Protokoll der Sitzung vom 05.02.2014

Ich möchte jetzt zur Sache kommen. Wenn man sich die Akten ansieht und sich die Zeit nimmt, dann sieht man, dass die Akten, die nicht da sind, und die Lücken, die es in den Akten gibt, mehr Hinweise und Erklärungen geben als das, was wir dort gefunden haben. Ich muss schon sagen: Ein paar E-Mails zu diesem Vorgang – das war eine überschaubare Akteneinsicht. Ich hätte mir schon gewünscht, dass die Entscheidungsprozesse und die Grundlagen für

diese Entscheidung in irgendeiner Art und Weise nachvollziehbar sind. So können wir nur in großem Maße Vermutungen anstellen. Wir haben einige Ankerpunkte, bei denen wir sagen können: Okay, hier ist etwas zu lesen, hier können wir etwas erkennen, da können wir etwas sehen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich dachte, der Herr Hahn war dabei! – Vizepräsident Frank Lortz übernimmt den Vorsitz.)

Da ist es nun einmal so: In Kombination mit dem Urteil kann man feststellen, es ist absolut unstrittig, dass es einen formellen Fehler gegeben hat, und der hat ausgereicht, um vor Gericht zu unterliegen. Auch für das Bundesverwaltungsgericht war dieser formelle Fehler genau der ausschlaggebende Punkt, die Revision nicht zuzulassen. Von daher gesehen war entscheidend, dass es zu diesem formellen Fehler gekommen ist.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dirk Landau (CDU))

Ich möchte an der Stelle auf die Ausführungen vonseiten der CDU, aber auch der Kollegin von den GRÜNEN zu sprechen kommen. Sie haben behauptet, dass Hessen eine Verfügung erstellt habe, die identisch mit den Verfügungen der anderen betroffenen Bundesländern gewesen sei. Das ist falsch.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben feststellen können, dass nur wir Hessen in der Verfügung auf eine Anhörung verzichtet haben.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gab eine Korrespondenz mit Niedersachsen, in der man versucht hat – das kann man aus den E-Mails herauslesen –, die Niedersachsen dazu zu bringen, ebenfalls auf eine Anhörung zu verzichten. Das haben die Niedersachsen nicht getan. Am Ende sind allein die Hessen diesen Weg gegangen und haben damit jetzt Schiffbruch erlitten.

Frau Dorn, wenn Sie fragen, warum nur wir Hessen möglicherweise verklagt werden: Vielleicht ist der Hintergrund, dass sich der Energiekonzern RWE aufgrund des formellen Fehlers sicher sein kann, gegen uns auf jeden Fall zu obsiegen.

Darum ist die nächste Frage: Trägt der Bund die Verantwortung? Das ist eines der großen Argumente, das Sie vor sich hertragen. Auf den ersten Blick hört es sich relativ schlüssig an, wenn Sie sagen: Das kam von der Bundesebene, wir haben es eigentlich nur umgesetzt. – Es ist auch nachvollziehbar, dass der damalige Staatssekretär und die Frau Ministerin, als sich die Situation mit RWE zugespitzt hat, einen Brief geschrieben und bei Herrn Röttgen nachgefragt haben, wer eigentlich die Verantwortung trägt. Dieser Brief findet sich natürlich in den Unterlagen. Am 10. Juni hat zuerst das Bundesministerium Frau Puttrich geantwortet und ganz klar darauf hingewiesen, dass die Wahrnehmung der Sachkompetenz allein beim Land liege. Dann hat Herr Röttgen an Frau Puttrich geschrieben – ich zitiere –: „Selbstverständlich steht die Bundesregierung auch nach Überleitung der atomrechtlichen Sachkompetenz in politischer Mitverantwortung für die gemeinsame Entscheidung zum aufsichtlichen Handeln gegenüber dem Betreiber.“

In Berlin scheint man es also eindeutig so zu sehen, dass Hessen die Verantwortung hatte, und zwar bereits seit Juni 2011. Ich konnte nicht sehen, ob es weitere Initiativen des

HMUELV aus dieser Zeit gab, um z. B. das zu hinterfragen, was heute eines der großen Argumente ist. Deshalb weiß ich nicht, ob Ihre Argumentation tatsächlich trägt, wenn Sie feststellen, dass Sie aus Berlin am 17. Juni 2011 von Herrn Röttgen und am 10. Juni vom Bundesministerium – –

Herr Kollege Rock, Ihre Stimme ist ja etwas belegt. Ich möchte Sie kurz unterbrechen, damit Sie verschnaufen können. – Der Kollege Wagner möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Nein, danke. Die Redezeit ist relativ kurz; ich habe nur vier Minuten. Ich werde auf Ihre Zwischenfrage leider verzichten müssen.

Zu den Ausführungen von Herrn Stephan, der gesagt hat, das Kraftwerk in Biblis hätte eigentlich jederzeit wieder angefahren werden können: Dazu findet man in den dünnen Unterlagen die Androhung einer einstweiligen Anordnung, falls RWE auf die Idee kommen sollte, das Kraftwerk wieder anzufahren. Die ist sogar vom Ministerpräsidenten unterschrieben. Sich hierhin zu stellen und zu sagen, RWE hätte jederzeit reagieren können, habe es aber gar nicht erst versucht, auch das wäre noch einmal genau zu hinterfragen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Ich kann mir jetzt noch kein Bild darüber machen, was der wirkliche Grund dafür war, am 17. März 2011 – alles verdichtet sich auf diesen Tag – im Umweltministerium die Entscheidung zu treffen, auf eine Anhörung zu verzichten. Das Ministerium stand in ständiger Korrespondenz mit der Staatskanzlei. Warum ist am 17. März die Entscheidung gefallen, es anders zu machen als die anderen Bundesländer? Am 17. März lag auch der Vermerk des Justizministeriums vor, sodass man nicht behaupten kann, dass man auf die Probleme nicht hingewiesen worden wäre, unter anderem speziell auf die Frage der Amtspflichtverletzung und die daraus möglicherweise folgenden Schadenersatzansprüche. All das lag auf dem Tisch. Man hat am 17. März trotzdem eine andere Entscheidung getroffen. Aus den Akten ist nicht wirklich nachvollziehbar, wie diese Entscheidung am Ende begründet worden ist. Darüber kann man spekulieren, aber ich möchte jetzt nicht in Spekulationen eintreten.

Ich will an dieser Stelle aber noch einmal deutlich machen: Es ist nicht so, dass wir sagen können, es müsse Schaden vom Land abgewendet werden. Es ist bereits ein Schaden eingetreten.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Der Schaden ist dadurch eingetreten, dass es kein ordnungsgemäßes Verwaltungshandeln gab. Dieses nicht ordnungsgemäße Verwaltungshandeln hat noch keinen finanziellen Schaden ausgelöst; aber hier zu behaupten, es sei noch kein Schaden eingetreten, das sehe ich anders. Ob dieser Schaden ausreicht, zu sagen, Frau Puttrich kann nicht mehr Mitglied im aktuellen Kabinett sein, muss an entsprechender Stelle bewertet werden. Das werden auch wir nochmals bewerten, wenn wir die Gesamtzusammenhänge kennen.

Aus meiner Sicht ist es so, dass diese Frage virulent werden kann, wenn wir wissen, wie sich RWE verhält und was am Ende tatsächlich passiert, ob Schadenersatz zu erlangen versucht wird und Schadenersatz gar erlangt wird. Ich möchte nur schon jetzt darauf hinweisen, dass wir nachträgliche Deals zulasten der Stromverbraucher sehr kritisch begleiten würden, wenn man z. B. versuchte, mit dem Energiekonzern etwas auszuhandeln. Wenn wir eine Strafe zahlen müssen, dann wird die aus Steuermitteln gezahlt. Wenn man aber versuchen sollte, auf irgendeiner Ebene einen Deal mit RWE zu machen, um zulasten einer großen Zahl von Stromverbrauchern hier fein herauszukommen, dann würde das von uns extrem kritisch begleitet.

(Horst Klee (CDU): Grimms Märchen!)

Ich habe doch nicht gesagt, dass es so ist. Ich habe gesagt: wenn es so wäre. Sie müssen schon genau zuhören.

Aus meiner Sicht ist noch nicht nachvollziehbar, warum am Vormittag des 17. März 2011 im Ministerium die Entscheidung so gefallen ist, wie sie gefallen ist. Ich weiß auch noch nicht, wie die Konsequenzen endgültig aussehen werden. Um das zu bewerten, haben wir noch ein bisschen Zeit. Es ist aber so, dass bereits ein Schaden für Hessen entstanden ist. Jeder, der hier politisch Verantwortung trägt, muss sich Gedanken machen, wie er damit umgeht. Sich hierhin zu stellen und zu sagen, es sei noch nichts passiert, ist in der Tat falsch.

Es wird auch so sein, dass wir uns noch länger über dieses Thema unterhalten. Die Argumente der GRÜNEN und der Union kann ich nicht nachvollziehen und habe das sachlich begründet. Wir werden uns hoffentlich noch deutlich intensiver und auf der Grundlage von ein paar Akten mehr darüber unterhalten können.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Kollege Rock. – Es gibt den Wunsch auf eine Kurzintervention. Kollege Wagner, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bitte sehr.

Herr Kollege Rock, ich war sehr erstaunt über Ihre Rede; denn wenn ich es noch richtig weiß, war zu der Zeit, als die Stilllegungsverfügung ergangen ist, die FDP Teil der Landesregierung – nicht BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Rock, ich bin sehr erstaunt: Wenn das alles so unglaublich eindeutig, so unglaublich klar war und es rechtsstaatlich überhaupt keine Zweifel geben konnte, wie man es hätte machen müssen oder hätte machen können, warum hat dann der damalige stellvertretende Ministerpräsident, Ihr Parteikollege Hahn, diese Verfügung nicht gestoppt? Herr Kollege Rock, das müssten Sie dann schon noch beantworten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lebhafte Zurufe von der SPD)

Meine ganz einfache Frage an Sie, Herr Kollege Rock: Wenn das alles so eindeutig war, warum hat der für die rechtsförmliche Prüfung von Verfügungen damals zustän

dige Justizminister, Ihr Parteikollege Hahn, dann nicht gesagt, wie man es zu machen hat und wie man es nicht hätte machen sollen? Herr Kollege Rock, diese einfache Frage müssen Sie hier beantworten. Wir alle können klüger werden, Herr Kollege Rock;

(Lachen bei der SPD)

das haben wir in den letzten Wochen festgestellt. Es geht aber nicht, dass man damals in der Verantwortung war, den für die rechtsförmliche Prüfung zuständigen Minister gestellt hat und jetzt so tut, als habe man die Weisheit schon immer mit Löffeln gefressen. Das geht nicht, Herr Kollege Rock.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- rufe von der SPD)

Vielen Dank, Kollege Wagner. – Kollege Rock antwortet.

(Günter Rudolph (SPD): Das muss die FDP zurücknehmen!)

Herr Wagner, ich hatte schon gestern ein Déjà-vu. Manchmal kann ich mir kaum das Lachen verkneifen, wenn Sie hier vorne stehen und solche Dinge erzählen. Herr Wagner, wenn hier jemand Purzelbäume schlägt, dann sind das Sie und die anderen Mitglieder Ihrer Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Die Fraktion der GRÜNEN hatte das Urteil über Frau Puttrich schon längst gefällt, als wir noch gesagt haben, wir wollen das erst einmal bewerten.

(Beifall bei der FDP)

Ich habe heute hier kein Urteil über Frau Puttrich gefällt. Ich habe Sachverhalte dargestellt, die eindeutig nachlesbar waren. Wenn Sie die Akten eingesehen haben, haben sie die auch nachlesen können. Da Sie hier immer als jemand auftreten, der sehr viel weiß

(Günter Rudolph (SPD): Alles weiß!)

und glaubt, fundiert vorzutragen, traue ich mich gar nicht, Ihnen etwas über Gewaltenteilung und Ressortzuständigkeit zu erzählen und darauf hinzuweisen, dass es einen Vermerk aus dem Justizministerium gibt. Wenn der von der Ministerin nicht beachtet wird, hat sie die Verantwortung dafür zu übernehmen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wo gibt es da überhaupt eine Frage? Hören Sie damit auf, mir Worte in den Mund zu legen, die ich nicht gesagt habe.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt einmal zu Herrn Hahn!)