Protokoll der Sitzung vom 26.05.2015

Der Verdacht drängt sich auf, wenn der Gesetzestext unübersichtlich ist und erst auf den allerletzten Drücker als „Eilausfertigung“ eingereicht wird – so wie hier.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): So ein Blödsinn!)

Herr Kaufmann, das kann man in der „Frankfurter Rundschau“ vom letzten Samstag nachlesen. Das schreibt der Kommentator von Bebenburg. Ich kann sehr wohl nachvollziehen, was er da schreibt. Denn das ist kein ausgemachter „Blödsinn“.

Ich will es noch deutlicher sagen: Der Gesetzentwurf umfasst 40 Seiten. Das ist für die Abgeordneten des Landtags durchaus eine Menge Holz.

Es ist aber nicht nur die Menge, um die es geht. Auch die Inhalte sind komplex und kompliziert, zumal die verschiedenen Themenfelder sachlich nichts miteinander zu tun haben. Die einzig erkennbare Gemeinsamkeit ist und bleibt die Zuständigkeit des Innenausschusses für diese gesetzlichen Regelungen. Das ist aber auch schon alles.

Eigentlich bräuchten wir hierzu mindestens drei unterschiedliche Gesetzentwürfe. Denn der Gesetzentwurf der Landesregierung will drei bestehende Gesetze ändern. Das betrifft Bundes-, Landes- und auch Kommunalrecht. So ist vorgesehen, im Windschatten einer Änderung des Melderechtes, wie dargestellt, eben einmal das Gesetz über die Sicherheit und Ordnung, also das Polizeigesetz, zu verschärfen. Was das dann wiederum mit dem Glücksspielgesetz zu tun hat, um das es denn auch geht, erschließt sich mir nicht im Mindesten,

(Beifall der Abg. Barbara Cárdenas (DIE LINKE))

es sei denn, die Landesregierung will geradezu eine vernünftige und sachbezogene Debatte ausdrücklich verhindern. So wird in der „Frankfurter Rundschau“ auch völlig zu Recht geschrieben – Zitat –:

Schwer zu sagen, wie sich ein Abgeordneter da verhält, …: wie man als Befürworter einer Umweltlotterie abstimmen könnte, wenn man es zugleich ablehnt, dass Polizisten ihre Einsätze per Body-Cam filmen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Getrennte Abstimmung nennt man das!)

Ist das in dem Gesetzentwurf vorgesehen? Herr Wagner, wo denn?

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Schaus, das ist es in der Geschäftsordnung des Hessischen Landtags! Die sollten Sie als Parlamentarier kennen!)

Wir haben es hier mit einem Artikelgesetzentwurf zu tun, über den in Gänze abgestimmt wird. Ich habe hier in diesem Landtag noch nicht erlebt, dass der Entwurf eines Artikelgesetzes in einzelnen Teilen abgestimmt wurde.

Es geht aber auch um die Frage der Diskussion. Es geht um die Anhörung unterschiedlichster Experten zu unterschiedlichsten Themenfeldern.

Deshalb muss ich bei dieser ersten Lesung zunächst einmal feststellen: Es ist ein Unding, dass sachfremde Dinge in einem Gesetzentwurf zusammengewurschtelt wurden. Ferner ist es ein Unding, dass das auch noch als Eilausfertigung vorgelegt wurde. Dann wurde auch noch für heute Abend der Innenausschuss einberufen, damit der gesamte Gesetzentwurf möglichst schnell durch das Parlament gepeitscht werden kann.

(Zuruf: So ein Quatsch!)

Was hier wieder einmal im Schweinsgalopp zusammengewurschtelt wird, will ich nur an einem Punkt anreißen. In dem Teil, der sich dem Sicherheitsgesetz widmet, geht es meines Erachtens um umfassende Neuregelungen. Da stehen neben der Einführung einer Umweltlotterie zusätzliche Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung. Ich finde, die sind ein Hammer. Da steht auf Seite 18 – ich zitiere –:

Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden können sonstige Telefonkommunikation aufzeichnen, wenn dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist; auf die Aufzeichnung soll hingewiesen werden, soweit dadurch die Aufgabenerfüllung nicht gefährdet wird. Soweit erforderlich, können die Aufzeichnungen

1. zur Abwehr einer Gefahr,

2. zur Strafverfolgung,

3. zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten oder

4. zur Dokumentation behördlichen Handelns

verarbeitet werden.

Meine Damen und Herren, das ist schon sehr weitgehend. Sie wollen also in jedem auch nur irgendwie denkbaren Fall – bis hinunter zur Ordnungswidrigkeit und zur Dokumentation – jegliche Aufzeichnungen ohne jegliche Kennzeichnung oder Meldung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern einführen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ein Unsinn!)

Das ist der Fakt, und das steht im Gesetzentwurf. Was Sie da eingebracht haben, ist sowohl wegen seiner Unbestimmtheit als auch aus Datenschutz- und Bürgerrechtsgründen nach meiner Ansicht verfassungswidrig.

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei habe ich über die Ausweitung der Sicherheitsprüfung und vieler weiterer Punkte in diesem Sammelsuriumgesetz noch gar nicht gesprochen.

Herr Minister Beuth, ich habe Ihnen eben intensiv zugehört. Aber was das alles sachlich und fachlich mit der Einführung einer Umweltlotterie zu tun haben soll, das konnte ich bei Ihnen nicht vernehmen. Wo, bitte, besteht hier der Zusammenhang? Das müssen Sie noch einmal erläutern.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Schluss will ich fragen: Was eigentlich ist aus den GRÜNEN geworden? Was ist da übrig geblieben, wenn sie solche teilweise tief greifenden Sicherheitsgesetze kritiklos durchwinken wollen? Ja, da wünscht man sich schon fast die FDP in die Regierung zurück – denn die hätte so etwas

nicht unkritisch hingenommen. Meine Damen und Herren, da bin ich mir sicher.

(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Schaus. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Greilich zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon eine bemerkenswerte Situation, wenn ausgerechnet der Abg. Schaus den GRÜNEN das vorhalten muss, was sie sich früher wahrscheinlich selbst vorgehalten hätten, wenn sie sich noch getraut hätten, in den Spiegel zu schauen.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN)

Das aber scheint nun vorbei zu sein. Jetzt halten Ihnen andere den Spiegel vor, beispielsweise der sicherlich nicht unbedingt im rechten Lager angesiedelte Journalist Pitt von Bebenburg. Hier kommen dann nur Hinweise, das sei alles Blödsinn usw., aber ich will nur eines feststellen: Das, was Sie hier zum wiederholten Male vorlegen, ist ein Mischmaschgesetz der übelsten Art und Weise, in dem alles Mögliche zusammengerührt wird.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Da darf ich nochmals Pitt von Bebenburg zitieren, weil er das sehr schön formuliert hat. Wenn das so weitergeht, wenn das der neue Stil dieser Landesregierung ist, dann haben wir demnächst zu erwarten – ich zitiere –: „das Gesetz zur Begrenzung von Hauptschulen“ – dazu hat sich ja der Ministerpräsident geäußert – „Wölfen, Namensverwechslungen und Satire in Hessen“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn ein solches Gesetz kommt, dann werden wir der Empfehlung von Pitt von Bebenburg folgen und auch ein solches Gesetz natürlich ablehnen.

Jetzt aber beschäftigen wir uns mit dem, was hier zum wiederholten Male vorliegt, dieser politische Obstsalat, dieses Mischmaschgesetz. Es fängt damit an, dass der Gesetzentwurf einige umfangreiche Anpassungen des Melderechts enthält, zu denen der Kollege Eckert schon einiges gesagt hat, und die Anpassung an die Entwicklung im Bundesrecht darstellt. Es sind aber auch Regelungen dabei, die wir uns im Rahmen der Anhörung nochmals sehr genau anschauen müssen. Da sind wir uns sicherlich einig. Wenn ich nur beispielsweise die Regelung sehe, wonach bei Beherbergungsbetrieben Gemeinden tatsächlich die Datenerhebung noch deutlich ausweiten können sollen, dann kann man schon einmal nachfragen, warum diese Notwendigkeit gegeben sein soll. Die muss erst einmal nachgewiesen werden. Die ausufernde allgemein bekannte Datensammelwut der Großen Koalition in Berlin ist sicherlich keine hinreichende Rechtfertigung für ein solches Vorgehen.

(Beifall bei der FDP)

Die gleiche Frage stellt sich auch an verschiedenen anderen Stellen. Aber jetzt will ich zum Kern dessen kommen, was uns hier beschäftigen muss und was in diesem Gesetz

entwurf so schön verpackt worden ist, nämlich die Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, also des hessischen Polizeigesetzes. Das ist genau der Bereich, wo – um Pitt von Bebenburg zu zitieren – die saure Gurke von der Landesregierung im Obstsalat versteckt wurde; und bekanntlich bekommt das dem Obstsalat nicht besonders gut. Als ich vorhin die Reden gehört habe, die unengagiert vom Innenminister vorgelesene Rede

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

und auch die vom Kollegen Bauer, dann muss ich feststellen: Hier wird versucht, vom Kern der Frage abzulenken – wir nuscheln einmal alles weg, worum es geht. Was dort ganz besonders ins Auge fällt, ist die Regelung zum Einsatz der sogenannten Body-Cams.

Ich möchte in Erinnerung rufen, dass wir bereits in der Vergangenheit hier in diesem Haus ausführlich über den Einsatz von Körperkameras gesprochen haben. Nach gründlicher Diskussion wurde dieses Pilotprojekt von einer sehr breiten Mehrheit getragen; denn es war ein Versuch, der besonderen Gefährdungslage von Polizeikräften bezüglich tätlicher Angriffe entgegenzuwirken. Das hat grundsätzlich die breite Zustimmung in diesem Hause gefunden.

Gerade angesichts der Häufung und der Intensität der Attacken hat sich aber auch gezeigt, dass die Möglichkeit der Aufzeichnung und damit das Entdeckungs- und Strafverfolgungsrisiko abschreckende Wirkung hatten, dass damit Erfolge erzielt werden konnten. Deswegen haben wir das auf weitere, klar definierte Bereiche ausgedehnt, und zwar immer – das war in der Vergangenheit in diesem Hause ein wesentlicher Gesichtspunkt – in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Datenschutzbeauftragten. So hat das Innenministerium in der Vergangenheit auf der Grundlage der geltenden Ermächtigungsnormen restriktive Regularien aufgestellt, unter denen wir als Freie Demokraten dem Einsatz der Körperkameras auch zustimmen konnten.

Diese Regeln betreffen z. B. die Vorschrift, dass Überwachung nur im öffentlichen Raum stattfindet, in einem eng begrenzten Einsatzgebiet und unter Einhaltung strenger Löschungsvorschriften, aber keine Erstellung von Daueraufnahmen, also das pausenlose Laufenlassen der Kamera, sondern nur die anlassbezogene Nutzung.

Das war der wesentliche Punkt zur Sicherstellung der Individualrechte unbeteiligter gefilmter Bürgerinnen und Bürger wie auch der konkret Betroffenen.

Meine Damen und Herren, nunmehr sollen diese Regelungen – wie wir spätestens seit der Beantwortung unserer Kleinen Anfrage im vergangenen Juli befürchtet haben – massiv aufgeweicht werden. Bild- und Tonaufnahmen sollen jetzt zulässig sein – auch Tonaufnahmen! –, der Einsatz soll nicht mehr nur zur Identitätsfeststellung, sondern in allen Fällen, in denen die Polizei einschreiten muss, möglich sein.