Protokoll der Sitzung vom 18.12.2014

Nun hat der nordhessische Landtagsabgeordnete Timon Gremmels (SPD) den hessischen Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (GRÜNE) sogar aufgefordert, die Pläne [für einen Windpark am Sensenstein im Altkreis Kassel] zu stoppen.

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist ja ein Ding! Das ist ja spannend!)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir haben überall Menschen, die zu bestimmten Punkten eine differenzierte Meinung haben. Das sollten wir akzeptieren. – Danke schön.

Vielen Dank, Herr Kollege Stephan. – Zur Erwiderung, Herr Kollege Gremmels. Sie haben zwei Minuten.

Herr Stephan, Sie hätten mir zuhören sollen. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich in der Regionalversammlung mit voller Überzeugung für den Regionalplanentwurf, zweite Offenlage, gestimmt habe, der die besagte Fläche, die Sie gerade genannt haben, beinhaltet. Ich habe damals nur gesagt, und dazu stehe ich, dass man, wenn das Land Hessen auf Staatsdomänenflächen Flächen ausweist, die das Kriterium von 5,75 m/s nicht einhalten, wir also Flächen an schlechten Standorten ausweisen, der Windkraft keinen Gefallen tut. Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass das so richtig ist. Nichtsdestotrotz habe ich, und ich stelle

mich dieser Diskussion in meinem Wahlkreis, meine Bedenken zurückgestellt und dem Gesamtinteresse untergeordnet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist nämlich der große Unterschied: Wenn Sie hier einfordern, dass Ihre Abgeordneten vor Ort eine andere Position haben, dann geht es doch in Richtung Ihres Fraktionsvorsitzenden. Herr Boddenberg, geben Sie Frau MüllerKlepper und Herrn Beuth bei der nächsten namentlichen Abstimmung die Möglichkeit, so zu stimmen, wie sie es auch vor Ort sagen. Ich mache doch nur die Doppelmoral deutlich, die Sie haben. Sie müssen sich schon einmal entscheiden. Ich habe mich entschieden. Das muss man einmal ziemlich deutlich sagen.

(Michael Boddenberg (CDU): Es gibt immer Gründe, etwas anders zu sehen und eigene Argumente zu haben!)

Herr Stephan, jetzt zu dem, was Sie angesprochen haben, zur Anzahl der Einwendungen. Wir hatten in Nordhessen doch auch Einwendungen in nicht unerheblicher Anzahl. Es waren 15.000; diese haben wir abgearbeitet.

(Günter Schork (CDU): Wie lange hat das gedauert?)

Wenn es einem wichtig ist, dann muss man dafür natürlich mehr Personal bereitstellen, es umressortieren. Dann können Sie es tun und haben die Möglichkeit, dies vor Ort zeitnah – –

(Manfred Pentz (CDU): Gestern haben Sie uns noch gesagt, wir sollten Personal abbauen!)

„Umressortieren“ habe ich gesagt. Herr Pentz, können Sie auch einmal zuhören?

(Manfred Pentz (CDU): Ja, aber gestern haben Sie noch gesagt, es soll abgebaut werden!)

Sie können Personal auch umressortieren. Ich wüsste für Ihr Ministerium gute Einsparvorschläge. Ich wüsste, wo man dort den einen oder anderen abbauen könnte.

An der Sozialdemokratie müssen Sie nicht zweifeln. Wir bekennen uns klar zur Energiewende. Wir stehen dazu, und dafür kämpfen wir, und zwar mit gutem Gewissen. In diesem Sinne Glück auf.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächste Frau Kollegin Wissler, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die FDP entdeckt in ihrer Not scheinbar ein ganz neues Thema: die direkte Demokratie. Die FDP hat einen Antrag in den Landtag eingebracht, in dem sie fordert, dass die Menschen vor Ort durch Bürgerentscheide in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden sollen. Allerdings muss man an dieser Stelle sagen, dass die FDP ein eher monothematisches Verständnis von direkter Demokratie hat. Es geht ihr nämlich nicht darum, dass die Bürgerinnen und Bürger beim Bau von Autobahnen mitentscheiden oder beim Ausbau des Frankfurter Flughafens mitreden dürfen. Nein, die FDP in

strumentalisiert das Thema einzig und allein für ihren Kampf gegen Windräder.

Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass durch den Ausbau des Frankfurter Flughafens eine gesamte Region verlärmt wurde. Das war aber kein Anlass für die FDP, zu fordern, dass die Betroffenen darüber abstimmen sollten. Als es Massenproteste gegen den Bau von Atom- und Kohlekraftwerken gab, war es der FDP auch herzlich egal. Von der heute so viel beschworenen Akzeptanz der Energiewende war damals keine Rede. Deswegen stelle ich gleich zu Beginn fest: Die FDP bleibt das, was sie immer war, ein treuer Lobbyist der Atom- und Kohlelobby.

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei gibt es in der Bevölkerung eine breite gesellschaftliche Akzeptanz für die Energiewende. Nach Fukushima und angesichts des Klimawandels und knapper werdender Rohstoffe halten die meisten Menschen einen schnellen Umstieg auf die erneuerbaren Energien für notwendig. Ja, es gibt an einigen Orten Bedenken, wenn neue Windräder geplant werden. Diese Bedenken werden aber zum Teil bewusst geschürt – leider auch durch Landtagsabgeordnete der CDU, die im Landtag dafür stimmen und im Wahlkreis dagegen mobilisieren.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das ist unter anderem die CDU im Rheingau-TaunusKreis, wo Innenminister Beuth im Vorstand ist. Da werden Beschlüsse gegen die Errichtung von Windrädern gefasst. Dann erklärt Wirtschaftsminister Al-Wazir, er sehe keinen Dissens mit seinem Kabinettskollegen, da dieser bei der Entscheidung nicht anwesend gewesen sei. Meine Damen und Herren, nach der Logik kann man den Ministerpräsidenten auch für vieles nicht verantwortlich machen, weil er den meisten Abstimmungen im Landtag auch fernbleibt.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Frau Kollegin Müller-Klepper, CDU, auf Ihrer Homepage habe ich gesehen, dass Sie dort Fotos von Ihrer Teilnahme an einer „Anti-Windräder-Demo“ präsentieren.

Wenn es darum geht, mit falschen Behauptungen Ängste und Vorurteile zu schüren, dann darf Herr Irmer, als Meister dieser Disziplin, natürlich nicht fehlen. Im aktuellen „Wetzlar Kurier“ werden die Pläne zur Errichtung von Windkraftanlagen im Lahn-Dill-Kreis als „der reinste Horror“ bezeichnet, es drohe die Verspargelung unserer Heimat, der Strompreis werde durch die Windkraftanlagen steigen, und Blackouts würden drohen.

(Zurufe von der LINKEN und der SPD: Uiuiui! – Florian Rentsch (FDP): Da hat er doch recht! Was ist denn daran falsch, dass mit der Energiewende der Strompreis steigt?)

Herr Rentsch, Sie wissen, dass wir über die Umsetzung des Landesentwicklungsplans reden, den Sie als Wirtschaftsminister zu verantworten haben?

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Sie sind echt ein Scherzkeks. Was Sie gerade machen, ist Opposition gegen Ihr Regierungshandeln, was Sie als Wirtschaftsminister getan haben. Dann berufen sich FDP und CDU auf Bürgerinitiativen gegen Windkraft, die Sie vor Ort selbst mitbegründet haben. Die Landesregierung

braucht keine Kampagnen für die Akzeptanz zu machen, sie kann sie sich entweder schenken, oder sie muss sie machen, um für Akzeptanz in den eigenen Reihen zu werben. Offensichtlich fehlt die Akzeptanz genau hier.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Ausgang des Bürgerentscheids in Oestrich-Winkel gegen die Errichtung von Windrädern ist für uns als LINKE kein Grund zur Freude. Ich halte es für wichtig, sich inhaltlich mit den Argumenten der Windkraftgegner auseinanderzusetzen und ein paar Fakten zu benennen. Das möchte ich einmal anhand von Vorbehalten tun, die ich immer wieder gegen Windräder höre und die immer wieder bewusst in die Welt gesetzt werden.

Argument eins: Windräder im Wald seien schädlich, und der Wald sei als Natur- und Erholungsraum zu wertvoll, um dort Windkraftanlagen zu errichten.

Natürlich ist es sinnvoll, Windkraftanlagen in erster Linie auf Freiflächen zu errichten. Aber Hessen als eines der waldreichsten Bundesländer kann nicht einfach sagen, wir klammern den gesamten Wald aus. Dann können wir das 2-%-Ziel, auf das sich der Energiegipfel verständigt hat, nicht erreichen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Man muss auch einmal feststellen, dass Wald nicht gleich Wald ist. Forstwirtschaftlich intensiv genutzte Wälder, die eine geringe Bedeutung für den Umweltschutz haben, kommen nach Ansicht der Umweltschutzverbände sehr wohl als Standort für Windkraftanlagen infrage. Es muss im Vorfeld genau bewertet werden, welche Qualität der Wald hat, ob es sich um alte, naturnahe Wälder handelt, die besonders schützenswert sind.

Dass sich nun aber ausgerechnet die FDP als Schutzpatron der hessischen Wälder aufspielt, ist ein schlechter Witz. Mit Ihrer Unterstützung wurden allein 228 ha besonders geschützter Bannwald für den Ausbau des Frankfurter Flughafens gerodet.

Ich will das einmal in einen Vergleich setzen. Pro neuem Windrad fallen ungefähr 0,4 bis 0,6 ha an Flächenverbrauch an, wobei die später versiegelte Fläche nur ein Bruchteil dessen ist. Wenn man rein rechnerisch die Waldfläche, die für die Nordwestlandebahn gerodet wurde, betrachtet, hätte man auf dieser Fläche 400 bis 500 Windräder errichten können, die wären zudem noch deutlich leiser gewesen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Wenn man sich den Kiesabbau der Firma Sehring anschaut: Das Regierungspräsidium hat damals unter schwarz-gelber Landesregierung die Rodung von 63 ha Wald genehmigt. Das entspräche übrigens 126 Windrädern. Ich will damit nur sagen: Die FDP hat mehr Wald auf dem Gewissen in diesem Land, als es mit Windrädern so schnell zu schaffen wäre.

(Beifall bei der LINKEN)

Argument zwei: Windräder gefährden den Artenschutz.

Nach Ansicht von Umweltverbänden ist es sehr wohl möglich, durch eine gute Standortauswahl Vogel- und Fledermausarten nicht zu bedrohen. Windräder können auch einmal abgeschaltet werden, beispielsweise während des Vogelzugs.

Auch hier ist es geradezu grotesk, dass ausgerechnet die FDP sich jetzt auf den Artenschutz zurückzieht. Ich erinnere mich noch daran, wie sich der ehemalige Wirtschaftsminister Posch, FDP, zum Natur- und Artenschutz eingelassen hat. Die „Wirtschaftswoche“ schrieb im Juni 2010:

Eigentlich haben beide nichts gegeneinander, und doch sind der Triturus cristatus und Dieter Posch erbitterte Gegner. Der Kammmolch steht unter Artenschutz, der hessische Wirtschaftsminister unter Druck. Weil der Lurch just immer da siedelt, wo wichtige Verkehrsadern geplant sind, sieht der Liberale den Wirtschaftsstandort in Gefahr.

Ich erinnere mich noch daran, wie Posch sämtliche Projekte von Autobahn bis Bundestraße hat durchrechnen lassen und immer hineingerechnet hat, was seiner Meinung nach sinnlose Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen sind. Laut „Wirtschaftswoche“ sagte er, das Geld ließe sich problemlos sparen. Und weiter:

Wir wollen die Kosten für Infrastrukturvorhaben senken und den Natur- und Umweltschutz auf ein volkswirtschaftlich akzeptables Niveau bringen.