Protokoll der Sitzung vom 22.07.2015

(Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))

Ich glaube, wenn die statistische Schülerzahl für einen Grundkurs von 18,9 auf 19,9 und für einen Leistungskurs von 16,7 auf 17,7 steigt, dann ist das vertretbar.

(Anhaltende Zurufe von der SPD)

Wenn Sie davon reden, dass zukünftig in der Vielfalt überhaupt keine Kurse mehr angeboten werden können, dann ist das schlicht und ergreifend eine Unwahrheit von Ihnen, die ich nicht akzeptiere. Das will ich in aller Deutlichkeit gesagt haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD)

Kollege Schwarz, Sie müssen zum Schluss kommen.

Also: Ich glaube, zum Thema Wahrhaftigkeit brauchen wir uns nicht wechselseitig schlau zu reden. Ich weiß, wer die Wahrheit spricht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD – Gegenrufe von der CDU)

Vielen Dank, Kollege Schwarz. – Das Wort hat der Kollege Greilich, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Schwarz, Ihr Auftritt mit den beiden Reden eben war so, wie wir das von Ihnen gewohnt sind: nachdrücklich und mit einer gewissen Lautstärke vorgetragen; mit der Substanz war es ein bisschen schwierig.

(Beifall bei der FDP und der SPD – Zurufe von der CDU und der SPD)

Lieber Herr Kollege Schwarz, das passt genau zu dem, was Sie hier als Antrag, als Resümee dieses Bildungsgipfels

vorgelegt haben. Ich finde es bemerkenswert, dass man schon in den ersten zwei, drei Zeilen lesen kann, was für Sie das wesentliche Ergebnis aus zehn Monaten Arbeit vieler Menschen und dem entsprechenden Einsatz auch finanzieller Ressourcen dieser Landesregierung und dieses Landes ist. Sie schreiben:

Der Landtag begrüßt, dass die Landesregierung die Akteure im Bildungswesen und die Fraktionen des Landtags durch den Bildungsgipfel an einen Tisch gebracht hat, …

Meine Damen und Herren, man kann das nur so übersetzen: „Gut, dass wir einmal darüber geredet haben“. – Das reicht Ihnen offensichtlich.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe der Abg. Norbert Schmitt (SPD) und Armin Schwarz (CDU))

Unserem Anspruch an eine gute hessische Bildungspolitik genügt das nicht. Herr Kollege Schwarz, für das, was Sie in Ihrem Antrag in Ziffer 2 formuliert und auch vorgetragen haben, diese paar kleinen Minimalkonsense – das ist der Unterschied in der Bewertung –, hätten wir keinen Bildungsgipfel mit all diesem Aufwand gebraucht. Das bisschen hätte man auch auf andere Weise erreichen können.

(Beifall bei der FDP)

Es wäre nicht nur ein Zeichen von Größe sondern auch ein zielführender Weg gewesen, wenn die Landesregierung jetzt wenigstens darangehen würde, die Gründe für das Scheitern ehrlich zu analysieren, anstatt die Verantwortung einfach den anderen Teilnehmern zuzuschieben. Diese Oppositionsbeschimpfung ist einer Regierung und einer Regierungskoalition unwürdig.

(Beifall bei der FDP)

Ich kann nur sagen, es mutet mittlerweile verzweifelt an, mit welcher Vehemenz Sie sich an diese Minimalkonsense klammern. Die landesweiten Demonstrationen gegen die Stellenkürzungen an den gymnasialen Oberstufen Tausender Schüler und Eltern in der vergangenen Woche hätten für Union und GRÜNE eigentlich als deutliches Indiz für das Scheitern ihrer Bildungspläne ausreichen müssen. Die schwarz-grüne Koalition – das müssen wir heute feststellen – hat mit ihrer Bildungspolitik das Gegenteil von Schulfrieden geschaffen, und die Schüler, Eltern und Lehrer in Hessen werden die Leidtragenden sein.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren von der schwarz-grünen Koalition, geben Sie es endlich zu, Ihr Vorhaben ist krachend gescheitert. Der Versuch, Beschlüsse für die Bildungspolitik der kommenden zehn Jahre festzuschreiben, ist misslungen. Dafür tragen allein Sie die Verantwortung, auch wenn Sie noch so sehr versuchen, das anderen in die Schuhe zu schieben.

(Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hätten Sie gern!)

Frau Dorn, ich weiß, das würden Sie gern tun. Das kennen wir von Ihnen. – Dass es letztlich zu keiner Einigung gekommen ist, kann niemanden überraschen. Zum einen hat die Landesregierung zu keinem Zeitpunkt während dieser zehn Monate offene inhaltliche Diskussionen und bil

dungspolitische Debatten gesucht, sondern letztlich immer nur eine Selbstvergewisserung der eigenen Position.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Ernst-Ewald Roth (SPD))

Zum anderen – das wollen wir sehr deutlich festhalten – beschloss die Landesregierung exakt parallel zu den Verhandlungen wirklich weitreichende Änderungen für die hessische Schullandschaft im Alleingang, am Gipfel vorbei, und sorgte mit den Kürzungen bei der Lehrerzuweisung nicht nur bei den gymnasialen Oberstufen, sondern auch bei den Grundschulen dafür, dass unterschiedliche Schulformen und unterschiedliche Ziele in der Bildungspolitik gegeneinander ausgespielt werden. Schwarz-Grün hat den unter FDP-Verantwortung geschaffenen Schulfrieden und die Ruhe an den hessischen Schulen schlicht verzockt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Man kann das auch gut auf den Punkt bringen: Sie machen die Schulen, insbesondere die Gymnasien, endgültig zum Steinbruch Ihrer hessischen Regierungspolitik, und dann stellen Sie sich hierher und versuchen, die Lage schönzureden – ob das Herr Kollege Schwarz mit seinem Beitrag war oder ob es der Kultusminister an anderer Stelle war.

Ich habe mir das, weil es doch frappierend ist, einmal aus dem Pressespiegel herausgezogen, aus der „Fuldaer Zeitung“ vom 18.07.2015. Herr Minister, dort werden Sie unter der Überschrift „Kein Schüler wird weniger Unterricht erhalten“ mit dem Satz zitiert:

Kein Schüler, keine Schülerin wird durch die Stellenumlenkung weniger Unterricht erhalten. Im Wesentlichen werden nur die Kursgrößen im Schnitt geringfügig steigen.

Das hat auch Herr Schwarz gesagt. Freiwillige Zusatzangebote und Kleinstangebote für Leistungskurse müssen vielleicht auf den Prüfstand gestellt werden. Herr Minister, wenn man das als Verniedlichung der wahren Situation bezeichnet, dann ist das noch geschmeichelt; denn jeder, der weiß, was in den Schulen los ist, weiß natürlich, dass die Angebote insgesamt eingeschränkt werden, dass es keineswegs damit getan ist, dass da einmal die Schülerzahl in einem Kurs von 19 auf 21 ansteigt oder was auch immer, sondern dass Kurse wegfallen, dass das Angebot weniger vielfältig wird und dass auch die Ressourcen weg sind, um Vertretungsunterricht zu organisieren.

(Armin Schwarz (CDU): Nennen Sie doch einmal ein Beispiel!)

Das wird dann ganz konkret auch zu Unterrichtsausfall führen. – Herr Kollege Schwarz, genau das ist das Beispiel. Kommen Sie zur Kurzintervention, vielleicht können Sie dann noch etwas Substanzielles beitragen.

(Beifall bei der FDP)

Im Ergebnis bedeutet eine Kürzung der Lehrerzahl von 6 % an den gymnasialen Oberstufen – darauf läuft es hinaus – einen weitreichenden Wortbruch dieser Koalition, da durch diese Absenkung der Lehrerversorgung nicht nur die versprochene Aufrechterhaltung einer mindestens 104-prozentigen Lehrerversorgung schon nicht mehr gewährleistet ist, sondern auch die Versorgung an den gymnasialen Oberstufen unter die Marke von 100 % fällt. Das muss man sich einmal klarmachen. Wenn Sie von 104 % 6 % abziehen, dann haben Sie nicht einmal mehr die volle Lehrerversorgung von 100 %.

(Zuruf des Abg. Günter Schork (CDU))

Ja, Herr Schork, so einfach ist Mathematik. – Das muss man schon zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der FDP – Zurufe der Abg. Günter Schork und Peter Stephan (CDU))

Die Einschränkungen habe ich schon genannt. Es ist auch ein Problem, wenn man Taschenspielertricks macht, wie an den Grundschulen. Wir haben die Zahlen in einer Antwort des Kultusministers hier einmal lesen können.

Diese Koalition zieht 147 Stellen bei den Grundschulen ab. Die vorrangige Argumentation lautete: Wir wollen damit doch den Pakt für den Nachmittag gewährleisten. – Wie viele von den 147 Stellen kommen bei dem Pakt für den Nachmittag an? – Exakt 80,7 Stellen, teilt uns die Landesregierung mit. Das ist eine Mogelpackung, nichts anderes.

(Beifall bei der FDP)

Herr Minister, ich will das in aller Freundschaft und Kollegialität wiederholen. Wenn Sie sagen, das habe keine Auswirkungen auf den Unterricht, dann hat das vielleicht mit unserer Profession zu tun. Man sagt uns „judex non calculat“ nach. Das heißt, böse übersetzt: Juristen können nicht rechnen. Wenn das so ist, dann kann ich Ihnen nur den Rat geben, den auch ich als Bildungspolitiker beherzige. Wenn man als Jurist Bildungspolitik macht, kann man manches beurteilen, aber die Schulpraxis sollte man sich von den Schulpraktikern erklären lassen; dazu gibt es das Beispiel des exemplarischen Lernens. Ich bin Frau Krippner-Grimme, der Landesvorsitzenden des Deutschen Lehrerverbandes Hessen, sehr dankbar; sie hat das in einem Gespräch mit der „Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen“ eigentlich sehr schön auf den Punkt gebracht, wo sie sehr bildhaft und nachvollziehbar formuliert hat:

Wenn neue Häuser gebaut werden sollen, dann kann man nicht von bestehenden Häusern Flügel abreißen, um das neue Haus zu bauen, weil es sonst in die alten Häuser hineinregnet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das verstehen auch wir Juristen, oder wir sollten es zumindest verstehen, statt zu behaupten, es habe keine Auswirkungen. Es tut mir leid, das müssen Sie uns in der Tat noch sehr viel ausführlicher erklären. Ich weiß nicht, ob das gelingt; vielleicht lassen Sie das lieber, weil es vermutlich nicht gelingen wird.

(Beifall bei der FDP)

Ich will zum Abschluss einen weiteren Punkt ansprechen, weil es für das, was wir in Hessen auch außerhalb der üblichen bildungspolitischen Debatten zu stemmen haben, sehr wichtig ist. Wir haben eine große Zahl von jungen Menschen, die zu uns kommen, die aus Not und Armut oder vor Verfolgung fliehen und hier ohne ausreichende Deutschkenntnisse ankommen. Diese jungen Menschen müssen wir hier aufnehmen; für diese jungen Menschen müssen wir sorgen. Daher ist es ein miserables, gar ein erbärmliches Zeichen, wenn die Landesregierung in diesen Zeiten hergeht und die Seiteneinsteigerklassen reduziert bzw. dafür die Stundenzuweisung von 32 Stunden auf jetzt nur noch 25 Stunden reduziert und ankündigt, im nächsten Schuljahr solle es noch einmal auf 22 Stunden sinken, bei den Grundschulen sogar auf 18 Stunden.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Das ist genau das falsche Zeichen, das Sie an dieser Stelle setzen. Wenn Sie außerdem, wie angekündigt, noch bei den Intensivkursen kürzen, dann ist das ein weiteres schlechtes Zeichen. Man hört vom Wegfall zusätzlicher Stunden für minderjährige Flüchtlinge im Clearingverfahren. Wir stellen fest: Das großartig, über die Dauer von mehr als einem Jahr, angekündigte InteA-Programm greift schon, bevor es startet, viel zu kurz; mit 129 Gruppen wird es nicht ansatzweise gelingen. Mit dieser Politik versündigen Sie sich an jungen Menschen, und Sie versündigen sich mit dieser Politik an der Gesellschaft sowie an unserer Wirtschaft, die diese jungen Menschen dringend braucht.

(Beifall bei der FDP und der SPD)