Protokoll der Sitzung vom 05.02.2014

Das bedeutet im Bundesrat eine Enthaltung. Ich frage aber in Richtung FDP: Herr Kollege Greilich, wenn Ihnen das Thema so wichtig war, wo war eigentlich die entsprechende Formulierung im Koalitionsvertrag zwischen der CDU und der FDP für die Wahlperiode 2009 bis 2014?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben es noch nicht einmal geschafft, in den Koalitionsvertrag zu schreiben, dass es dort einen deutlichen Dissens zwischen den Parteien gibt. Im Gegensatz zu Ihnen haben wir das sehr wohl getan. Herr Kollege Greilich, wenn man versuchen will, andere vorzuführen, sollte man wenigstens schauen, ob man in der Vergangenheit seine Hausaufgaben gemacht hat und ob man selbst in einer besonders wichtigen Frage eine klare Haltung an den Tag gelegt hat. Das war bei Ihnen, wie ich meine, leider nicht der Fall.

Die erste Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht wurde bekanntlich bereits im Dezember 2007 eingereicht. Man hätte daher 2009 durchaus schon entsprechende Vereinbarungen in den Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP schreiben können.

Das Bundesverfassungsgericht erklärt die deutschen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung mit Urteil vom 2. März 2010 für verfassungswidrig und für nichtig. Das Urteil verpflichtet die deutschen Telekommunikationsanbieter zur sofortigen Löschung der bis dahin gesammelten Daten. Zur Begründung gab das Gericht an, dass das Gesetz keine konkreten Maßnahmen zur Datensicherheit vorsehe und zudem die Hürden für staatliche Zugriffe auf die Daten zu niedrig seien. Diese Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung verstoßen nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts gegen Art. 10 des Grundgesetzes.

Meine Damen und Herren, diese Haltung haben wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Januar 2011 deutlich gemacht und einen Antrag mit der Drucks. 18/3600 in den Hessischen Landtag eingebracht. Ich zitiere aus dem Antrag:

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich mit dem Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes für die vollständige Aufhebung der Richtlinie 2006/24/EG … einzusetzen.

Die Beschlussempfehlung, Drucks. 18/3744, verzeichnet eine ablehnende Haltung des Antrags im Hause mit den Stimmen der CDU-, der SPD- und – Achtung – der FDPFraktion. Ich frage mich, warum Sie nach unserer Haltung fragen. Vielleicht sollten Sie sich über Ihre Haltung erst einmal im Klaren werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der LINKEN)

Jetzt legen Sie einen Antrag vor – ich habe gerade den unsrigen zitiert –, der in Nr. 4 sagt:

Der Landtag fordert die Landesregierung deshalb auf, sich im Bundesrat klar gegen eine Umsetzung

der Richtlinie 2006/24/EG und damit gegen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung auszusprechen.

Ich frage mich: Was ist zwischen Januar 2011 und Januar 2014 passiert, zwischen der Drucks. 18/3600 und der Drucks. 19/30? – Ich kann es Ihnen sagen: Die FDP ist nicht mehr in der Regierung. Es ist aber aus meiner Sicht keine besonders konsequente Haltung, und es zeigt keinen besonderen Mut in dieser Frage, wie ich feststellen darf. In der Regierungsverantwortung scheut man die Auseinandersetzung, in der Opposition versucht man andere in dieser Frage vorzuführen. Das ist nicht besonders glaubwürdig und nicht besonders konsequent, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

In der damaligen Debatte haben Sie unsere Initiative noch als – ich zitiere – „Schaufensterantrag“ abqualifiziert. Es ist aus meiner Sicht legitim, und das geht uns allen so, dass man Positionen neu überdenkt, dass man auch Fragen neu diskutiert; aber man sollte doch im Hinterkopf haben, wie man sich vor Kurzem noch selbst verhalten hat, und dann sollte man hier nicht so auftreten, als habe man die Weisheit mit Löffeln gefressen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Das sage ich auch ausdrücklich in Richtung des Kollegen Hahn. Ich weiß, dass er eine Besuchergruppe hat, aber ich sage es trotzdem. Er kann es ja vielleicht im Protokoll nachlesen. Er hat im Dezember 2011 noch angekündigt – Zitat, „Spiegel online“, 25.12.2011 –:

… mit einem Kompromissvorschlag Bewegung in die festgefahrene Debatte [zu] bringen.

Und er hat angekündigt, er werde sich dafür einsetzen, dass es auch eine Datenspeicherung ohne Anlass gebe, die aber bei der zeitlichen Begrenzung und den betroffenen Straftaten so eng wie möglich zu fassen sei.

Herr Kollege, jetzt heißt es in der Begründung Ihres Antrags:

Eine staatlich verordnete Massenspeicherung von sensiblen persönlichen Daten durch Telekommunikationsdienstleister unter dem Deckmantel der Strafverfolgung – oder gar der vermeintlichen Verbrechensprävention – höhlt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vollends aus und stellt alle Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht.

Diese Feststellung ist aus meiner Sicht richtig. Die CDU hat aber in diesem Punkt eine andere Position. Aber, meine Damen und Herren, diese Position war auch schon im Januar 2011 richtig. Wo war da seinerzeit der Mut, sich in dieser Frage klar und deutlich im Plenum zu äußern? – „Schaufensterantrag“ haben Sie seinerzeit zu dieser wichtigen Frage gesagt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Wir legen Ihnen – der Kollege Bauer hat es dankenswerterweise schon getan – einen Antrag vor, der, wie ich meine, abgewogen und zielführend ist. Er sagt, dass wir die Polizei natürlich mit modernen Ermittlungs- und Fahndungsmethoden ausstatten wollen. Das ist, glaube ich, eine Selbstverständlichkeit. Eine moderne Polizei muss über

moderne Kommunikationsmittel verfügen. Man kann nicht zulassen, dass Straftäter mit Handy und Internet ausgestattet sind, und die Polizei mit Pickelhaube und Münzfernsprechern arbeiten lassen. Das geht natürlich nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Wir sagen in dem Antrag auch, dass es in der EU ein verbindliches Gemeinschaftsrecht geben muss. Es muss auch der europäischen und deutschen Rechtsprechung entsprechen.

Meine Damen und Herren, in Nr. 3 sagen wir: Der Schutz der Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger hat für uns einen hohen Stellenwert. „Ein Grundrechtseingriff darf nur“ – ich betone: nur – „zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter erfolgen und muss verhältnismäßig sein.“ Das ist, glaube ich, auch ein Grundsatz, dem wir alle zustimmen können. Ein Missbrauch von Daten muss unserer Auffassung nach verhindert werden.

Wir stellen auch fest – und das ist nun einmal in Koalitionsregierungen so, wenn zwei unterschiedliche Parteien eine Regierung bilden –, dass wir in der Grundfrage der Vorratsdatenspeicherung als CDU und als GRÜNE unterschiedlicher Auffassung sind; und wir respektieren auch, dass es diese unterschiedlichen Auffassungen gibt. Das führt aber für uns dazu, dass wir uns bei einem zustimmungspflichtigen Gesetz im Bundesrat enthalten werden, und dazu sage ich:

Kommen Sie bitte zum Ende.

Ich komme zum Ende. – Das ist eine klare Grundhaltung. Das ist eine Haltung und nicht die Haltung à la FDP: Wenn ich in der Regierung bin, dann nicke ich ab; und wenn ich in der Opposition bin, dann stelle ich progressive Anträge. – Das ist nicht besonders fortschrittlich, Herr Kollege Greilich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Frömmrich. – Jetzt liegen uns zwei Kurzinterventionen vor. Die erste kommt von Herrn Greilich, FDP-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben zwei Minuten lang Zeit.

Die werden mir sicherlich reichen, weil das relativ einfach zu erklären ist. – Herr Kollege Frömmrich, Sie haben gefragt, warum wir uns seinerzeit anders verhalten haben, warum auch in der Koalitionsvereinbarung zwischen der CDU und der FDP in Hessen in der letzten Wahlperiode nichts Entsprechendes drinstand. – Es war schlichtweg nicht nötig. Herr Kollege Frömmrich, wir haben nämlich mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger dafür gesorgt, dass die Vorratsdatenspeicherung nicht kam. Sie kam nicht. Wir haben sie verhindert.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, die haben Sie bekämpft!)

Jetzt haben wir eine etwas andere Situation, denn jetzt haben wir die Große Koalition der Datensammler in Berlin, und da muss man dagegenhalten. Vorher war es nicht nötig, weil Sabine Leutheusser-Schnarrenberger für Ordnung gesorgt hat.

(Beifall bei der FDP – Lachen bei der SPD)

Der zweite Punkt ist – und da hätte ich mir eigentlich gewünscht, dass Sie mir einmal meine Frage, die ich vorhin gestellt habe, beantworten –, ich rätsele immer noch, was sich hinter dem Satz in Nr. 3 Ihres Antrags verbirgt:

Es muss verhindert werden,

und dann der wesentliche Teil –

dass … eine pauschale flächendeckende vorsorgliche Speicherung entsteht.

Was anderes als die Vorratsdatenspeicherung können Sie damit meinen? Und wenn das nicht nur mal so dahingeschrieben ist, warum wollen Sie sich dann im Bundesrat enthalten, statt gegen die Vorratsdatenspeicherung zu stimmen? – Das ist dann in der Tat irgendwie erklärungsbedürftig. Vielleicht können Sie es noch erklären.

Dritter Punkt. Wenn Sie als GRÜNE wirklich etwas für die Freiheit und gegen die Vorratsdatenspeicherung tun wollen, dann arbeiten Sie doch einmal in der eigenen Partei; dann sorgen Sie dafür, dass die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg nicht wie in jüngster Zeit wieder einen Vorstoß für die Vorratsdatenspeicherung unternimmt, dass nicht Rot-Grün in Niedersachsen entsprechend agiert und dass man sich dort gegen die Vorratsdatenspeicherung stellt. Was wir feststellen, ist doch: Wenn die GRÜNEN mitregieren, dann kommt bestenfalls einmal so eine kraftlose Vereinbarung, eine Enthaltung zustande, aber kein Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie ist es denn in Sachsen, Herr Greilich?)

Letzter Punkt, Herr Kollege Frömmrich. Die Nr. 5 unseres Antrags entspricht wörtlich der Nr. 3 Ihres damaligen Antrags.

Sie müssen zum Ende kommen.

Ich komme zum Ende. – Also stimmen Sie doch, wenn Sie dokumentieren wollen, dass Sie damals keinen Schaufensterantrag gestellt haben, heute unserem Antrag zu. Dann ist es glaubwürdig. Ansonsten bestätigen Sie: Es war ein Schaufensterantrag.

(Beifall bei der FDP)

Die zweite Kurzintervention kommt von Herrn Dr. Wilken von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Sie haben das Wort, auch hier zwei Minuten.

Danke, Frau Präsidentin. – Herr Frömmrich, Sie haben sich gerade in Abgrenzung zu den Herren von der FDP als mutig und konsequent hingestellt. Deswegen möchte ich Sie auch noch einmal fragen: Was meinen Sie denn in Nr. 1 Ihres Antrags – der ist doch von Ihnen; CDU und GRÜNE stehen da drüber –, dass Sie sich für modernste Ermittlungs- und Fahndungsmethoden einsetzen, indem sie sich den wandelnden Ausprägungen anpassen?