Wie gesagt, darüber sollte im Ältestenrat beraten werden. Die Anträge werden, wenn das Plenum es so beschließt – wir plädieren dafür –, dorthin überwiesen. Dort sollte man zu einem Konsens kommen, um dieses Thema in Einmütigkeit fortzuführen.
Zu Beginn meiner Rede habe ich darauf hingewiesen, dass es aus heutiger Sicht sehr lange versäumt wurde, diese Zeit hinsichtlich der Mitwirkung von ehemaligen Nationalsozialisten aufzuarbeiten. Wir sollten uns allerdings vor einer moralischen Überhöhung gegenüber den Abgeordneten früherer Landtagsperioden hüten; denn wir können nicht ausschließen, dass die Angehörigen zukünftiger Landtagsgenerationen uns die Frage stellen werden: Wie lange habt ihr gewartet, bis ihr die Unterstützung der zweiten Diktatur auf deutschem Boden, nämlich des SED-Unrechtsstaats, durch hessische Landtagsabgeordnete aufgearbeitet habt? – Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem Herr Kollege Caspar eben sehr ausführlich und sehr richtig dargestellt hat, was in den letzten Jahren durch diese Kommission bei der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in Hessen geleistet worden ist und warum das durch diese Kommission und nicht durch das Plenum des Hessischen Landtags erfolgte, kann ich mich relativ kurz fassen.
Interessant ist – ich glaube, das hat bisher noch keiner der Kollegen erörtert –, dass es sehr lange dauerte, bis es zu dieser Kommission kam. Es war der damalige Landtagspräsident Dr. Hans Wagner – so geht es jedenfalls aus unserem Archiv hervor, und das entspricht auch dem Wissen von Ruth Wagner –, der am 24. September 1979 dieses Thema zum ersten Mal auf die Tagesordnung gesetzt hat. Dann hat eine erste Aussprache zu diesem Thema stattgefunden. Es hat lange gedauert – wie gesagt, September 1979 –, bis die Kommission eingerichtet und die Arbeit durchgeführt worden ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte daran erinnern – auch das ist schon gesagt worden –, dass wir in diesem Jahr mehrere Jahrestage zu begehen haben: den 75. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs, den 50. Jahrestag des Beginns der Auschwitz-Prozesse – um nur zwei Daten zu nennen. Ich könnte auch noch – das hat ebenfalls etwas damit zu tun – den 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs dazuzählen.
Ich nenne bewusst den Bauer-Jahrestag, weil das ein typisch hessischer, trotzdem ein sehr deutscher und auch ein Jahrestag ist, der weltweit mit Auschwitz verknüpft wird. Ich bin sehr dankbar – dabei schaue ich Finanzminister Thomas Schäfer an –, dass sich die Verwaltung, also die zweite Gewalt in unserem Lande, ihrer Verantwortung schon lange sehr stark bewusst ist.
Es hat mit einer Arbeit in Rotenburg begonnen, wo sich das gemeinsame Ausbildungszentrum der Steuerverwaltung und der Justizverwaltung befindet. Daraus ist eine wirklich sehenswerte Wanderausstellung hervorgegangen, die in ganz Hessen gezeigt wird. Wir nutzen sie jedes Mal. Wir haben sie in der Vergangenheit genutzt, und ich schätze, meine Nachfolgerin im Justizministerium, Frau Kollegin Kühne-Hörmann, wird das genauso machen. Wir führen nicht nur bei der Eröffnung entsprechende Veranstaltungen vor Ort durch, sondern auch begleitend, um daran zu erinnern – das war mein Auftrag in den letzten fünf Jahren –, dass es in der hessischen Justiz erhebliche Verstrickungen gegeben hat.
Als ich mich das erste Mal damit beschäftigt habe – das ist übrigens eine Arbeit der Marburger Universität, von Theo Schiller und anderen vorbereitet –, war ich erschüttert über das, was ich in den Dokumenten lesen konnte. Ich sage es einmal etwas volkstümlich: Der eigentlich nette Richter von nebenan – ich erinnere mich gerade an einen Fall aus Hadamar; warum, weiß ich nicht, das hat nichts mit der anderen Verbindung, nämlich Hadamar und Euthanasie, zu tun – war voll in das System integriert, möglicherweise sogar ohne dass er es gemerkt hat, in vorauseilendem Gehorsam: dieses „Ich mache da einmal mit, das gehört sich derzeit nicht“, und dieses Verstellen des Comments – wobei das Wort falsch ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber ich glaube, Sie wissen was ich meine. Das ist in diese Aufarbeitungen zur Verstrickung der hessischen Justiz in das NS-System zwischen 1933 und 1945 aufgenommen worden: Hier ist mein Beitrag, to whom it may concern.
Zu dem Antrag der LINKEN möchte ich noch sagen: Ich glaube nicht, dass es die Aufgabe des Hessischen Landtags, der ersten Gewalt, ist, sich mit der Verstrickung ehemaliger hoher und höchster Beamtinnen und Beamter auseinanderzusetzen. Für die Landtagsverwaltung wäre das – wenn es so etwas gegeben haben sollte – eine Aufgabe. Aber das gilt nicht für die Landesverwaltung.
Das ist die Aufgabe des Kabinetts, und es ist die Aufgabe des jeweiligen Ressortchefs. Man kann die Historische Kommission vielleicht bitten, dass sie entsprechende Ideen sammelt; aber ich glaube, wir würden uns als Parlament sehr überheben, wenn wir diese Arbeit, die die zweite Gewalt zu leisten hat und die sie auch übernimmt – ich habe das an zwei Beispielen deutlich gemacht: Finanz- und Justizverwaltung –, zu koordinieren versuchten.
Deshalb vielen Dank an all diejenigen, die sich in der Kommission eingebracht und diese Arbeit geleistet haben. Ja, wir müssen einen weiteren Schritt gehen. Ja, wir werden ihn sicherlich im Ältestenrat erfolgreich besprechen. – Vielen herzlichen Dank.
Vielen Dank, Kollege Hahn. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Damit schließe ich die Aussprache.
Es wird vorgeschlagen, sowohl den Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE als auch den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP an den Ältestenrat zu überweisen. – Dem stimmen alle zu. Dann ist dies so beschlossen.
Wir treten jetzt in die Mittagspause ein und treffen uns – ich hoffe, dass man den einen oder anderen sieht – um 15 Uhr zur Weiterführung der Plenarsitzung wieder. Die Sitzung ist unterbrochen. – Herzlichen Dank.
Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN betreffend Stärkung der Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 – Drucks. 19/33 –
Als Redezeit sind zehn Minuten vereinbart. Ich erteile Abg. Wagner, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die verkürzte Schulzeit zum Abitur, landläufig G 8 genannt, wurde vor gut zehn Jahren in Hessen eingeführt, und, ich glaube, wir alle in diesem Haus sind uns einig: Mit den Erfahrungen, die wir in den letzten zehn Jahren gemacht haben, würden
Wir mussten einfach feststellen, auch wenn wir das politisch unterschiedlich bewerten und politisch unterschiedlich erlitten haben: G 8, so wie es in Hessen eingeführt wurde, ist bei vielen Eltern nicht auf Akzeptanz gestoßen. Es wurde damals eingeführt, weil man glaubte, es entspräche einem Zeitgeist, es entspräche dem Elternwillen. Wir müssen feststellen: Viele Eltern wollen weiter die verlängerte Gymnasialzeit, 13 Jahre zum Abitur, für ihre Kinder, und deshalb ist es gut, dass in den vergangenen Jahren zahlreiche Korrekturen an G 8 vorgenommen wurden.
Meine Damen und Herren, bei diesen Korrekturen hat sich neben den Veränderungen der Ausgestaltung von G 8 vor allem ein Weg als besonders erfolgversprechend und besonders gut erwiesen, und das ist die Wahlfreiheit, dass Eltern selbst entscheiden können, welchen Weg sie für ihre Kinder wollen.
Dieser Weg der Wahlfreiheit hat im Jahr 2008 begonnen. Damals hatten wir hessische Verhältnisse, keine klaren Mehrheiten im Landtag. Auf der Grundlage eines Gesetzes von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das hier sehr große Zustimmung gefunden hat, haben wir den kooperativen Gesamtschulen die Wahlfreiheit eingeräumt. Seit dem Schuljahr 2013/14 können in unserem Land durch einen Beschluss von CDU, FDP und GRÜNEN auch die Gymnasien zu G 9 zurückkehren.
Meine Damen und Herren, die neue schwarz-grüne Koalition wird jetzt den nächsten Schritt zu noch mehr Wahlfreiheit gehen, indem wir auch den laufenden 5. und 6. Klassen die Möglichkeit einräumen, zu G 9 zurückzukehren.
Dieser Weg der Wahlfreiheit ist eine Erfolgsgeschichte. Zum kommenden Schuljahr werden nach den vorläufigen Zahlen aus dem Kultusministerium 33 weitere Schulen zu G 9 zurückkehren. Sechs weitere Schulen werden sich dem Schulversuch anschließen und G 8 und G 9 bei sich an der Schule anbieten. Im Ergebnis werden wir zum Schuljahr 2014/15 die Situation haben, dass es nur noch an 30 % der Gymnasien ein G-8-Angebot gibt und nur noch an 15 % der kooperativen Gesamtschulen. Wenn wir jetzt noch die 93 integrierten Gesamtschulen in unserem Land hinzunehmen, die schon immer G 9 angeboten haben, dann haben wir zum nächsten Schuljahresbeginn die Situation, dass 85 % aller Schulen G 9 anbieten, weil es die Eltern so wollen, und das ist auch gut so, meine Damen und Herren.
Wir haben zum kommenden Schuljahr auch ein Problem bearbeitet, auf das wir GRÜNE im vergangenen Jahr hingewiesen haben; dass es einzelne Schulträgerbezirke gibt, wo die Wahlfreiheit noch nicht verwirklicht ist, wo kein Gymnasium zu G 9 zurückgekehrt ist, obwohl es eine ent
sprechende Nachfrage der Eltern gibt. Auch dieses Problem wird zum kommenden Schuljahr weitgehend gelöst sein – auch in der Stadt Kassel, im Landkreis Kassel, in der Stadt Offenbach, im Schulträgerbezirk Groß-Gerau und Rüsselsheim, auch in der Stadt Wiesbaden und im Hochtaunuskreis wird es an Gymnasien ein G-9-Angebot geben. Die Wahlfreiheit ist ein echtes Erfolgsmodell.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und LINKEN, wenn wir zum kommenden Schuljahr die Situation haben werden, dass 85 % aller Schulen mit gymnasialem Bildungsgang G 9 anbieten, müssen Sie mir jetzt einmal erklären, warum Sie die 15 % der Schulen, wo sich die Schulgemeinden und die Eltern dafür entschieden haben, dass sie für ihre Kinder G 8 wollen, eigentlich noch zwingen wollen, jetzt auch G 9 anzubieten. Das müssen Sie mir wirklich einmal erklären. Welchen Sinn soll es machen, diese Schulen jetzt auch noch zu G 9 zu zwingen? Auch diese Schulen können, wenn sie wollen, weiterhin zurückkehren.
Nein, meine Damen und Herren von SPD und LINKEN, es gilt die alte Weisheit meines Fraktionskollegen Frank Kaufmann, und diese Weisheit lautet ganz einfach – und zum ersten Mal wird er für diese Wahrheit auch von der CDU Applaus kriegen –: Ein gelöstes Problem ist ein verlorenes politisches Thema.
Wir werden weiterhin daran arbeiten, die Wahlfreiheit der Eltern zu stärken. Wir werden das Gesetz auf den Weg bringen, dass auch die laufenden 5. und 6. Klassen zurückkehren können. Wir werden auch in jedem Schulträgerbezirk, so haben es CDU und GRÜNE vereinbart, noch einmal ganz genau hinschauen, ob das Angebot an G 8 und G 9 tatsächlich dem Elternwillen entspricht; und sollte das an einzelnen Stellen doch noch nicht der Fall sein, werden wir auch dort noch einmal nachsteuern. Ich glaube, das ist eine vernünftige Politik, die nicht von oben, von Wiesbaden, vorschreibt, was die Schulen zu tun oder gar die Eltern zu denken haben, sondern die fragt: Wie wollen Sie die Schule organisiert haben im Interesse der Kinder? – Ich glaube, das ist ein sehr vernünftiger Weg.
Die Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 – auch für die laufenden 5. und 6. Klassen – wird das erste Gesetz der schwarz-grünen Koalition sein. Wir sind in den Vorbereitungen; wir hoffen, dass wir es dem Landtag bereits im März vorlegen und die Schulen bereits vorab informieren können. Ich glaube, es ist ein gutes Zeichen für diese neue Koalition und für die Schulpolitik dieser Koalition, dass das erste Gesetz eines ist, das ganz klar macht: Es zählt der Elternwille; es zählt die Wahlfreiheit; und es zählen in Hessen in der Schulpolitik nicht Zwangsbeglückung und Ideologie. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.