Herr Wagner, das mit der Zwangsbeglückung war ganz der Wunsch Ihres Koalitionspartners. Das haben Sie gut hinbekommen. Wir wissen, was wir demnächst von Ihnen erwarten können.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wissen Sie, was meiner Mitarbeiterin, Mutter eines schulpflichtigen Kindes, beim Lesen Ihres Antrags als Erstes aufgefallen ist? – Die Wörter „Schülerinnen und Schüler“ kommen in Ihrem Antrag nicht vor. Genau diejenigen, die Ihre Politik vor allem trifft, werden nicht einmal angesprochen. Das finde ich schon ein starkes Stück, gerade dann, wenn man den sogenannten Schulfrieden heraufbeschwören will.
Genau deshalb möchte ich die Vertreterinnen und Vertreter der Landesschülervertretung auf der Besuchertribüne aufs Herzlichste begrüßen. Wir freuen uns, dass Sie hier sind und diese Debatte verfolgen.
Schade eigentlich, dass diese jungen Leute nicht an meiner Stelle stehen dürfen; denn dann müssten Sie, meine Damen und Herren von der CDU, den GRÜNEN und auch von der FDP, endlich einmal denjenigen zuhören, über deren Köpfe hinweg Sie ständig Politik machen.
Zum dem Antrag selbst: Hessische Schülerinnen und Schüler brauchen keine Wahlfreiheit. Sie brauchen gute, verlässliche und sozial ausgestaltete Bildung. Dieses ganze Hickhack um G 8 und G 9 hat nun schon viel zu viel Zeit, viel zu viele Nerven und viele Eltern auch viel zu viel Geld für Nachhilfe gekostet. Diese Energie hätte man unseres Erachtens sinnvoller nutzen können, um z. B. Unterricht besser zu gestalten oder um die notwendige Debatte um echte Ganztagsschulen zu führen. Das, meine Damen und Herren, ist nämlich mein Lieblingsthema, wenn es darum geht, warum Sie ganz sicher keinen Schulfrieden in Hessen herstellen können. Ihr Mogelpakt für den Nachmittag ist eine bodenlose Frechheit, absolut realitätsfern. Wenn man den tatsächlichen Bedarf sieht, dann kann man dem auf keinen Fall zustimmen.
Hier sollten Sie Ihre Kraft und Ihr Engagement hineinstecken. Beenden Sie endlich diese lächerliche Wahlfreiheitsund Schulfriedensdebatte.
Herr Wagner, was Sie hätten machen sollen und in Ihrer Macht und Herrlichkeit auch hätten machen können, ist, konsequent zu sein und G 8 endgültig hessenweit abzuschaffen.
Ich bin mir sicher, die Protestwellen wären ausgeblieben. Im Gegensatz zur Einführung von G 8 kann man die Abschaffung von G 8 sinnvoll und jedem verständlich begründen.
Folgendes ist mir wichtig: Hessen hätte damit, wie schon 2008 mit der Abschaffung der Studiengebühren, ein Zeichen gesetzt, dem wiederum die anderen Bundesländer folgen würden. Dort gibt es genau diese Diskussionen, die wir hier haben. Ich bin davon überzeugt, dass das auch passiert wäre. Aber leider haben Sie so viel Rückgrat und so viel Chuzpe nicht gehabt.
Schon jetzt ist klar, dass 61 von 107 Gymnasien zu G 9 zurückkehren werden. Das ist gut so. Als die Schulkonferenz der Albert-Schweitzer-Schule in Offenbach beschloss, dass dieses Gymnasium wieder eine G-9-Schule wird, sagte sie in einer Pressemitteilung:
Den Schülern soll mehr Lernzeit gegeben werden, in der sie eine den gymnasialen Anforderungen entsprechende Lernkultur entwickeln können, damit sie ihre Stärken und Talente entfalten, aber auch Defizite aufholen können.
Ebenso hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass soziales und interkulturelles Lernen sowie persönliche Entwicklung mehr Zeit brauchen.
Das ist die Stimme eines Gymnasiums aus Offenbach. Deshalb kehren so viele zurück, und es werden weitere zurückkehren. Durch das weitere Abbröckeln der G-8-Front ist inzwischen an immer mehr Schulen Aufatmen angesagt, auch an den Schulen, die im kommenden Schuljahr zu G 9 zurückkehren. Den Lehrerinnen und Lehrern wird ermöglicht werden, wieder Unterricht zu machen, der nicht nur das kurzzeitige Auswendiglernen zum Ziel hat. Die Eltern werden erleichtert sein, weil ihren Kindern eine gesundheitliche Belastung genommen wird und sie wieder mehr Zeit für die eigene Entwicklung haben. Sie werden erleichtert sein, weil sie ihr Geld nicht mehr in teure Nachhilfen stecken müssen. Zugegeben, die durch G 8 boomende Nachhilfeindustrie wird keine Erleichterung empfinden, sie hat nämlich als Einzige wirklich von der Schulzeitverkürzung profitiert.
Die Schülerinnen und Schüler werden erleichtert sein, weil sie wieder Sport treiben können, nachmittags Ihre Freunde treffen können und sich wieder ehrenamtlich engagieren können. Sie dürfen Bildung wieder als Gut betrachten und nicht nur als Instrument der reinen Bildungsrendite.
Sie haben eine Rückkehroption für 5. und 6. Klassen eröffnet. Aber ob alle jetzigen 5. und 6. Klassen zurückkehren können, die das wollen, bleibt noch offen. Darüber soll eine anonymisierte Befragung entscheiden. Ein einziges Elternteil kann mit seinem Vetorecht die Rückkehr stoppen. Das kann doch nicht wahr sein.
Ermöglichen Sie allen Kindern der 5. und 6. Klassen ohne bürokratische Hürden ein längeres Lernen und eine stressfreiere Entwicklung.
(Zuruf des Abg. Ulrich Caspar (CDU) – Gegenruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE): Minderheitenrechte liegen Ihnen besonders am Herzen!)
Auch die Kinder in den 7. Klassen müssen zurückkehren dürfen. Es haben, wie Sie ja wissen, bereits Eltern stellvertretend für ihre Kinder geklagt. Warum sollen die 7. Klassen, sofern die Schulen das bewerkstelligen können, nicht ebenfalls zu G 9 zurückkehren können? Es wird doch andauernd von der Selbstständigkeit der Schulen geredet, Sie versuchen, sie zu verstärken. Hier könnte man tatsächlich an einer sinnvollen Stelle die Möglichkeit geben, selbstständig zu handeln.
Die Schulen wissen doch am besten, was sie leisten können und was nicht. Diese Politik von oben herab geht an den Beteiligten vorbei, das kann und darf nicht sein.
Daher haben wir auch unseren Änderungsantrag eingebracht, der neben den 5. und 6. Klassen auch die derzeitigen 7. Klassen umfasst. Sie wissen, die derzeitigen 7. Klassen haben die Proteste der letzten Jahre gegen G 8 maßgeblich mitgetragen. Sie haben sich darauf verlassen, dass eine Änderung zugunsten der Wahlmöglichkeit für G 9 auch sie einschließt. Da, wo die entsprechenden Schulen es für möglich halten, auch die 7. Klassen einzubeziehen, sollten wir nicht die Verhinderer sein. Das sahen wir damals von den damaligen Oppositionsfraktionen LINKE, SPD und GRÜNE so, das sollten wir heute nicht aus taktischen Gründen anders sehen.
Gestern lief eine Pressemitteilung der Elterninitiative „G-9-Wahl“ um, die haben Sie sicherlich auch gesehen. In dieser Pressemitteilung werden Aussagen der Kolleginnen und Kollegen der CDU und der GRÜNEN zitiert. Sie und ich hoffen, dass diese Versprechen auch heute noch gelten.
Wir sind darüber hinaus der Überzeugung, dass an Schulen, die sich dazu in der Lage sehen, auch höhere Klassen als die 7. Klassen zu G 9 zurückkehren können und sollen. Deshalb unser Dringlicher Antrag.
Ich möchte jedenfalls an dieser Stelle noch einmal aufs Herzlichste allen Aktiven in der Elternschaft danken, die diesen Kampf gegen G 8 und für mehr Zeit für die Bildung, für ihre und stellvertretend für alle Kinder, geführt haben.
Ich möchte betonen: Auch dieser Antrag ist nur Flickwerk für Ihre total vermurkste Bildungspolitik. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, nun mit diesem Regierungswechsel auch einen Wechsel in der Schulpolitik einzuläuten. Doch diese Chance haben Sie vertan.
Sie schwatzen nur vom Schulfrieden und der Wahlfreiheit. Sie schwatzen, statt die Chance zum Handeln zu ergreifen.
Deswegen werde ich auch in Zukunft immer von „Schwatz-Grün“ sprechen, wenn es um Ihre „schwatz-grüne“ Bildungspolitik geht.
G 8 gehört abgeschafft. So einfach ist das. 31 reine G-8Gymnasien in Hessen sind 31 zu viel. Schulfrieden wird es so nicht geben. Denn Frieden hat auch immer etwas mit Verlässlichkeit, mit guten Rahmen- und Lebensbedingungen und mit der Zufriedenheit der Menschen zu tun.
Ihre Politik stellt keinen Frieden an Schulen her, sie schafft weiteren Unfrieden. Wir bleiben daher bei unserer Forderung: keine weiteren Experimente auf dem Rücken der Kinder, G 8 abschaffen, jetzt und hessenweit, und allen laufenden Klassen unter G 8 die Rückkehr zu G 9 ermöglichen, sofern die Schulen das selbst als machbar einschätzen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Wunsch nach Wahlfreiheit und die Schulqualität stehen im Vordergrund unseres bildungspolitischen Handelns. Deshalb war es richtig, den Gymnasien ebenso wie den kooperativen Gesamtschulen die Entscheidung zu überlassen, ob sie G 8 oder G 9 anbieten wollen. Das war so, deswegen haben wir – CDU und FDP – das gemeinsam gemacht, wir – lieber Herr Kollege Boddenberg, auch für Sie; denn Sie haben in der Mittagspause einer Besuchergruppe anderes gesagt –,