Die Juristen des Justizministeriums stellten auch fest, dass ein Verzicht auf die im Regelfall gebotene Anhörung sehr zweifelhaft sei. Die alleinige Kenntnis aus den Medien dürfte – jedenfalls aus Sicht des Justizministeriums – nicht ausreichen.
Ich stelle heute fest: Wäre diesem Vermerk des Justizministeriums gefolgt worden, wäre Hessen heute aus dem Schneider.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Manfred Pentz (CDU): Das ist Unsinn, und das wissen Sie auch!)
Herr Ministerpräsident, stattdessen wurde der Vermerk des Justizministeriums im Umweltministerium – so das wörtliche Zitat des Abteilungsleiters Atom im Untersuchungsausschuss – „weggeworfen“.
Die im Umweltministerium nicht erfolgte Dokumentation war ein gravierender Verstoß gegen die gemeinsame Geschäftsordnung der Staatskanzlei und der Ministerien des Landes Hessen sowie gegen den Aktenführungserlass.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Bouffier, deswegen ist es schlicht und einfach so, dass Sie am Ende mit die Verantwortung haben, auch weil Sie anschließend im Schriftverkehr zur Stilllegungsanordnung zwischen Staatskanzlei und Ministerium nicht nur eingebunden waren, sondern sich selbst aktiv daran beteiligt haben. Sie haben sogar Änderungen an den Formulierungen vorgenommen.
Deswegen ist Ihr Versuch am heutigen Tage, das jetzt auf den Bund abzuschieben – nach dem Motto, die sind zuständig –, wirklich niederträchtig und falsch.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Holger Bel- lino (CDU): Das ist peinlich! – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))
Frau Lannert, am 13. Juni 2011 drohte er gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden von RWE an, das Wiederanfahren von Biblis von der Atomaufsicht untersagen zu lassen. Damit lieferte er in der Tat RWE eine juristische Munition für die Schadenersatzklage. Der Punkt, den Sie ausgeführt haben, war bis zur letzten Konsequenz richtig.
Entscheidend war aber, RWE hätte in der Tat das Recht gehabt, wieder anzufahren, hat es aber nicht getan – offensichtlich, das ist zumindest die Vermutung,
nach dem Hinweis, es gebe eine Absprache zwischen Herrn Pofalla und RWE, auf deren Verabredung hin Sie ein Schreiben an RWE mit dem Ziel richten,
um zu unterbinden, dass es dazu kommt, damit RWE anschließend erklären kann, man habe alles versucht,
aber es sei klar gewesen, man hätte es am Ende nicht tun können. Herr Bouffier, deswegen sind Sie voll in der Verantwortung.
Herr Bouffier, deswegen kann ich es Ihnen nicht ersparen: In diesem Stadium des Verfahrens muss man sehr klar fragen: Welche informellen Verabredungen zwischen Herrn Pofalla, Herrn Röttgen, Ihnen und Großmann gibt es? Deswegen waren wir sehr verwundert, dass es am Ende nicht möglich war, sozusagen schon jetzt zu einer Vereinbarung zu kommen – wegen einer anschließenden Auseinandersetzung mit dem Kollegen Kaufmann auf Twitter will ich es vorsichtiger formulieren –, warum es nicht möglich ist, Sie drei an einem Tag zu vernehmen.
Ich fände es schon sehr spannend, zu wissen, was Sie an einem und demselben Tag sagen – um klarzumachen, dass Abstimmungsprozesse danach nicht mehr möglich sind.
Ich sage Ihnen: Für uns bleibt am Ende die Frage im Raum: Ist es – – Herr Pentz, es geht noch viel schlimmer. Noch sind wir sozusagen in der Phase der Vorbereitung dessen, was da alles kommt.
Herr Pentz, die Frage bleibt im Raum: Ist das, was bereits an Rechtswidrigkeit festgestellt wurde, stümperhaft gewesen, oder war es schiere Absicht? Und die Frage lautet: Welches war das Motiv dieser Absicht, Herr Pentz?
(Beifall bei der SPD – Zurufe der Abg. Holger Belli- no, Michael Boddenberg und Manfred Pentz (CDU))
Jetzt will ich Ihnen offen sagen: Ich teile die Verschwörungstheorien an der Stelle nicht, die unterstellt, dass es Absicht war, mit dem Ziel, RWE Schadenersatz zuzuschieben.
Ich glaube allerdings, es stand sehr wohl die Absicht dahinter, mit Blick auf die Landtagswahl in Baden-Württemberg, so schnell wie möglich aus Ihren politischen Fehlentscheidungen herauszukommen, um bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg eine Chance zu erhalten.
(Beifall bei der SPD und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE) – Zurufe der Abg. Clemens Reif, Manfred Pentz und Michael Boddenberg (CDU))
Herr Ministerpräsident, damit bin ich wieder bei Ihrer Verantwortung. Denn Sie haben einen Amtseid auf das Wohl des Landes geleistet.
Sie haben keinen Amtseid auf das Wohl der Wahlerfolge der Union im Bundesgebiet geleistet. Und das ist der entscheidende Punkt. Diese Frage wird am Ende zu klären sein: ob Sie der 235-Millionen-€-Mann sind oder ob es eine wirkliche Erklärung für diese Abläufe gibt.
(Holger Bellino (CDU): Das ist unglaublich! – Michael Boddenberg (CDU): Ehrabschneidend ist das, was Sie da versuchen!)
Das ist nicht ehrabschneidend. Es gibt gerichtliche Entscheidungen, die festgestellt haben, dass das stümperhaft und rechtswidrig war. Dass die hessische Union gelegent
lich ein Problem damit hat, Gerichtsurteile zu akzeptieren, haben wir mehrfach nachvollziehen müssen.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Holger Bel- lino (CDU): Wo denn? – Weitere Zurufe von der CDU)
Herr Ministerpräsident, Briefe von Ihnen sind keine Postkarten an irgendwelche Kumpels. Sie haben unter dem Briefkopf des Hessischen Ministerpräsidenten einen Brief mit einer klaren politischen Botschaft geschrieben, für die ganz allein Sie die Verantwortung tragen, weil es keine atomrechtliche Weisung des Bundes gab. Sie sind verantwortlich für den Schlamassel, und dem werden Sie sich irgendwann einmal stellen müssen.
Vielen Dank. – Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße auf der Besuchertribüne die Abgeordnete des Thüringer Landtags und ehemalige Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht. Frau Lieberknecht hat gestern am Podiumsgespräch im Rahmen der Festveranstaltung „25 Jahre Aktionsprogramm Hessen-Thüringen“ teilgenommen und ist heute zu einem Gespräch mit Landtagspräsident Norbert Kartmann noch einmal als Gast bei uns. Herzlich willkommen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Allerwichtigste zuerst: Es ist gut und richtig, dass wir in Hessen bereits jetzt und in Deutschland wenigstens ab 2022 unseren Strom nicht mehr durch das Höllenfeuer der Atomkraft erzeugen,
durch eine unverantwortliche, weil unbeherrschbare und uns heute Lebende und viele nachfolgende Generationen weiterhin belastende Technologie. Wir GRÜNE haben damit eines unserer wichtigsten politischen Ziele erreicht, das wir seit der Gründung unserer Partei unbeirrt verfolgt haben, und wir sind stolz darauf.
Meine Damen und Herren, wir sind ebenfalls froh darüber, dass der einst von uns GRÜNEN als krasse Minderheitsmeinung propagierte Atomausstieg längst zu einem breiten Konsens in der Gesellschaft geworden ist. Allerdings muss dies in der heutigen Debatte nach dem, was wir bisher vom Kollegen Schäfer-Gümbel gehört haben, doch noch einmal unterstrichen werden. Sie von der SPD-Fraktion haben durch Ihren Beifall gezeigt, dass Sie das in der tagespolitischen Streiterei offensichtlich vergessen hatten. Deshalb ist das Faktum des Atomausstiegs als wirklich wichtiges Ergebnis noch einmal festzuhalten.
Wenn wir aber, wie es der Antrag der SPD-Fraktion tut, rückwärts, in das Jahr 2011, schauen wollen, dann müssen