregierung innehatte. Ich kann für mich selbst und die FDP-Fraktion nur sagen: Wir bedauern es außerordentlich, dass ganz offensichtlich durch einen Fehler eines Arztes, eines Psychologen – ich weiß nicht, welche Ausbildung er hat, das ist auch egal, und ob es wirklich ein Fehler war, kann ich nicht beurteilen, ich bin Jurist –, das Schicksal von vier Mitarbeitern der Steuerfahndung des Landes Hessen erheblich beeinträchtigt worden ist. Das bedauern wir. Das finden wir unheimlich schade.