Protokoll der Sitzung vom 05.02.2015

Deren Vereinsvorsitzender wurde wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhass verurteilt. Er huldigt der Wehrmacht und der Waffen-SS, er bezeichnete den ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden als „überaus unsympathischen Berufsjuden“. Zum Tod von Rudolf Heß hat der Verein Traueranzeigen geschaltet und Heß-Gedenkmedaillen vertrieben. Die Gäste bei Themenabenden des Vereins sind unter anderem der HolocaustLeugner Horst Mahler und der ehemalige NPD-Kandidat für das Bundespräsidentenamt Frank Rennicke.

Meine Damen und Herren, das ist offensichtlich das politische Umfeld, in dem sich Ihr Fraktionskollege bewegt, und ich frage mich: Wie lange wollen Sie ihn noch in Ihren Reihen dulden?

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Gleich nach seinem Rücktritt hat Irmer erklärt, dass er inhaltlich nichts zurückzunehmen habe, dass er auch weiterhin seine Meinung äußern werde und dass das jeder – also auch die CDU – ertragen müsse. Es ist also klar, dass Irmer genau so weitermachen wird wie bisher, nur ohne Amt, quasi als freier Radikaler der CDU-Fraktion.

Dabei tut er immer so, als sei er besonders mutig, weil er angeblich Wahrheiten ausspreche, die sonst keiner sagen würde. Ich sage: Gegen Flüchtlinge, gegen Migranten zu hetzen ist nicht mutig, das ist erbärmlich.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ich hätte mir gewünscht, dass sich der Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende auch nur ein einziges Mal schützend vor die Menschen gestellt hätte, die Hans-Jürgen Irmer tagtäglich beleidigt und diffamiert. Ein einziges Mal hätte er klare Worte in der Sache finden können, statt immer weiter dazu zu schweigen.

(Zuruf des Abg. Ismail Tipi (CDU))

Herr Irmer hat sich schon einmal von seinen Ämtern zurückgezogen. Es ist gerade einmal ein Jahr her, dass die CDU ihn wieder zum bildungspolitischen Sprecher gemacht hat. Solange Sie Hans-Jürgen Irmer in Ihren Reihen dulden, so lange lassen Sie zu, dass Sie eine offene Flanke nach rechtsaußen haben. Mehr noch: Solange Sie ihn tolerieren, muss man davon ausgehen, dass das Ganze Teil einer Arbeitsteilung ist, einer Rollenverteilung: da der nette Landesvater, und für den Stimmenfang rechtsaußen sind Steinbach und Irmer zuständig.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Am letzten Montag hat in Wetzlar das Bündnis „Wetzlar – bunt statt braun“ zu einer Gedenkveranstaltung aufgerufen. Am Vorabend des 70. Jahrestages der Auschwitz-Befreiung sollte es einen Mahngang zur ehemaligen Synagoge geben. Es war ein breiter Aufruf. 30 Parteien, Moscheenverbände, Migrantenvereine, die Kirchen haben aufgerufen. Der Landrat war dabei, der Regierungspräsident hat eine Grußbotschaft geschickt.

Herr Irmer, der direkt gewählte Abgeordnete in diesem Wahlkreis, hat sich geweigert, an dieser Veranstaltung teilzunehmen, unter anderem mit der Begründung, der Präsident der Deutsch-Französischen Gesellschaft sei eingeladen worden, aber nicht die deutsch-österreichische Partnergesellschaft, und es erschließe sich ihm nicht, warum das Netzwerk türkischstämmiger Mandatsträger eingeladen sei, was die mit dem Holocaust zu tun hätten.

Frau Kollegin Wissler, Sie müssen zum Schluss kommen.

Mit der Begründung hat Hans-Jürgen Irmer die Teilnahme an einer Gedenkveranstaltung zum Holocaust-Gedenktag abgelehnt.

Meine Damen und Herren, diese Ausfälle sind keine Ausrutscher, sie sind Gesinnung. Deshalb sind wir der Meinung, dass Herr Irmer den Landtag nicht länger als Ausschussvorsitzender repräsentieren darf. – Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Das Wort hat Herr Abg. Rudolph, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Immer wieder Hans-Jürgen Irmer, der wiederholt mit ausländerfeindlichen, islamfeindlichen und homophoben Äußerungen aufgefallen ist, zuletzt in der Februarausgabe seines Hetz- und Kampfblattes „Wetzlar Kurier“.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was macht dazu die hessische CDU? Herr Boddenberg erzählt etwas, es sei mit den Grundsätzen nicht vereinbar. Herr Boddenberg, was ist denn an den Äußerungen des Herrn Irmer mit Ihren angeblichen Grundsätzen nicht vereinbar? Was die Kollegin Wissler eben zitiert hat: Bei der Veranstaltung des DGB vor einigen Tagen in Wetzlar hat Herr Irmer nicht geredet. Die anwesende Kollegin Öztürk hat geredet, vielen Dank. Nach dem, was ich gehört habe, waren es klare und deutliche Worte.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Wenn jemand als türkischstämmige Mandatsträgerin beleidigt wird, was ist das für eine Sprache? Sprache ist nicht nur verräterisch, sie macht deutlich: Herr Irmer will am rechten Rand wildern, und der Landesvorsitzende der hessischen CDU und Ministerpräsident, der irgendwo da hinten ist, sagt zu der Causa Irmer nichts.

Nein, wir sind es leid, dieses schäbige Verhalten von Herrn Irmer darf durch den Hessischen Landtag nicht gebilligt werden. Heute muss eine klare Missbilligung erfolgen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Diese Rituale gibt es schon seit Jahren: immer am latent rechten Rand und darüber hinaus wildern, Vorurteile sammeln, angebliche Sorgen und Nöte von Menschen aufnehmen – und die hessische CDU schweigt. Herr Irmer hat die Funktion des Vorsitzenden des Unterausschusses für Heimatvertriebene, ein Ausschuss, in dem es auch um Versöhnung, Integration und Ausgleich geht. Dieser Rolle, dieser Aufgabe ist Herr Irmer nicht gerecht worden.

Deshalb ist ein klares Signal in unserem Entschließungsantrag, zu dem wir hier und heute namentliche Abstimmung beantragen: Herr Irmer hat für uns nicht die Voraussetzungen, dieses überparteiliche Amt auszufüllen. Er schadet mit seinem Verhalten dem Ansehen des Hessischen Landtags.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und der LINKEN so- wie des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Dann haben Sie heute einen – Entschuldigung – armseligen Antrag auf den Weg gebracht. Jetzt sollen die Abgeordneten des Landtags über Grundsätze von CDU und GRÜNEN beschließen. Was haben Sie für ein Staatsverständnis? Ich dachte, solche Zeiten hätten wir hinter uns.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP)

Ich bin sehr bereit, über den Grundsatz der Beliebigkeit und der Wendigkeit mit Ihnen zu reden und gegebenenfalls in eine Abstimmung zu treten. Aber ich verbitte mir für die Fraktion der SPD und auch für andere, dass wir unsere Grundsätze hier gegenseitig per Mehrheitsentscheidungen finden. Sie haben ein miserables Demokratie- und Staatsverständnis.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP)

Der hessische Landesvorsitzende und Ministerpräsident schweigt zu alledem. Anlässlich der Veranstaltung zum Gedenktag 70 Jahre Befreiung von Auschwitz, die der LWV in Kassel ausgerichtet hat, gibt es wohlfeile Worte, auch dass man nicht vergessen darf und auf die Ursachen und Konsequenzen hinweisen muss. Aber Herr Irmer darf als Kreisvorsitzender – Frau Lannert, wenn das zum Lachen ist, dann zeigt das Ihre armselige Argumentation; Sie haben nichts, aber auch gar nichts von der Diskussion verstanden, um die es hier geht – –

(Lebhafter Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP – Judith Lannert (CDU): Es geht Sie nichts an, wann ich lache oder nicht! Das ist eine Unverschämtheit!)

Wenn Sie grinsen wollen, weil Sie der Debatte intellektuell nicht folgen können, gehen Sie raus.

(Allgemeine Unruhe – Glockenzeichen des Präsi- denten)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, das ist genau Teil der politischen Strategie. Solange sich Herr Bouffier dazu nicht äußert, muss er mit diesem Vorwurf leben. Da soll jemand am rechten Rand wildern und Stimmen für die CDU akquirieren. Er ist nach wie vor Kreisvorsitzender in Lahn-Dill, und es gibt keine inhaltliche Distanzierung von ihm, ganz im Gegenteil.

„HNA“ vom 2. Februar dieses Jahres: „Inhaltlich habe ich nichts zurückzunehmen“, Hans-Jürgen Irmer. Und uns dann einen solchen Antrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorzulegen, das ist eine ziemliche Unverschämtheit. Wo ist da die Distanzierung von Inhalt und Person des Herrn Irmer, auch bei den GRÜNEN?

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN – Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Innenminister, Sie werden Gelegenheit haben, dem Parlament im Ausschuss zu erklären, warum es im „Wetzlar Kurier“, Ausgabe Januar 2/15, eine Anzeige der Polizeidirektion Lahn-Dill gibt.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Allerdings!)

In diesem Kampf- und Hetzblatt eine offizielle Anzeige der Polizeidirektion Lahn-Dill – was ist das für ein unglaublicher Skandal. Partei und Staat werden miteinander vermengt. Unerträgliche Zustände.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Herr Kollege Rudolph, Sie müssen zum Schluss kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen ist dieser Entschließungsantrag konsequent und folgerichtig. In namentlicher Abstimmung hat jeder Abgeordnete Gelegenheit, dieses Verhalten von Herrn Irmer zu verurteilen. Wenn die GRÜNEN dabei wegtauchen, ist das feiges Verhalten. – Vielen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Anhaltender Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP)

Vielen Dank, Kollege Rudolph. – Das Wort hat der Abg. Wagner, Fraktionsvorsitzender BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zu den jüngsten Veröffentlichungen des Abg. Hans-Jürgen Irmer vier Feststellungen treffen. Die erste Feststellung ist: Wir teilen die Auffassungen von Herrn Irmer zum Islam nicht. Wir halten es ausdrücklich für falsch, dass man den Islam und Islamismus gleichsetzt. Das ist genau das falsche Signal in der aktuellen Situation.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir sind Kirchen und Glaubensgemeinschaften, wir sind Christen, Juden und Muslimen für das Signal sehr dankbar, das sie nach den furchtbaren Anschlägen von Paris gesetzt haben. Und dieses Signal war eindeutig: Mord, Gewalt, Terror können sich niemals auf Gott und auf keinen Gott in keiner Religion berufen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Religion und Glauben sind für viele Menschen ein wichtiger Teil ihrer Identität. Aber es ist eben nicht der alleinige Teil ihrer Identität. Wir hatten am Dienstag in der Rede von Prof. Agai in unserer Gedenkstunde, wie ich finde, die sehr wichtige und bemerkenswerte Feststellung, dass Muslime wie Christen auch vor allem erst einmal Väter, Mütter, Söhne, Töchter, geschätzte Arbeitskollegen, engagierte Vereinsmitglieder und dann auch Muslime sind, aber eben nicht nur Muslime.

Diese Feststellung von Prof. Agai ist sehr wichtig. Das hat mich in seiner Rede sehr beeindruckt. Genau deshalb ist die Gleichsetzung von Islam und Islamismus so falsch.