Protokoll der Sitzung vom 04.02.2015

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich verstehe schon, warum die so nervös sind.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Mitglieder der SPD schweigen und hoffen, dass man es nicht merkt. Meine Damen und Herren, Ihr Verhalten ist mehr als scheinheilig. Sie wollen keine Aufklärung, Sie wollen Skandalisierung. Ihr Verhalten schadet nicht nur der Sache, es schadet dem Land.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist ja dreist! – Weitere Zurufe von der SPD)

Das ist meine feste Überzeugung. Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, das ist meine feste Überzeugung: Wer sich so wie die Mitglieder der SPD verhält, der schadet nicht zuletzt auch dem Ansehen der hessischen SPD. – Herzlichen Dank.

(Lang anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU – Lang anhaltender Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Nancy Faeser (SPD): Das ist unglaublich, wirklich unglaublich! Sie haben den Fehler gemacht!)

Vielen Dank. – Den Oppositionsfraktionen sind sechs Minuten Redezeit zugewachsen. Damit verlängert sich die Redezeit für die Oppositionsfraktionen auf zwölf Minuten. – Als Nächster erhält der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Schäfer-Gümbel, das Wort.

(Günter Rudolph (SPD): Die Rede wird das Land Millionen Euro an Steuergeldern kosten! Erst den Fehler machen und dann andere dafür beschuldigen! – Weitere Zurufe – Glockenzeichen der Präsidentin)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich will zu Ihren Ausführungen zwei Vorbemerkungen machen. Die erste ist folgende: Die hessische Sozialdemokratie hat unmittelbar nach den Ereignissen in Fukushima und den Entscheidungen am 14. März 2011, an denen Sie beteiligt waren, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für einen rechtssicheren Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie ein Atomausstiegsgesetz notwendig ist, um Schadenersatzleistungen zu verhindern.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Das wurde damals von Schwarz-Gelb abgelehnt.

Zweitens. Ich bin Ihnen da sehr dankbar. Ich sage ausdrücklich, dass ich das in anderer Formulierung aufnehmen will, als es Herr Kollege Schmitt im Zwischenruf gemacht hat. Sie haben eben eine unwahre Tatsachenbehauptung in den Raum gestellt. Wir haben unmittelbar, nachdem die Bundesumweltministerin auf der Grundlage einer Entscheidung des Bundeskabinetts erklärt hat, keine Aussagegenehmigung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erteilen, entschieden, dass wir das für nicht hinnehmbar halten, und im Untersuchungsausschuss beantragt bzw. den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses aufgefordert, alle Mittel in Bewegung zu setzen, um das zu korrigieren.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Insofern ist das eine unwahre Tatsachenbehauptung, die Sie hier zu Ihrer Verteidigung angeführt haben. Ich bin mir nach Ihren Ausführungen sehr sicher, dass Sie unmittelbar nach Behandlung dieses Tagesordnungspunktes das Telefon in die Hand nehmen und die Bundeskanzlerin auffordern werden, die entsprechende Kabinettsentscheidung zu korrigieren, damit wir das hinkriegen. Das werden Sie versuchen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will nochmals eine Einordnung vornehmen, die notwendig ist, um zu verstehen, worum es hier eigentlich geht. Kollege Wagner, ich will eine Einordnung vornehmen.

Im Herbst 2010 hat Schwarz-Gelb den rot-grünen Atomausstieg korrigiert, den Ausstieg aus dem Ausstieg formuliert.

Am 11. März 2011 ist der Tsunami über das AKW Fukushima hinweggefegt, mit den Auswirkungen, die wir damals erlebt haben.

Drei Tage später, am 14. März fand das erste Treffen der Bundeskanzlerin mit den Atomkraftwerksbetreibern wie den betroffenen Ministerpräsidenten statt – alle CDU –, in dem über die Frage eines Moratoriums für die ältesten AKWs in Deutschland diskutiert wurde.

Am 15. März, einen Tag später, wurde dies, diese gemeinsame Entscheidung von Ihnen mit der Bundeskanzlerin, verkündet.

Am 27. März fand die Landtagswahl in Baden-Württemberg statt.

(Günter Rudolph (SPD): Ah!)

Diesen Kontext muss man kennen: in welcher Art und Weise Sie agiert haben und unter welchem politischen Druck Sie standen.

(Norbert Schmitt (SPD): Und die Kommunalwahl in Hessen!)

Bei den Entscheidungen am 14. und 15. März ging es, glaube ich, weniger um das Thema Atomsicherheit als um die Frage des Ausgangs der Landtagswahl in Baden-Württemberg. Damals war das unisono die Kommentarlage.

Deswegen bleibt am Ende eine zentrale Frage im Raum. Im Wissen darum, dass das, was damals von Ihnen gemeinsam entschieden wurde, rechtswidrige Grundlagen hat – daran besteht aus meiner Sicht überhaupt kein Zweifel mehr,

(Günter Rudolph (SPD): Da bin ich mir gar nicht so sicher! – Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

das hat Renneberg noch einmal sehr deutlich ausgeführt –: Ob Ihr Verhalten Ausdruck von Unvermögen oder von Kumpanei zwischen der Atomindustrie und der CDU Deutschlands ist, das ist die Frage, um die es hier geht.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und der LINKEN – Manfred Pentz (CDU): Das ist unglaublich! Das ist unerhört! – Weitere Zurufe von der CDU)

Deswegen – Herr Pentz, Herr Ministerpräsident – halte ich für uns folgende Punkte fest.

(Manfred Pentz (CDU): Eine Frechheit ist das!)

Erstens. Die Stilllegungsanordnung war rechtswidrig. RWE hätte angehört werden müssen. Das haben inzwischen Gerichte festgestellt. Zudem wurde eine unzutreffende Rechtsgrundlage für die Anordnung herangezogen.

(Nancy Faeser (SPD): So ist es! Das war rechtswidrig!)

Zweitens. Die Schadenersatzklage von RWE in Höhe von 235 Millionen € wie auch der anderen betroffenen Energieversorgungsunternehmen war vermeidbar – wenn man ordentlich gearbeitet hätte.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Drittens. Mit dem von RWE bestellten Brief des Ministerpräsidenten – anders kann man das nicht formulieren – ist das Risiko für einen realen Schadenersatz in Höhe von 235 Millionen € deutlich gestiegen.

(Beifall bei der SPD)

Viertens. Die Landesregierung, in Person der früheren Umweltministerin Puttrich und des Ministerpräsidenten Volker Bouffier, handelt mindestens fahrlässig bei der Ausstellung der Stilllegungsverfügung.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Ich sage heute: vorsätzlich.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Herr Ministerpräsident, deswegen ist die Frage zu stellen: Was sind eigentlich die realen Abläufe? Dazu hat der Untersuchungsausschuss doch schon sehr spannende Hinweise gegeben. Ich will das noch mal zusammenfassen.

Bei der Erstellung der Stilllegungsanordnung rät die Fachabteilung des hessischen Umweltministeriums der damaligen Hausspitze ab, auf eine Anhörung von RWE zu verzichten. Die Fachleute hielten eine Stilllegungsanordnung ohne Anhörung für rechtlich nicht haltbar.

(Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört!)

Stattdessen zog die Umweltministerin die für Atomfragen zuständige Fachabteilung ab und bearbeitete die Stilllegungsanordnung mit den fachfremden Mitarbeitern ihres Ministerinnenbüros und sonst niemandem.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Fachabteilung war der Auffassung, dass die vorgesehene Rechtsgrundlage für die Stilllegungsanordnung falsch sei. Die Abteilung wurde daraufhin zur reinen Schreibstube bzw. zum „qualifizierten Schreibbüro“, so das Zitat eines der Zeugen, degradiert.

(Holger Bellino (CDU): E i n e s Zeugen!)

Außerdem wurden aus dem Justizministerium frühzeitig erhebliche Bedenken geltend gemacht, ob der richtige Paragraf des Atomgesetzes für das Moratorium zugrunde gelegt wurde. Es wurde angeraten, zur Vermeidung einer etwaigen Schadenersatzpflicht des Landes zu versuchen, ein Einvernehmen mit den Betreibern, also RWE, herzustellen. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass die Anhörung von RWE auch noch im laufenden Verfahren nachgeholt werden könnte.

(Günter Rudolph (SPD): Das weiß jeder Verwaltungslehrling!)

Die Juristen des Justizministeriums stellten auch fest, dass ein Verzicht auf die im Regelfall gebotene Anhörung sehr zweifelhaft sei. Die alleinige Kenntnis aus den Medien dürfte – jedenfalls aus Sicht des Justizministeriums – nicht ausreichen.