Protokoll der Sitzung vom 25.03.2015

Dieses Bündnis verfolgt mit einem Bündel von Maßnahmen mindestens vier hervorragende Schwerpunkte: Erstens. Jedem Jugendlichen in Hessen, der es möchte, soll eine duale Ausbildungsstelle angeboten werden. Zweitens. Die Attraktivität der dualen Ausbildung soll steigen, damit wieder mehr Jugendliche eine duale Ausbildung absolvieren können. Drittens. Die Durchführung einer Berufs- und Studienorientierung wird verbindlich geregelt. Viertens. Das Unterstützungsangebot wird ausgebaut. – Ich finde, das ist ein gutes Zeichen für Hessen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Lassen Sie mich zu Beginn meiner Rede ganz gezielt und ausdrücklich allen Bündnispartnern danken; denn dieses Bündnis ist eines vieler Akteure. Dazu gehören die Vertreter der Wirtschaft und der Gewerkschaften. Da möchte ich mich noch einmal beim DGB bedanken, dass er dabei ist, bei den Kommunalen Spitzenverbänden, bei der Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit und nicht zuletzt bei der Hessischen Landesregierung, beim hessischen Wirtschaftsminister, aber auch beim Ministerpräsidenten. Ich finde, das ganze Haus sollte diesen Akteuren herzlich für die Unterzeichnung dieses Bündnisses danken. Das ist ein richtiger Schritt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Was haben wir aktuell für Probleme? Der demografische Wandel führt dazu, dass uns der Nachwuchs ausgeht und

gleichzeitig die Wirtschaft mehr Fachkräfte braucht; wir haben es hier schon öfter diskutiert. Allein die Tatsache, dass immer mehr Betriebe Auszubildende suchen, zeigt, dass hier ein dringender Handlungsbedarf besteht. Ich bin froh, dass es in dem Bündnis gelungen ist, zu vereinbaren, dass in Hessen künftig weitere 1.500 Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen. Das ist ein richtiges Signal.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es ist nicht nur eine Frage der Fachkräftesicherung und auch nicht nur eine Frage der Unternehmenspolitik und der Sicherung von Arbeitsplätzen in Hessen. Es ist vor allem auch eine soziale Frage und eine Frage der Beteiligung von Jugendlichen. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunft unserer Jugend und unserer Jugendlichen. Ihnen wollen wir es ermöglichen, am Wohlstand und an der Gesellschaft teilzuhaben. Dies gelingt nur mit einer guten Ausbildung. Dieses Bündnis für Ausbildung trägt wesentlich dazu bei, dass für unsere Jugendlichen – für alle Jugendlichen in diesem Land – eine Zukunft sichergestellt wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ein zweiter Schwerpunkt ist der Übergangsbereich. Wir wissen, dass Jugendliche heute zum Teil keinen Ausbildungsplatz finden und andererseits Ausbildungsplätze nicht besetzt werden. Wir haben eine Diskrepanz von 2.138 offenen Ausbildungsplätzen, denen 1.350 Jugendliche gegenüberstehen, die noch eine Ausbildungsstelle suchen. Wir können also von einem Mismatch sprechen. Wir können nicht nur davon sprechen, dass Ausbildungsplätze fehlen; das ist auch der Fall. Aber vor allem müssen wir das Thema angehen, warum bestimmte Schulabgänger noch nicht die Ausbildungsreife aufweisen, die sie haben müssten.

Deswegen – das finde ich völlig richtig – unterhalten wir uns über die Frage: Wie bekommen wir die Jugendlichen gezielt in die Ausbildung, für die sie geeignet sind? Da reden wir natürlich über die Berufsorientierung. Ich bin froh und stolz, dass diese Absicht erneuert wurde und dass es eine Hausaufgabe sein wird, dass die Berufs- und Studienorientierung in Hessen verbindlich festgeschrieben und hingetragen wird zu allen Schulformen, beginnend in den letzten drei Schuljahren. Das wird ein großer Fortschritt sein, wenn Jugendliche sich frühzeitig damit auseinandersetzen, was für sie geeignet ist. Es wird eine Kompetenzfeststellung geben. Viele Jugendliche in diesem Land werden frühzeitig zu der Frage geführt: Was sind meine Interessen, was sind meine Stärken, was kann ich lernen? – Mit dieser verbindlich festgeschriebenen Berufs- und Studienorientierung erreichen wir einen großen Fortschritt dabei, dass allen Jugendlichen tatsächlich auch ein Ausbildungsplatz zur Verfügung gestellt werden kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir wissen, dass es trotzdem dazu kommt, dass viele Jugendliche keinen guten Schulabschluss haben, bzw. keinen oder einen schlechten, und dann nicht die entsprechende Ausbildung finden. Sie landen dann im Übergangsbereich. Momentan sind das 15.000 bis 17.000 Jugendliche, die sich in den sogenannten Übergangssystemen, Berufsfachschulen, Berufsgrundbildungsjahren, tummeln. Ich bin froh, dass die Bündnispartner vereinbart haben, dass diese

Zahl in den nächsten Jahren signifikant auf 10.000 Jugendliche reduziert werden soll. Das ist ein richtiges Signal.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Das fällt nicht vom Himmel, das muss hart erarbeitet werden. Herr Minister Al-Wazir und ich waren auf dem Bildungsgipfel und haben die ersten Stimmungen dafür wahrgenommen, wie schwierig es ist, Besitzstandswahrungen aufzubrechen. Wir haben ein Übergangssystem, das so nicht bleiben kann. Darüber sind sich eigentlich alle Akteure im Klaren.

Aber wenn es die ersten Vorschläge gibt – nicht von Parteipolitikern, sondern von Wissenschaftlern; so erfolgt das in der AG 4 des Bildungsgipfels –, dann werden wir sehen, wie schwierig es ist, dieses weite Feld auf ein zielführendes, abschlussbringendes neues Übergangssystem zu fokussieren. Die Anzahl dieser Jugendlichen in vier Jahren von 17.000 auf 10.000 zu reduzieren, ist eine Herkulesaufgabe. Aber ich bin froh, dass sich alle Bündnispartner diesem Ziel verschrieben haben. Das wird wesentlich dazu beitragen, dass jedem Jugendlichen ein Ausbildungsangebot zur Verfügung steht, und das ist gut so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Richtig ist auch – darüber bin ich sehr froh als Sozialpolitiker, aber auch als Arbeitsmarktpolitiker –, dass wir immer wieder festgestellt haben, dass es viele Jugendliche oder junge Erwachsene gibt, die arbeiten, aber keinen Berufsabschluss oder keine Ausbildung haben. Das bedeutet, sie sind immer wieder von Arbeitslosigkeit bedroht. Aber wenn sie sich nachqualifizieren können, dann ist diese Gefahr auf ein Minimum reduziert.

Deswegen bin ich sehr froh, sehr glücklich, und wir können alle sehr stolz darauf sein, dass sich die Bundesagentur für Arbeit verpflichtet hat, in wesentlichem Maße eine Nachqualifizierung vorzunehmen, sodass es zukünftig jungen Erwachsenen immer möglich sein wird, eine Ausbildung zu finden oder im Arbeitsplatz zu bleiben – ein richtiger Schritt. Vielen herzlichen Dank an das Bündnis.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es ist auch richtig, dass wir uns den Bereich der Studienabbrecher anschauen. Offensichtlich werden viele Studentinnen und Studenten schlecht beraten oder haben eine schlechte Einschätzung dessen, was ihnen liegt oder was auf sie zukommt. Es gibt eine enorm hohe Studienabbrecherquote. Ich bin froh, dass das Netzwerk, das die Studienabbrecherquote reduzieren soll, vereinbart hat, sich das genau anzuschauen und die Maßnahmen zu verstärken.

Wir können also feststellen, dass in diesem Bündnis über die Quantität der Ausbildung gesprochen wird, aber auch über die Qualität. Ein elementares Beispiel dafür ist die qualifizierte Ausbildungsbegleitung. Wir wissen, dass einige Jugendliche, wenn sie aus der Arbeitslosigkeit kommen oder mit einem schlechten Schulabschluss in die Berufswelt drängen, nicht das Durchhaltevermögen haben. Ich bin froh, dass es jetzt mit der Ausbildungsbegleitung, die wir weiterhin verstärken werden, gelingen wird, jeden Jugendlichen in der Ausbildung zu halten. Mit dieser qualifizierten Ausbildungsbetreuung, die in Hessen flächendeckend ausgeweitet werden soll, wird es gelingen, auch die Ausbildungsabbrüche auf ein Minimum zu reduzieren.

Ich kann nur feststellen, dass wir mit der Ausweitung der Plätze, mit der Steigerung der Qualität der Ausbildung, mit der Reduzierung des Übergangsbereichs, mit der Bündelung von Maßnahmen, mit einer verbesserten Berufs- und Studienorientierung, mit der Nachqualifizierung, mit dem Herstellen der Gleichwertigkeit von beruflichen und akademischen Abschlüssen ein Bündel von Maßnahmen auf den Weg gebracht haben – die Hessische Landesregierung und die Akteure dieses Bündnisses –, das uns optimistisch für die nächsten vier Jahre in die Zukunft blicken lässt, sodass wir 2019 sagen können: Jeder Jugendliche, der das wollte, hat einen Ausbildungsplatz angeboten bekommen, die Abbrecherquote bei Studium und Ausbildung ist gesunken, wir haben den Übergangsbereich reduziert, es ist uns gelungen, eine gute Qualität in der Ausbildung hinzubekommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, all das haben die Bündnispartner in diesem Bündnis für Ausbildung vereinbart. All das ist verbunden mit extremen Anstrengungen und vielen Hausaufgaben. Aber ich bin mir sicher, dass dieses Bündnis ein richtiges Signal ist, dass es die richtige Arbeit ist. Wir können stolz darauf sein, dass dieses Bündnis abgeschlossen worden ist, und wir müssen uns noch einmal bei allen Akteuren dafür bedanken. Dieses Bündnis ist gut für Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Herr Bocklet. – Das Wort hat Herr Abg. Lenders, FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben uns als FDP-Fraktion schon etwas verwundert gezeigt über diesen Antrag, vor allem aber über den Zeitpunkt, zu dem Sie diesen Antrag eingebracht haben. Man mag zum Bildungsgipfel stehen, wie man will. Sicherlich liegt der Verdacht nahe, dass der Bildungsgipfel die Initiative der SPD zur Enquetekommission ein bisschen konterkarieren soll. Das kann man vielleicht vermuten. Aber wenn man den Bildungsgipfel einigermaßen ernst nimmt – –

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist eine ganz neue Variante!)

Eine ganz neue Variante, Herr Boddenberg.

(Michael Boddenberg (CDU): Wahrscheinlich hat die SPD das alles schon vor 40 Jahren erfunden!)

Der Bildungsgipfel ist ein purer Zufall, das lassen wir einfach einmal so stehen. – Meine Damen und Herren, dass man jetzt die Ergebnisse des Bildungsgipfels schon vorwegnehmen will, das ist ein Affront gegen die Beteiligten.

(Michael Boddenberg (CDU): Das hat er nicht gesagt!)

Diese Vorfestlegungen sind nicht hilfreich. Deshalb werden wir diesem Antrag nicht zustimmen. Wir werden uns dabei enthalten.

(Beifall bei der FDP – Michael Boddenberg (CDU): Was?)

Herr Boddenberg, für die die Regierung tragenden Fraktionen ist der Antrag deutlich zu dünn. Sie haben schon applaudiert, als hier vorne noch keiner geredet hat, weil Sie Ihre Überschrift so toll finden. Aber, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, ich würde mir ein etwas inhaltsvolleres Papier wünschen als den Antrag, den Sie hier eingebracht haben.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte zu Punkt 9 des Antrags kommen. Dort steht:

Der Landtag sieht in der Erschließung des vorhandenen Fachkräftepotenzials die große Chance, den Fachkräftebedarf der hessischen Wirtschaft nachhaltig zu decken.

Meine Damen und Herren, liebe Kollegen, wenn Sie diesen Satz so stehen lassen ohne den Verweis auf die Möglichkeiten, die Chancen und die Herausforderungen, die wir beim Fachkräftebedarf haben, wenn Sie alleine diesen Satz so stehen lassen und keinen Verweis darauf machen, dass auch bei Migranten, bei Zuwanderern, bei Menschen, die aus Not zu uns gekommen sind, ein erhebliches Potenzial zu finden ist, bekommt der ganze Antrag einen falschen Ton.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Michael Bod- denberg (CDU))

Meine Damen und Herren, das hätten Sie sich durchaus sparen sollen.

Herr Kollege Boddenberg, ich bin gespannt. Die CDUFraktion spricht gleich noch. Dann können Sie etwas zum Einwanderungsgesetz sagen und dazu, wie die CDU-Fraktion das sieht. Ich weiß, dass die GRÜNEN eine etwas andere Meinung hatten. Wir als Freie Demokraten sind für eine gesteuerte Zuwanderung von Fachkräften und nicht für eine ungesteuerte Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme. Darum brauchen wir ein Einwanderungsgesetz.

(Beifall bei der FDP)

Zum Thema des Antrags. Klar, dieser Antrag ist in gewisser Weise eine Fleißarbeit, weil er alle derartigen Programme zusammengefasst hat. Er enthält jedoch im Prinzip nichts Neues. Dass Sie sich dann mit fremden Federn schmücken, kann man Ihnen vielleicht durchgehen lassen. Es wäre zumindest einmal der Verweis nett gewesen, dass viele Vorgängerregierungen dazu beigetragen haben, dass diese Fülle an Maßnahmen überhaupt zustande gekommen ist und dass Hessen heute so gut dasteht, wie es dasteht.

(Beifall bei der FDP)

Das Grundproblem bei der dualen Ausbildung geht der Antrag nicht an. Wir haben heute gerade im Mittelstand die Situation, dass wir überhaupt nicht mehr genügend Bewerber um Ausbildungsplätze haben, die qualifiziert sind, die nicht nur die Qualifikation über ihre Zeugnisse mit sich bringen – das, was so oft gefordert wird, von wegen Deutschkenntnisse, und sie sollten die Grundrechenarten beherrschen. Nein, man kann in Gesprächen mit vielen Mittelständlern feststellen, es fehlt auch soziale Kompetenz bei dem einen oder anderen Auszubildenden.

(Beifall bei der FDP)

Es ist ein Problem, das wir haben, dass Auszubildende nicht die nötigen Voraussetzungen mitbringen, um eine duale Ausbildung über drei Jahre durchzuhalten. Viele

Auszubildende sind nicht unbedingt in der Lage, kommunikativ mit den Menschen in Verbindung zu treten, und wählen dann den Beruf des Fachverkäufers. Es sind viele, die mit sozialen Problemen in die Arbeitsstätten kommen und sich am Ende krankmelden, nicht wissen, wie sie mit ihrer privaten Situation klarkommen, und überhaupt nicht wissen, was für eine Chance eine duale Ausbildung bringt.

Es gibt auf der anderen Seite auch genügend Arbeitgeber, die die Potenziale von Auszubildenden nicht erkennen. Das will ich nicht wegnuscheln. Es ist vor allen Dingen der Mittelstand, der diese Auszubildenden auffängt. Es wäre wünschenswert, dass man der Mentalität, die hier ein bisschen vorherrscht, dass nur noch das Hochschulstudium etwas taugt, etwas entgegensetzt. Dazu sagt Ihr Antrag überhaupt nichts.