Protokoll der Sitzung vom 30.04.2015

Das Wort hat Ministerpräsident Bouffier.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Weil ich von Herrn Kollegen Rentsch direkt gefragt wurde, möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, ein paar Bemerkungen zu machen.

Zunächst einmal ist die A 49 ein nationales Verkehrsprojekt, das für ganz Deutschland und für Teile Europas wichtig ist, aber auch für uns in Hessen und ganz besonders für die Menschen, die entlang dieser A 49 leben. Die Union hat seit Jahrzenten die Auffassung vertreten, dass diese Autobahn gebaut werden muss. Deshalb hat die Union auch in dieser Koalition von dieser Absicht keinen Millimeter zurückgenommen. Wir haben mit unserem Partner, den GRÜNEN, darüber gerungen, wie wir deren kritische Haltung gemeinsam aufnehmen und etwas vereinbaren, was für die Menschen im Land klug und richtig ist.

Was haben wir vereinbart? Wir haben vereinbart, dass die A 49 gebaut wird. Wir haben vereinbart, dass sie dann gebaut wird, wenn die rechtlichen und finanziellen Bedingungen stehen. Meine Damen und Herren, das ist vernünftig. Diese Koalition zeichnet sich dadurch aus, dass das, was sie vereinbart hat, anschließend auch umgesetzt wird.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb sage ich in aller Klarheit: Die Behauptungen, um nicht zu sagen, die wirren Schwinger, die in der Öffentlichkeit von dem früheren Koalitionspartner erteilt wurden, bedauere ich sehr. Es ist nicht mehr und nicht weniger behauptet worden, zur Gesichtswahrung des grünen Wirtschaftsministers habe man hintenrum vereinbart, dass man sich zwar in der Koalitionsvereinbarung für die A 49 ausgesprochen habe, aber in Wirklichkeit nichts tue, oder im Gegenteil alles dafür tue, damit dies nicht zum Tragen komme.

(Florian Rentsch (FDP): Der Eindruck vermittelt sich, wenn man sich diese Liste anschaut!)

Wir müssen ertragen, dass wir gelegentlich Unterschiede in der Sache austragen, zur Not auch hart. Was wir nicht ertragen wollen, und schon gar nicht unwidersprochen, ist, dass Behauptungen, die durch nichts, aber auch durch gar nichts zu beweisen sind, ausschließlich dazu dienen, Amtsträger persönlich in ihrem Ansehen zu beschädigen oder einen vermeintlichen Spalt in eine Koalition zu treiben. Das nehmen wir nicht hin. Das weise ich in aller Form zurück. Das ist schlechter Stil.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Sie wissen, dass das so ist. Ich habe mit Interesse wahrgenommen, dass sogar wirre Kommentare in einigen Zeitungen dazu aufgenommen worden sind, in denen man sich mit der Frage beschäftigt hat, ob es nicht irgendwie ein Gegengewicht geben müsse: Beim Flughafen handele man so, und dann handele man in Nordhessen so, dass alle dort angesiedelten Projekte klammheimlich zur Disposition gestellt würden bzw. sie nicht mehr fortgesetzt würden.

Weil ich um die Wirkung solcher wirren Spekulationen weiß und weil viele Menschen mich auch fragen, ob das stimmt, sage ich vor diesem Hause: Dies stimmt nicht. Was wir vereinbart haben, tun wir. Ich wäre dankbar, wenn es dann auch so berichtet würde.

Meine Damen und Herren, auch das will ich einmal deutlich sagen: Wir sind doch nicht verrückt. Wir wollen doch nicht in das Ergänzungsbuch von Schilda kommen. Wenn die „Hessische Niedersächsische Allgemeine“ am 29. April – völlig irre – titelt: „A 49 schaut in die Röhre“ und es im weiteren Verlauf heißt „Ein Tunnel im Nichts“ – –

(Heiterkeit des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Ich weiß gar nicht, warum Sie da lachen. Das ist doch irre. Da kann doch selbst ein SPD-Abgeordneter nur sagen, dass so etwas irre ist. Da ist schlichter Irrsinn.

(Zurufe von der SPD)

Und weil das irre ist, halte ich einmal grundsätzlich Folgendes fest – man muss es immer wieder einmal sagen –: Die Anbindung dieses Tunnels Frankenhain im Norden an Neuental und im Süden an Schwalmstadt wird auf jeden Fall gebaut, weil sie gebaut werden muss, damit wir uns nicht eines Tages sozusagen gemeinsam dem Vorwurf aussetzen müssen, ob wir sie denn noch alle hätten, einen Tunnel mitten in die Landschaft zu stellen, den man nicht anbindet.

(Zuruf)

Genau deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass wir für diesen Bauabschnitt, für den ja Baurecht besteht, im Sommer dieses Jahres auch die Baufreigabe bekommen. Dann binden wir das an. Und dann geht es um den zweiten Teil und um den dritten Teil, zu dem Sie vorhin gefragt haben, was die Landesregierung und insbesondere der Ministerpräsident getan hätten. – Sie hat genau das getan, was ich mit Ihnen, mit Ihrem Amtsvorgänger und Ihrem Nachfolger seit Jahren tue: in sehr vertrauensvollen klugen Gesprächen mit dem jeweiligen Bundesverkehrsminister hessische Interessen wahrzunehmen, indem wir gemeinsam dorthin fahren – so, wie mit Ihnen –, indem wir sehr massiv unsere hessischen Interessen vertreten – als das Land, das mitten in Deutschland liegt und besondere verkehrliche Herausforderungen hat –, diese deutlich machen und so für unsere Interessen kämpfen.

(Florian Rentsch (FDP): Das ist gut!)

Genau das haben wir auch dort weiter so getan. Es ist eine nationale Aufgabe – auf Sie komme ich gleich auch noch einmal, Kollege Frankenberger,

(Zurufe von der SPD: Oho!)

bleiben Sie still, ich komme gleich noch einmal auf Sie –, aber ernsthaft brauchen wir uns sicher nicht darüber zu streiten, dass die Finanzierung dieser Frage eine Bundesaufgabe ist. Bisher hat das jedenfalls noch nie jemand bestritten. Wenn dem so ist, muss man sich mit der Frage beschäftigen, wie wir hessische Interessen bei den ewig begrenzten Mitteln im Wettbewerb mit allen anderen Bundesländern und angesichts vieler anderer Fragen so deutlich nach vorne bringen, dass wir möglichst bald zum Ziel kommen.

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, Sie werden sich erinnern: Deshalb war ich vom ersten Tag an in der kleinen Gruppe, die die Koalition von CDU/CSU und SPD im Deutschen Bundestag vorbereitet hat. Sie waren dann in der großen Gruppe dabei und haben anschließend diese Koalitionsvereinbarung mit unterschrieben. Dabei war es uns ein Anliegen, ideologische Sperrhürden zu überwinden, indem wir nämlich in diese Vereinbarung der Großen Koalition hineingeschrieben haben, dass der Bund, die neue Bundesre

gierung, bewusst für Infrastruktur- und auch für Verkehrsprojekte das Mittel der Public-private-Partnership einsetzen wird – PPP. Das sieht dieser Koalitionsvertrag ausdrücklich vor.

(Florian Rentsch (FDP): Dann stellt sich die Frage, warum dieses Projekt nicht mehr auftaucht!)

Genau dies hat der Bundesverkehrsminister, Alexander Dobrindt, auch aufgenommen. Als wir das vereinbart haben – das ist kein Geheimnis, deshalb kann ich es hier vortragen, Herr Kollege Rentsch –, habe ich noch vor Bildung der neuen Bundesregierung mit der Bundeskanzlerin und ihrem heutigen Stellvertreter beispielsweise über die Frage gesprochen, wann wir dieses neue Instrument einsetzen werden. Seit diesem Zeitpunkt gibt es einen Daueraustausch, wie wir die A 49 in diese PPP hineinbekommen.

Dazu gibt es z. B. einen Brief von mir an den Vorsitzenden der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, den Kollegen Oppermann.

(Florian Rentsch (FDP): Schön, dass wir das erfahren!)

Wie ich festgestellt habe, ist er zwischenzeitlich ziemlich bekannt.

(Zurufe von der SPD)

Es gibt auch einen Brief an den Vorsitzenden der Bundestagsfraktion von CDU/CSU. Ich habe beide gebeten, diese A 49 auf jeden Fall aufzunehmen, wenn es mit den anderen Mitteln nicht zu finanzieren ist. Uns in Hessen ist es egal, ob das aus einem Sonderprogramm, über PPP oder sonst etwas finanziert wird – das Entscheidende ist, dass es finanziert wird, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kommen wir zum weiteren Verlauf der Dinge.

(Florian Rentsch (FDP): Ich bin dankbar, wenn das hier aufgeklärt wird!)

Schauen Sie, ich habe es vorhin zum Kollegen Al-Wazir gesagt. Erlauben Sie mir einfach die Zwischenbemerkung. Wenn Sie so lange hier sind wie ich, muss man sich manchmal fragen: Warum die Rituale? Wenn eine Regierung etwas Gutes macht – das Thema, das wir eben hatten, und das ist wirklich gut –, könnte eine Opposition sagen: Abgehakt, vieles macht ihr nicht gut, aber das war in Ordnung.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das haben wir auch getan!)

Das setzt voraus, dass gelegentlich, wenn es nicht gut läuft, auch gesagt werden muss: Das ist nicht gut gelaufen.

(Zurufe von der SPD)

Das würden uns die Bürger sehr viel mehr anerkennen als die ewigen Rituale.

Herr Kollege Rentsch, wenn Sie jetzt sagen, Sie seien dankbar für Aufklärung: Warum sind Sie denn nicht vorher zu mir gekommen? Warum sind Sie denn mit dem Kollegen Posch, der auch meinem Kabinett angehört hat, dorthin marschiert für eine große Pressenummer mit der Behauptung: „Deal hintenherum, Elfmeter, eigentlich müsste man nur das Geld abholen“? – Wissen Sie, so kann man es auch

machen. Aber es nützt am Ende niemandem. Vor allem aber schadet es dem ernsthaften Bemühen ums Thema.

Deshalb jetzt weiter zur Aufklärung an Sie, Herr Kollege Rentsch, und insbesondere an den Kollegen Frankenberger und all diejenigen, die gerne aufgeklärt werden wollen. Was ist dann passiert? Dann haben wir dafür gesorgt, dass auf jeden Fall diese Straße finanziert werden soll. So hat der Bundesverkehrsminister in Brüssel –genau das hat die Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten Ihnen vorgetragen, Herr Kollege Frankenberger – diese A 49 angemeldet, und zwar für dieses PPP-Großprogramm. Das alles ist unstreitig, und das alles kann man nachlesen.

(Florian Rentsch (FDP): Hier steht es ja auch!)

Schön, dann ist ja Ihr Informationsbedarf immer mehr gedeckt. – Warum ist es jetzt nicht in der Liste drin? Das kann ich Ihnen sagen: Weil es in Berlin nicht möglich war, mit dem Koalitionspartner SPD diese Maßnahme zu vereinbaren.

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Ausschließlich deshalb. Herr Kollege Schäfer-Gümbel und to whom it may concern: Ich habe gestern Abend ziemlich lange mit dem Bundesverkehrsminister gesprochen.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Und weil ich ja weiß, wie die Rituale funktionieren, wird man anschließend beim Bundesverkehrsministerium fragen: Stimmt das, was der Bouffier da erzählt hat? – Deswegen lade ich jeden herzlich ein, dort anzurufen.

Ich bin sehr, sehr unglücklich darüber, dass ausgerechnet der Marburger Bundestagsabgeordnete, Herr Kollege Bartol, der gleichzeitig stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Sozialdemokraten und verkehrspolitischer Sprecher ist, in Person bisher nicht bereit war, diese Maßnahme in dieses Programm aufzunehmen. Das ist der Grund, warum es rausgeflogen ist, meine Damen und Herren. Das ist der Grund.

(Zurufe von der CDU: Aha! – Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Alle Insider wissen dies. Weil das so ist, Herr Kollege Frankenberger, werden wir nicht zulassen können – da bitte ich einfach um Verständnis –, dass Sie oder die sozialdemokratische Abgeordnete des Deutschen Bundestages aus Kassel, die frühere Kollegin Gottschalck, öffentlich erklären, diese Regierung sei sozusagen schuld, das Geld nicht abzuholen, während derjenige, der der Hauptverantwortliche dafür ist, dass wir es nicht finanzieren können, das sozialdemokratische Mitglied des Deutschen Bundestages, Herr Kollege Bartol, ist. Das muss man einmal sagen.