Es wundert nicht, dass Herr Stephan und Herr Bauer bei entsprechenden Beschlusslagen im Landkreis Bergstraße den Saal fluchtartig verlassen haben,
dass an anderen Stellen Beschlussfassungen herbeigeführt worden sind. Ich sage Ihnen: Das Thema Kommunaler Finanzausgleich wird uns noch ziemlich lange beschäftigen, weil diese Reform wie so manche, die Sie in der Vergangenheit angepackt haben, schlicht und einfach Murks ist, Herr Stephan. Sie wird den Anforderungen der Städte und Gemeinden in Hessen nicht gerecht.
Damit das an dieser Stelle noch einmal gesagt wird und nicht in Vergessenheit gerät: Die Schuldenbremse, wie wir sie mit einem gemeinsamen Gesetz von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SPD eingeführt haben, sieht ausdrücklich vor, dass die kommunale Selbstverwaltung vor die Klammer gezogen wird und nicht unter die Schuldenbremse fällt. Das steht ausdrücklich im Begründungstext. Wir haben da ausdrücklich die Verfassungsnorm der Hessischen Landesverfassung ausgenommen. Ich fordere Sie noch einmal auf, dem endlich Rechnung zu tragen und Ihren verfassungswidrigen Vorschlag zurückzuziehen.
Ich will daran erinnern, dass wir erhebliche Probleme auf der kommunalen Seite haben. Die KfW hat unlängst eine Studie vorgestellt, wonach allein in den Städten, Gemeinden und Landkreisen der Investitionsbedarf für Tiefbau, Hochbau, Bildung und Infrastruktur bei geschätzten 110 Milliarden € liegt. Wir haben vor zwei Jahren ein eigenes Gutachten vorgestellt, wonach der Investitionsbedarf in Straße und Schiene – Sanierung und Modernisierung, darunter ist kein einziges Neubauprojekt – allein in Hessen bei etwa 10 Milliarden € liegt. Das heißt, wir haben eine Investitionslücke.
Es ist inzwischen nahezu unbestritten, dass es eine Investitionslücke gibt und dass wir erhebliche Anstrengungen leisten müssen, diese Investitionslücke zu schließen, weil wir ein Land sind, das in seiner wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung ganz wesentlich von einer funktionsfähigen Infrastruktur abhängt. Das gilt übrigens nicht nur für Straße und Schiene. Das gilt eben auch für die Frage von Breitband und anderen Kommunikationstechnologien, die Digitalisierung, die Energiewende und den Wohnungsbau.
Herr Finanzminister, deswegen kann ich nur noch einmal daran erinnern: Das Streichen der Schulbaupauschale und das Integrieren in das Regelsystem wird am Ende die Investitionskraft der Städte und Gemeinden bei der Haushaltslage nicht verbessern. Die Investitionslücke wird damit nicht geschlossen, weil die Haushaltsprobleme nicht kleiner werden.
Ihnen brauche ich nicht zu erklären, wie die Mechanik dahinter ist. Deswegen bitte ich Sie auch an dieser Stelle, noch einmal ernsthaft zu überlegen, solange wir die Unterfinanzierung im Kommunalen Finanzausgleich haben, auf diese Maßnahme zu verzichten, weil sie zu zusätzlichen Verzerrungen führen wird und auch ein Thema der Chancen- und Bildungsgerechtigkeit ist. Ich finde, solche Themen müssen wir sehr viel ernster nehmen, als nur den Versuch zu machen, diese Reform irgendwie zusammenzustückeln.
Bei wichtigen Infrastrukturthemen hat die Landesregierung in ihren Formelkompromissen im Koalitionsvertrag keine
hinreichenden Lösungen gefunden. Das gilt für die Fragen des Terminals 3, des Ausbaus des Frankfurter Flughafens, der Fluglärmreduzierung. Herr Kaufmann, Herr Al-Wazir und viele andere, ich bin sehr gespannt, was im nächsten Halbjahr noch so alles geschehen wird.
Ich fand übrigens den Hinweis sehr interessant. Vielleicht können Sie uns später erklären, warum Sie jetzt, nach einem halben Jahr, eine Anhörung zu dem Thema haben wollen. Das habe ich nicht verstanden. Vielleicht sind Sie nur falsch zitiert worden.
Hinsichtlich der Frage der Entscheidung des Aufsichtsrates und des Konsortialvertrages ist vieles spekuliert worden. Ich will mich an den Spekulationen nicht beteiligen. Ich warte einmal ab, was Sie jetzt im Januar und Februar 2015 als Koalition zu diesen Fragen ernsthaft zu liefern haben. Ich bin sehr gespannt, was dabei herauskommt.
Dass Sie bei den Infrastrukturthemen natürlich ein paar Probleme haben, liegt angesichts der Positionen, die es vorher gegeben hat, in der Natur der Sache. Dass, wenn man Sie an dem misst, was Sie beide jeweils vor der Wahl gesagt haben, Sie nicht besonders gut aussehen, liegt in der Natur der Sache. Das ist aber, politisch und kommunikativ, Ihr Problem.
Herr Boddenberg, ich hätte allerdings gerne erklärt, was das jetzt eigentlich aus Ihrer Sicht für Ihr Lieblingsprojekt Flughafen Kassel-Calden heißt. Ist es so, wie man hinter den Büschen vermutet, dass es für den Flughafen KasselCalden eine geplante Insolvenz geben soll? Was wäre denn die Alternative für den Flughafen Kassel-Calden? Wie sieht denn Ihre Perspektive aus?
Herr Bauer, mit Verlaub, Sie sind in der Regierung. Sie sind Abgeordneter einer Regierungsfraktion. Wir als Opposition können von Ihnen als Mitglied einer Regierungsfraktion erwarten, dass Sie einmal sagen, was Sie eigentlich vorhaben. Sie sollten das tun, anstatt sich hinter formelhaften Kompromissen zu verstecken. Wir wollen wissen: Planen Sie die geplante Insolvenz, ja oder nein? Was sind die Alternativen?
Herr Ministerpräsident, sowohl bei der Integrationsdebatte als auch bei dieser vermisse ich Sie. Wir vermissen Sie hier häufiger. Wir hätten Sie gerne häufiger bei uns.
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war jetzt nicht ganz die Wahrheit, gib es zu!)
Doch. Herr Kollege Mathias Wagner hat jetzt zugerufen, das sei nicht ganz die Wahrheit. – Mathias Wagner, ich muss Ihnen leider widersprechen. In anderen Parlamenten ist es so, dass der Ministerpräsident die meiste Zeit im Plenum ist. In Hessen ist das anders, und zwar seit vielen Jahren. Ich halte das nicht für richtig. Ich möchte, dass der Ministerpräsident häufiger im Parlament ist.
Dabei werden Sie feststellen, dass wir hier nicht das Spiel aus der Vergangenheit immer und immer wiederholt haben, ständig Zitieranträge zu stellen. Denn es ist auch eine Frage des Selbstverständnisses, wie man sich hier bewegt. Deswegen formuliere ich in einer solchen Debatte schlicht und einfach einen Wunsch. Was Sie damit machen, entscheiden Sie.
Ich komme damit zum Thema Bildungsgerechtigkeit und Familienpolitik. Auch dazu haben wir mit Blick auf die Themen Kindergarten und Vereinbarkeit von Familie und Beruf Vorschläge gemacht. Ich will zum Thema Bildung allerdings zwei sehr grundsätzliche Bemerkungen machen.
Wir als Mitglieder der hessischen SPD werden keinen Frieden mit einem CDU-geprägten Bildungssystem machen, das nach wie vor den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungsweg der Kinder ignoriert. Da wird es keinen Frieden mit uns geben.
Herr Lorz, deswegen sind wir sehr gespannt, was Sie auf der Wegstrecke mit Blick auf die zweite Runde im Bildungsgipfel ernsthaft liefern werden und wie ernsthaft Ihre Vorschläge und die Art und Weise, wie wir miteinander reden, sind. Das gilt auch für die echten Ganztagsschulen. Das ist für uns ein echter Gradmesser.
Der Pakt für die Betreuung am Nachmittag ist für uns keine überzeugende Konzeption. Denn er schiebt die Verantwortung wieder auf die Städte und Gemeinden ab. Das ist für uns keine Antwort auf die bildungspolitischen Herausforderungen.
Deswegen sagen wir sehr klar: Herr Lorz, entweder kommen echte Ganztagsschulen heraus, oder es wird mit Ihrem Bildungsgipfel nichts werden.
Herr Irmer lacht. – Herr Irmer, ich habe das von Anfang an gesagt: Wir werden auf dem Bildungsgipfel nicht einfach die Koalitionsvereinbarung von Schwarz-Grün gegenzeichnen. Zumindest darüber bestand Konsens. Wenn man will, dass es eine tragfähige Basis für so etwas wie einen echten Schulfrieden gibt, dann muss man ihn auch echt erzeugen. Das bedeutet nicht, dass wir uns dem unterordnen, was Sie sich mit Ihren Positionen so denken. Vielmehr muss man ernsthaft über die Frage ringen, wozu man am Ende kommt. Dazu habe ich bisher herzlich wenig gesehen. Aber ich bin immer noch offen und sehr gespannt auf das, was Sie zu liefern haben.
Damit will ich zum Thema Energiewende kommen. Herr Kollege Wagner hat mich vorhin gefragt, ob ich die Regierung loben werde. An dieser Stelle will ich das ausdrücklich machen. Ich wiederhole das. Ich gehe fest davon aus, dass das, was Tarek Al-Wazir hier vom Podium aus zur Energiewende gesagt hat, ernst gemeint ist. Ich nehme ihm ab, dass er als Energieminister ein Interesse an dem Gelingen der Energiewende hat. Das hat ihn von manch anderem unterschieden, der vorher hier zu dieser Frage das Wort ergriffen hat.
Aber ich will Folgendes klar sagen: Die Konflikte, die im Land existieren, nehmen zu. Wir haben unter Führung des Herrn Hahn unter anderem eine Arbeitsgruppe zur Frage der Akzeptanz der Energiewende gehabt. Wir erleben, dass die Debatten vor Ort schärfer werden und dass es teilweise ein Doppelspiel gibt, weil sich politische Funktionäre vor Ort dagegen aussprechen, dass etwas passiert, während sie auf anderer Ebene zu erklären versuchen, dass das so ist. Das Paradebeispiel ist der Innenminister. Am Abend des Tages, an dem Tarek Al-Wazir hier eine Regierungserklärung abgegeben hatte, hat sich der Kreisverband, dessen stellvertretender Kreisvorsitzender er ist, dagegen ausgesprochen.
Wir haben zunehmend Konflikte. Das Geschehen in Oestrich-Winkel ist da nur ein Beispiel. Es gibt viele andere.
Ich will klar sagen: Die Energiewende ist ein Thema, das uns noch viele Jahre beschäftigen und uns vor enorme Herausforderungen stellen wird. Ich bin froh, dass die meisten inzwischen verstanden haben, dass der Blick, dass Energiewende heißt, dass man auf der einen Seite für die Nutzung der Windräder und auf der anderen Seite gegen die Nutzung der Atomenergie ist, ziemlich naiv und verengt ist. Dazwischen gibt es sehr viel mehr Themen. Die Fragen hinsichtlich der sauberen Energieversorgung, der sicheren Energieversorgung und der bezahlbaren Energieversorgung sind nicht gegeneinander ausspielbar.
Da das so ist, muss sich jeder seiner Verantwortung stellen, und zwar nicht nur hier im Hessischen Landtag, sondern auch vor Ort. Das gilt hinsichtlich der Frage des Baus der Windkraftanlagen im Rheingau genauso wie an anderen Orten. Das gilt für den Leitungsbau. Da werden wir noch viel zu tun haben.
Herr Ministerpräsident, ich glaube, das wäre der richtige Zeitpunkt. Ich glaube ernsthaft, dass wir einen zweiten Energiegipfel veranstalten sollten, um die Fragen der Akzeptanz und um die Konflikte bei diesem Thema zu behandeln. Mit Blick auf die weitere Umsetzung könnte das vielleicht sogar mit einer Erweiterung um das Thema Verkehr geschehen. Denn auch das ist ein zentrales Thema der Energiewende. Wir sollten das ernsthaft angehen.
Ich glaube, die Zeit drängt. Die Akzeptanz geht zurück. Konflikte werden nicht gelöst. Ich glaube, ein zweiter Energiegipfel wäre jetzt das richtige Instrument, um die anstehenden Konflikte zu lösen. Wenn wir den Regierungsfraktionen dabei helfen können, wollen wir, das sage ich ausdrücklich, das gerne tun.
Als Partei der sozialen Gerechtigkeit und der Arbeit muss ich natürlich auch die Themen Soziales und Arbeit ansprechen. Ich will eines offen sagen: Ich bin darüber enttäuscht, dass es mit Blick auf die Beratungen des Haushaltsplanentwurfs bisher nicht gelungen ist, das umzusetzen, was zumindest von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Debatte um das Thema Tariftreue hier angekündigt wurde. Man hatte das mit Blick auf die Beratungen des Haushaltsplans noch einmal geschoben. So wie wir das zumindest im Moment sehen, wird das nicht umgesetzt werden. Da geht es um die Unterstützung derer, die sozusagen als Wanderarbeiter hierherkommen, die dieses Jahr mehrfach über Hungerstreiks ihre berechtigten Forderungen durchgesetzt haben und die häufig genug von allen alleingelassen werden.
Wir hatten eine Delegation solcher Arbeiter im Hessischen Landtag. Es gab einen unorthodoxen Weg der kurzfristigen Unterstützung. Herr Kollege Al-Wazir war beteiligt. Auch andere waren beteiligt.
Aber auf die Frage, die dahinter steht, nämlich die: „Wie schaffen wir eine Struktur, mit der diese Form der Ausbeutung in Hessen in den Jahren 2014, 2015 und 2016 entschieden bekämpft wird?“, haben wir mit Ihrem Haushaltsentwurf keine Antwort bekommen. Deswegen werden wir Ihnen mit der Vorlage unseres Sozialbudgets noch einmal die Gelegenheit geben, diese Beratungsstelle einzurichten, damit diese Menschen nicht alleine bleiben. Ich hoffe, dass die Mitglieder der Regierungsfraktionen noch zur Besinnung kommen und den Weg frei machen.
Wir haben das Thema Sozialbudget auch noch einmal aufgegriffen, weil das, was Sie auf den Weg gebracht haben und was Sie mit der Beschreibung und der Zusammenfassung bestehender Programme ein bisschen aufgeblasen haben, aus unserer Sicht nicht das ist, was wir unter einem Sozialbudget verstehen. Für uns geht es ganz wesentlich darum, Strukturen wiederaufzubauen, die im Rahmen der „Operation düstere Zukunft“ beispielsweise bei den Frauenhäusern kaputt gemacht wurden. Ich wollte damit nur ein Beispiel nennen. Deswegen schlagen wir Ihnen vor, ein ernsthaftes Sozialbudget aufzulegen, um ein weiteres Beispiel dafür zu geben, dass das Land sozialer und gerechter werden kann.
Es gibt ein Thema, das uns in diesem Zusammenhang ebenfalls weiter beschäftigen wird: Das ist die Zukunft des Universitätsklinikums Gießen und Marburg. Herr Ministerpräsident, auch hier will ich Sie daran erinnern: Vor zwei Jahren, nach dem Letter of Intent, vor der Landtagswahl, haben Sie uns die Zusage gegeben, dass zukünftig auch die Opposition im Aufsichtsrat vertreten ist – mit Blick darauf, dass wir unseren Kontrollrechten und damit auch unseren Gestaltungsmöglichkeiten in gemeinsamer Verantwortung gerecht werden können. Bis heute warten wir darauf, dass diese Zusage eingehalten wird. Ich möchte Sie ausdrücklich dazu ermuntern, endlich Ihrer Zusage Taten folgen zu lassen und es nicht bei Ankündigungen zu belassen. Die weitere Entwicklung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg ist, ausdrücklich, nicht gesichert.