Protokoll der Sitzung vom 05.02.2014

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Fünftens. Juristen sollten am besten wissen, dass die Frage, ob es eine Anhörung gegeben hat, hinsichtlich der Frage eines möglichen Schadenersatzes überhaupt keine Rolle spielt. Das lernt man nicht im ersten, aber vielleicht im dritten Semester Jura. Auch das müssen wir hier festhalten.

Sechstens. Es stellt sich natürlich die Frage, wer für die materielle Anordnung die Verantwortung trägt. Der Bund hat nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 Grundgesetz die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz in allen Fragen des Atomrechts. Das gilt im Übrigen auch für das Verwaltungshandeln, wenn er denn die Sachhoheit an sich zieht. Er hat die Sachhoheit an sich gezogen. Das haben Sie aus der Aktenlage, aus den Schreiben aus Berlin, erkennen können.

Weil da immer wieder anderes behauptet wird, will ich zur Klarstellung sagen: Zu der Frage der Zuständigkeiten von Bund und Land hat das Gericht nichts Abschließendes festgestellt. Ich sage ausdrücklich: Es hat das nicht festgestellt. Sie unterstellen dies.

Wo die Sachhoheit liegt, liegt auch die Verantwortung. Wer die Verantwortung hat, ist auch derjenige, der die möglicherweise kommende Rechnung zu begleichen hat. – Herr Schmitt, das sage ich für Sie als Juristen: Das ist im Übrigen Art. 104a Abs. 2 Grundgesetz. Dort ist das geregelt.

Zum Abschluss meiner Rede möchte ich noch ein paar Worte zur politischen Einordnung dieser Angelegenheit sagen. Frau Ministerin Puttrich hat im März 2011 1 : 1 das umgesetzt, was die überwiegende Mehrheit der Menschen dieses Landes wollte.

(Zuruf von der SPD: Das hat sie nicht!)

Frau Puttrich hat nebenbei das umgesetzt, was Sie als Opposition lautstark, immer wieder und ganz besonders auch während der Sitzung des Umweltausschusses am 18. März 2011 gefordert haben. Sie hat 1 : 1 das umgesetzt, was ihr der Bund vorgegeben hat. Sie hat es so umgesetzt, wie es alle anderen Bundesländer auch getan haben.

(Timon Gremmels (SPD): Das ist falsch!)

Frau Puttrich hat dieses ganze Verfahren mit größtmöglicher Transparenz auch mit uns Parlamentariern durchgeführt. Ich erinnere an die Gespräche mit den Obleuten. Ich erinnere an die vierstündige Sitzung des Umweltausschusses, die wir gemeinsam hatten.

Herr Schmitt, Sie sind, wie alle anderen auch, während der Ausschusssitzung umfassend informiert worden. Frau Puttrich hat die Verfügung im gesamten Wortlaut vorgelesen. Sie hat all die Fragen auf den langen Listen, die Sie vorher eingereicht haben, in dieser Sitzung beantwortet. Weder Herr Gremmels noch Herr Schmitt hat in dieser Sitzung Kritik an der Verfügung geübt.

(Norbert Schmitt (SPD): Das stimmt doch gar nicht!)

Juristerei hin, Urteile her, was die Landesregierung damals gemacht hat, ist richtig, war richtig, und es bleibt richtig. Hinsichtlich der Rechtsfolgen gilt es nun, gemeinsam das Beste aus der Situation zu machen. Das erwarte ich auch von den Mitgliedern der Opposition, wenn sie sich denn ihrer Verantwortung für das Land Hessen bewusst sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir haben nun die Aufgabe, potenziellen Schaden vom Land abzuwenden. Das muss in unser aller Interesse sein. Das muss auch bestimmte politische Meinungen überlagern, die heute geäußert wurden.

Meine Damen, meine Herren, hier und heute gibt es keinen Grund und keinen Platz für Schadenfreude. Es gibt keinen Grund zur Panikmache und Schwarzmalerei. Es gibt vor allem keinen Grund für den von Ihnen so plump geforderten Rücktritt der Ministerin.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines ist noch viel plumper. Nachdem dieses Thema wirklich baden gegangen ist, versucht man jetzt noch, den Ministerpräsidenten mit hineinzuziehen. Plumper kann man Oppositionspolitik nicht betreiben.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Kollegin Wissler für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch fast drei Jahre nach der Stilllegung muss sich der Landtag noch im

mer mit dem Atomkraftwerk Biblis befassen. Wenigstens ist das nukleare Risiko mittlerweile eingedämmt, jetzt reden wir über das finanzielle. Denn es kann sein, dass die Stilllegung des Atomkraftwerks Biblis die Steuerzahler in Hessen noch teuer zu stehen kommt. Man muss feststellen: Atomkraft ist wirklich in jeder Hinsicht eine Risikotechnologie.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass die Abschaltverfügung, die das Umweltministerium im Jahr 2011 im Rahmen des sogenannten dreimonatigen Atommoratoriums erlassen hat, rechtswidrig war. Das bedeutet, dass RWE jetzt Tür und Tor offensteht, das Land Hessen auf Schadenersatz in Millionenhöhe zu verklagen. Ich bin der Meinung: Das muss politische Konsequenzen haben.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich will noch einmal daran erinnern, dass wir im Jahr 2011, als Frau Merkel das Moratorium verkündet hat, darauf hingewiesen haben, dass dieses Moratorium keine Rechtsgrundlage hat. Wenige Monate zuvor hatte Schwarz-Gelb noch die Laufzeitverlängerung durchgesetzt. Auch das sollte in dieser Debatte nicht vergessen werden.

(Beifall der Abg. Hermann Schaus und Willi van Ooyen (DIE LINKE) sowie bei Abgeordneten der SPD)

Kurz zuvor haben sie noch die Mär der sicheren Atomkraftwerke verbreitet. Dann gab es in Fukushima den zweiten Super-GAU innerhalb von 25 Jahren. Das ist ein Ereignis, das Ihrer Logik nach nur alle paar Millionen Jahre einmal passieren sollte.

Angela Merkel sprach damals von einer Neubewertung des Risikos, was ich, ehrlich gesagt, für eine Physikerin bemerkenswert finde. Sie erklärte, dass die sieben ältesten Atomkraftwerke vorläufig vom Netz gehen müssten, um sie einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. Der wahre Grund, das wissen wir doch alle, war, über die Landtagswahl in Baden-Württemberg zu kommen. Das war der Grund.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das ist genau das Problem: Sie haben versucht, eine kurzfristige Lösung zu finden, mit der Sie irgendwie über diese Wahl manövrierten. Man hätte die Atomkraftwerke natürlich rechtssicher stilllegen können. Deshalb haben wir und andere damals ein Abschaltgesetz auf Bundesebene gefordert, um eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, die Atomkraftwerke stillzulegen.

(Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Das wollte aber Schwarz-Gelb damals nicht. Sie wollten eine kurzfristige Lösung. Sie wollten Zeit gewinnen. Die Landesregierung hat diese rechtlich nicht tragbare Lösung in Hessen dann auch noch stümperhaft umgesetzt.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Marius Weiß (SPD))

Natürlich hätte man das Atomkraftwerk Biblis rechtssicher stilllegen können, und zwar nicht erst im März 2011. Man hätte es machen können, wenn man Sicherheitsmängel als Grund angeführt hätte. Die gab es genug. Das Atomkraftwerk Biblis war nicht gegen einen Flugzeugabsturz gesi

chert. Es verfügte nicht über eine externe Notstandswarte. Die sogenannten Weimar-Auflagen aus dem Jahr 1987 waren zum großen Teil nicht umgesetzt. Das alles wären gute Gründe gewesen, Biblis stillzulegen, und zwar viel früher als am 11. März 2011. Diese Gründe waren viel früher bekannt.

Die Landesregierung ist aber bis zu dem Vorfall in Fukushima noch durch die Gegend gerannt und hat erklärt, die Nutzung der Atomkraft und das Atomkraftwerk in Biblis seien sicher. Das haben Sie wie eine Monstranz vor sich hergetragen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Sogar noch danach!)

Frau Ministerin, natürlich konnten Sie sich in der Abschaltverfügung dann nicht auf Sicherheitsmängel berufen. Denn dann hätten Sie Ihre eigene Atomaufsicht ad absurdum geführt. Das war das Grundproblem.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Man hätte zu einer rechtlich sauberen Lösung auf Bundesund Landesebene kommen können. Das hat Schwarz-Gelb damals im Bund wie im Land verhindert.

Daran war natürlich der Hessische Ministerpräsident – jetzt ist er wieder weg – maßgeblich beteiligt. Er war es doch, der gemeinsam mit Kanzlerin Merkel das Atommoratorium ausgehandelt hat. Frau Merkel hat die Ministerpräsidenten der Länder, die Atomkraftwerke haben, zu einem Gipfeltreffen eingeladen. Dort wurde dieses rechtswidrige Atommoratorium vereinbart. Daran war der Ministerpräsident maßgeblich beteiligt. Wenn man so etwas vereinbart, dann ist das geradezu eine freundliche Einladung an die Atomkonzerne, Schadenersatz einzuklagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Hessen war das letzte Land, das die Abschaltverfügung erlassen hat. Das heißt, es wäre genug Zeit gewesen. Trotzdem haben Sie damals auf eine förmliche Anhörung von RWE, wie es das Verwaltungsverfahrensgesetz klar vorsieht, verzichtet, Frau Ministerin Puttrich. Das ist einer der Punkte, die das Gericht kritisiert.

Frau Ministerin, ich verstehe die Blauäugigkeit nicht. Gut, ich gebe zu, bis dahin war die CDU recht dicke mit RWE und Co. Aber am 18. März haben Sie noch im Ausschuss auf meine Nachfrage hin erklärt, bei den Gesprächen mit RWE hätten Klageverfahren „nicht im Vordergrund“ gestanden. Frau Ministerin, es mag ja sein, dass das nicht im Vordergrund gestanden hat – das ist ja auch logisch, drei Tage nach dem Super-GAU würde jede PR-Abteilung einem Atomlobbyisten schon den Ratschlag geben, die Klappe zu halten und nicht in den Medien lauthals nach Schadenersatz zu brüllen –, aber Sie hätten doch wissen müssen, dass die Verfügung wasserdicht sein muss. Am 17. März, einen Tag vor der Abschaltverfügung, konnten Sie im Pressespiegel Ihres eigenen Ministeriums nachlesen, dass RWE natürlich eine Klage vorbereitet.

(Zurufe von der LINKEN und der SPD: Ja, genau!)

Sie hätten nur den Pressespiegel lesen müssen. All das können Sie darin nachlesen. Sie waren der Meinung, dass die Klageabsichten nicht im Vordergrund gestanden hätten; dabei haben die Vertreter von RWE angekündigt, dass sie klagen wollen, dass sie nur noch auf die Abschaltverfügung warten, die sie prüfen wollen, um dann die Klage ein

zureichen. Trotzdem haben Sie am 18. März erklärt, Klageabsichten stünden nicht im Vordergrund.

Nachdem Klage eingereicht war, haben Sie auch nicht gehandelt. Wir durften im Ministerium die Akten zu diesem Vorgang einsehen. Dafür möchte ich mich bei der neuen Umweltministerin, Frau Hinz, ausdrücklich bedanken. Aus den Akten geht hervor, dass das Justizministerium einen ausführlichen Vermerk gemacht hat, in dem die entscheidenden Fragen thematisiert wurden, in dem es heißt: Eine Presseerklärung kann eine formale Anhörung nicht ersetzen. – So wurde argumentiert. Die Frage haben wir auch noch einmal im Ausschuss diskutiert. Ihr Anwalt hat mir dann erklärt, man hätte RWE nicht anhören müssen, weil RWE über die Presse informiert gewesen sei. Das muss man sich mal vorstellen, auch für andere Verfahren: Das Verwaltungsverfahrensgesetz kann missachtet werden, wenn ein Verfahrensbetroffener darüber vielleicht schon etwas in der Presse hätte mitbekommen können. – Was für ein Rechtsverständnis ist das denn? Da muss man sich schon fragen: Wie kann man gegen einen so einfachen Verwaltungsgrundsatz verstoßen, Frau Ministerin? Das ist wirklich ungeheuerlich, vor allem wenn man auch noch ausdrücklich gewarnt wird.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ich frage Sie: Warum haben Sie die Bedenken des Justizministeriums nicht ernst genommen? Die Frage geht auch an die Staatskanzlei und an den Herrn Ministerpräsidenten, weil der Herr Ministerpräsident den Vermerk nachweislich auch gesehen hat. Neben aller Kritik an der zuständigen Ministerin Frau Puttrich kann man auch den Ministerpräsidenten nicht aus der Verantwortung entlassen. Der Grundstein für den ganzen Schlamassel wurde beim Treffen der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin gelegt. Dort wurde das vereinbart.