Protokoll der Sitzung vom 27.05.2015

Wichtig zu betonen: Eine besondere Situation gibt es zweifelsohne in Frankfurt, aber ein Gesetz ist zunächst einmal für ganz Hessen da, nicht nur für Frankfurt. Auch das darf man einmal zart andeuten. Um Frankfurt werden wir uns kümmern, das ist überhaupt keine Frage.

Aber einhergehend mit zurückgehenden Schülerzahlen die Botschaft zu verkünden, es brauche neue Oberstufen etc., ist zunächst einmal – zumindest intellektuell – bedenkenswert.

Ich will zwei, drei Sätze zur Situation in Frankfurt sagen.

(Zuruf des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Um Gottes willen. Das machen wir, das sage ich Ihnen gleich. – Erkennbar ist eine leichte Steigerung der Schülerzahlen im dortigen Schulamtsbezirk. Das ist doch in Ordnung. Darum, das sagte ich eben, werden wir uns küm

mern. Zur Situation in Frankfurt: Bisher konnte die Frage von mehr Schülern immer gelöst werden, in ganz Hessen. Das hat bisher immer überall hingehauen. Das kann man über das Kultusministerium belegen.

Wenn wir jetzt einmal zwei Sätze zur Main-Metropole feststellen wollen: Man sollte einmal die Verantwortung kommunaler Entscheider berücksichtigen. Damit darf ich Herrn Oberbürgermeister Feldmann von der SPD zitieren. Er sagt, man solle die Abiturientenquote steigern, bis es kracht. – Herr Präsident, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, zitierte ich weiter. Er ergänzt, es sei nun einmal verlockender, in eine Stadt zu investieren, wenn dort Leute wohnten, die ehrgeizig und hungrig seien. – Liebe Leute, gibt es die denn im Rest des Bundeslandes Hessen nicht? Das finde ich schon bemerkenswert.

(Zurufe von der SPD)

Darüber reden Sie bitte einmal mit Ihrem Oberbürgermeister. Das ist schon ein bemerkenswerter Vorgang in Frankfurt: 56 % gehen auf Gymnasien über die Empfehlung, darüber dürfte man auch einmal nachdenken. Deswegen will ich mich gar nicht weiter auf die verfassungsrechtliche Fragestellung bei der Gesetzesänderung einlassen.

(Zurufe von der SPD)

Hören Sie doch bitte zu.

(Zuruf von der SPD: Das ist schwierig! – Anhalten- de Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Ich möchte deutlich sagen, dass wir nach dem Bildungsgipfel, zu dem ich gleich noch einige Sätze sagen werde, natürlich über Änderungen in einer ganzheitlichen Novelle des Hessischen Schulgesetzes beraten und da möglicherweise genau diesen Aspekt mit einbauen werden. Das ist doch überhaupt keine Frage. Nur die Zustimmung in jetziger Form ist allein aus technischer Sicht so nicht möglich, und zwar aus zweierlei Gründen, die ich gerade genannt habe.

Zwei Minuten bleiben mir noch, das ist gut. Nun zum Bildungsgipfel. Es gab drei Pressekonferenzen, Herr Kollege Greilich. Alle drei Pressekonferenzen des Kultusministers in der letzten Woche waren von Freude, klaren Botschaften und klaren Perspektiven für gute Bildung geprägt. Ich glaube, das ist auch einmal eine wichtige Nachricht, damit nicht kleingeredet wird, was hier in mühseliger Kleinarbeit während des letzten Dreivierteljahres in verschiedenen Arbeitsgruppen erarbeitet wurde. Das ist die erste Bemerkung.

Eine zweite Bemerkung. Es gab in der AG 5 unterschiedliche Positionen. Nächste Woche findet eine neue Beratung in der AG 5 statt, und dann wird man sich über das Verbindende und Trennende zu unterhalten haben.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Es ist doch unsinnig, am heutigen Tage Fakten zu schaffen und Vorberatungen der AG 5 in diesem Hohen Hause zu führen.

Ziel des Bildungsgipfels ist es, die Gemeinsamkeiten zu finden. Losgelöst davon darf man feststellen, dass jeder in diesem Haus – damit meine ich jede Fraktion – eigene Positionen hat. Wir haben uns in der Koalition zusammengetan und dort auch Kompromisse gefunden, die die Ausgangsbasis darstellen. Wir haben gesagt, wir gehen da an der einen oder anderen Stelle einen Schritt auf Sie zu. Das

setzt aber auch voraus, dass Sie sich einmal aus Ihren eigenen Gräben befreien und in Richtung Spielfeld bewegen, sodass wir dann auch einmal Ihrerseits Bewegung sehen, Herr Kollege Greilich.

Wir sind zu Kompromissen bereit, geben aber natürlich – das möchte ich betonen – hier nicht unsere Grundüberzeugungen auf.

(Norbert Schmitt (SPD): Super!)

Herr Kollege Schwarz, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Schulfrieden ist, wenn es den Schulen gut geht, Schulfrieden ist, wenn wir gute Bildung für die Schüler haben, Schulfrieden ist nicht, wenn wir in diesem Hessischen Landtag meinen, wir müssten alle eine uniforme Meinung vertreten.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Wenn Sie in diesem Haus ausdrücklich sagen, Schulfrieden gebe es nur dann, wenn wir Ihrer Meinung seien: Das wird nicht geschehen, Herr Kollege Schäfer-Gümbel. – Ich bedanke mich herzlich für die Aufmerksamkeit und wüsche dem Bildungsgipfel alles Gute.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Güm- bel (SPD))

Vielen Dank, Kollege Schwarz. – Das Wort hat Frau Abg. Barbara Cárdenas, DIE LINKE.

Es ist immer schwierig mit Herrn Schwarz vor mir, dann braucht das Rednerpult so lange für die richtige Höhe.

(Armin Schwarz (CDU): Mir geht es wechselseitig genau so!)

Dann sollte ich vor Ihnen drankommen, da haben Sie recht.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sie brauchen einen neuen bildungspolitischen Sprecher! – Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema gymnasiale Oberstufe ist für uns LINKE nicht nur aus der Perspektive der zunehmenden Abiturientenzahlen interessant. Ja, es ist richtig, was die Kolleginnen und Kollegen der SPD hier fordern, und auch die Begründung passt.

Über Möglichkeiten der Hochschulzugangsberechtigung wird momentan ohnehin sehr aktiv diskutiert, da dürfen die Oberstufenschulen nicht außen vor gelassen werden. Vor allem aber sind sie ein wichtiges Instrument, um zumindest ein klein wenig mehr Durchlässigkeit in die bestehenden Strukturen hineinzubringen. Daran mangelt es nämlich gewaltig, zumindest, was die Durchlässigkeit in eine höhere Schulform angeht.

Als Gegenargument wird die Landesregierung nun wieder den demografischen Wandel anbringen, das vermute ich jedenfalls: weniger Schüler, weniger Abiturienten. Ich möchte an dieser Stelle aber einmal ganz allgemein darauf hinweisen, dass auch in der Schulentwicklung eine Dynamik und auch eine Eigendynamik stecken – nicht umsonst sind die Schulentwicklungspläne ein so wichtiges Argument für die kommenden Jahre. Was 2004 Fakt war, ist heute schon Vergangenheit.

Auch im Schulwesen muss ständig geschaut und nachgebessert werden, um auf dem sogenannten Stand der Zeit zu sein. Doch leider, und auch das wissen wir alle, entpuppt sich das Bildungswesen seit Jahrzehnten als schwerfällig und bewegungsfaul. Aber auch dafür gibt es Verantwortliche.

Auch wir sind für den Ausbau von Oberstufenkollegs. Sie waren immer schon immer ein wichtiger Teil unseres Schulkonzepts. Aber dieser Antrag hat auch noch eine andere Komponente: In Zeiten des Bildungsgipfels und der Enquetekommission darf endlich wieder einmal laut darüber nachgedacht werden, was Hessens Schullandschaft und somit den hessischen Schülerinnen und Schülern wirklich guttun würde. Und da scheint unser Schulkonzept der einen Schule für alle doch aktueller denn je.

(Armin Schwarz (CDU): Die Einheitsschule? Ein Konzept für alle? – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Was wir wollen und was auch die meisten Teilnehmenden auf dem Bildungsgipfel wollen, und was auch von den Sachverständigen sowie von den Expertinnen und Experten in der Enquetekommission zumeist gefordert wird, ist das längere gemeinsame Lernen, Herr Schwarz.

Längeres gemeinsames Lernen ist eine Bereicherung für die Schülerinnen und Schülern – nicht nur, was das Miteinander, den Lernprozess an sich und auch die individuellen Lernerfolge betrifft, längeres gemeinsames Lernen bedeutet auch endlich das Ende für die Sortierung der Kinder nach der 4. Klasse in verschiedene Schulformen.

(Beifall bei der LINKEN)

Da sind wir bei einem weiteren Riesenproblem in der Schullandschaft, welches auch schon seit Jahrzehnten bekannt ist: die hierarchische und damit zwangsweise selektierende Mehrgliedrigkeit des Schulsystems.

Nähme man sich beider Probleme nun gezielt an, würde man das gemeinsame Lernen mit der Abschaffung der Selektion nach der 4. Klasse kombinieren, dann käme man zu dem Ergebnis, dass es keinen Grund gibt, warum nicht alle Kinder und Jugendlichen von der 1. bis zur 10. Klasse gemeinsam unterrichtet werden sollen. Nein, es gibt keinen Grund – aber viele Gründe, die dafür sprechen.

Wir alle wissen, das ist in vielen Studien nachgewiesen und inzwischen eine bildungspolitische Binsenwahrheit – daran werden auch Sie, Herr Schwarz, nicht vorbeikommen –, dass die Lehrerprognosen in der 3. und 4. Klasse in einem Zusammenhang mit der sozialen und ethnischen Herkunft der Kinder stehen und dass der Bildungserfolg besonders in Hessen sehr stark von dieser Herkunft abhängig ist. Mit einer Schule, in der alle von der 1. bis zur 10. Klasse gemeinsam lernen, aber unterschiedlich lernen, kann dieser Zusammenhang aufgehoben werden.

Meine Damen und Herren, dann brauchen wir eigenständige Oberstufenschulen, in die die Schülerinnen und Schüler nach der 10. Klasse wechseln, die dort ihr Abitur machen wollen. Diese Kollegs könnten auch durchaus zentraler angeboten werden, wie ja auch in der Begründung des Gesetzentwurfs der Kollegen der SPD für den ländlichen Raum argumentiert wird.

Deshalb ist das Ganze eine runde Sache, der man zustimmen sollte – das hätte eigentlich von uns kommen sollen.

(Armin Schwarz (CDU), zur SPD gewandt: Jetzt sollten Sie sich Gedanken machen!)

Noch kurz zu den Anträgen der FDP und der Regierungskoalition, die diese Debatte zu einer über den Bildungsgipfel machen wollen. Wir sind der Meinung, dass man über den Gipfel ausführlich und gut vorbereitet sprechen sollte, aber erst dann, wenn seine Ergebnisse vorliegen. Wir hoffen sehr, dass es dann viele weitsichtige, pädagogisch fundierte und an Bildungsgerechtigkeit orientierte Ergebnisse gibt und dass die Dissense, die es ebenfalls nicht zu knapp geben wird, nicht unter den Tisch gekehrt werden, sondern als ernst zu nehmende Herausforderung für uns alle im Parlament für die nächsten Jahre begriffen werden. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Wagner, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) fährt das Rednerpult hoch.)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieses Redepult ist der Beweis für das bildungspolitische Prinzip: „Jeden dort abholen, wo er steht“.