Wenn das Ihr Weg zu mehr Konsens in der Schulpolitik sein soll, dann sehe ich jetzt schon schwarz für den beabsichtigten Bildungsgipfel. Wir stehen für eine echte individuelle Förderung, für eine Wahlfreiheit, die den Namen auch verdient. Denn apropos Wahlfreiheit: Für wen gilt die schwarz-grüne Wahlfreiheit? Für Schüler jedenfalls nicht,
höchstens für ihre Eltern, zumindest dann, wenn sie in einer Großstadt wohnen und während der Schulzeit ihrer Kinder nicht umziehen. Sie schreiben in Ihrem Koalitionsvertrag: „Ländergrenzen innerhalb Deutschlands sollten bei einem Umzug weder für Eltern und ihre Kinder noch für Lehrerinnen und Lehrer eine Hürde sein.“
Richtig. – Meine Damen und Herren, inzwischen ist es aber so, dass es fast leichter ist, innerhalb der Republik umzuziehen als innerhalb Hessens. So sieht es aus.
Da können Sie ankündigen, dass es pro Schulamtsbezirk mindestens ein G-8-Angebot geben soll – so die Landesregierung. Das mag in Wiesbaden funktionieren, sicherlich auch in Frankfurt. Aber stellen Sie sich vor, Sie ziehen aus Darmstadt in den schönen Main-Kinzig-Kreis, vielleicht nach Bad Orb.
Die umliegenden Gymnasien sind in Gelnhausen und Schlüchtern. Es gibt kooperative Gesamtschulen in Freigericht und Wächtersbach. Alle arbeiten mit G 9. Erst in Hanau werden Sie fündig, wenn Sie ein G-8-Angebot suchen. Das ist 40 km entfernt. Ich hoffe einmal, Sie haben ein Auto oder mögen das Bahn- und Busfahren. Dann bleibt noch die Frage, wer dafür die Fahrtkosten zahlt, wenn es künftig einen Anspruch auf ein G-8- oder ein G-9-Gymnasium gibt.
Bleibt das am Ende wieder an den Kommunen hängen? – Meine Damen und Herren, das ist keine Wahlfreiheit.
Langfristig kann das parallele Angebot von G 8 und G 9 keine Lösung sein. Wir plädieren für ein Abitur im eigenen Takt im Rahmen einer modularisierten Oberstufe. Verkürzungen müssen möglich sein, keine Frage, aber eben dann, wenn die Schülerinnen und Schüler es selbst wollen und sich dafür entscheiden. Wir wollen, dass Schüler, wenn sie die sechsjährige Mittelstufe durchlaufen haben, selbst entscheiden können, ob sie sich zutrauen, den Turbo einzulegen, oder nicht. Sie werden sich dann dafür entscheiden können, wenn sie nicht nebenher jobben müssen, wenn sie sagen, sie können es schaffen, weil sie gerade keinen Liebeskummer haben, wie das in dieser Zeit so ist. Die jungen Leute sollen selbst entscheiden können, wie sie den Weg zum Abitur wählen wollen. Das wäre eine echte Wahlfreiheit.
Meine Damen und Herren, jetzt können Sie sagen, das ist alles schwierig, die Kultusministerkonferenz müsste zustimmen, usw. Gestört hat Sie das aber auch nicht, als Sie allen Abgängern der G-8-Gymnasien nach Klasse 9 die mittlere Reife verwehrt haben. Wer etwas nicht will, der sucht Gründe, und wer etwas will, der sucht Wege.
Nicht nur in Niedersachsen werden derzeit Alternativen zu G 8 von einer Expertenkommission geprüft. Dort zeichnet sich ab, dass man ergebnisoffen alles in Erwägung zieht, auch eine flexible Oberstufe. Oder nehmen Sie sich ein Beispiel an der Landesschülervertretung. Die jungen Leute haben heute ein Konzept zur modularisierten Oberstufe vorgelegt. Wer sonst soll beurteilen können, was in der Oberstufe leistbar ist und was nicht, wenn nicht die, die sie gerade durchlaufen?
Die Landesregierung will Moderator sein mit blumigen Worten wie „neuer Stil“ und „Schulfrieden“. Bewegt hat sich bisher aber nur die SPD mit ihrem Vorschlag, eine Enquetekommission einzurichten.
Nun liegt es an Ihnen, zu zeigen, dass Sie es ernst nehmen. Überdenken Sie Ihre Pseudowahlfreiheit. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Auch wenn es schon einmal eine Rede gab, aber als Wiederkehrer kann man das entsprechend würdigen. – Das Wort hat Herr Irmer, CDU-Fraktion.
Hochverehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, durch meinen Auftritt Ihnen eine Freude bereiten zu können. Ich möchte aber nicht versäumen, dem Kollegen Degen zwei Sätze zuzurufen.
Er hat mir gestern Abend zur Wahl als bildungspolitischer Sprecher gratuliert. Ich fand das eine sehr nette Geste, bedanke mich ausdrücklich und hoffe, dass wir trotz der Rede in Zukunft gut zusammenarbeiten können. An uns soll es nicht scheitern, und dann schauen wir einmal, was herauskommt. Mehr will ich dazu an dieser Stelle nicht sagen.
Meine Damen und Herren, Frau Kollegin Cárdenas hat in ihrer Rede, wenn ich zwei Sätze darauf verwenden darf, darauf aufmerksam gemacht, dass in unserem Antrag der Hinweis darauf fehle, es gehe um das Wichtigste überhaupt: die Schülerinnen und Schüler – das ist richtig –, das würde in unserem Antrag nicht stehen.
Liebe Frau Kollegin, gelegentlich empfehle ich sinnerfassendes Lesen, denn ich zitiere aus dem ersten Satz unseres Antrags: „Der Landtag bekennt sich zur Wahlfreiheit... und die individuellen Lernbedarfe der Schülerinnen und Schüler gerecht wird.“ – „Schülerinnen und Schüler“, Satz eins im CDU/GRÜNEN-Antrag, Zeile vier. Also bitte keine Geschichtsklitterung, einfach aufmerksam lesen.
Das Zweite. Sie haben gesagt, wir brauchen gute Bildung. Ja, wer würde widersprechen? Man müsste an dieser Stelle einmal definieren, was eigentlich gute Bildung ist. Gute Bildung wiederum ist im Grunde genommen erst dann möglich, wenn wir die entsprechende Zahl von Pädagogen in diesem Land haben.
Ich möchte nur einen Querverweis, einen Schlenker machen. Das haben wir in der Vergangenheit unter Beweis gestellt: zur Regierungszeit von Karin Wolff in dieser ersten Legislaturperiode 2.500 zusätzliche Lehrerstellen, danach allein und gemeinsam mit der FDP noch einmal 3.500 zusätzlich – zusammen 6.000 zusätzliche Lehrerstellen. Damit kann man natürlich entsprechend gute Bildung, guten Unterricht machen. Das ist genau das, was wir wollten und auch in Zukunft wollen.
Ich sage auch an die Adresse der GRÜNEN, an uns gemeinsam: Wir haben in diesem Koalitionsvertrag etwas geschafft, wozu ich am Anfang, offen gestanden, Zweifel hatte, ob wir das hinbekommen, nämlich zu erklären, die demografische Rendite bleibt im System – und das in finanziell schwierigen Zeiten.
Dies ist eine riesengroße Leistung. Ich bedanke mich ausdrücklich bei allen Abgeordneten der Koalition, beim Finanzminister, beim Kultusminister, dass wir das gemeinsam so beschlossen haben. Das ist die Grundlage für eine weiter verbesserte Bildungspolitik in diesem Land.
Sie gestatten, dass ich nur einige wenige Sätze aus dem, wie ich finde, sehr guten Koalitionsvertrag zitiere. Unter dem Kapitel Schule steht „Schule verlässlich gestalten – Wahlfreiheit sichern“. Dort haben wir gesagt:
Wir wollen ihnen [also den Schülerinnen und Schülern] differenzierte Bildungsangebote machen, die ihre unterschiedlichen Begabungen, Neigungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten optimal fördern.
Genau dies machen wir. Wir haben Wahlfreiheit gehabt – für uns ein zentrales Element unserer Bildungspolitik –, und wir erweitern sie jetzt um die Jahrgangsstufen 5 und 6, und zwar aus aktuellem Grund.
Lieber Herr Kollege Degen, wir können darüber lange diskutieren, was die Niedersachsen planen, was man in der Enquetekommission oder in einem Bildungsgipfel alles erörtern kann. Darüber will ich gar nicht streiten. Das hilft aber denen nicht, die aktuell in der 5. oder 6. Klasse sind. Deshalb machen wir diesen Gesetzentwurf, damit diejenigen, die jetzt betroffen sind, zum 01.08.2014 diese Wahlfreiheit, so sie denn möchten, in Anspruch nehmen können. Das ist der Grund.
Natürlich können wir auch darüber streiten, ob denn alles so richtig war, was wir vor zehn, zwölf Jahren gemacht haben. Meine Damen und Herren, ich habe das an anderer Stelle schon einmal gesagt, das ist überhaupt kein Staatsgeheimnis. Als wir damals diesen Grundsatzbeschluss gefasst haben, G 8 einzuführen, gab es natürlich auch in unserer Fraktion Debatten darüber, wie wir es machen.
Der Kultusminister hat vor wenigen Tagen gesagt: Man hätte das vielleicht ein bisschen anders machen können; so wäre viel Ärger erspart geblieben. – Ist so, hat er recht. Aber es gab bei uns damals auch kontroverse Debatten, und die Mehrheit hat entschieden, wie wir es damals beschlossen haben. Ich war damals anderer Auffassung, aber Demokratie ist, das Ergebnis zu akzeptieren. Wir hätten uns in der Tat einige politische Debatten ersparen können.
Wahlfreiheit hatten wir allerdings damals schon durch die integrierten Gesamtschulen. Wir haben dann – Kollege Wagner hat zu Recht darauf hingewiesen – vor fünfeinhalb Jahren, im Jahr 2008, beschlossen, die Wahlfreiheit den kooperativen Gesamtschulen ebenfalls zuzugestehen.
Im Laufe dieser Diskussion kam aus meiner Sicht der berechtigte Wunsch der Gymnasien, die gesagt haben: Wenn ihr das den kooperativen Gesamtschulen zugesteht, müssten wir diese Wahlfreiheit eigentlich, bitte schön, auch haben. – Der Ministerpräsident hat im Sommer 2012 erklärt, dass er genau diese Wahlfreiheit zukünftig auch den Gymnasien geben möchte. Diese Entscheidung war richtig, meine Damen und Herren.
hat damals erklärt, der Landeselternbeirat sei mit der Entscheidung des Ministerpräsidenten sehr zufrieden. Der Verband Bildung und Erziehung hat durch den damaligen Vorsitzenden erklärt, es sei anerkennenswert, wenn eine Landesregierung umsteuert und auf die Praktiker hört. Der Hessische Philologenverband hat durch Herrn Dr. Dittmann lebhafte Zustimmung signalisiert. Lediglich die SPD hat damals erklärt: Na ja, eigentlich ist das ein Eingeständnis des Scheiterns von G 8.