Protokoll der Sitzung vom 27.11.2014

(Beifall bei der LINKEN)

Zur Erinnerung: 1991 gab es in Hessen noch 206.000 Sozialwohnungen. 20 Jahre später waren es nur noch 123.000, Ende dieses Jahres werden es weniger als 110.000 Wohnungen sein. Gleichzeitig steigt die Zahl der Anspruchsberechtigten weiter. Nach einer Studie des Pestel-Instituts aus dem Jahr 2012 hätten 280.000 hessische Familien Anspruch auf eine Sozialwohnung. Aber nicht einmal die Hälfte davon kann bisher in Hessen zur Verfügung gestellt werden.

Deshalb müssen wir künftig mehr Anstrengungen unternehmen als bisher. Die jetzt vorgesehenen Änderungen im Wohnraumförderungsgesetz sind dafür aber völlig unzurei

chend. Deshalb werden wir diesen Gesetzentwurf auch ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Kollege Caspar für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn keine dritte Lesung beantragt wird, verabschieden wir heute das Gesetz zur Wohnraumförderung in Hessen.

In Hessen haben wir eine sehr unterschiedliche Situation. In großen Landesteilen haben wir eher ein Überangebot an Wohnraum, aber gerade in den Ballungszentren einen Bedarf an Wohnungen. Schon daran sieht man, dass es sinnvoll ist, nicht ein einziges Instrument und eine bestimmte Förderungsform und schon gar nicht bestimmte Einkommensgrenzen in einem Gesetz festzuschreiben, denn die Herausforderungen sind sowohl regional als auch in der zeitlichen Abfolge der nächsten Jahre unterschiedlich. Deswegen ist der Ansatz, ein Gesetz zu formulieren, das eine Grundlage bildet, um dann mit Richtlinien geeignete Fördermaßnahmen umzusetzen, genau die richtige Vorgehensweise.

(Beifall der Abg. Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege Schaus und auch Herr Kollege Siebel, da Sie angesprochen haben, dass man die Einkommensgrenzen ausweiten müsste, weil die nicht richtig seien – angeblich hätten es auch die Fachleute in der Anhörung verlangt –, darf ich Ihnen doch zitieren, was in der Anhörung vom Vertreter des IWU dazu gesagt wurde, von Herrn Dr. Kirchner. Er hat erklärt:

Ich komme zur Ausweitung der Einkommensgrenzen. Die von der Fraktion DIE LINKE vorgeschlagene allgemeine Ausweitung der Einkommensgrenzen halten wir nicht für sinnvoll – aus zwei Gründen: Zum einen wird die Zahl der wohnberechtigten Haushalte erhöht, was die Position der tatsächlich Bedürftigen schwächt. Zum anderen gehen wir davon aus, dass die Mitnahmeeffekte der Förderung – also die Verdrängung des frei finanzierten Wohnungsbaus – durch eine Anhebung der Einkommensgrenzen wahrscheinlich zunehmen werden.

Sie sehen also: Entgegen den Ausführungen, die Sie gemacht haben, haben die Experten in der Anhörung sehr wohl auf das Thema hingewiesen, zu dem nach meiner Ansicht die Kollegin Feldmayer hier schon ganz hervorragend ausgeführt hat, dass Politik dafür da sein muss, den wirklich Schwachen zu helfen, sozusagen den Schwächsten der Schwachen,

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das sind sie!)

und zielgerichtet sein soll. Wir stehen eben für eine soziale Wohnungspolitik, aber nicht für ein Versprechen an alle, um dann nichts einlösen zu können – also die Position, die Sie hier vorgetragen haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie weiterhin kritisieren, dass die Nachwirkungsfrist über fünf Jahre hinaus nicht verlängert worden ist, und dann davon sprechen, dass Sozialwohnungen aus dem System herausfielen, dann müssen Sie sich schon einmal ein bisschen mit den Dingen beschäftigen. Was passiert denn, wenn eine Sozialwohnung aus dem System – wie Sie sagen – „herausgefallen“ ist?

Das heißt, eine Sozialwohnung ist nicht mehr öffentlich gefördert, weil z. B. derjenige, der die öffentlichen Darlehen in Anspruch genommen hat, nämlich das Wohnungsunternehmen, diesen Betrag an das Land zurückgezahlt hat, womit das Land wieder neue Wohnungen bauen und neue Maßnahmen fördern kann. Was passiert denn mit dieser Wohnung?

Zunächst einmal gilt nach dem Gesetz, dass auch fünf Jahre nach Rückzahlung des Darlehens die Mieten unverändert bleiben. Das heißt, die Kostenmieten sind weiterhin einzuhalten; es dürfen keine Mieterhöhungen stattfinden. Danach dürfen die Mieten innerhalb von drei Jahren maximal um 20 %, in vielen Gebieten – insbesondere in den großstädtischen Ballungsräumen – sogar nur um 15 % erhöht werden.

Viele Mieter dieser Wohnungen haben aufgrund ihres aktuellen Einkommens damit kein Problem. Für diejenigen, die wegen der Mieterhöhung in Probleme kommen oder Schwierigkeiten haben, die Mieten zu zahlen, gibt es Wohngeld.

Das heißt, dass die wirklich Bedürftigen durch dieses System überhaupt kein Problem und keine Verschlechterung erfahren, auch wenn ihre Sozialwohnungen aus der Bindung fallen, dass wir aber dadurch, dass die öffentlichen Mittel zurückgegeben werden, für das Land zusätzliches Geld haben, um neue Wohnungen zu bauen. Deswegen ist es sinnvoll, dass es bei diesem System bleibt, dass wir eine Nachwirkungsfrist von fünf Jahren haben.

Bei der heutigen Marktlage, wo sich viele Wohnungsbaugesellschaften, statt wie bisher öffentliche Mittel in Anspruch zu nehmen, am Markt umschulden und private Mittel in Anspruch nehmen können, weil das Zinsniveau so niedrig ist, ist es doch nur gut, wenn die öffentlichen Mittel zurückgegeben werden, damit neue Maßnahmen ergriffen werden können.

Meine Damen und Herren, Sie sehen an diesen Punkten, dass das Gesetz Sinn macht, dass es logisch ist. Es macht eben auch Sinn, dass wir keine bestimmte Art der Förderung favorisieren – wie Sie es gern in das Gesetz aufnehmen wollen –, weil heutzutage keine besondere, zusätzliche Förderung für diejenigen notwendig ist, die Eigentum erwerben wollen, weil die Fremdkapitalzinsen sehr niedrig sind. Das ist völlig klar. Die Marktlage kann sich aber in ein paar Jahren wieder ändern. Dann kann es vielleicht anders sein.

Das Gesetz, das wir heute verabschieden, ist so gestaltet, dass es eine entsprechende Flexibilität hat, sodass mit Richtlinien und Verordnungen auf die jeweiligen Anforderungen reagiert werden kann. Die derzeitige Herausforderung lautet ohne Frage, dass wir günstigen Wohnraum vor allem in den Ballungszentren brauchen. Hierauf ist das Gesetz ausgerichtet.

Herr Siebel, Sie haben erwähnt, es müsste auch eine Förderung für diejenigen aufgenommen werden, deren Einkommen oberhalb der Sozialwohnungsberechtigungsgrenze

liegt. Das ist völlig richtig. Das ist mit dem von uns vorgeschlagenen Gesetz aber möglich. Wir haben auch vor, ein solches Programm aufzulegen und die Landesregierung dabei zu unterstützen, in dieser Richtung tätig zu werden – genauso wie wir das verstärkt für Studierende in den Ballungszentren tun, wie die Kollegin Feldmayer völlig richtig ausgeführt hat. Wir haben auf beides sehr wohl ein Augenmerk und werden das entsprechend umsetzen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Alles in allem kann ich feststellen: Hier wird ein gutes Gesetz auf den Weg gebracht, das für eine verbesserte Anpassung an die Herausforderungen der Ballungsräume sorgt, ohne dabei die Situation in den ländlichen Räumen aus dem Blick zu verlieren. Deswegen würde ich mich freuen, wenn alle Abgeordneten dem Gesetzentwurf heute zustimmen würden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Abg. Siebel das Wort.

Herr Kollege Caspar, ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Einlassungen, weil Sie noch einmal deutlich machen, welcher Logik dieser Gesetzentwurf folgt.

Ich mache das an dem Punkt Einkommensgrenzen fest. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass wir bei den Einkommensgrenzen differenzieren zwischen solchen Gebieten, in denen der Wohnungsmarkt angespannt ist, und Gebieten, wo das nicht der Fall ist. Das unterscheidet übrigens unseren Vorschlag von dem Gesetzentwurf der LINKEN.

Herr Caspar, Sie haben gesagt, dass wir damit den Kreis der Anspruchsberechtigten ausweiten würden. Natürlich tun wir das. Das ist uns durchaus bewusst. Ich glaube, auch den GRÜNEN, die durchgesetzt haben, dass der studentische Wohnungsbau mit einer Förderung in Höhe von 5 Millionen € in das Gesetz hineinkommt, ist bewusst, dass damit der Kreis der Berechtigten ausgeweitet wird.

Die Logik, die Ihrem Gesetzentwurf innewohnt, ist doch, dass Sie Wohnungsbau nach Kassenlage machen wollen. Das ist das Problem. Deshalb kritisieren Sie unseren Vorschlag. Wir haben in Hessen auf diesem Gebiet aber große Probleme, weshalb man dieser Logik eben nicht folgen darf. Genau deshalb kritisiere ich Ihren Gesetzentwurf.

Sie haben angesprochen, dass sich auch der Wohnungsmarkt am Markt zu orientieren habe. Da haben Sie in gewisser Hinsicht recht. Wohnungen sind aber ein Gut, eine Ware – gerade Sie wissen das vor Ihrem beruflichen Hintergrund –, die nicht der normalen Logik, wie z. B. beim Verkauf von Handys, folgt. Wohnungen sind vielmehr ein Produkt, das erst in sehr, sehr langen Zyklen wirkt.

Wir haben momentan die Situation, dass wir mehr Mietwohnungen brauchen; das wird noch für einen Zeitraum von zehn Jahren so sein. – Sie wackeln ein bisschen mit dem Kopf. – Auf alle Fälle für einen Zeitraum, der länger ist als die Regierungszeit der CDU.

(Heiterkeit)

Insofern geht es um lange Zyklen, und insofern ist es richtig, dem Mietwohnungsbau Priorität vor der Eigentumsförderung zu geben.

(Beifall bei der SPD)

Zu der zweiten Kurzintervention hat Herr Schaus das Wort.

Herr Caspar, auch ich bin Ihnen dankbar für Ihren Beitrag, zeigt er doch die „Sachkunde“, die dahinter steckt. Ich weiß nicht, wo Sie Ihre Informationen hernehmen. Ich will mich jetzt aber nur damit auseinandersetzen, wie sich Wohnungsunternehmen verhalten, deren Sozialwohnungen aus der Bindung fallen.

In der Tat war es in der Vergangenheit so, insbesondere zu dem Zeitpunkt, als gemeinnützige Unternehmen sozialen Wohnungsbau betrieben, dass der Herausfall einer Wohnung aus der Sozialbindung für die Mieter eher ein Vorteil als ein Nachteil war. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Siebziger- und die Achtzigerjahre – bis 1989 –, als Stoltenberg und die CDU die Gemeinnützigkeit dieser Unternehmen abgeschafft haben, das meiner Ansicht nach zentrale Problem im sozialen Wohnungsbau.

Die Folge war, dass es viele, viele Anfragen nach dem sogenannten Altwohnungsbestand dieser Wohnungsbaugesellschaften gab, auch in Frankfurt und in anderen Städten. Diese Wohnungen waren sehr attraktiv und preisgünstig. Sie sind nachgefragt und auch erhalten worden.

Was tun die Wohnungsbaugesellschaften mittlerweile? Die Nassauische Heimstätte, die ABG in Frankfurt und – zugegebenermaßen in etwas geringen Maß – auch die Bauverein AG wandeln Wohnungen, die aus der Sozialbindung herausfallen, nach der Nachwirkungsfrist, die auf fünf Jahre verkürzt ist, vielfach in Eigentum um, bauen sie um, modernisieren sie und bringen sie dann teuer auf den Markt.

Das ist unser Kernproblem: nicht allein der Bestand an Sozialwohnungen – das gestehe ich Ihnen zu –, sondern insbesondere das ausschließlich marktwirtschaftliche Verhalten von Wohnungsunternehmen. Das ist das Problem, mit dem wir zu kämpfen haben, weshalb es nicht genug preisgünstige Wohnungen gibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Zur Antwort hat Herr Kollege Caspar das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Kurzinterventionen geben mir die Möglichkeit, das noch einmal vertieft darzustellen.

Ich fange mit dem Thema an, das Sie erwähnt haben, Herr Schaus. Aufgrund meiner Ausführungen – so konnte ich Ihren Ausführungen eben entnehmen – konnten Sie nach

vollziehen, dass es für einen Mieter zunächst einmal nicht unmittelbar ein Problem ist, wenn seine Wohnung aus der Sozialbindung herausfällt. Es ist gut, dass wir das hier einmal feststellen.

Zweitens haben Sie angesprochen, dass es danach zum Verkauf einer Wohnung kommen kann. Das gilt natürlich erst dann, wenn die Wohnung frei ist.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Nein!)