Protokoll der Sitzung vom 14.02.2015

Es gibt ein Thema, das uns in diesem Zusammenhang ebenfalls weiter beschäftigen wird: Das ist die Zukunft des Universitätsklinikums Gießen und Marburg. Herr Ministerpräsident, auch hier will ich Sie daran erinnern: Vor zwei Jahren, nach dem Letter of Intent, vor der Landtagswahl, haben Sie uns die Zusage gegeben, dass zukünftig auch die Opposition im Aufsichtsrat vertreten ist – mit Blick darauf, dass wir unseren Kontrollrechten und damit auch unseren Gestaltungsmöglichkeiten in gemeinsamer Verantwortung gerecht werden können. Bis heute warten wir darauf, dass diese Zusage eingehalten wird. Ich möchte Sie ausdrücklich dazu ermuntern, endlich Ihrer Zusage Taten folgen zu lassen und es nicht bei Ankündigungen zu belassen. Die weitere Entwicklung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg ist, ausdrücklich, nicht gesichert.

(Beifall bei der SPD)

Der Eigentümerwechsel, wie er jetzt ansteht, ist noch keine Garantie dafür, dass aus Ihrem Leuchtturmexperiment am Ende etwas herauskommt, was in der Region langfristig sinnvoll und hilfreich ist.

Sie kennen die Konflikte mindestens so gut wie ich. Deswegen nochmals meine Aufforderung: Ich möchte, dass die Zusage, die jetzt schon fast zwei Jahre alt ist, endlich umgesetzt wird, damit wir einen stärkeren Einblick in das bekommen, was dort geschieht.

Als vorletzte Bemerkung will ich ein Thema ansprechen, das uns aus meiner Sicht ebenfalls noch viele Jahre beschäftigen wird und das im letzten Jahr kein einfaches war: die weitere Aufklärung der NSU-Mordserie.

Für meine Fraktion will ich hier nochmals sehr klar sagen: Dem Verfolgungsversagen der Behörden darf jetzt kein Aufklärungsversagen folgen.

(Beifall bei der SPD)

Das sind wir den Opfern und den Familien schuldig, und übrigens ist das auch der notwendige Umgang mit den Erkenntnissen aus den Versäumnissen. Es gibt eine Vielzahl von Fragen, die bis heute nicht abschließend geklärt sind. Wir haben dies hier mehrfach heftig miteinander diskutiert. Wir werden dieses Thema nicht liegen und ruhen lassen. Das will ich in aller Klarheit sagen.

(Holger Bellino (CDU): Wir auch nicht!)

Für uns ist es bedauerlich, dass bis heute keinerlei Akten vorliegen und dass wir auch noch immer keine abschließende Vereinbarung darüber haben, ob wir den Standard übernehmen, der beim Untersuchungsausschuss in Thüringen angewendet wurde – nämlich dass die Mitglieder des Untersuchungsausschusses im Landesamt für Verfassungsschutz die vollständigen Akten, ohne Schwärzungen, mit klaren Namen erhalten und einsehen können. In Thüringen war dies in einem parteiübergreifenden Dialog möglich und hat dazu geführt, dass der Thüringer Untersuchungsausschuss weitreichende und zusätzliche Erkenntnisse über die Funktionsfähigkeit und die Strukturen in der rechtsextremen Szene gewonnen hat.

Ich will das auch mit Blick auf aktuellere Entwicklungen sagen: Wir müssen bei diesen Fragen sehr viel aufmerksamer sein, als wir das in der Vergangenheit waren. Deswegen wird uns das Thema der NSU-Mordserie weiter beschäftigen, weniger wegen der Frage – ich will das hier nochmals wiederholen –, wer die politische Verantwortung trägt. Im Moment ist das wirklich der zweite Schritt. Vielmehr geht es um die Frage, warum es zu diesem Verfolgungsversagen kommen konnte. Deswegen muss die Frage geklärt werden: Wie nah war der Verfassungsschutz in Hessen an bestimmten Themen, Fragen, Personen und Gruppen dran? Das ist die zentrale Frage, die aufzuklären ist.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Herr Ministerpräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, Orden anhängen ist eine Aufgabe von Ministerpräsidenten, Repräsentation ist eine andere.

(Clemens Reif (CDU): Was ist denn das? – Karin Wolff (CDU): Was heißt hier „anhängen“? – Weitere Zurufe von der CDU)

Aber das reicht nicht. Deswegen sage ich Ihnen – – Hängen Sie keinen Orden an?

(Zuruf von der CDU: Die werden verliehen, nicht angehängt!)

Haben Sie sich beruhigt?

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten – Janine Wissler (DIE LINKE): Das regt sie am meisten auf bei Ihrer Rede!)

Das regt Sie am meisten auf. Das ist – –

(Timon Gremmels (SPD): Symptomatisch!)

Das war irgendwie ausrechenbar, so wie Zwischenrufe bestimmter Art. – Ich will es noch einmal sagen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Bei den anderen Themen sind sie ruhig! – Weitere Zurufe)

Ich will es nochmals sagen: Mir geht es dabei um einen Kern, den ich bereits zu Beginn genannt habe. Herr Bouffier, Herr Ministerpräsident, Repräsentation ist das eine,

und – das sage ich ausdrücklich – das ist eine wichtige Funktion.

(Michael Boddenberg (CDU): Also doch!)

Aber wir wünschen uns – auch um die Kontroversen ein bisschen schärfen zu können – einen Ministerpräsidenten, der in Fragen der Integrationspolitik einmal Position bezieht, der Herrn Irmer nicht nur als „anerkannten Bildungsexperten“ bezeichnet, sondern ihn glasklar öffentlich in seine Schranken weist.

(Beifall bei der SPD)

Wir wünschen uns einen Ministerpräsidenten, der in einer solchen Frage wie der Energiewende – in der es offensichtlich auch in der Union sehr unterschiedliche Sichtweisen gibt, unterschiedliche Spielaufstellungen – Position bezieht und sagt, wo es in der Energiewende in Hessen weitergeht. Wir wünschen uns einen Ministerpräsidenten dieses Landes, der auch bei der Infrastrukturentwicklung klar Position bezieht und nicht versucht, immer ein bisschen auszuweichen und nur auf Repräsentation zu machen. Das ist zu wenig.

(Holger Bellino (CDU): Das ist eine Unterstellung!)

Es gibt grundlegende Unterschiede zwischen der CDU und der SPD. Auch mit Blick auf die politische Kultur müssen wir in solchen Debatten mehr die Erkennbarkeit der Unterschiede dokumentieren. Es gibt genügend Differenzen zwischen Ihnen und uns.

(Manfred Pentz (CDU): Gott sei Dank!)

Am Ende hilft das mehr als Meldungen darüber, dass sich die neue Regierung jetzt in neuen Wortkreationen ergießt wie: Lärmpausen, Süßwasserqualität, Willkommens- und Anerkennungskultur, Schulfrieden, Pakt für den Nachmittag, gentechnikfreie Region.

(Demonstrativer Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Holger Bellino (CDU): Das war gut!)

Reale, wirkliche, tatsächliche Veränderungen sind das, was wir erwarten. Das ist das, was wir mit dem Politikwechsel – Herr Wagner – verbunden haben, nicht nur ein Sammelsurium aus neuen Begrifflichkeiten, damit zwei Parteien – die eine, die eindeutig eher für den gesellschaftspolitischen Stillstand steht; und zweitens diejenige, die stärker für den infrastrukturellen Stillstand steht – am Ende eine Basis finden, um irgendwie miteinander zu regieren. Das müssten Sie sich einmal ins Stammbuch schreiben. Das wäre das, was der Politikwechsel, den Sie versprochen haben, beinhaltet. Das, was Sie bisher geliefert haben, ist bestenfalls Beihilfe zum Machterhalt.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Manfred Pentz (CDU): Das kann es doch nicht gewesen sein!)

Vielen Dank. – Das Wort hat Ministerpräsident Bouffier. Bitte schön.

Herr Landtagspräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter, lieber Herr Schäfer-Gümbel, ich will mich zunächst einmal

ausdrücklich bei Ihnen bedanken. Zu Beginn Ihrer Rede haben Sie festgestellt, dass Hessen ein blühendes Land ist. Das ist so, und darüber freuen wir uns gemeinsam.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Bei allem Respekt – dass wir auch die Unterschiede herausarbeiten sollen; da bin ich sehr dafür –, aber wenn der Oppositionsführer in seiner Rede feststellt, dass Hessen ein blühendes Land ist, dann können wir uns darüber gemeinsam freuen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, vor einem Jahr haben CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrem Koalitionsvertrag ein klares Ziel formuliert:

Wir wollen den Wohlstand erhalten, Hessen nachhaltig gestalten und den Menschen Sicherheit bieten.

Jetzt ist ein Jahr um, und wir haben Wort gehalten. Wir haben den Wohlstand erhalten. Wir haben Hessen nachhaltig gestaltet. Hessen ist weiterhin eines der sichersten Länder der Republik. Meine Damen und Herren, deshalb sage ich Ihnen: Dieses Jahr, das erste Jahr von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, war für Hessen ein gutes Jahr.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schauen wir uns einmal die Fakten an, alle relativ – oder aus meiner Sicht: völlig – unbestritten: Noch nie waren in Hessen so viele Menschen in Arbeit und Brot.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Hessenweit wächst die Beschäftigung schneller als im Bundesdurchschnitt. Im nächsten Jahr werden zum ersten Mal über 2,4 Millionen Menschen in Hessen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein. Das ist eine der besten Grundlagen für den Wohlstand, aber auch für das persönliche Wohlergehen und das Glück von vielen Menschen in unserem Land. Darüber sind wir sehr froh.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Arbeitslosenquote ist die niedrigste seit fast 25 Jahren. Ich will das bewusst einmal herausarbeiten. Die Arbeitslosenquote ist in Nordhessen niedriger als in Mittel- und in Südhessen. Das hat es noch nie gegeben. Das ist das Ergebnis eines wirklich außerordentlichen Aufholprozesses, einer Aufholjagd in den letzten 20 Jahren, auf die wir, aber vor allem unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger in Nordhessen, sehr stolz sein können. Das ist eine Erfolgsgeschichte.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)