Wenn die Impfquoten sehr hoch sind, sind natürlich die Erkrankungen gering, und dann verlieren Kinderkrankheiten auch an Schrecken. Dann führen Berichte über Impfschäden zu Ängsten und Verunsicherung bei Eltern, ob sie ihr Kind wirklich impfen lassen sollten. Die berühmte Impfmüdigkeit droht sich breitzumachen.
Impfungen gehören jedoch zu den wirksamsten und wichtigsten präventiven Maßnahmen der Medizin. Sie schützen vor Infektionen und deren Komplikationen. So steht es im hessischen Gesundheitsbericht, meine Damen und Herren.
In der Großen Anfrage zur Kindergesundheit von gestern konnten wir erfahren, dass im Jahre 2013 in Hessen 93,7 % der Kinder gegen Masern zweifach geimpft waren. Hessen steht damit gut da. Hessen liegt damit über dem Schnitt der Bundesländer bei der Masernimpfung. Spannend finde ich dabei, dass Kinder mit Migrationshintergrund in Hessen eine höhere Impfquote als Kinder ohne aufweisen. Eine Impfpflicht ist aber verfassungsrechtlich problematisch.
Wir setzen deshalb auf Aufklärung, auf Beratung, aber auch auf eine hohe Verbindlichkeit. Ohne breiten Impfschutz drohen Epidemien. Deshalb ist er eben so wichtig, gerade dann, wenn Kinder in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindertagesstätten oder Schulen angemeldet werden. Das gilt besonders bei Masern, denn sie gehören zu den ansteckendsten Krankheiten.
Im Kindergesundheitsschutz-Gesetz ist gerade aus diesem Grund in § 2 die Vorlage des Impfnachweises bei der Anmeldung in die Kindertagesstätte verankert worden. Wenn die Eltern bestimmte Impfungen für ihr Kind ausschließen, dann müssen sie auch schriftlich widersprechen.
Dass wir in Hessen sehr hohe Impfwerte haben, hat ganz sicher auch mit der guten Beratung durch unsere Kinderärzte und der Aufklärung zu tun; denn sie klären die Eltern über Für und Wider der Impfung auf. Sie führen auch
die altersgemäßen Impfungen im Rahmen der regelmäßigen Vorsorgeuntersuchung durch, also der U-Untersuchungen, die bei uns verpflichtend sind.
In Gesprächen mit vielen Kinderärzten konnte ich erfahren, dass sie bei Krankheiten wie Masern die unbedingte Notwendigkeit zur Impfung sehen; denn es drohen Komplikationen, wie leider auch Berlin gezeigt hat, die im schlimmsten Fall sogar tödlich verlaufen können. Was viele Bürgerinnen und Bürger nicht wissen, ist: Die Gefahr an Kinderkrankheiten wie Masern zu erkranken, existiert gerade auch bei ungeimpften Erwachsenen.
So empfiehlt das Robert Koch-Institut allen Erwachsenen, die noch nicht geimpft sind oder die noch nicht die Krankheit selbst durchlebt haben, die Nachholung der Impfung. Epidemien machen nämlich auch nicht vor Erwachsenen halt. Wir rufen deshalb heute alle Hessinnen und Hessen auf: Überprüfen Sie den Impfstatus Ihrer Kinder und Ihren eigenen. Holen Sie Impfungen nach.
Vielen Dank. – Es wäre ein gutes Zeichen dieses Landtags, wenn wir uns alle gemeinsam hier anschließen. Holen Sie die Impfung notfalls nach. Meine Damen und Herren, zwei Pikse genügen, um sich wirksam gegen Masern zu schützen. Gehen Sie alle zum Impfen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Ravensburg. – Als Nächste hat Frau Kollegin Schott, Fraktion DIE LINKE, das Wort. Bitte sehr.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir verbringen hier eine Aktuelle Stunde damit, uns über das Thema Impfen auseinanderzusetzen. Ich denke, die öffentliche Debatte – Impfpflicht oder nicht – ist natürlich eine sehr wichtige. Aber ich glaube, sich damit zu beschäftigen und die Regierung zu loben, ist eine wohlgepflegte Methode des Hessischen Landtags in der Aktuellen Stunde. Wenn das der Sinn der Sache ist, dann finde ich das sehr bedauerlich. Denn zu sagen, wir sind bundesweit ein ganz kleines bisschen über dem Durchschnitt, und deswegen beklatschen wir uns jetzt an dieser Stelle, das ist doch ein bisschen wenig für eine politische Kultur.
Einen Appell in die Öffentlichkeit zu geben, sich mit der Impfung auseinanderzusetzen und in die eigenen Impfunterlagen und die der Kinder hineinzusehen – ja, das ist sicherlich eine wichtige Aufgabe. Das kann man gut in einer Presseerklärung machen. Das kann man auch gut mit anderen Hinweisen über die Gesundheitsämter usw. machen, wenn man das machen will. Das finde ich auch richtig und wichtig.
Aber ich glaube, dass das nicht das ist, was wir hier miteinander tun sollten. Ich finde es auch überaus bedauerlich, dass immer wieder auf diese Weise die politische Auseinandersetzung in diesem Haus ziemlich kleingemacht wird, indem man Themen so setzt, dass sie eigentlich Nullthemen sind.
Sicherlich sind wir uns alle darüber einig, dass wir ein Interesse daran haben, dass die Menschen in diesem Land gesund sind. Sicherlich sind wir uns darüber einig, dass man Aufklärung betreiben muss. Aber, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, man muss dann auch das notwendige Personal dazu bereitstellen. Dann muss man in Gesundheitsämtern genügend Menschen haben, die beraten können. Dann muss man an den Schulen Menschen haben, die dazu beraten können.
Dann muss man in den Kindertagesstätten Zeit und Kraft haben, mit Eltern zu reden, und nicht eine Personaldecke haben, die so dünn ist, dass es nicht mehr möglich ist. Man muss auch in den Krankenhäusern so ausgestattet sein, dass man dann, wenn man einen Verdachtsfall hat, gleich angemessen reagieren kann, und nicht Dinge passieren, die in der Vergangenheit bedauerlicherweise passiert sind.
Dafür hat eine Regierung Sorge zu tragen. Das wäre der Moment gewesen, an dem Sie hätten sagen können: Ja, anhand der bestehenden Situation haben wir erkannt, dass es Handlungsbedarf gibt. Aus diesem Handlungsbedarf heraus machen wir mehr als nur Appelle. Appelle, die wir von diesem Tisch aus gut machen können, die uns nichts kosten, die uns keine Mühe machen – das allein reicht nicht.
Wenn Sie wollen, dass Eltern gut aufgeklärt sind, sorgen Sie dafür, dass diese Aufklärung stattfinden kann, dass es das notwendige Fachpersonal gibt, dass es die notwendige Absicherung dieses Personals gibt und dass das auch kontinuierlich der Fall ist und die nicht nur zur Masernimpfung beraten, sondern auch noch zu vielen anderen gesundheitlichen Dingen, zu denen beraten werden muss, dass es die Möglichkeit gibt, das auch in verschiedenen Sprachen zu erlangen, und dass das durchgängig vorhanden ist.
Da wären wir dann bei Ihnen und würden das unterstützen. Hier freundliche Appelle abzugeben ist für eine Regierung und für die die Regierung tragenden Fraktionen ein kleines bisschen zu wenig. Ich finde, das sollten Sie sich zu Herzen nehmen und sollten Ihren eigenen Arbeitsauftrag und nicht nur Ihren Impfpass wieder einmal überprüfen. – Herzlichen Dank.
Frau Kollegin Schott, vielen Dank. – Das Wort erhält Herr Abg. Bocklet für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte sehr.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Schott, ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Angesichts der Diskussion, die draußen im Land läuft, angesichts des tragischen Todesfalls eines Kindes in Berlin und des Ausbruchs von über 500 Masernfällen in Berlin und angesichts der Tatsache, dass sich viele Menschen auch in Hessen darüber unterhalten, ob sie sich impfen lassen sollen und ob es eine Impfpflicht geben soll, finden wir das Thema Impfen in der Tat wichtig. Offensichtlich unterscheidet uns das von Ihnen.
(Beifall der Abg. Mathias Wagner (Taunus) und Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sowie bei Abgeordneten der CDU)
Masern sind eine schwerwiegende Krankheit, gegen die eine Impfung möglich und sehr sinnvoll ist. Masern können lebenslange Beeinträchtigungen oder sogar Lebensgefahr zur Folge haben. Es ist auch klar, dass durch den Ausbruch die Diskussion neu aufgeflammt ist, wie eigentlich der Impfstatus in Deutschland ist.
Ich finde, dass wir mit Aufklärung, Transparenz und Appellen in dieser Frage sensibilisieren – deswegen ist es gut, dass das in der Aktuellen Stunde diskutiert wird –, sich tatsächlich noch einmal zu hinterfragen, ob ich und meine Kinder geimpft sind. Wenn Sie wollen, können Sie den Test gerne einmal mitmachen. Ich habe mir eine Seite des Robert Koch-Instituts ausgedruckt. Darauf stehen die Standardempfehlungen für Kinder bis zu einem Alter von 24 Monaten. Da geht es um zwölf Impfungen, die möglich sind – zwölf Impfungen.
Fragen Sie sich doch selbst einmal, wer von Ihnen in diesem Haus, wer von den 110 Abgeordneten, außer vielleicht Herrn Spies und Herrn Bartelt, die Mediziner sind, die zwölf Impfungen zusammenbekommt, die man eigentlich standardmäßig haben sollte. Wenn ich in Ihre leeren Augen blicke, dann glaube ich, dass es Ihnen wahrscheinlich so wie mir geht. Ich hätte sie nicht zusammenbekommen.
Das zeigt die Notwendigkeit, dass wir noch weiter aufklären müssen und dass wir noch mehr informieren müssen. Der Herr Minister wird bestimmt gleich sagen, welche Maßnahmen die Landesregierung ergreift, damit tatsächlich mehr Impfklarheit und mehr Transparenz stattfindet. Das kann beispielsweise über die öffentlichen Gesundheitsdienste geschehen. Wichtig ist, dass wir das tun und dass wir als Parteien dafür werben, dass jeder der Aufforderung nachkommen soll, sich impfen zu lassen.
Die Frage ist: Ist eine Impfpflicht, ein Impfzwang gerechtfertigt? Die Zahlen besagen, dass die Zahl der geimpften Kinder bei den Einzuschulenden zwischen 2000 und 2013 von 91 % auf 96 % gestiegen ist. Laut WHO besteht ab 95 % geimpfter Menschen ein Impfschutz für die Bevölkerung. Die Krankheit gilt dann als ausgestorben. Es können dann, wenn überhaupt, nur noch wenige daran erkranken. Die Krankheit gilt als ausgerottet.
Wir haben das tragische Problem, dass wir natürlich ein internationales Land mit vielen ein- und ausreisenden Menschen sind. Dem Ausbruch lag zugrunde, dass jemand aus einem Bürgerkriegsgebiet kam, in dem die Impfung nicht mehr regelmäßig durchgeführt wird. Das war damals in Serbien und Kroatien so. Das wurde sozusagen eingeschleppt. Deswegen kam die Epidemie auf.
Ich finde, dass wir mehr tun müssen und dass wir mehr aufklären müssen. Wir brauchen mehr Impfberatung. Bei diesen Krankheiten, bei denen klar ist, dass sie schlimm enden können, müssen wir die Menschen wirklich so gründlich beraten, dass es nicht zu weiteren Epidemien kommt.
Umgekehrt haben wir in der Bundesrepublik – ich finde, zu Recht – ein sehr strenges Verfahren, das klärt, ob es einen Impfzwang geben muss. Laut Infektionsschutzgesetz des Bundes besagt die Definition, dass es zu einem schwerwiegenden klinischen Verlauf kommen muss. Die
Laut der Verfassung kann eine Impfung eine Körperverletzung sein. Es muss ein verfassungskonformes Verfahren geben. Es ist daher aber mehr als zweifelhaft, ob das vor dem Bundesverfassungsgericht tatsächlich Bestand haben würde. Deswegen setzen wir vor einer Pflicht darauf, alles auszuschöpfen, damit es tatsächlich gelingt, jeden davon zu überzeugen, dass es eine Frage der Solidarität ist, sich impfen zu lassen.
Das ist keine Frage allein von übergeordneten philosophischen Ansätzen. Wir wissen, dass es überhaupt nur 1 % grundsätzlicher Verweigerer der Impfungen gibt. Das ist nur 1 %. Das heißt, es gibt ein großes Potenzial. Man kann auf Freiwilligkeit setzen.
Wir appellieren auch, dass das ein soziales Verhalten ist. Es gibt da eine Solidargemeinschaft. Wir appellieren an alle draußen: Wer sich impfen lässt, schützt sich und andere. Das ist eine Frage der Solidarität und des gemeinsamen Lebens. Das muss heute als Signal von diesem Landtag ausgehen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Kollege Bocklet, vielen Dank. – Als Nächster erhält Herr Kollege Rock für die FDP-Fraktion das Wort. Bitte sehr.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin der Union ausgesprochen dankbar, dass sie das heute im Hessischen Landtag zu einem Thema gemacht hat. Ich weiß nicht, wie Sie auf dieses Thema gekommen sind. Mir ist es durch die Berichterstattung über eine Familie präsent geworden, deren Kind dem Tod geweiht ist. Irgendwie hat man den Eindruck, dass das einen erschüttert und dass man gleichzeitig etwas dafür tun möchte, dass es nicht wieder zu so etwas kommt. Das ist heute im Landtag unser gemeinsames Thema. Die Frage der Impfung soll den Menschen noch einmal deutlich nahegebracht werden.
Die Eltern müssen das entscheiden. Wer als Erwachsener betroffen ist, muss das für sich entscheiden. Aber die Konsequenzen können schrecklich sein. Von daher freut mich die große Geschlossenheit, die wir bis jetzt gezeigt und gesehen haben. Ich bin auf den Vortrag des Ministers Grüttner gespannt, der vielleicht noch das eine oder andere dazu beitragen kann, wie wir in Hessen praktisch helfen.
Herr Bocklet hat darauf hingewiesen, dass wir bei den Zuwanderern und Flüchtlingen eine schwierige Situation haben. Denn sie kommen oft aus Gebieten, in denen nicht mehr so geimpft wird, wie wir das gewohnt sind. Wir haben die Zahl in Berlin gesehen. Dort hat es gerade bei den Zuwanderern besonders starke Ausbrüche dieser Krankheit gegeben. Gerade bei Erwachsenen verläuft diese Erkrankung sehr heftig.
Gerade im Hinblick auf das, was in den Medien zu lesen war, möchte ich etwas in Erinnerung rufen. Es gab den
sehr nahegehenden Appell der Eltern des kleinen Kindes. Für kleine Kinder sind die Masern immer noch eine der häufigsten Todesursachen. Von daher kann man als Hessischer Landtag nur geschlossen an alle appellieren: Nehmen Sie das Thema ernst. Schieben Sie es nicht aus Bequemlichkeit, oder weil Sie glauben, Sie hätten keine Zeit dazu, auf. Bagatellisieren Sie dieses Thema nicht. Denn am Ende geht es um Leben und Tod.
(Beifall des Abg. Jürgen Lenders (FDP) und bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Deshalb müssen auch wir, die Vertreterinnen und Vertreter des Landes Hessen, aber auch die Hessische Landesregierung einen besonderen Blick auf die Flüchtlinge richten. Denn bei der Berichterstattung aus Berlin haben wir gesehen, dass da ein Schwerpunkt war. Da müssen wir aufmerksam bleiben. Wir müssen die Ärzteschaft motivieren, dass sie das Land unterstützt, dort handeln zu können.
Ich möchte das Thema hier gar nicht weiter vertiefen. Ich glaube, es ist bei allen Fraktionen deutlich geworden, wie wichtig das Thema ist und wie wir auftreten müssen, damit flächendeckend geimpft wird. Ich freue mich darauf, vom Minister zu hören, was das Land Hessen alles an Unterstützung für die Bürgerinnen und Bürger leistet. – Vielen Dank.