Protokoll der Sitzung vom 05.02.2014

(Günter Rudolph (SPD): Das würde er nie machen!)

die jetzt beendete Koalition aus CDU und FDP, haben den Schulen Wahlfreiheit gegeben. Wir haben sie ihnen gegeben; das geschieht nicht erst jetzt. Herr Kollege Boddenberg, verleugnen Sie doch nicht die eigenen Erfolge. Das hat der Hessische Landtag so beschlossen, aufgrund eines von unserer Kultusministerin Beer und ihrem Nachfolger, dem damaligen Staatssekretär Lorz, Ihrem Parteifreund, im Auftrag der Koalition erarbeiteten und eingebrachten Gesetzentwurfs. Lassen Sie sich das von Ihrer Fraktionskollegin, Frau Ravensburg, im Detail erklären. Sie hat an dieser Stelle am 12. Dezember 2012 von hier aus gesagt:

Noch in dieser Woche werden wir den Weg freimachen für die Wahlfreiheit an den Gymnasien in Hessen. Unser Ziel dabei ist ganz klar formuliert: Wir sorgen dafür, dass die Umstellung bereits ab dem kommenden Schuljahr geschehen kann. Wir sorgen ebenfalls dafür, dass die Entscheidungen der Schulen, welchen Weg sie gehen wollen, so zügig, so pragmatisch und unbürokratisch wie möglich umgesetzt werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das war richtig, und es ist auch heute noch richtig.

(Beifall bei der FDP)

Unter anderem damit haben wir die Fehler korrigiert, die nicht wir verursacht haben, sondern die während der Alleinregierung der CDU mit der unüberlegten und schlecht vorbereiteten Einführung von G 8 gemacht wurden.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Vergessen Sie das nicht, Herr Kollege. Ihr Koalitionspartner, Herr Kollege Wagner, hat Sie auch schon daran erinnert, wie das damals war. Gemeinsam haben wir versucht, diese Fehler aus ihrer Alleinregierung zum Wohle der Schülerinnen und Schüler abzumildern und gleichzeitig Schulvielfalt und Wahlfreiheit zu gewährleisten. Das war auch erfolgreich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Schulfrieden besteht seitdem in Hessen, weil wir gemeinsam die Fehler beseitigt, die Schulen mit mehr Selbstständigkeit ausgestattet und ihnen vor allem die Lehrer gegeben haben, die sie brauchen, um guten Unterricht zu gewährleisten. Bis zum 22. September 2013 waren wir uns auch darüber einig, nun aber sind Sie der Mär der GRÜNEN aufgesessen und reden Unfrieden herbei, den Sie dann beseitigen wollen.

(Beifall bei der FDP)

Mit der Änderung des Hessischen Schulgesetzes im Dezember 2012 wurde dem Anliegen von Eltern und Gymnasien Rechnung getragen, dass sich diese zwischen G 8 und G 9 entscheiden oder mit dem sogenannten Splitting-Modell beide Bildungsgänge anbieten können. Diese Entscheidung sollte auch im Hinblick auf mehr Selbstständigkeit den Schulen überlassen werden; denn für die FDP-Fraktion im Hessischen Landtag steht guter und qualitativ hochwertiger Unterricht im Vordergrund. Nach unserer Überzeugung wissen die Schulen selbst am besten, wie sie dies im Rahmen der gesetzlichen Rahmenbedingungen und der Fortentwicklung ihres Schulprofils ermöglichen können. Eine moderierende Rolle des Kultusministeriums darf nicht zur Einflussnahme und zur Reduzierung der Selbstständigkeit unserer Schulen führen. Gerade weil Sie dies in Ihrem Antrag so hervorheben, wird man diesen ablehnen müssen.

Die Schulen in Hessen wissen genau, was sie wollen. Sie brauchen keine Moderation durch das Ministerium. Was wir brauchen, sind konkrete Vorschläge des Kultusministeriums und dieser Koalition, wie die Wahlfreiheit für die Eltern und Schüler gewährleistet werden soll, und zwar auch für diejenigen, die ein G-8-Angebot haben wollen; das bleibt nämlich bei Ihrer Politik auf der Strecke.

(Beifall bei der FDP)

Der Antrag, den Sie hier vorgelegt haben, enthält wohlfeile Worte, aber keine Vorschläge. Genau diese konkreten Vorschläge sucht man – man suchte sie auch in dem Beitrag des geschätzten Kollegen Wagner – vergeblich.

(René Rock (FDP): So ist es!)

Die FDP-Fraktion steht zur Geradlinigkeit in der Bildungspolitik und wirft nicht die Argumente, die sie bei vergangenen Entscheidungen geleitet haben, über Bord.

Wir haben das Thema Rückkehr der laufenden Jahrgänge 5 und 6 ausführlich und durchaus kontrovers auch hier diskutiert, und wir sind gemeinsam mit unserem damaligen Koalitionspartner zu dem Ergebnis gekommen, dass der Vertrauensschutz in der Frage der Rückkehr bestehender Klassen zu G 9 rechtlich über dem Wunsch einzelner El

tern steht. Ob die nun angekündigte Befragung der Eltern durch das Staatliche Schulamt die Drucksituation wirklich entschärfen kann und nicht nur zusätzlichen bürokratischen Aufwand schafft, das ist eine Frage, die noch beantwortet werden muss. Wir sollten dabei nicht vergessen, zu welch schweren Problemen es seinerzeit kam, als wir den kooperativen Gesamtschulen bei der Einführung der Wahlmöglichkeit die Rückkehr auch der laufenden Jahrgangsstufen 5 und 6 erlaubten. Diese extrem belastenden, negativen Erfahrungen kann man keinem Schüler, keiner Schülerin, vor allem aber auch nicht den Eltern wünschen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie schieben den Schwarzen Peter einfach nur weiter, Lösungen dagegen bieten Sie nicht. Und nur am Rande sei erwähnt: Ein Wechseln der jetzigen Jahrgangsstufe 6 ist auch aus rein organisatorischen Gründen kontraproduktiv und wenig sinnvoll, da zwar in der 5. Klasse die Stundentafel noch identisch bei G 8 und G 9 ist, sich aber bereits in der Jahrgangsstufe 6 deutlich unterscheidet. Was Sie den Schülern geben, sind Steine statt Brot – und Steine kauen sich schlecht; probieren Sie es aus.

(Beifall bei der FDP)

Aufgrund der Schwere der Argumente erachten wir ein Rückkehrrecht für laufende Jahrgänge nicht für sinnvoll. Die FDP-Fraktion wird deshalb die angekündigte Änderung des Schulgesetzes kritisch begleiten. Wir sind nicht bereit, richtige, gemeinsam mit der CDU erarbeitete Positionen über Bord zu werfen, nur weil die Union ihre Meinung in den Koalitionsverhandlungen mit den GRÜNEN geändert hat. Was richtig ist, muss richtig bleiben – auch dann, wenn man den Partner tauscht.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat der Abg. Degen, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die neue Koalition beweist Mut. Es zeugt in der Tat von Courage, sich so sehr selbst über den grünen Klee zu loben, ohne auch nur irgendetwas Konkretes vorgelegt zu haben. Dieser Antrag besteht vor allem aus einem: aus Eigenlob, angereichert mit substanzlosen Ankündigungen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Genauso zeugt es von Mut, dies zu einer Zeit einzubringen, in der ein Gymnasium nach dem anderen zu G 9 zurückkehrt. Künftig führen in Hessen mehr als drei Viertel der Gymnasien und kooperativen Gesamtschulen ihre Schüler wieder in neun Jahren zum Abitur. – Meine Damen und Herren, nehmen Sie die Fakten zur Kenntnis: G 8 war falsch, G 8 war übereilt, es wurde ohne Not eingeführt, G 8 ist gescheitert.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Die Vorgängerregierung hat alle Warnungen ignoriert, selbst die des Philologenverbands. Zehn Jahre lang war der CDU der Elternwille schnurzpiepegal.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben ganze Jahrgänge von Schülerinnen und Schülern zu Versuchskaninchen für einen landesweiten Schulversuch gemacht. Die neue Rückkehrwelle, für die Sie als Schwarz-Grün jetzt auch noch gelobt werden wollen, ist Ihre Schuld und Ihr Waterloo. Stehen Sie doch einfach einmal dazu. Etwas Demut wäre angebracht; das würde vieles entspannen, auch den Weg zu einem sogenannten Schulfrieden.

(Beifall bei der SPD)

Am besten: Seien Sie mutig, und beenden Sie dieses Experiment jetzt und endgültig. Solange Sie das aber noch nicht hinbekommen, so lange begrüßen wir als SPD-Fraktion die zumindest augenscheinliche Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9; denn jedes Gymnasium, das zurück zu G 9 wechselt, verschafft den jungen Leuten mehr Zeit zum Lernen, mehr Zeit für Ehrenamt und Freizeit, mehr Zeit für Feuerwehr, Kleintierzucht oder auch politische Betätigung,

(Zuruf von der CDU)

mehr Zeit, um in der Phase der Pubertät die eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen.

Jedes Gymnasium, das zu G 9 zurückgeht, hilft, die Durchlässigkeit zwischen den Schulformen wiederherzustellen.

(Beifall bei der SPD)

Dass nun endlich – ich sage wirklich: endlich – auch den 5. und 6. Klassen die Möglichkeit gegeben werden soll, ebenfalls zum neuen Schuljahr zurückzukehren, ist ein Fortschritt. Das wurde – ich habe mich schlau gemacht – vor noch nicht einmal einem Jahr hier ganz anders diskutiert. Im Mai 2013 haben sich CDU und FDP noch gemeinsam mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, den 5. und 6. Klassen die Wahlfreiheit einzuräumen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Nun übernehmen Sie eine Forderung der SPD, und das finden wir gut.

(Beifall bei der SPD)

Die spannenden Fragen bleiben aber: Wie wollen Sie das anstellen? Wann legen Sie uns eine Regelung vor, und wie steht es eigentlich um die Wahlfreiheit der Eltern? Wenn sich nur ein Elternpaar dagegen ausspricht, aber vielleicht nicht genügend, um eine eigene G-8-Klasse aufzumachen, was ist dann mit der Wahlfreiheit? Dann wird es für den Rest der Eltern keine Wahlfreiheit geben.

Meine Damen und Herren, legen Sie etwas vor. Dann können wir ernsthaft darüber reden, wie und wann Lob verteilt werden kann.

Langfristig halten wir ein paralleles Angebot von G 8 und G 9 in der Mittelstufe für den falschen Weg. Das will ich Ihnen, Herr Wagner, auch gerne erläutern. Ich finde es bemerkenswert, wie sich grüne Schulpolitik in den letzten Jahren gewandelt hat. Das ist eine beeindruckende Kehrtwende vom längeren gemeinsamen Lernen der neuen Schule hin zur Zementierung, sogar zur Erweiterung des mehrgliedrigen Schulsystems.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein!)

Da können Sie den Kopf schütteln. Aber das parallele Angebot von G 8 zusätzlich zu G 9 ist ein weiteres Glied in der ohnehin kaum mehr überschaubaren Schullandschaft.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Sie machen Ihrem Anspruch, als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Rolle der FDP in der Regierung zu übernehmen, wahrlich alle Ehre.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Von der CDU sind wir es gewohnt. Sie verstehen unter individueller Förderung bekanntlich, jeder Begabung entsprechend eine eigene Schulform zu zimmern, statt auf die Kompetenz der Lehrkräfte zur inneren Differenzierung zu vertrauen. Wird es im Gymnasium zu eng, weil inzwischen mehr als die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler diese Schulform wählt, dann schaffen Sie ein Gymnasium plus. Das läuft darauf hinaus, dass die Eltern, die über das nötige Wissen verfügen, vielleicht auch über das nötige Kleingeld, das Wissen über Nachhilfeschulen, was auch immer, einzukaufen, künftig G 8 eher wählen werden als andere Eltern. Damit leisten Sie keinen Beitrag zum längeren gemeinsamen Lernen. Im Gegenteil, in einer Zeit, in der wir von den Vereinten Nationen aufgerufen sind, ein inklusives, ein integratives Schulsystem voranzubringen, leisten Sie einen Beitrag zur weiteren Desintegration des Schulsystems, zu weniger sozialer Gerechtigkeit.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))