Protokoll der Sitzung vom 18.12.2014

in denen die Geschwister Brentano, Johann Wolfgang von Goethe und die Gebrüder Grimm gelebt haben oder dort zu Gast waren, als Museum der Öffentlichkeit besser zugänglich machen zu können, als das bisher der Fall war. Gerade der gute Erhaltungszustand des historischen Mobiliars bis hin zu den Tapeten ist für Denkmalschützer sicher ein Glücksfall.

Meine Fraktion begrüßt es ebenso, dass für den Osteinischen Park im Niederwald oberhalb von Rüdesheim ein gartendenkmalpflegerisches Entwicklungskonzept erstellt wird. Als Teil des Weltkulturerbes Oberes Mittelrheintal wird der Park sicher eine Wirkung für die Region und ihre Besucherinnen und Besucher entfalten.

Ich will Ihnen auch nicht vorenthalten, dass sich meine Fraktion bei einem Betriebsausflug vor drei Jahren diesen Park einmal genauer angeschaut hat, allerdings ohne zu ahnen, dass wir uns im „romantischen Dreiklang Hessens“ bewegten.

(Beifall bei der LINKEN – Peter Stephan (CDU): Kulturbanausen!)

Romantisch war der Ausflug natürlich trotzdem.

(Zurufe: Aha! – Manfred Pentz (CDU): Was ist dort passiert?)

Die Herausforderung für alle drei Einrichtungen wird darin bestehen, sie über eine museale Darbietung hinaus mit Leben zu füllen. Wir als LINKE wollen, dass Kultureinrichtungen grundsätzlich so konzipiert und finanziell ausgestattet werden, dass sie ein Ort des Austauschs und der Beschäftigung mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit sein

können. Sie sollen Kenntnisse vermitteln helfen. Sie sollen aber auch durch kulturelle Aneignung und Bildung eine emanzipatorische Sicht auf die gesellschaftliche Wirklichkeit eröffnen.

Da fällt der Widerspruch ins Auge, mit dem Schwarz-Grün einerseits Städten und Gemeinden ein Kürzungsdiktat für soziale, kulturelle und andere Aufgaben auferlegt, andererseits aber Millionenbeträge für prinzipiell begrüßenswerte Projekte der Hochkultur bereitgestellt werden, die aber an einer Vielzahl von Menschen vorbeigehen. Ich will das überhaupt nicht gegeneinander ausspielen, diese Projekte haben ihre Berechtigung.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Boddenberg, ich habe gerade gesagt, diese Projekte haben ihre Berechtigung und ich habe auch gesagt, dass meine Fraktion diese drei Projekte unterstützt. Wir wollen sie aber nicht nur für wenige Kenner und Genießer, sondern wir wollen sie als offenes Angebot einer Kultur für alle gestalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Vorschlag des Kulturforums der hessischen SPD, im Brentano-Haus eine Stätte des künstlerischen Arbeitens, Lebens und Austauschs zu schaffen, erscheint uns sinnvoll und eine vernünftige Idee zur Nutzung. Die ohnehin im Ländervergleich eher spärliche hessische Literaturförderung sollte dafür nach unserer Auffassung deutlich erhöht werden, um das Haus mit Leben zu füllen.

Wenn wir heute Morgen schon über Museen reden, möchte ich an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen und mich ganz herzlich beim Kollegen Horst Klee – ich glaube, er ist gerade nicht da – für die gute Zusammenarbeit bei der Verhinderung des Wiesbadener Stadtmuseums zu bedanken.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Große Koalition in Wiesbaden hatte geplant, ein Stadtmuseum als teures PPP-Projekt zu errichten und, was noch schlimmer ist, dafür anderen Wiesbadener Kultureinrichtungen massiv die Mittel zu kürzen. Das Land hatte auch eine finanzielle Beteiligung in Aussicht gestellt. Ich freue mich, dass der öffentliche Druck und die breite Ablehnung in Wiesbaden – von Horst Klee bis zur LINKEN – dazu geführt hat, dass dieses Projekt nicht weiterverfolgt wird. Ich hoffe, wenn wir in dieser Frage gemeinsam an einem Strang ziehen, dass es auch gelingen wird, die geplanten Kürzungen im Kulturetat zu verhindern.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will noch eine Bemerkung zum Schluss machen. Heinrich Heine hat in seiner bissigen Auseinandersetzung mit den Romantikern in seiner Schrift „Die romantische Schule“ von 1836 einen Zeitbezug hergestellt. Er hat, was auch schon Kollegin Beer ausgeführt hat, die Anschlussfähigkeit an Nationalismus und Militarismus benannt. Ich will noch ein Zitat einbringen:

Als Gott, der Schnee und die Kosaken die besten Kräfte des Napoleon zerstört hatten, erhielten wir Deutschen den allerhöchsten Befehl, uns vom fremden Joche zu befreien, und wir loderten auf in männlichem Zorn ob der allzu lang ertragenen Knechtschaft, und wir begeisterten uns durch die guten Melodien und schlechten Verse der Körnerschen Lieder, und wir erkämpften die Freiheit; denn wir tun alles, was uns von unseren Fürsten befohlen wird.

In der Periode, wo dieser Kampf vorbereitet wurde, musste eine Schule, die dem französischen Wesen feindlich gesinnt war, und alles deutsch Volkstümliche in Kunst und Leben hervorrühmte, ihr trefflichstes Gedeihen finden.

Meine Damen und Herren, am Zugang zum Osteinischen Park steht oberhalb von Rüdesheim das Niederwald-Denkmal von 1883 mit der Germania. Dieses Denkmal erinnert bekanntermaßen an den Sieg Preußens im Krieg gegen Frankreich von 1871 und die Gründung des Deutschen Kaiserreichs. Dieses Denkmal steht für ein militaristisches und für ein kriegerisches Deutschland. Es steht für die Feindschaft zu Frankreich.

Aus diesem Grund halte ich es für richtig, wie es auch die Vorredner schon gesagt haben, wenn man über die Romantik spricht und eine museale Aufarbeitung hat, sie auch einer kritischen Reflexion zu unterziehen und nicht nur schwärmerisch, werbewirksam und unkritisch mit dieser Kulturepoche umzugehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Niederwalddenkmal sollte auch eine Erinnerung daran sein, dass wir eine nicht allzu romantische Sicht auf die Rheinromantik werfen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Das Wort hat Herr Staatsminister Boris Rhein, bitte sehr.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Jetzt eine romantische Antwort auf die Kollegin Wissler! – Heiterkeit bei der SPD)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte nicht vor, auf den Vortrag des sonst von mir sehr geschätzten Herrn Dr. Spies näher einzugehen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Was heißt sonst?)

In Sachen Schauspielkunst hat schon der Fraktionsvorsitzende das Genügende und das Passende zum Kollegen Dr. Spies gesagt. Aber dann hat mich die faustfeste Kollegin Dr. Weyland mit einem passenden Zitat ausgestattet, das im Gespräch zwischen Wagner und Faust, und zwar in der ersten Nachtszene, gesagt wird:

Allein der Vortrag macht des Redners Glück.

Nichts passt besser auf den Vortrag, den wir eben gehört haben, so kurz vor Weihnachten.

(Allgemeiner Beifall)

Verehrte Frau Kollegin Wissler, ich habe es schon mehrfach wahrgenommen, und ich nehme es auch immer wieder mit Respekt wahr, dass Sie gerne Heinrich Heine zitieren. Ich möchte mir aber gar nicht ausmalen, was Heinrich Heine sagen würde, wenn er wüsste, dass die Linkspartei ihn heute für ihre Zwecke missbraucht.

(Beifall bei der CDU – Widerspruch bei der LIN- KEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): Das wäre eine spannende Frage!)

Das wäre eine spannende Frage, die wir vielleicht auch einmal diskutieren könnten.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Heinrich Heine wäre nicht in der CDU! – Weitere Zurufe von der SPD)

Lassen Sie mich insofern vorweihnachtlich milde werden.

Der berühmteste Gast des Brentano-Hauses, Johann Wolfgang von Goethe, soll, wenn wir dem, was wir wissen, trauen, ein Morgenmuffel gewesen sein. Vielleicht ist auch der eine oder andere ein Morgenmuffel gewesen. Er soll schlechte Tischmanieren gehabt haben, und er soll insbesondere seine Umgebung mit Herablassung behandelt haben. Das ist es, was Zeitgenossen von den Besuchen Goethes im Haus der Familie von Brentano berichten.

Das kann man unglaublich schön bei Antonie Brentano nachlesen, die das alles im Alter von 75 Jahren niedergelegt hat. Er hat hier die Sommer 1814 oder 1815 verbracht. Doch statt das zu kritisieren, statt darüber mit ihm ins Gericht zu gehen, statt darüber zu diskutieren, wie die Verhaltensweisen Goethes besser sein könnten, wenn man irgendwo Gast ist, haben sie einfach – auch das haben wir gemein – die Eigenarten gelassen hingenommen, weil zu dieser Zeit eines schon stattgefunden hat, nämlich die Vergötterung des Dichterfürsten.

Wenn das Land Hessen jetzt, 200 Jahre später, das Brentanohaus kauft, dann hat das überhaupt nichts mit Vergötterung zu tun, dann soll das auch kein Beitrag zur Vergötterung Goethes sein, sondern dann gibt es ganz andere, weitaus handfestere Gründe. Wir als Hessen wollen uns damit als das Land der deutschen Romantik darstellen; denn das Brentanohaus ist ein wirklich herausragender, ein authentisch erhaltener Ort der Romantik in Hessen. Er gilt als das geistig-kulturelle Zentrum der deutschen Rheinromantik. Das Ensemble soll jetzt, seiner historischen Bedeutung entsprechend, in seiner Gesamtheit erhalten und der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich gemacht werden.

Verehrte Frau Kollegin Wolff, in der Tat ist es so: Darüber muss man reden, darüber soll man reden, und dafür eignet sich nichts mehr als die Debatte in einem Parlament wie diesem.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kennzeichen für die Romantik sind die Freundschaftskreise. Hier ist die romantische Idee entwickelt worden, hier ist sie auch gelebt worden. Man hat hier diskutiert, man hat philosophiert, man hat sich ausgetauscht. Der Mittelpunkt genau dieses gesellschaftlichen Lebens ist in Winkel am Rhein gewesen; es war der sogenannte Saal im ersten Stock des Brentanohauses.

Wer sich einmal die Gästeliste anschaut – ich muss zu meiner Schande zugestehen, und ich bedauere es; denn die Geschichte wäre umso schöner gewesen –: Beethoven ist wahrscheinlich nicht dabei gewesen. Aber es waren andere dabei, und die lesen sich wirklich wie das „Who’s who“ der Geistesgrößen jener Zeit: Goethe natürlich, von Arnim, von Brentano, Wieland, von Savigny, die Brüder Grimm, von Günderrode und natürlich der Freiherr vom und zum Stein. Schon das allein wäre Grund genug, sich um den Erhalt dieses Brentanohauses zu bemühen.

Für uns als Land Hessen ist aber der Kauf des Brentanohauses nicht nur ein Immobiliengeschäft, nicht nur eine Angelegenheit, um eine Immobilie zu retten. Für uns ist es

ein weiterer Markstein, um die Epoche der Romantik erlebbar zu machen. Mit dem Konzept der Trägergesellschaft des Hauses – sie besteht aus dem Hochstift und der Stadt Oestrich-Winkel, denen ich beiden unendlich dankbar für ihr Engagement bin – wird der Ort wieder mit Leben erfüllt. Unter anderem wird es ein Forschungskolleg in Kooperation mit etlichen wissenschaftlichen Institutionen geben. Im Vordergrund steht natürlich zunächst einmal, dass Sanierung und Restaurierung des Inventars stattfinden. Das sind die Dinge, die jetzt stattfinden werden.

Wir als Land Hessen haben uns entschieden – auch das ist ein Anlass, darüber zu reden, weil andere es anders machen –, wirklich viel Geld in die Hand zu nehmen, um in einer großen Kraftanstrengung eine einmalige Chance zu nutzen und der Schlüsselepoche der deutschen und der europäischen Geistesgeschichte, der Romantik, in Hessen wieder den Stellenwert zukommen zu lassen, den sie verdient hat. Dabei reden wir natürlich von einem Dreiklang.

Frau Kollegin Wissler, im Gegensatz zu Ihnen habe ich ein Orchesterinstrument gespielt.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Woher wissen Sie, dass ich kein Instrument gespielt habe?)

Natürlich gibt es auch in romantischen Stücken einen Dreiklang.