Man kann dies nur so zusammenfassen – das ist mein letzter Satz –: Sie wollten sich als Gipfelstürmer feiern lassen, in die Geschichtsbücher gehen Sie aber allenfalls als tragisch abgestürzte Amateurkletterer ein.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem Bildungsgipfel ist ein zentrales Projekt der schwarz-grünen Landesregierung krachend gescheitert.
Man braucht auch gar nicht drum herum zu reden, nach dem Motto: „Gut, dass wir einmal darüber geredet haben“. Sie müssen sich an Ihren eigenen Ansprüchen messen lassen. Diese waren laut Koalitionsvertrag, mit allen an Schule Beteiligten und den Landtagsfraktionen „eine Vereinbarung über die Schulentwicklung in Hessen für die nächsten zehn Jahre zu erreichen“, um „Planungssicherheit zu geben“. Das ist gründlich schiefgegangen. Sie können den Oppositionsfraktionen jetzt natürlich vorwerfen, dass wir gar nicht an einer Einigung interessiert gewesen seien, wie es Herr Al-Wazir beim Bildungsgipfel und Herr Schwarz eben getan hat.
weil uns sonst ein Wahlkampfthema verloren gegangen wäre. – Erstens seien Sie gewiss, diese Koalition verbockt derzeit so viel, dass es mit Sicherheit keinen Mangel an Wahlkampfthemen geben wird.
Zweitens ist das nach einem siebenmonatigen Prozess, an dem sich alle Beteiligten mit sehr viel Engagement eingebracht haben, schon eine ziemlich unverschämte Unterstellung. Herr Kollege Schwarz, ich will Sie nur freundschaftlich auf einen argumentativen Widerspruch hinweisen. Man kann sich hierhin stellen und sagen: „Der Bildungsgipfel war ein Erfolg“. Wenn man dann aber zwei Sätze später sagt, dass die Opposition für das Scheitern verant
wortlich sei, ist das zumindest keine geschlossene Argumentation in sich. Da sollten Sie vielleicht noch einmal etwas an Ihrer Sprachregelung feilen.
Vor allem aber werden Sie der breiten Kritik, die es von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Bildungsgipfels gegeben hat, überhaupt nicht gerecht. Ich möchte diesen ausdrücklich für ihre Beteiligung und ihr Engagement danken. Fakt ist, dass dieser Bildungsgipfel nicht an der Opposition gescheitert ist, sondern am Verhalten der Regierung. Sowohl die Landesschülervertretung als auch die Gewerkschaften und der Landeselternbeirat haben das Abschlusspapier nicht unterschrieben. Auch gab es breite Kritik von den Ausländerbeiräten über die Personalräte bis hin zum Philologenverband. Diese inhaltlichen Differenzen ließen sich auch nicht mit der gewieften Moderation durch die Ministerien wegmoderieren. Es saßen 40 Menschen mit am Tisch; hiervon vertraten drei die Opposition. Jetzt also zu sagen, das Scheitern hätte wahlkampftaktische Gründe, ist doch wirklich eine absolut lächerliche Argumentation.
Der erste Grund sind die bildungspolitischen Fossilien in der CDU. Wenn man andere beteiligen will, setzt das eben voraus, dass man bereit ist, seine eigenen, zumal sehr antiquierten Positionen infrage zu stellen. Dazu waren die CDU-Hardliner in der Bildungspolitik nicht bereit. Sie halten an pädagogisch völlig veralteten Konzepten und an einem Schulsystem aus dem Kaiserreich fest.
Dass der Bildungsgipfel eine reine Scheinpartizipation ist, hat niemand so deutlich gemacht wie der Ministerpräsident bei seinem Auftritt bei der Jungen Union, als er sich kurz vor dem Abschluss des Bildungsgipfels hinstellte und erklärte, dass sich die CDU – ich zitiere – „keinen Millimeter von der Grundlinie“ entfernen würde.
Meine Damen und Herren, das zeigt doch, was dieser Bildungsgipfel wirklich sein sollte, nämlich eine Alibiveranstaltung, die noch dazu die demokratisch eingesetzte Enquetekommission aushebeln sollte. Zehn Monate Beschäftigung für nichts, „für keinen Millimeter Fortschritt“, um beim Vokabular des Ministerpräsidenten zu bleiben. Und das liegt in allererster Linie an der CDU.
Wenn Herr Irmer jetzt in den Bundestag strebt, wie nachzulesen war, und sich die CDU-Fraktion mit den Worten freut, dass „die Bundespolitik mit ihm einen hervorragenden Bildungspolitiker erhalten“ würde, spricht das Bände. Ganz ehrlich, wer Herrn Irmer für einen hervorragenden Bildungspolitiker hält, dem ist nicht mehr zu helfen.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Manfred Pentz (CDU): Ja, ist er! Im Gegensatz zu Ihnen ist er ein hervorragender Bildungspolitiker!)
Der zweite Grund für das Scheitern ist Ihr aktuelles Regierungshandeln, Herr Minister. Wenn Sie nämlich auf der einen Seite erklären, dass Sie Planungssicherheit geben wollten, bei der Lehrerzuweisung und der Beamtenbesoldung aber gleichzeitig kürzen, dürfen Sie sich doch nicht wundern, dass es keinerlei Vertrauensbasis für gemeinsame Vereinbarungen gibt. Sie halten sich ja nicht einmal an Ihren eigenen Koalitionsvertrag, in dem steht:
Von Verlässlichkeit kann keine Rede sein, wenn man eine faktische Stellenkürzung an Grundschulen und gymnasialen Oberstufen vornimmt, und das noch während sich Lehrerinnen und Lehrer und die Schülerinnen und Schüler in den einzelnen Arbeitsgruppen des Bildungsgipfels intensiv bemühen, gute Vorschläge für die Verbesserung des hessischen Schulsystems zu machen.
Das ist kein Angebot für einen Schulfrieden, das ist eine Kampfansage an die Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler und Eltern in diesem Land. Eine solche Stellenkürzung bei den Zusatzaufgaben, die den Lehrkräften aufgebürdet werden, ist völlig unverantwortlich. Uns alle erreichen Zuschriften von Schulen, die ausgerechnet haben, dass es im kommenden Jahr bis zu zwei Lehrerstellen weniger gibt. Herr Schwarz, Sie können sich vor die betroffenen Schülerinnen und Schüler stellen und sagen: Euer Lehrer ist nicht weg, er ist leider nur woanders.
Auf dem Rücken von Grundschülern, auf dem Rücken von Oberstufenschülern und auf dem Rücken von Lehrkräften Lehrerstellen in betroffene andere Bereiche umzuverteilen, hat mit Gerechtigkeit nichts zu tun. Ja, wir brauchen Lehrerinnen und Lehrer für echte Ganztagsschulen. Ja, wir brauchen Lehrkräfte, um Flüchtlingen gute Bildungschancen anbieten zu können. Aber diese brauchen wir zusätzlich. Sie dürfen doch nicht an anderer Stelle abgezogen werden, wo auch ein Mehrbedarf besteht.
Was sollen die Schulleiter denn in dieser Situation machen? Sie können die bestehenden Kurse vergrößern, sie können dafür sorgen, dass Kurse wegfallen, oder es geht eben doch zulasten anderer Jahrgänge. Alles das ist doch keine sinnvolle Politik. Mit dieser Politik, mit diesen Kürzungen verschlechtern Sie die Arbeitsbedingungen der Lehrerinnen und Lehrer nur noch weiter.
Der Bildungsgipfel hat für uns an zwei zentralen Stellen keinerlei Verbesserungen gebracht, nämlich beim Thema soziale Gerechtigkeit und beim Thema Finanzierung. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir keine Vereinbarung des Bildungsgipfels unterschreiben werden, die das Problem der sozialen Ungerechtigkeit im Bildungssystem nicht angeht.
2013 stellte eine OECD-Studie fest, dass die größten Bildungsbenachteiligungen in den USA und in Deutschland vorzufinden sind. Das geht sogar so weit, dass die OECD einen Verstoß gegen das Grundgesetz sieht, das ausdrücklich vorsieht, dass niemand aufgrund seiner sozialen Herkunft benachteiligt werden darf. Genau das geschieht im deutschen Bildungssystem. Das starre Festhalten an der Mehrgliedrigkeit und der frühen Auslese zementiert die soziale Ungerechtigkeit und die vorhandenen Bildungsbenachteiligungen. Das belegen alle internationalen Studien. Die soziale Herkunft entscheidet über Bildungsbiografien. Das ist gerade in Hessen besonders ausgeprägt. Wenn sich ein Bildungsgipfel dieser zentralen Frage nicht annimmt, dann frage ich Sie: Wofür wird er dann gebraucht?
Wir wollen eine Bildungspolitik, die Bildung als ein Menschenrecht begreift. Wir wollen, dass der Zugang zu Bildung unabhängig von der Herkunft ist, dass Kinder mit Migrationshintergrund, Kinder aus Nicht-Akademikerfamilien und Kinder aus finanzschwachen Familien nicht weiter benachteiligt werden. Aber die CDU war nicht bereit, auch nur winzige Schritte in diese Richtung zu gehen, sich vielleicht einmal von der Hauptschule zu verabschieden oder irgendwelche Schritte für ein längeres gemeinsames Lernen zu unternehmen. Es muss ja nicht gleich bis zur 10. Klasse sein. Die CDU hat sich keinen Millimeter bewegt.
Wir reden seit Jahren über den Ausbau echter Ganztagsschulen. Auch hier passiert nichts. Von 1.200 Grundschulen, die wir in Hessen haben, sind gerade einmal fünf gebundene Ganztagsschulen. Sie kommen mit einem Pakt für den Nachmittag, der eine Mogelpackung ist und der die Verantwortung einfach nur auf die Eltern und die Kommunen abschiebt. Dabei wäre das gerade im Grundschulbereich, wo viele Eltern ein Betreuungsproblem haben, wichtig.
Wir brauchten in Hessen einen Plan zur Umsetzung der Inklusion. Auch das fehlt bisher. Das Problem ist, dass das alles nicht ohne zusätzliche finanzielle Mittel geht. Auch da sprechen die Zahlen der OECD Bände. Der Anteil des Bruttoinlandprodukts, den Deutschland in die Bildung steckt, ist unterdurchschnittlich. Deswegen muss mehr Geld in die Bildung fließen. Das Thema Ressourcen und zusätzliche finanzielle Mittel ist auf dem Bildungsgipfel vollkommen ausgeklammert gewesen. Das ist genau das Problem.
CDU und GRÜNE sprechen jetzt von einem Schulfrieden. Ich sage Ihnen: Sie werden keinen Schulfrieden mit einem Schulsystem schaffen, das auf sozialer Auslese beruht und in dem der Bildungserfolg so stark von der Herkunft abhängt wie in kaum einem anderen Industrieland.
Im Koalitionsvertrag wird der Schulkampf der letzten Jahre beklagt. Ich will noch einmal deutlich fragen: Wer hat den denn geführt? Wer hat in diesem Land einen Schulkampf geführt? – Die größten bildungspolitischen Verwerfungen der letzten Jahre waren die Einführung von G 8, die sogenannte Unterrichtsgarantie plus und die Einführung der Studiengebühren. Alles eingeführt von der CDU, die jetzt heuchlerisch von einem Schulfrieden und davon spricht, den Schulkampf beenden zu wollen.
Sie haben den Schulkampf hier geführt. Sie haben entgegen allen Warnungen und allen Widerständen G 8, die Unterrichtsgarantie plus und die Studiengebühren eingeführt. Deswegen ist es einfach nicht glaubwürdig, wenn Sie sich jetzt hierhin stellen und sagen, Sie wollten einen Schulkampf beenden.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Mit der aktuellen Stellenkürzung bringen Sie erneut Unsicherheit an die Schulen. Mit Planungssicherheit hat das nichts zu tun. Wenn der Bildungsgipfel nicht völlig verpuffen soll, nehmen Sie wenigstens diese Kürzungen zurück. Das wäre das Mindeste. Das wäre den Lehrerinnen und Lehrern, den Schülerinnen und Schülern und auch den Eltern sehr viel mehr wert als die warmen Worte des Dankes. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Redebeiträge der Opposition haben heute Morgen gezeigt, wo die Schwierigkeiten in diesem Bildungsgipfel lagen. Der Opposition ging es in diesem Prozess nie um die Sache, sondern immer um Schwarz-Grün. Uns als Regierungskoalition ging es darum, die Schulen voranzubringen. Der Opposition ging es um parteitaktische Spielchen. Das hat diese Debatte noch einmal eindringlich gezeigt.
Wir als schwarz-grüne Koalition haben zu Beginn der Legislaturperiode alle Akteure des Bildungswesens an einen Tisch gerufen, um gemeinsam mit ihnen zu beraten, was die Herausforderungen unseres Bildungswesens sind, welche Lösungsvorschläge und welche Ideen zur Weiterentwicklung des Bildungswesens es gibt. Es ging auch um die Frage, ob man sich auf ein paar Dinge in diesem Bildungswesen einigen kann.