Niemand von uns ist frei von Vorurteilen. Wir alle finden andere Menschen manchmal wunderlich und machen uns mitunter über sie lustig. Jemandem, der anders ist, wird das auch zu verstehen gegeben. Zum Teil ist das menschlich. Aber es kann auch Grenzen überschreiten. Es kann fies sein, es kann Menschen in ihrer Würde verletzen. Deshalb ist es auch unsere Aufgabe, das Bewusstsein dafür zu schärfen, Sensibilität dafür zu wecken, sodass jeder achtsamer mit seinen Mitmenschen umgeht, seine Vorurteile hinterfragt und bearbeitet. Auch das ist ein Ziel unserer Anti
diskriminierungsstrategie. Auch dazu wird die Arbeit des Bevollmächtigten und der Antidiskriminierungsstelle beitragen.
Sie kennen die im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz genannten Merkmale von Diskriminierung: ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion bzw. Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität. Anlass für Diskriminierungen sind also meist Merkmale, die zu einem Menschen gehören, die ihn ausmachen und – Religion oder Weltanschauung möchte ich hier kurz ausklammern – für die er oder sie sich nicht entschieden hat. Es sind unveränderliche Wesensmerkmale seit ihrer Geburt, oder sie passieren ihnen im Laufe des Lebens.
Hinzu kommt leider allzu oft die Erfahrung, dass andere aufgrund genau dieser Merkmale ablehnend reagieren. Das macht wütend, es ist aber auch belastend. Viele Menschen leiden sehr darunter, nicht so akzeptiert zu werden, wie sie sind. Ganz ehrlich: Es ist auch wahnsinnig anstrengend, sich immer wieder dafür rechtfertigen zu müssen, wer man ist. Es ist anstrengend, und es ist herabwürdigend.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns Diskriminierungen in diesem Land entschieden entgegenstellen. Diskriminierungen treten – das zeigt die aktuelle Forschung – häufig mehrdimensional auf. Beispielsweise haben es behinderte Frauen in verschiedenen Bereichen nachweislich besonders schwer. Homosexuelle, die aus einem anderen Kulturkreis stammen, stehen unter einem besonderen sozialen Druck. Insbesondere im beschriebenen zwischenmenschlichen und persönlichen Bereich ist und bleibt es Aufgabe der gesamten Gesellschaft, Diskriminierung und Rassismus jeder Art entgegenzutreten. Mit den Angeboten, die die Antidiskriminierungsstelle macht – Öffentlichkeitsarbeit, Prävention, Vernetzung –, kann sie direkt in die Gesellschaft hineinwirken.
Dazu kommen strukturelle und institutionelle Diskriminierungen. Hier sind wir als Politik gefordert, Hürden und Benachteiligungen zu verringern und zu beseitigen. Ich will beispielhaft ein paar wenige Fälle aufzeigen. Ganz augenfällig wird es bei der Entgeltungleichheit von Frauen und Männern trotz gleicher Aufgaben und Qualifikationen. Das ist ein Paradebeispiel für eine nicht nachvollziehbare, aber belegbare strukturelle Benachteiligung. Die Suche nach barrierefreiem Wohnraum kann für ältere und behinderte Menschen mit starken Benachteiligungen verbunden sein. Auch Menschen mit Migrationshintergrund machen die Erfahrung, dass die Wohnraumsuche nicht immer diskriminierungsfrei vonstattengeht.
Wenn man darüber nachdenkt, dass eine Sendung des Hessischen Rundfunks zum Thema Toleranz kürzlich mit folgender Frage angekündigt wurde: „Ist sich das knutschende schwule Paar in der U-Bahn eigentlich bewusst, wie viel Toleranz es seinen Mitreisenden abverlangt?“, dann zeigt das, wie weit wir noch von Diskriminierungsfreiheit entfernt sind.
Denn dort hat sich offensichtlich niemand die Frage gestellt, wie viele schwule oder lesbische Paare schon Be
schimpfungen oder sogar Gewalt ausgesetzt waren, wenn sie überhaupt den Mut aufgebracht haben, sich öffentlich zu küssen oder auch nur an der Hand zu halten.
Meine Damen und Herren, Sie sehen auch an diesen Beispielen, wie wichtig die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle ist. Sie wird unbürokratische, schnelle Hilfe für betroffene Personen gewährleisten und dafür sorgen, dass die Betroffenen im Falle einer Diskriminierung über ihre Rechte und deren Durchsetzungsmöglichkeiten informiert werden.
Ich bin fest davon überzeugt, dass die Antidiskriminierungsstelle zu mehr Gerechtigkeit, mehr Akzeptanz und mehr Gleichbehandlung beitragen wird. Ich möchte deshalb an Sie alle appellieren, diese wichtige neue Institution für unser Land im Interesse der betroffenen Menschen wohlwollend zu begleiten. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich gebe zu, dass mich der heute vorliegende Antrag zur Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle etwas überrascht hat, weil gerade vor zwei Wochen das Ganze schon einmal in einer breit angelegten Pressekonferenz Thema war. Die Stelle ist noch nicht eingerichtet, aber man kann im Vorfeld noch ein wenig Fett auftragen nach dem Motto: Der schwarzgrünen Koalition kann das nicht schaden. – Da hat sie auch recht, gerade vor dem Hintergrund der Diskriminierungsdebatte, die wir im letzten Plenum führen mussten.
Meine Damen und Herren, damit ich hier nicht missverstanden werde: Natürlich begrüßen wir alle Anstrengungen, die darauf ausgerichtet sind, Diskriminierung zu bekämpfen. Deshalb betrachten wir die geplante Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle, die ohnehin schon längst überfällig war, als einen Schritt in die richtige Richtung, dem aber zwingend andere folgen müssen.
Wir befürchten allerdings, dass diese Stelle in ihrer jetzigen Konzeption und insbesondere in ihrer jetzigen personellen Ausstattung ein Tropfen auf den heißen Stein zu bleiben droht. Dabei bleiben wir, Herr Klose.
Wichtig und richtig ist, dass die schwarz-grüne Koalition durch ihren heutigen Antrag unverblümt darlegt, dass es mit der Antidiskriminierung in unserem Bundesland insgesamt nicht gut bestellt ist. So lese ich darin z. B., dass es Diskriminierungsopfer in Hessen gibt, die sich hilflos und auch alleine gelassen fühlen.
Im vorliegenden Antrag steht auch, dass eine Anlaufstelle schnelle und unbürokratische Hilfe gewährleisten will. Die Betonung liegt auf „eine Stelle“. Da frage ich die Damen und Herren der Koalition, ob sie in Anbetracht der gesellschaftlichen Dimension von Diskriminierung allen Ernstes selbst daran glauben, dass eine einzige Stelle für unser
Bundesland in der Lage sein wird, flächendeckend Menschen, Organisationen und Institutionen zu beraten, zu begleiten, zu vernetzen usw.
Im aktuellen Bericht des Netzwerks gegen Diskriminierung, das Sie zitiert haben, Herr Klose, steht, dass landesweit ein großer Beratungsbedarf besteht und dass „zentral bleibt, ob Menschen vor Ort einen Zugang zu Beratungsund Hilfeleistungen haben“. Weiter heißt es, dass die Einrichtung einer zentralen Stelle die Beratung vor Ort nicht ersetzt.
Auch in der Absichtserklärung der Länder heißt es dazu ausdrücklich, dass jeder Weg genutzt werden soll, um Menschen vor Ort Hilfe zukommen zu lassen. Ich möchte ebenso an die Position der GRÜNEN erinnern, die, wie ich finde, zu Recht darauf bestanden haben, folgende Zusatzerklärung in den Bericht der Enquetekommission aufzunehmen. Ich zitiere:
Erfolgreiche Integration kann nur in einer diskriminierungsfreien Gesellschaft gelingen. Daher sind Antidiskriminierungsstellen in ausreichender Zahl in Hessen einzurichten, um schnell und unbürokratisch an Rat und Hilfe zu gelangen.
So die hessischen GRÜNEN vor nicht allzu langer Zeit. – Meine Damen und Herren, ausreichend kann mathematisch nur heißen, dass es auf alle Fälle mehr als nur eine Stelle sein muss.
Auch deshalb drängt sich uns der Verdacht auf, dass es sich bei dem vorliegenden Antrag in erster Linie um Symbolpolitik handelt,
Weitere Belege für die Symbolpolitik sind natürlich auch die immer wiederkehrenden diskriminierenden Äußerungen des führenden CDU-Funktionärs Herrn Irmer und die Tatsache, dass die schwarz-grüne Koalition bisher nicht in der Lage war, diese wiederholten verachtenden Äußerungen unmissverständlich zurückzuweisen und die nötigen Konsequenz daraus zu ziehen. Herr Abg. Irmer hat sich für sein diskriminierendes Verhalten gegenüber Homosexuellen im letzten Plenum nicht entschuldigt, sondern nur um das Problem herumgeredet.
CDU und GRÜNE haben das, wenn zum Teil auch mit tiefer Beschämung, durchgehen lassen und damit der Sache einen schweren Schaden zugefügt.
Ganz irritiert haben uns die Äußerungen des Ministerpräsidenten, der erst nach dem Plenum in den Medien zu Herrn Irmer Stellung genommen hat, obwohl er schon während
Dass Ministerpräsident Bouffier gesagt haben soll, dass diese ganzen Debatten Herrn Irmer selbst und die Koalition am meisten stressen würden,
Ich lasse Sie auch ausreden, wenn Sie hier vorne stehen. – Im vierten Absatz Ihres Antrages steht, dass Sie, meine Damen und Herren der Koalition, „in diesem sensiblen Bereich … die bestehenden Vorurteile und tradierten Denkmuster abbauen und überwinden“ wollen. Spätestens an dieser Textpassage hat mich die Homosexualitätsdebatte wieder eingeholt. Ich will und kann Ihnen nicht ersparen, Ihnen vor Augen zu halten, dass in Sachen Antidiskriminierung die Glaubwürdigkeit dieser schwarz-grünen Koalition seit dem letzten Plenum noch beschädigter ist, als sie es ohnehin schon war.