Protokoll der Sitzung vom 26.03.2015

(Beifall der Abg. René Rock und Jürgen Lenders (FDP) – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mein Gott, müsst ihr es nötig haben!)

Ja, so ist das. – Es war nicht der Jugendverband der FDP, der solche kruden Positionen vertreten hat. Es ist Ihr Jugendverband, der das macht. Wir erwarten hier gemeinsam von der Linkspartei etwas. Sie sollten deshalb einmal im Vorfeld auf Ihre eigenen Leute einwirken. Ich glaube, an einem solchen Tag ist es für eine Partei, die in Hessen eine neue Koalition eingegangen ist, mehr als peinlich,

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Rentsch, „peinlich“ ist ein gutes Stichwort!)

dass diese Partei mit ihrem Jugendverband ein solches Bündnis unterstützt. Das Problem müssen Sie selbst lösen. Deshalb glaube ich, mehr Offenheit und Transparenz bei den eigenen Problemen würde Ihnen an dieser Stelle mehr helfen, als das zu verschweigen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Rentsch, vielen Dank. – Jetzt spricht für die Landesregierung Herr Staatsminister Al-Wazir. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war früher einmal eine bürgerliche Partei!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass es eigentlich nicht angemessen ist, aus den beiden Sachverhalten, nämlich den Ereignissen am letzten Mittwoch in Frankfurt, also den gewalttätigen Ausschreitungen, die wir dort erleben mussten, und der wirtschaftspolitischen Situation in der Eurozone, parteipolitische Nummern zu machen, wenn ich das einmal so ausdrücken darf. Ich glaube, dass wir gut beraten wären, uns sowohl mit der Frage zu beschäftigen, was vor einer Woche in

Frankfurt geschehen ist, als auch mit der Frage, wie Europa eigentlich aus der Krise kommt, in der es zweifellos ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich bin mir sehr sicher – da kenne ich die Linksfraktion gut genug –, dass von ihrer Seite als Reaktion auf diese Debatte wieder gesagt wird, das sei ein Ablenkungsmanöver, wenn man über das redet, was vor einer Woche passiert ist, weil man nicht über die Wirtschaftspolitik in Europa reden möchte.

Ich will Ihnen ausdrücklich sagen: Da hat Gernot Grumbach völlig recht. Sie müssen es sich selbst zuschreiben, dass vor allem über die Ausschreitungen geredet wird, weil Sie, liebe Kollegen von der Linksfraktion, eben die glasklare Trennlinie zu den Gewalttätern nicht gezogen haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ein paar Tage vor dem 18. März habe ich auf Twitter ein Plakat gesehen, das aus dem Blockupy-Bündnis kam, auf dem Rauchwolken über einer Stadt zu sehen waren, und darüber stand: Am Ende entscheidet die Straße. – Ich will Ihnen sagen: Genau das nicht.

(Horst Klee (CDU): Das war ein pazifistisches Plakat!)

Genau das ist das Problem: In diesem Blockupy-Bündnis sind Leute, die ganz offensichtlich Gewalt anwenden, die das für ein legitimes Mittel der Politik halten, die auch nicht davor zurückschrecken, Personen anzugreifen, die die EZB und auch die sie schützenden Polizisten zur Bestie erklären – und dann sagen, es sei alles erlaubt, um gegen die vorzugehen.

Solange Sie zu denen keine klare Trennlinie ziehen, so lange werden wir eben nicht nur über wirtschaftspolitische Fragen reden können, sondern darüber reden müssen, was teilweise von den Leuten, mit denen Sie gemeinsam im Blockupy-Bündnis unterwegs waren, gemacht wurde. Das aber müssen Sie sich zuschreiben – dass wir diese Debatte jetzt so führen, wie wir sie führen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich will hinzufügen, ich mache mir schon sehr lange Gedanken darüber, wie wir eigentlich aus der europäischen Krise herauskommen. Aber ich habe es noch nie verstanden, wie es eigentlich den Menschen in den Krisenländern nützen soll, wenn man Autos anzündet und Menschen angreift. Das habe ich noch nie verstanden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN – Janine Wissler (DIE LIN- KE): Das weiß ich auch nicht!)

Denn das lenkt die Aufmerksamkeit genau auf die Ausschreitungen, und es lenkt die Debatte weg von den berechtigten Fragen an eine Veränderung europäischer Krisenpolitik.

Wenn man sich einmal die Anträge anschaut, die die Linksfraktion hier eingebracht hat, sieht man: Da hat sich etwas verändert. Erstens ist ein Absatz eingefügt worden, in dem man sich von der Gewalt distanziert. Man hat aber auch den letzten Absatz verändert. Das steht jetzt:

Die friedliche Kundgebung und Demonstration … am Nachmittag … waren eine wichtige Gelegenheit, …

Vorher aber, einen Tag vor dem 18. März eingebracht, hieß es:

Die Aktionen gegen die EZB-Eröffnungsfeier in Frankfurt waren eine wichtige Gelegenheit, …

Da steht nicht „die Proteste, die Demonstrationen“, sondern „die Aktionen“. Das haben Sie einen Tag vorher eingebracht, und das genau ist Ihr Problem, Frau Wissler.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will ausdrücklich sagen: Wir sind froh, dass die EZB ihren Sitz in Frankfurt hat. Die EZB ist und bleibt in Hessen willkommen.

Ich will hinzufügen, es ist seit der ersten Entscheidung zur EZB-Ansiedlung noch etwas Weiteres passiert, es ist nämlich die Europäische Bankenaufsicht hinzugekommen,

(Manfred Pentz (CDU): Ja!)

die die Aufsicht über die 120 größten Banken in der Eurozone führt. Genau das haben wir doch immer gefordert: dass es eine ordentliche Aufsicht über die großen Banken gibt, damit die Krisenursachen angegangen werden können.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt nicht, dass wir alles, was die EZB tut oder nicht tut – Beispiel: Beteiligung der regionalen Presse an der Einweihungsfeier –, immer hundertprozentig gut finden müssen. Aber für den Finanz- und Wirtschaftsstandort Frankfurt ist die Errichtung der EZB und der anderen damit verbundenen Institutionen in vielerlei Hinsicht eine gute Nachricht – übrigens auch deswegen, weil wir da miteinander über die richtigen Maßnahmen und den richtigen Weg aus der Krise in der Eurozone ins Gespräch kommen können.

Ich will dazu sagen: Aus der Sicht der LINKEN ist quasi alles falsch, was Europa in den letzten fünf Jahren gemacht hat. Dem will ich ausdrücklich widersprechen. Es war richtig, eine Europäische Bankenaufsicht zu installieren.

(Manfred Pentz (CDU): Ja!)

Es war richtig, gegen die Blasenbildung im Immobilienund Bankensektor vorzugehen. Es ist auch richtig, gegen übermäßige Verschuldung von Staaten vorzugehen; denn genau diese übermäßige Verschuldung ermöglicht es erst, dass die „anonymen Märkte“ anfangen, gegen die Staaten zu spekulieren. Wenn Griechenland nicht im Jahr 2009 ein Haushaltsdefizit von über 10 % des Bruttoinlandsprodukts gehabt hätte, dann wäre es gar nicht möglich gewesen, mit der Spekulation gegen den Euro anzufangen. Deswegen ist das ausdrücklich richtig.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich ist es auch richtig, dass sowohl die europäische Politik als auch die EZB sowohl die Interessen und die Rechte der Steuerzahler in den finanziell starken Ländern wahrnehmen, wie sie auch die der Bevölkerung in den Krisenländern im Auge behalten müssen. Das ist auch so.

Ich möchte hinzufügen: Im Nachhinein gesehen gibt es natürlich auch Fehlentscheidungen, die da getroffen wurden. Ich will es ausdrücklich sagen: Ich persönlich habe es noch nie verstanden, wieso ein Land wettbewerbsfähiger werden soll, wenn drastische Einschnitte im Gesundheitssektor zu einem deutlichen Anstieg der Säuglingssterblichkeit führen – wie in Griechenland geschehen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Allerdings!)

Das heißt z. B., dass scharfe Einschnitte im öffentlichen Gesundheitswesen sicherlich nicht zu den klügsten Entscheidungen der Institutionen, der Troika, gehört haben.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja!)

Wir müssen uns auch Gedanken darüber machen, was in den letzten fünf Jahren an manchen Punkten auch falsch gelaufen ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, darüber würde ich gerne diskutieren. Aber ich werde nicht darüber diskutieren und darüber auch keine öffentliche Debatte beginnen können, wenn ich in Frankfurt solche Bilder provoziere, wie sie am vorletzten Mittwoch produziert worden sind.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Der Kollege Grumbach hat die Studie schon zitiert. Er hat nicht gesagt, von wem sie ist. Sie ist von der Hans-Böckler-Stiftung. Aber es ist so: Wenn das Bruttoeinkommen privater Haushalte um ein knappes Viertel sinkt, allerdings die ärmsten Haushalte 86 % ihres Einkommens verlieren, die reichsten hingegen nur 17 %, dann darf man sich nicht wundern, wenn eine Debatte über die soziale Schieflage solcher Sparmaßnahmen entsteht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt aber stelle ich Ihnen die Frage: Ist die EZB eigentlich der richtige Gegner?

(Manfred Pentz (CDU): Ja!)

Ist die EZB im März 2015 eigentlich der richtige Gegner bei diesem Thema?

Zuallererst einmal stelle ich fest: Wie schon der Name sagt, ist das eigentlich nur eine Zentralbank.

(Manfred Pentz (CDU): Ja!)

Was ist die Aufgabe von Zentralbanken? Währungen zu schaffen und ihren Wert zu wahren.