Protokoll der Sitzung vom 05.02.2014

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, ich will einmal daran erinnern, worum es in dieser Debatte eigentlich geht. Dazu möchte ich RWE zitieren. Am 19. März 2011, als Biblis stillgelegt wurde, gab es eine Presseerklärung zur Sicherheitsüberprüfung, und darin heißt es:

Es ist wichtig, zu prüfen, ob sich aus den Erkenntnissen im Zusammenhang mit dem Unglück in Japan auch weitere Hinweise für Verbesserungen des sehr hohen Sicherheitsniveaus der eigenen Anlagen ergeben. RWE Power wird daher die angestoßenen Sicherheitsüberprüfungen aktiv unterstützen.

Das war am 19. März 2011. Wenige Tage später, im April, hat RWE die Klage eingereicht. So viel zur „aktiven Unterstützung“.

Meine Damen und Herren, gerade auf der Seite der SPD hat mir das gefehlt, ein bisschen auch bei der LINKEN, aber die haben es zumindest noch anders betrachtet: Der Hauptappell müsste doch an RWE gehen. Das sind doch die eigentlichen Hauptadressaten dieser Debatte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Herr Kollege Gremmels, wir sollten hier alle einig sein. Es ist das Wichtigste, jeden Schaden vom Land abzuwenden.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja!)

Es ist höchst fraglich, ob RWE wirklich ein bedeutender Schaden entstanden ist.

(Günter Rudolph (SPD): Das haben Sie in Ihrem Antrag unterstellt: dass es keinen Schaden gibt!)

Das ist höchst fraglich, denn der eine Block war nicht in Betrieb. Im Übrigen hat es Herr Schmitt damals, in der allerersten Landtagsdebatte dazu, auch so ausgedrückt: dass er daran nicht glaubt. Ich weiß gar nicht, warum Sie da jetzt plötzlich widersprechen. Auch er hat gesagt, dass der eine Block gar nicht in Betrieb war. Es wurde die Möglichkeit nicht genutzt, das Atomkraftwerk nach der Klage wieder hochzufahren. Genau das waren die Äußerungen von Herrn Schmitt, und genau darum geht es. Es geht darum, jetzt Schaden vom Land abzuwenden. Meine Damen und Herren, zuerst soll bitte RWE beweisen, ob ihnen überhaupt ein Schaden entstanden ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Jetzt komme ich zur Frage der Verantwortung für den verlorenen Gerichtsprozess. In den letzten Tagen frage ich mich immer: Was wäre eigentlich gewesen, wenn die Landesregierung nicht auf die schriftliche Anhörung verzichtet hätte und alle Stilllegungsverfügungen also absolut identisch gewesen wären? Was hätten Sie als Opposition dann eigentlich gemacht? Würden wir uns jetzt hier gemeinsam über RWE ärgern – dass sie gerade jetzt in Hessen klagen und einen Musterprozess für die großen Klagen beginnen? Wären wir eigentlich einig, wenn es in den Stilllegungsverfügungen gleichlautende Wortlaute gäbe, dass der Bund dafür verantwortlich ist? Würden wir hier überhaupt eine solche Debatte führen, oder wäre das Thema dann schon zu Ende?

(Zurufe der Abg. Timon Gremmels (SPD) und Janine Wissler (DIE LINKE))

Frau Wissler, das ist gar keine so theoretische Frage. Denn dieser Aspekt, den Sie hier hochziehen – der Verzicht auf die Anhörung –, ist in dieser Debatte ein absoluter Nebenaspekt. Er hat für die Schadenersatzklage keinerlei juristische Bedeutung.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf der Abg. Ja- nine Wissler (DIE LINKE))

Es war ein formeller Fehler. Ja, das ist ärgerlich.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ärgerlich?)

Ja, aber er ist für alles Weitere völlig unerheblich.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist jetzt wirklich sehr kritisch!)

Sie stilisieren hier einen Nebenaspekt dieses Verfahrens hoch. Der hat für alle weiteren Verfahren keinerlei Relevanz.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der CDU)

Herr Rudolph, bedeutend für die Frage des Schadenersatzes sind nämlich die materiellen Fehler. Da hat Herr Schmitt immer wieder alles durcheinandergebracht. Es geht darum, wie diese Stilllegung inhaltlich begründet wurde, um den materiellen Teil. Nach Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs sind dort materielle Fehler gemacht worden.

Diese inhaltliche Begründung aber stammt vom Bund. Die ist in allen Bundesländern haargenau identisch. Es war auch genau so geplant. Es sollte vonseiten des Bundes eine Prüfung vorgegeben werden, die alle Bundesländer machen sollten. Der Bund wollte diese Prüfungen bewerten. Er hat also alle Verfahren zusammengezogen. Deswegen war das ein einheitlicher Verwaltungsvollzug.

Herr Schmitt, das ist genau der Unterschied. Der Bund trägt die Verantwortung für den materiellen Teil, den entscheidenden Teil. Denn er hat es allen Bundesländern so vorgegeben. Ich frage mich, warum Sie hier eigentlich nicht an unserer Seite stehen und sagen, dass es nicht die Verantwortung des Landes ist, sondern die Verantwortung des Bundes.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Wir erwarten, dass der Bund endlich die Verantwortung dafür übernimmt. Wenn er den Bundesländern das gleiche Schreiben einheitlich vorgibt, dann soll er dafür auch endlich Verantwortung übernehmen und sich nicht mehr herausziehen.

Da würde ich sehr gerne auch einmal die SPD-Kollegen fragen – Sie sind jetzt an der Bundesregierung beteiligt –: Wie gehen Sie jetzt auf Ihre Bundesgenossen zu? Das finde ich schon interessant. Gehen Sie auf die zu und sagen ihnen, sie sollen sich für das Land Hessen einsetzen?

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Wir wollen, dass auch der Bund Verantwortung für das übernimmt, was er da geschrieben hat.

(Timon Gremmels (SPD): Das ist der gleiche Steuerzahler! Das sind nicht zwei verschiedene Personen!)

Die Frage ist schlicht: Wer hat diese Verfügung vorgegeben? Wer hat den materiellen Teil vorgegeben? – Das war der Bund.

Sie versuchen sich, hier auf die formalen Aspekte zurückzuziehen. Entscheidend ist aber das Materielle. Das aber kommt vom Bund. Dort sind Sie jetzt mit in der Verantwortung. Hier würde ich mir wünschen, dass Sie entsprechend Einfluss nehmen. Es geht hier darum, Schaden vom Land Hessen abzuwenden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, in diesem Verfahren sind insgesamt Fehler gemacht worden. Der weit unbedeutendere Teil davon wurde vom Land Hessen gemacht, der weitaus

bedeutendere Teil – gerade im Zusammenhang mit möglichen Schadenersatzklagen – kommt vom Bund. Deswegen gibt es jetzt zwei Schritte: Zuerst muss RWE beweisen, dass ihm wirklich ein maßgeblicher Schaden entstanden ist. Das bezweifle ich sehr. – Das andere ist, dass der Bund endlich seine Verantwortung wahrnehmen muss, anstatt immer nur auf andere zu deuten. Das ist der entscheidende Schritt, um jetzt wirklich gemeinsam Verantwortung für das Land zu übernehmen.

Alle hier können sich überlegen, auf welcher Seite sie stehen wollen.

(Günter Rudolph (SPD): Jetzt wird es langsam putzig!)

Ich würde mich freuen, wenn wir an dieser Stelle klar wären und sagen würden: Der Schaden muss vom Land abgewendet werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Das Wort hat Herr Kollege Rock, FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie hören, meine Stimme ist nicht ganz so, wie ich es mir wünsche.

(Günter Rudolph (SPD): Der Inhalt ist entscheidend!)

Richtig, auf die Inhalte kommt es an. Deshalb kann ich sagen: Bei einigen Beiträgen der Regierungsfraktionen musste ich wirklich überlegen: Waren Sie wirklich im Aktenraum, und haben Sie wirklich die Akten gelesen?

(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN)

Denn bei mir ist ein anderer Eindruck entstanden.

(Horst Klee (CDU): Das ist absoluter Unfug!)

Natürlich ist es für meine Fraktion jetzt eine schwierige Situation, sich direkt aus der Regierungskoalition mit einem solchen Sachverhalt beschäftigen zu müssen. Aber es gab im Vorfeld der Wahl eine dynamische Debatte. Frau Dorn, wenn Sie hier von „Purzelbäumen“ sprechen, so möchte ich sagen: Den größten Purzelbaum bei diesem Thema haben Sie persönlich gemacht.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN)

Noch vor wenigen Wochen, vor der Wahl, haben Sie Worte gewählt, die ich nie nach außen tragen würde. Sie haben sich gegenüber der Ministerin geäußert, und jetzt wollen Sie sie hier mit Nebelkerzen verteidigen. Wenn das kein Purzelbaum war. Aber das müssen Sie mit sich selbst ausmachen.