Protokoll der Sitzung vom 06.02.2014

Wenn es dann eben ein Gesetzesvorhaben gibt, das einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Förderung vornimmt, beispielsweise von der gruppenbezogenen Förderung hin zu einer kindesbezogenen Förderung, und Befürchtungen und Ängste laut werden, dann ist es in der politischen Auseinandersetzung vollkommen legitim, dies aufzunehmen und zu versuchen, es zu verstärken. Das ist legitim. So ist es auch legitim, dies aufzunehmen, auch wenn die Emotionen noch so hochgehen; und da sind wir alle in der gleichen Situation, vielleicht auch mit dem einen oder anderen Überziehen. Auch davor sind wir nicht gefeit.

Was wir aber nicht machen sollten, ist – wenn ein Gesetz beschlossen, aber noch nicht in Kraft getreten ist, es aber seit dem 23. Mai des letzten Jahres eine Phase gibt, in der sich die Träger mit einer unglaublichen Intensität vorbereiten, dieses Gesetz seit dem 1. Januar auch anzuwenden –, die Träger durch einen Antrag von den LINKEN in die Situation zu versetzen, jetzt sozusagen vollkommen die Rückwärtsschraube zu machen und alles aufzuheben. Was die Träger brauchen, ist keine neue Verunsicherung, sondern die Träger brauchen Sicherheit in ihrem Handeln. Diese Sicherheit werden ihnen die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen geben. Das sage ich in aller Deutlichkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): Die alte Verunsicherung!)

Deswegen ist das Gesetz derzeit in vollem Umgang; die Praxis stellt sich hierauf eben seit der Verabschiedung im Mai letzten Jahres ein.

Was man auch sagen kann, ist: Die eben wieder hochgekommenen Schreckensszenarien, die Herr Merz noch einmal deutlich gemacht hat, sind schlicht und einfach nicht eingetreten. Es ist ganz schlimm für Herrn Merz, dass sie nicht eingetreten sind, aber sie sind nicht eingetreten.

Dann ist es schon sehr schön, wenn ich beispielsweise den Artikel der „HNA“, publiziert am 30.01., lese: „Ahnatal wendet neues Kinderförderungsgesetz an – 50.000 € mehr vom Land“. Die „HNA“ schreibt:

Mit Blick auf die finanzielle Förderung durch das Land Hessen stellt sich die Gemeinde durch das

KiföG vermutlich deutlich besser als zuvor. Hier rechnet Ahnatal für dieses Jahr mit Mehreinnahmen in Höhe von 50.000 €. Auch bei der Zusammensetzung der Gruppen verspricht sich die Kommune durch das neue Gesetz Vorteile und mehr Flexibilität.

(Günter Rudolph (SPD): Das erzählen die Bürgermeister! – Anhaltende Zurufe von der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was haben Sie denn dagegen? Ärgert Sie das, dass sich die Gemeinde Ahnatal besser stellt als vor dem Kinderförderungsgesetz? Nicht anders sind Ihre Zwischenrufe zu verstehen.

(Regine Müller (Schwalmstadt) (SPD): Es gibt auch andere Beispiele!)

Deswegen kann die Forderung, alles rückgängig zu machen, schlicht und einfach nicht Platz greifen. Die verabschiedeten Regelungen bieten die Möglichkeit des schrittweisen Übergangs von der alten zur neuen Rechtslage. Selbstverständlich werden wir – das ist einer der wesentlichen Punkte, den eben diese Koalition vereinbart hat – mit der Evaluierung dieses Gesetzes nicht bis zum 31.12.2016 warten, sondern wir werden schon jetzt begleitend anfangen. Wir werden schon im Sommer zu ersten Zwischenergebnissen kommen. Das ist auch ein Druck, den der Koalitionspartner auf uns ausgeübt hat, zu sagen: Ihr müsst das schneller machen, damit wir wissen, wie das inhaltlich geht. – Das ist in Koalitionsverhandlungen auch vollkommen legitim.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch vollkommen legitim ist es, auf Folgendes hinzuweisen. Es ist von den Rednern, von Herrn Merz und Frau Schott, vollkommen ignoriert worden, dass es natürlich auch ein Erfolg der GRÜNEN gewesen ist, zu sagen: Wir haben auch in der Wahlauseinandersetzung immer wieder gesagt, dass das Thema Inklusion auch Bestandteil einer Kinderförderung sein muss – neben den vielen Maßnahmen zur Qualitätssteigerung, die wir auch mit vereinbart haben und die wir schrittweise umsetzen. Dafür muss einmal Geld in die Hand genommen werden.

Es war aber auch klar, dass wir dabei nicht die Verantwortungsebenen verwischen. Die Verantwortungsebenen haben wir eben nicht verwischt, denn 1999 wurde die Rahmenvereinbarung Integration ganz bewusst von den Kommunen und von den Ligaverbänden ohne das Land abgeschlossen. Denn sie haben gesagt: Das wollen wir nicht, weil wir auf der einen Seite Einrichtungsträger sind – da sind die Kommunen in einer doppelten Funktion –, andererseits geht es um den Defizitausgleich. Wir einigen uns auf die Qualitätsmaßstäbe, die bei der Integration Geltung haben.

Das ist die ureigene Aufgabe der Kommunen im Rahmen der Eingliederungshilfe und der Jugendhilfe. Das wissen Sie genau, Herr Merz, dass das ureigenes Recht der Kommunen ist, aber auch die ureigene Pflicht der Kommunen, zu einem Ergebnis zu kommen. Das ist selbstverständlich so. Nun ist es eben so, dass wir in diesem Zuge vereinbart haben, mit einer nicht unbeträchtlichen, sondern sehr großen Summe die Pauschalen zu erhöhen, die für die Integration von Kindern zur Verfügung gestellt werden, um den Kommunen und den Einrichtungsträgern – letztendlich sind es die Kommunen – auch noch eine finanzielle Entlas

tung zukommen zu lassen, damit Qualitäten in der inklusiven Betreuung aufrechterhalten werden können.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ein richtiger und ganz wesentlicher Schritt, den wir an dieser Stelle gegangen sind.

Ich finde es schlicht und einfach schade, dass an einer solchen Stelle nicht auch gesagt wird: Gut, das ist wichtig, und es ist gut, dass das vereinbart worden ist, weil es eine entsprechende Planungssicherheit gibt. – Deswegen sage ich sehr deutlich, dass viele Punkte, die wir vereinbart haben, die wir fortschreiben und die jetzt schon Gegenstand des Gesetzes sind, ihre Wirkung bereits erfüllen – wie etwa die Fortbildungskurse im Hinblick auf die Anwendung des Bildungs- und Erziehungsplanes, was letztendlich zu entsprechenden Tandembildungen führt. Wir schaffen durch das Gesetz einen Anreiz dazu. Hier sind schon wieder neue Fortbildungskurse beantragt worden. Das geht weit über das, was wir geplant haben, hinaus.

Das Gleiche gilt für die qualifizierte Fachberatung, die Tageseinrichtungen und die Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplanes. Insofern ist auch klar gewesen, dass dieses Gesetz ein großer Wurf ist. Es bedarf einer ständigen Begleitung. Wir haben das angefangen. Wir werden es begleiten, und wir werden es weiter verbessern. Es ist ein wesentlicher Bestandteil für eine gute Kinderbetreuung in unserem Land.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Grüttner. – Uns liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Damit sind wir am Ende der Aussprache.

Die beiden Anträge, Drucks. 19/35 und 19/71, sollen an den Ausschuss für Soziales und Integration überwiesen werden. Damit ist der Tagesordnungspunkt erledigt.

Wir treten in die Mittagspause, wie vereinbart, bis 14 Uhr ein. Um 14 Uhr wird die Sitzung fortgesetzt.

(Unterbrechung von 12:54 bis 14:02 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein. Ich möchte mit der Sitzung fortfahren.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Kaliproduktion in Hessen erhalten – Arbeitsplätze sichern – Drucks. 19/34 –

Dazu rufe ich Tagesordnungspunkt 40 auf:

Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Zukunftsfähigkeit des Kalistandorts in Nordhessen sichern, Belastung des Grundwassers und der Oberflächengewässer im Naturraum Werra und Weser dauerhaft beenden – Drucks. 19/82 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt fünf Minuten. Frau Kollegin Schott, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben diesen Tagesordnungspunkt heute eingebracht, weil wir uns Sorgen machen bezüglich der Situation im Kalirevier in Nordhessen und in Thüringen, insbesondere im Hinblick auf das Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen die Bundesrepublik Deutschland.

Es gibt seit Dezember letzten Jahres ein Schreiben der EU bezüglich dieses Verfahrens, das die Situation deutlich zuspitzt. In diesem Schreiben wird sehr klar gefordert, falls es eine Verlängerung dieses nicht umweltkorrekten Zustands – wie ich das jetzt einmal nennen will – geben soll, müsse zumindest ein klares Konzept erarbeitet werden, wie dieser Zustand beendet werden solle. Dieses klare Konzept muss mit Machbarkeitszahlen bezüglich Zeitläufen und Finanzen hinterlegt sein. Nichts von alledem passiert. Wir haben zu diesem Thema einen runden Tisch. Da die meisten von Ihnen noch nicht bei diesem runden Tisch waren, möchte ich Ihnen ein Beispiel geben, d. h. versuchen, ein Bild zu erzeugen, wie dieser runde Tisch funktioniert.

(Unruhe)

Ich würde Sie bitten, einen kleinen Moment zuzuhören, damit das funktionieren kann.

(Zuruf von der CDU: Warum das? – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Das ist der neue Stil! – Zurufe von der LINKEN)

Meine Damen und Herren, bitte ein wenig mehr Ruhe. – Frau Kollegin Schott, Sie haben das Wort.

Versuchen Sie sich doch bitte einmal vorzustellen, Herr Irmer hätte den Auftrag, in diesem Haus über die Vorzüge des Sozialismus zu referieren.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das würde danebengehen! – Weitere Zurufe von der CDU)

Das wäre sicherlich interessant, aber wenn Sie sich das vorstellen könnten – Ihre Erheiterung hat bei mir den Eindruck erweckt, das Bild greift –, dann können Sie sich vorstellen, in welcher Art und Weise am runden Tisch über alle Alternativen der Kalientsorgung referiert wird.

Wenn ein Mitarbeiter von Kali + Salz eine Methode zur Entsorgung abmoderiert – anders kann man das nicht nennen –, dann ist es ungefähr so, wie Sie sich das eben vorgestellt haben. Der runde Tisch arbeitet – wir glauben immer, zu unser aller Zufriedenheit. Im Dezember gab es eine Expertentagung des runden Tischs. Das gibt es hin und wieder, da dürfen die Angehörigen des runden Tischs nicht mitreden; bei der letzten waren sie explizit ausgeladen.

Die Experten tagten hinter verschlossener Tür, an einem Ort, der nicht bekannt war. Es war niemand zugelassen, dort auch nur zuzuhören, um verstehen zu können, was die Experten zu sagen versuchen. Dieselben Experten sind beim runden Tisch nicht mehr aufgetreten, weil er in He

ringen am östlichsten Zipfel unseres Landes tagte. Zu ihrer Entschuldigung hieß es, eine so weite Anreise sei ihnen nicht zuzumuten. Für gewöhnlich tagt der runde Tisch in Kassel, relativ zentral, wo man auch hinkommen kann.

Da frage ich mich dann schon, was das zu bedeuten hat. Dann moderiert ein Mitarbeiter von Kali + Salz das Thema Eindampfen in einer Intonierung ab, die sagt: Damit setzen wir uns nicht auseinander, das ist ohnehin alles Schwachsinn. Wir haben unsere eigenen Berechnungen, und die sagen, dass das nicht geht.

Das ist nicht der Stil eines transparenten Vorgehens. Das ist nicht der Stil, mit dem man arbeiten kann, wenn man wirklich verstehen will, wie diese komplizierte Materie zu bewältigen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir waren bisher der Meinung, dass Kali + Salz sich verantwortlich zeichnet, zu sehen, wie Entsorgung funktionieren kann, und dafür auch das notwendige Geld in die Hand nehmen muss. Das Unternehmen weigert sich aber strikt. Das Unternehmen hat ein lapidares Konzept sowohl zur Nordsee-Pipeline als auch zur Oberweser-Pipeline eingereicht. Beim runden Tisch hat es sehr deutlich gesagt: Eigentlich ist es nicht das, was wir wollen. Wir tun das sozusagen, weil wir uns genötigt fühlen, dies zu tun. Wir haben nicht die Absicht, eine solche Pipeline zu bauen, und wir haben schon gar nicht die Absicht, sie zu finanzieren. Wir haben eine Methode vorgelegt, die NIS – die kennen die Menschen aus dem Umweltausschuss –, die neue integrierte Salzlaststeuerung.

Davon sagen alle Beteiligten, einschließlich der letzten Landesregierung, das gehe nicht. Kali + Salz erwidert darauf: Das ist unser Entsorgungsweg, und den werden wir gehen. – Das Nächste, was Kali + Salz sagt: Hier hängen 5.700 Arbeitsplätze dran. – Das nenne ich Erpressung.

(Beifall bei der LINKEN)